TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/31 L502 2136515-1

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Veröffentlicht am 31.10.2019
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Entscheidungsdatum

31.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L502 2136515-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE-Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2016, FZ. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.06.2019 zu Recht erkannt und beschlossen:

A)

1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III, erster Satz, des Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III, zweiter Satz, des Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX alias XXXX gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

3. Gemäß § 55 Abs. 1 Z. 2 AsylG wird XXXX alias XXXX eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

4. Spruchpunkt III, dritter Satz, und Spruchpunkt IV des Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Das Verfahren wird hinsichtlich Spruchpunkt I und II eingestellt.

C)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 05.09.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am gleichen Tag erfolgte seine Erstbefragung, in der Folge wurde das Verfahren zugelassen und an der Regionaldirektion Burgenland des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) fortgeführt.

3. Am 07.03.2016 legte er dem BFA verschiedene Identitätsnachweise (Staatsbürgerschaftsnachweis, irakischer Führerschein) jeweils in Kopie vor.

4. Am 04.05.2016 legte er dem BFA eine Sprachkursbestätigung, einen irakischen Gewerkschaftsausweis und ein irakisches Hochschulabschlusszeugnis jeweils in Kopie vor.

5. Am 07.09.2016 wurde er vor dem BFA zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen.

Dabei legte er weitere Beweismittel (Ausbildungsnachweise) und Integrationsnachweise (Kursteilnahmebestätigungen, Sprachzeugnis, Volontariatsbewilligung des AMS) vor.

6. Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde vom 15.09.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

7. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 19.09.2016 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

8. Gegen den ihm am 19.09.2016 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner vormaligen Vertretung vom 30.09.2016 in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

9. Mit 06.10.2016 langte die Beschwerdevorlage des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Gerichts zugewiesen.

10. Mit 15.05.2017, 27.11.2017 und 11.06.2019 langten weitere Integrationsnachweise (Kursbesuchsbestätigungen, Nostrifikationsurkunde, Bewerbungsbestätigung, Sprachzeugnis, Empfehlungsschreiben) des BF beim BVwG ein.

11. Das BVwG führte am 12.06.2019 eine mündliche Verhandlung in der Sache des BF in dessen Anwesenheit und der seiner nunmehrigen Vertretung durch.

Das Gericht führte länderkundliche Informationen in das Verfahren ein.

12. Mit 29.07.2019, 07.08.2019 und 28.10.2019 langten Nachweise über eine Beschäftigungsaufnahme des BF beim BVwG ein.

13. Mit Eingabe seines Vertreters vom 30.10.2019 zog der BF die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und II des bekämpften Bescheides zurück.

14. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Zentralen Melde- sowie des Strafregisters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität feststeht, ist irakischer Staatsangehöriger, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der schiitischen Glaubensgemeinschaft und ledig.

Er stammt aus der Stadt XXXX in der südirakischen Provinz XXXX , wo er bei seiner Herkunftsfamilie aufwuchs und von 1996 bis 2002 die Grund- sowie von 2002 bis 2008 die Mittelschule besuchte. Ein Studium an der Universität XXXX für Bauingenieurwesen schloss er 2012 erfolgreich ab.

In Diwanyia halten sich noch der Vater, zu dem der BF seit der Scheidung der Ehe seiner Eltern im Jahr 2007 kaum Kontakt hat, und eine jüngere Schwester des BF, mit der er in regelmäßigem Kontakt steht, auf. Die Mutter verstarb im Jahr 2011. Diese Schwester ist wie deren Gatte in einer städtischen Klinik als Ärztin beschäftigt. Eine ältere Schwester lebt in Australien. Entferntere Verwandte des BF leben in XXXX und XXXX .

Nach seinem Studienabschluss war der BF bis 2014 bei mehreren Baufirmen als Bauingenieur beschäftigt. Im Jänner 2014 begann er bei der städtischen Verwaltung von XXXX in einer Abteilung zu arbeiten, die sich mit Grundstücksangelegenheiten bzw. -zuteilungen, Baubewilligungen, Aufsicht bei Bau- und Straßenprojekten und dergleichen befasste.

Im August 2015 verließ er ausgehend von XXXX den Irak auf legale Weise unter Verwendung seines irakischen Reisepasses in die Türkei und reiste in der Folge schlepperunterstützt über Griechenland und den Balkan bis Österreich, wo er nach illegaler Einreise am 05.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Der BF bezieht seit der Einreise bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und bewohnt eine private Unterkunft gemeinsam mit zwei weiteren Mitbewohnern.

