TE Vwgh Beschluss 2015/4/22 Ro 2015/16/0001

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Veröffentlicht am 22.04.2015
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Index

L10018 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Vorarlberg
L34008 Abgabenordnung Vorarlberg
L37168 Kanalabgabe Vorarlberg
L82308 Abwasser Kanalisation Vorarlberg
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

AbgabenG Vlbg 2010 §5
B-VG Art116 Abs2
B-VG Art118
B-VG Art119
B-VG Art119a
B-VG Art119a Abs9
B-VG Art120b Abs1
B-VG Art130 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs6 Z1
B-VG Art133 Abs8
GdG Vlbg 1985 §92 Abs4
KanalisationsG Vlbg 1989
VwGG §34 Abs1

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2014/17/0146 B 22.06.2016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision der Stadt Dornbirn, vertreten durch Dr. Stefan Denifl, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Marktplatz 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 16. Oktober 2014, Zl. LVwG-328-002/R10-Ü-2014, betreffend Kanalisations-Erschließungsbeitrag, (mitbeteiligte Partei: Mag. S H in B, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1), den Beschluss gefasst:

Spruch

Begründung

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2013 setzte der Bürgermeister der revisionswerbenden Stadt gegenüber dem Mitbeteiligten einen Kanalisations-Erschließungsbeitrag hinsichtlich eines näher bezeichneten Grundstückes in näher angeführter Höhe fest.

Dagegen berief der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 2. September 2013.

Die Abgabenkommission der revisionswerbenden Stadt gab mit Bescheid vom 12. Dezember 2013 der Berufung keine Folge.

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2013 erhob der Mitbeteiligte dagegen Beschwerde.

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hob mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 16. Oktober 2014 den bekämpften Bescheid der Abgabenkommission auf und sprach aus, dass eine (ordentliche) Revision zulässig sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision der Stadt Dornbirn, in welcher die Verletzung im subjektiven Recht auf "Festsetzung und Erhalt der Abgabe (Kanalisationserschließungsbeitrag)" behauptet wird.

Der Mitbeteiligte brachte eine Revisionsbeantwortung ein, in welcher er die kostenpflichtige Zurückweisung eventualiter Abweisung der Revision beantragt.

Im fünften Hauptstück (Selbstverwaltung) Abschnitt A (Gemeinden) des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) lautet der Art. 116:

"Artikel 116. (1) Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören.

(2) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.

....."

Bis zur mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, lauteten Art. 118 und 119a B-VG auszugsweise:

"Artikel 118.

.....

(4) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und - vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 119a Abs. 5 - unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Art. 119a) zu. Die Bestimmungen des Art. 12 Abs. 2 bleiben unberührt.

.....

Artikel 119a.

.....

(5) Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges (Art. 118 Abs. 4) innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Diese hat den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Für Städte mit eigenem Statut kann die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) anordnen, dass die Vorstellung an die Aufsichtsbehörde nicht stattfindet.

.....

(9) Die Gemeinde hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.

....."

Art. 118 und Art. 119a B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 lauten nunmehr:

"Artikel 118.

.....

(4) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches besteht ein zweistufiger Instanzenzug; dieser kann gesetzlich ausgeschlossen werden. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches kommt dem Bund und dem Land ein Aufsichtsrecht über die Gemeinde (Art. 119a) zu.

.....

Artikel 119a. (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.

(2) Das Land hat ferner das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.

(3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu; das Aufsichtsrecht ist von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben.

(4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen.

(5) [Anm.: aufgehoben durch BGBl I Nr 51/2012]

(6) Die Gemeinde hat im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnungen der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordnungen nach Anhörung der Gemeinde durch Verordnung aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen.

(7) Sofern die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) als Aufsichtsmittel die Auflösung des Gemeinderates vorsieht, kommt diese Maßnahme in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Landes der Landesregierung, in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Bundes dem Landeshauptmann zu. Die Zulässigkeit der Ersatzvornahme als Aufsichtsmittel ist auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken. Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben.

(8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt.

(9) Die Gemeinde ist Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens und hat das Recht, Beschwerde beim Verwaltungsgericht (Art. 130 bis 132) zu erheben. Sie ist Partei des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und hat das Recht, Revision beim Verwaltungsgerichtshof (Art. 133) und Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (Art. 144) zu erheben.

(10) Die Bestimmungen dieses Artikels sind auf die Aufsicht über Gemeindeverbände, soweit diese Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde besorgen, entsprechend anzuwenden."

Bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 lautete im siebenten Hauptstück (Garantien der Verfassung und Verwaltung) im Abschnitt C. (Verwaltungsgerichtshof) des B-VG der Art. 131:

"Artikel 131.

(1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:

1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges;

2. .....

(2) Unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als den in Abs. 1 angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind, wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt.

(3) ....."

Nunmehr lauten die maßgeblichen Bestimmungen des B-VG idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012:

"Siebentes Hauptstück

Garantien der Verfassung und Verwaltung

A. Verwaltungsgerichtsbarkeit

.....

Artikel 132.

(1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:

1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;

2 .....

(2) .....

(5) Wer in anderen als den in Abs. 1 und 2 genannten Fällen und in Fällen, in denen ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vorsieht, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben kann, bestimmen die Bundes- oder Landesgesetze.

(6) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden.

Artikel 133.

(1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt über

1. Revisionen gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit;

2 .....

.....

(6) Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben:

1. wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;

2. die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht;

3. der zuständige Bundesminister in den im Art. 132 Abs. 1 Z 2 genannten Rechtssachen;

4. der Landesschulrat auf Grund eines Beschlusses des Kollegiums in den im Art. 132 Abs. 4 genannten Rechtssachen.

(7) .....

(8) Wer in anderen als den in Abs. 6 genannten Fällen wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben kann, bestimmen die Bundes- oder Landesgesetze.

(9) Auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Artikels sinngemäß anzuwenden. Inwieweit gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Revision erhoben werden kann, bestimmt das die Organisation und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes regelnde besondere Bundesgesetz."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Vorarlberger Gesetzes über öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen (Kanalisationsgesetz - KanalG.), LGBl Nr. 5/1989 lauten:

"4. Abschnitt

Kanalisationsbeiträge

§ 11

Allgemeines

(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, durch Verordnung der Gemeindevertretung im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zur Deckung der ihnen durch die Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage erwachsenden Kosten Kanalisationsbeiträge zu erheben.

(2) .....

(3) Kanalisationsbeiträge sind der Erschließungsbeitrag, der Anschlussbeitrag, der Ergänzungsbeitrag und der Nachtragsbeitrag.

.....

§ 13

Erschließungsbeitrag

.....

§ 24 [Anm.: idF des Landesgesetzes LGBl. Nr. 72/2012]

Behörden, eigener Wirkungsbereich

(1) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, der Bürgermeister.

(2) Die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinde sind solche des eigenen Wirkungsbereiches.

....."

Gemäß § 13 Abs. 1 des Vorarlberger Gesetzes über die Organisation der Gemeindeverwaltung (Gemeindegesetz - GG.), LGBl. Nr. 40/1985, kann die Landesregierung durch Verordnung bestimmten Gemeinden das Recht zur Führung der Bezeichnung "Stadt" verleihen.

Im IV. Hauptstück (Organe der Gemeinde) 1. Abschnitt (Allgemeines) des Vorarlberger GG. lautet der § 26 samt Überschrift:

"§ 26

Bezeichnung der Organe

(1) Organe der Gemeinde sind
a) der Gemeinderat, der die Bezeichnung "Gemeindevertretung" führt,
b) der Gemeindevorstand,
c) der Bürgermeister,
d) die Ausschüsse gemäß § 51 Abs. 3 und
e) die Berufungskommissionen.

(2) In anderen Gesetzen begründete Organe der Gemeinde bleiben unberührt."

Im VI. Hauptstück (Aufsicht über die Gemeinde) lautet der § 92 samt Überschrift auszugsweise:

"§ 92

Aufsichtsbehörde und Verfahren

(1) Aufsichtsbehörde im Sinne dieses Gesetzes ist .....

.....

(4) Die Gemeinde ist Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens und hat das Recht, Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht zu erheben (Art. 130 bis 132 B-VG). Sie ist Partei des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht und hat das Recht, Revision beim Verwaltungsgerichtshof (Art. 133 B-VG) und Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (Art. 144 B-VG) zu erheben.

(5) ....."

Gemäß seinem § 1 Abs. 1 regelt das Vorarlberger Gesetz über die Behörden und das Strafrecht in Abgabensachen (Abgabengesetz - AbgG), LGBl. Nr. 56/2009, welche Behörden des Landes und der Gemeinde zur Verwaltung, insbesondere zur Vorschreibung, Einhebung und Vollstreckung der Abgaben zuständig sind.

Zur Verwaltung, einschließlich der Vollstreckung der Gemeindeabgaben sind gemäß § 5 des Vorarlberger AbgG in erster Instanz der Bürgermeister und in zweiter Instanz die Abgabenkommission zuständig.