Sein im Irak erworbener akademischer Grad des Bauingenieurs (Bachelor in Civil Engineering) der Universität XXXX vom 05.12.2012 wurde mit 08.08.2017 vom österr. B.M. f. W.F.W. anerkannt. Er nahm an Lehrveranstaltungen der Technischen Hochschule Wien teil. Er absolvierte auf der Grundlage einer Bewilligung des AMS ein dreimonatiges Volontariat in einem Architekturbüro. Er absolvierte ein Bewerbungsverfahren bei der Baufirma XXXX , wo ihm eine Beschäftigung in Aussicht gestellt wurde.

Er geht aktuell auf der Grundlage einer saisonalen Beschäftigungsbewilligung einer Teilzeitbeschäftigung als Stallarbeiter nach, aus der er ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 530,- bezieht.

Er betätigte sich ehrenamtlich in verschiedenen Sozialprojekten und als Dolmetscher und pflegt im Übrigen vielfältige soziale Kontakte.

Er leidet aktuell an keinen gravierenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankungen und ist voll erwerbsfähig.

Er besuchte in Österreich mehrere Sprachkurse bis zum Niveau B2.1 und legte die Sprachprüfungen auf dem Niveau A1 und A2 und die Sprach- und Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 erfolgreich ab. Er verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache für den Alltagsgebrauch und spricht Arabisch auf muttersprachlichem Niveau.

Er ist bis dato in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie der vom BF vorgelegten Beweismittel, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Einsichtnahme in vom BVwG beigeschafften länderkundlichen Informationen sowie die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.

2.2. Identität und Staatsangehörigkeit, regionale Herkunft und ethnische Zugehörigkeit des BF waren anhand seiner persönlichen Angaben in Verbindung mit den von ihm vorgelegten Identitätsnachweisen feststellbar.

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des BF, zu seinen früheren Lebensumständen sowie denen seiner Verwandten vor seiner Ausreise aus dem Irak, zum Reiseverlauf zwischen dem Irak und Österreich, zu seinen aktuellen Lebensumständen und denen seiner Verwandten, seinen Integrationsbemühungen, seinem Gesundheitszustand und seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit in Österreich stützen sich in letztlich unstrittiger Weise auf seine persönlichen Angaben und Beweismittelvorlagen vor dem BFA und dem BVwG sowie die vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

3.1. § 10 AsylG lautet:

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. ...

2. ...

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. ...

5. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird ...

§ 57 AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

§ 58 AsylG 2005 lautet:

(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. ...

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

(2) ...

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

§ 52 FPG lautet:

(1) ...

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. ...

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ...

4. ...

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

§ 9 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Art. 8 EMRK lautet:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

§ 55 FPG lautet:

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) ...

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

3.2. Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde vom BFA zu Recht gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde zurückgezogen, womit die erstinstanzliche Entscheidung in Rechtskraft erwuchs. Die Einreise des BF in das Gebiet der europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Bisher stützte sich dessen Aufenthalt im Bundesgebiet alleine auf die Bestimmungen des AsylG für die Dauer seines nunmehr abgeschlossenen Verfahrens. Ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt des BF im Bundesgebiet mehr vor und fällt er damit nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.

Es lagen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 war diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

3.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts des BF auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

die Bindungen zum Heimatstaat,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).

In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beeinträchtigt das Recht auf Privatsphäre eines Asylantragstellers dann in einem Maße, der sie als Eingriff erscheinen lässt, wenn über jemanden eine Ausweisung verhängt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begründet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschließlich solcher beruflicher und geschäftlicher Art zu begründen (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

3.4. Der BF hat im Beschwerdeverfahren keine relevanten familiären Anknüpfungspunkte hierorts ins Treffen geführt.

Es war damit nicht vom Bestehen einer familiären Nahebeziehung des BF iSd Judikatur des EGMR zu Art. 8 EMRK in Österreich auszugehen und greift eine gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung daher nur in seine durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtssphäre im Hinblick auf sein Privatleben ein.

3.5. Der BF hält sich seit der nicht rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet im September 2015, sohin seit mehr als vier Jahren faktisch im Bundesgebiet auf.

Er war seit der Antragstellung im Gefolge der Einreise als Asylwerber in Österreich bloß vorübergehend aufenthaltsberechtigt. Das Gewicht seines bisherigen Aufenthalts in Österreich war auch dadurch abgeschwächt, dass er seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte, er konnte alleine durch die Stellung dieses Antrags nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung des Aufenthalts ausgehen.

Er bezieht zwar seit der Einreise bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber seinen Lebensunterhalt, geht aber aktuell auf der Grundlage einer saisonalen Beschäftigungsbewilligung einer Teilzeitbeschäftigung als Stallarbeiter nach, aus der er ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 530,- bezieht.