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist der Umfang des aufsichtsbehördlichen Verfahrens insofern deutlich verringert worden und das gegen letztinstanzliche Gemeindebescheide im eigenen Wirkungsbereich vorgesehene Vorstellungsverfahren entfallen. Dieses wurde durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren ersetzt (vgl. die ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 11f; zur gerichtlichen Kontrolle gemeindebehördlicher Entscheidungen im eigenen Wirkungsbereich vgl. auch Leeb in Kommunalwissenschaftliche Gesellschaft [Hrsg], Verwaltungsreform - Verwaltungsgerichtsbarkeit [2014], 38, und Eberhard aaO, 55), in dem die Gemeindebehörde als belangte Behörde Parteistellung hat (s § 18 VwGVG und - wie im Revisionsfall - für Abgabeverfahren § 265 Abs. 5 BAO).

Gemeinden haben nach Art. 119a Abs. 9 B-VG das Recht, gegen aufsichtsbehördliche Bescheide Beschwerde an die Verwaltungsgerichte und gegen deren Entscheidung Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben (vgl. Thienel in Bußjäger/Gamper/Ranacher/Sonntag, Die neuen Landesverwaltungsgerichte, 201ff [209f], der diese Revision unter den "Amtsrevisionen" aufzählt).

Die Entscheidung von Verwaltungsgerichten über Beschwerden gegen verwaltungsbehördliche Bescheide ist jedoch kein staatliches Aufsichtsmittel gegenüber Selbstverwaltungseinrichtungen (vgl. dazu näher den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 2014, Ra 2014/03/0039; zur Ausübung der Gemeindeaufsicht durch Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung vgl. auch Art. 119a Abs. 3 B-VG).

Die Revisionslegitimation der Gemeinde in Bezug auf eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes über eine Beschwerde gegen einen gemeindebehördlichen Bescheid im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde kann sich daher nicht auf Art. 119a Abs. 9 zweiter Satz B-VG stützen, weil diese Bestimmung nach ihrem systematischen Zusammenhang nur die Revisionslegitimation der Gemeinde betreffend eine aufsichtsbehördliche Entscheidung beinhaltet (vgl. Leeb in KWG [Hrsg], Verwaltungsreform - Verwaltungsgerichtsbarkeit [2014] S 41, und Hauer aaO, S 77, sowie Hauer, 17. Teil Gemeindeaufsicht, Rz 202, in Pabel [Hrsg], Gemeinderecht [2013]). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Satz des Art. 119a Abs. 9 B-VG, wo die Parteistellung der Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren und deren Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht sowie daran anschließend die Parteistellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und die Revisionslegitimation an den Verwaltungsgerichtshof sowie die Beschwerdemöglichkeit an den Verfassungsgerichtshof normiert sind, sondern auch aus dem Gesamtkontext des Art. 119a B-VG, welcher insgesamt das Aufsichtsrecht über die Gemeinde regelt.

Demgegenüber wurde das das Vorstellungsverfahren ersetzende Beschwerdeverfahren gegen gemeindebehördliche Entscheidungen nicht im Abschnitt A des 5. Hauptstücks des B-VG angesiedelt, sondern in den neuen Abschnitt A "Verwaltungsgerichtsbarkeit" des 7. Hauptstücks des B-VG integriert (vgl. Art. 132 Abs. 6 B-VG). Es erfolgte somit eine klare Trennung zwischen dem Verfahren zur Ausübung des Aufsichtsrechts über Gemeinden und dem Verfahren über Beschwerden gegen letztinstanzliche Gemeindebescheide in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde. Auch daraus erhellt, dass sich Art. 119a Abs. 9 zweiter Satz B-VG nur auf aufsichtsbehördliche Entscheidungen bezieht.

Da im vorliegenden Revisionsfall keine aufsichtsbehördliche Entscheidung Gegenstand des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg war, sondern eine im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehende Abgabensache, kann sich die revisionswerbende Stadt nicht auf die Revisionslegitimation des Art. 119a Abs. 9 zweiter Satz B-VG stützen.

Der Verfassung ist auch nicht zu entnehmen, dass die Gemeinde als Ausfluss der Selbstverwaltungseigenschaft schlechthin in allen Belangen des eigenen Wirkungsbereiches auf der Grundlage des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG das Recht der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes hätte. Diesfalls wäre nämlich die Normierung der Revisionslegitimation in Art. 119a Abs. 9 B-VG überflüssig, weil dann jede behauptete Verletzung im Recht auf Selbstverwaltung - daher auch eine solche durch aufsichtsbehördliche Entscheidungen - schon allein auf der Grundlage des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG geltend gemacht werden könnte. Eine Berufung auf Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG aus dem allgemeinen Titel des Rechts auf Selbstverwaltung scheidet somit aus.

Die revisionswerbende Stadt macht konkret eine Verletzung im Recht auf Festsetzung und Erhalt der Abgabe "Kanalisations-Erschließungsbeitrag" geltend. Ob der Stadt durch die Rechtsvorschriften ein solches subjektives Recht eingeräumt wird, ist eine Frage der Auslegung der betreffenden Vorschriften des materiellen Rechts.

Die geltend gemachte Rechtsverletzung betrifft behördliche Akte im Rahmen des Abgabenfestsetzungsverfahrens. Die verfahrensrechtliche Umsetzung der materiell-rechtlichen Abgabenvorschriften (nach den Bestimmungen der BAO) durch die hierzu berufenen Organe stellt sich jedoch nicht als subjektives Recht der Gemeinde im Zusammenhang mit der Festsetzung und Einhebung (nur) von Gemeindeabgaben dar, sondern als generelle Rechtspflicht der Abgabenbehörden. Dies ist schon daran erkennbar, dass die Gemeindeorgane als Abgabenbehörden nicht nur im eigenen Wirkungsbereich, sondern auch im übertragenen Wirkungsbereich tätig werden können. Das Recht und die Pflicht der Abgabenbehörden, die Abgabenvorschriften zu vollziehen, bestehen unabhängig davon, in welchem Vollzugsbereich die Abgabenbehörde tätig wird, sodass daraus für den Bereich der Gemeindeabgaben des eigenen Wirkungsbereichs kein subjektives Recht der Gemeinde auf Festsetzung oder Erhalt dieser Abgaben abgeleitet werden kann.

Der Landesgesetzgeber hat gemäß § 5 des Vorarlberger AbgG dem Bürgermeister (als erster Instanz) und der Abgabenkommission (als zweiter Instanz) die Zuständigkeit zur Verwaltung der Gemeindeabgaben übertragen. Daraus folgt, dass die Festsetzung des in Rede stehenden Erschließungsbeitrages nach dem Vorarlberger KanalG nicht der revisionswerbenden Stadt in ihrer Gesamtheit, sondern ihrem Bürgermeister (in erster Instanz) und der bei ihr eingerichteten Abgabenkommission (in zweiter Instanz) obliegt. Diese vom Gesetzgeber gewählte Festlegung der Zuständigkeit zur Abgabenfestsetzung spricht gegen ein sich aus dem Vorarlberger KanalG ergebendes subjektiv-öffentliches Recht der revisionswerbenden Stadt selbst. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Kanalisationsbeiträge dem Gemeindebudget zufließen.

Da der revisionswerbenden Stadt das von ihr bezeichnete Recht nicht als subjektiv-öffentliches Recht eingeräumt ist, kann sie in diesem nicht verletzt werden, weshalb ihr auch auf der Grundlage von Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG keine Revisionslegitimation zukommt.

Ihren Interessen könnte die Gemeinde durch ihr oberstes Organ, den Gemeinderat, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege von Weisungen (an das in der konkreten Angelegenheit zuständige Organ) zum Durchbruch verhelfen (vgl. Steiner, 9. Teil Rechtsstellung und Aufgaben der Gemeindeorgane, Rz 27, in Pabel [Hrsg], Gemeinderecht [2013]). Die vorliegende Revision wurde auch nicht von der Abgabenkommission als der im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht belangten Behörde, die nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG revisionslegitimiert wäre und Gemeindeinteressen wahrnehmen könnte, erhoben, sondern von der Stadt selbst, die sich als solche nicht auf diese Bestimmung berufen kann.

Die Revisionslegitimation aufgrund einer anderen Ziffer des Art. 133 Abs. 6 B-VG ist nicht ersichtlich und wird auch nicht behauptet.

Eine auf Art. 133 Abs. 8 B-VG gestützte besondere Anordnung in einem Bundes- oder Landesgesetz, insbesondere etwa im Vorarlberger GG oder im Vorarlberger AbgG, ist ebenfalls nicht ersichtlich und wurde von der revisionswerbenden Stadt ebenfalls nicht behauptet. Insbesondere ergibt sich aus § 92 Abs. 4 des Vorarlberger GG keine auf der Grundlage von Art. 133 Abs. 8 B-VG über Art. 119a Abs. 9 B-VG (dessen Inhalt übernommen wurde) hinausgehende Revisionslegitimation der Gemeinde.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG durch einen nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insb. § 51 VwGG iVm § 1 Z 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 22. April 2015

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:RO2015160001.J00

Im RIS seit

23.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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