Sein im Irak erworbener akademischer Grad des Bauingenieurs (Bachelor in Civil Engineering) der Universität XXXX vom 05.12.2012 wurde mit 08.08.2017 vom österr. B.M. f. W.F.W. anerkannt. Er nahm an Lehrveranstaltungen der Technischen Hochschule Wien teil. Er absolvierte auf der Grundlage einer Bewilligung des AMS ein dreimonatiges Volontariat in einem Architekturbüro. Er absolvierte ein Bewerbungsverfahren bei der Baufirma XXXX , wo ihm eine Beschäftigung in Aussicht gestellt wurde.

Er betätigte sich ehrenamtlich in verschiedenen Sozialprojekten und als Dolmetscher und pflegt im Übrigen vielfältige soziale Kontakte.

Er leidet aktuell an keinen gravierenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankungen und ist voll erwerbsfähig.

Er besuchte in Österreich mehrere Sprachkurse bis zum Niveau B2.1 und legte die Sprachprüfungen auf dem Niveau A1 und A2 und die Sprach- und Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 erfolgreich ab. Er verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache für den Alltagsgebrauch und spricht Arabisch auf muttersprachlichem Niveau.

3.6. Im Hinblick auf diese Ausgangslage das Privatleben des BF im Bundesgebiet betreffend war zu konstatieren, dass ihm zum einen in sprachlicher Hinsicht eine sukzessive Integration gelang und er ausgezeichnete Kenntnisse der deutschen Sprache erwarb, die er auch in der Ablegung von mehreren Sprachprüfungen demonstrierte.

Zum anderen zeichnete sich sein Aufenthalt durch das fortgesetzte Bemühen um eine berufliche Integration aus, indem er seine bereits im Irak erworbene akademische Ausbildung in Österreich nostrifizieren konnte, Lehrveranstaltungen an der technischen Hochschule besuchte und insbesondere seine beruflichen Fähigkeiten auch in der Praxis im Rahmen eines Volontariats in einem Architekturbüro demonstrierte, welches ihm eine schnelle und fachlich versierte Einbindung in die dortigen Arbeitsabläufe attestierte. Nicht zuletzt gelang es ihm auch ein Einstellungsangebot eines bekannten Baukonzerns für eine Tätigkeit auf höherer Ebene zu erlangen. Angesichts dessen war davon auszugehen, dass er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit, für den Fall seines legalen Aufenthalts, auf der Grundlage seiner beruflichen Qualifikation eine Integration in den einschlägigen Arbeitsmarkt vollziehen kann, mit der seine Selbsterhaltungsfähigkeit einhergeht. Um seine besondere Motivation diesbezüglich zu demonstrieren nahm er zuletzt noch eine saisonale Beschäftigung als Stallarbeiter auf.

Im Übrigen betätigte er sich ehrenamtlich in verschiedenen Sozialprojekten und als Dolmetscher und pflegt vielfältige soziale Kontakte.

Diesen privaten Interessen des BF in Österreich stehen wiederum die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der strafrechtlichen und der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.

Hinsichtlich des Umstandes, dass sich der BF in Österreich wohl verhalten hat, ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420).

3.7. Nach Maßgabe einer Abwägung dieser Interessen im Sinne des § 9 BFA-VG gelangte das erkennende Gericht zur Überzeugung, dass in einer Zusammenschau der faktischen Aufenthaltsdauer von über vier Jahren und der vom BF erzielten außergewöhnlichen Integrationsleistungen in sprachlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht sowie der daraus resultierenden Perspektive seiner Selbsterhaltungsfähigkeit auf hohem beruflichem Niveau die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn eine Verletzung des Art. 8 EMRK bewirkt und sohin gemäß § 9 Abs. 1 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

4.1.

§ 55 AsylG lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1.-dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.-der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

§ 58 Abs. 2 AsylG lautet:

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

§ 9 Abs. 4 Z. 1 IntG lautet:

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt.

§ 11 IntG lautet:

(1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt.

Gemäß § 5 Abs. 2 ASVG liegt kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mehr vor, wenn daraus im Kalendermonat ein höheres Entgelt als ca. 450,- gebührt.

4.2. Nachdem festzustellen war, dass der BF zum einen aktuell ein monatliches Netto-Einkommen aus legaler unselbständiger Erwerbstätigkeit erzielt, das über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG zu liegen kommt, und er zum anderen das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt, lagen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 Z. 2 AsylG vor.

5. Der Beschwerde war im Hinblick auf diese Erwägungen daher hinsichtlich Spruchpunkt III, zweiter Satz, des Bescheides stattzugeben und festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und war ihm gemäß § 55 Abs. 1 Z. 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

6. Spruchpunkt III, dritter Satz, mit dem gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist, und Spruchpunkt IV, mit dem gemäß § 55 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt wurde, waren im Hinblick auf die Erteilung des Aufenthaltstitels ersatzlos zu beheben.

7. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Behebung der Entscheidung Berufsausübung Deutschkenntnisse Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung Nostrifizierung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Sprachkenntnisse Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L502.2136515.1.00

Im RIS seit

23.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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