Entscheidungsdatum
05.02.2019Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
FPG §31 Abs1 Z1 idF BGBl. I Nr. 145/2017Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Freistätter, MBA, über die Beschwerde des Herrn A. B., geb. 1982, StA.: Mongolei, vertreten durch RA, vom 27.3.2018, gegen das Straferkenntnis der LPD Wien, Abteilung Fremdenpolizei u. Anhaltevollzug, AFA Referat 2 - Fremdenpolizei, vom 21.2.2018, Zl. …, wegen Übertretung des FPG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht e r k a n n t und verkündet:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die übertretenen Rechtsvorschriften lauten: „§ 31 Abs. 1 Z 1., 2., 3., 4., 5. und 7 in Verbindung mit Abs. 1a und § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017“.
Die übertretene Strafsanktionsnorm ist § 120 Abs. 1a erster Strafsatz FPG.
II. Der Beschwerdeführer hat daher gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 100,00 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.
III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Das Straferkenntnis richtet sich gegen den Beschwerdeführer als Beschuldigten und hat folgenden Spruch:
„Sie haben sich als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) am 05.10.2017 um 09:45 Uhr in Wien, C.-gasse nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, da für den rechtmäßigen Aufenthalt eine rechtmäßige Einreise Voraussetzung ist und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristungen oder die Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten werden dürfte, indem Sie sich ohne eines entsprechenden Aufenthaltstitels in Österreich aufhalten. Ihr letzter Aufenthaltstitel war bis zum 11.03.2016 gültig und wurde ihr Verlängerungsantrag vom 01.03.2016 am 01.04.2016 zurückgewiesen.
Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(e)n verletzt:
§ 120 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz iVm. § 31 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz BGBl. I Nr. 144/2013 idgF.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
€ 500,00 4 Tage(n) 4 Stunde(n) § 120 Abs. 1a
O Minute(n) Fremdenpolizeigesetz BGBl. I Nr. 144/2013 idgF.
Ferner hat der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:
€ 50,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 550,00.“
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Verlängerungsantrag auf weitere Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtskräftig zurückgewiesen worden wäre und sich der Beschwerdeführer zum Tatzeitraum unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe.
II. Dagegen richtet sich die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde, in welcher der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer vorbringt, er habe gegen die Zurückweisung des Verlängerungsantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für Studierende Beschwerde erhoben. Dies habe er auch schon im Einspruch gegen die Strafverfügung vorgebracht. Beiliegend übermittle er die an die MA 35 gerichtete Beschwerde samt Faxprotokoll, woraus ersichtlich sei, dass die Beschwerde bei der Behörde rechtzeitig eingelangt sei.
Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass die Beschwerde tatsächlich nicht bei der Behörde eingelangt wäre, hätte er aufgrund der Faxbestätigung davon ausgehen können, dass die Beschwerde eingelangt sei und er sich rechtmäßig in Österreich aufhalte.
III. Zur Klärung des Sachverhaltes fand vor dem Verwaltungsgericht Wien am 12.12.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der Beschwerdeführer über seine anwaltliche Vertretung, die belangte Behörde sowie auf persönlichen Antrag des Beschwerdeführers eine Dolmetscherin für die mongolische Sprache geladen wurden. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme.
Weder der Vertreter, noch der Beschwerdeführer erschienen – dies ohne Angabe von Gründen – ladungsgemäß zur Verhandlung. Die geladene Dolmetscherin konnte entlassen werden. In der Verhandlung wurde der gesamte Akteninhalt (Akt der belangten Behörde, Gerichtsakt sowie Akt zu VGW-151/60/5915/2018). Nach Schluss der Verhandlung wurde die Entscheidung samt Rechtsmittelbelehrung und wesentlicher Entscheidungsgründe in Abwesenheit der Parteien verkündet. Das Verhandlungsprotokoll wurde zugestellt.
Mit Schreiben vom 19.12.2018 beantragte der anwaltliche Vertreter die schriftliche Ausfertigung.
I. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
IV.1. Maßgebliche Rechtsvorschriften:
Die zur Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes relevanten Rechtsvorschriften des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 sind:
Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet
§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1.
wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2.
wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3.
wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4.
solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;
5.
bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;
(Anm.: Z 6 aufgehoben durch Art. 2 Z 47, )
7.
soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
(1a) Liegt kein Fall des Abs. 1 vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies insbesondere, wenn sie
1.
auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten,
2.
auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 ARHG oder § 35 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), , eingereist sind,
3.
geduldet sind (§ 46a) oder
4.
eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 erhalten haben.
(Anm.: Abs. 2 und 3 aufgehoben durch Art. 2 Z 48, )
(4) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, halten sich während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt, solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem das Recht zur Pflege und Erziehung allein zukommt. Außerdem sind solche Kinder während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig aufhältig, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt.
Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt
§ 120. (1)…
(1a) Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist. Die Verwaltungsübertretung gemäß erster Satz kann durch Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG in der Höhe von 500 Euro geahndet werden.
IV.2. Sachverhalt:
Nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens wird folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt als erwiesen festgestellt:
Der Beschwerdeführer wurde 1982 geboren und ist mongolischer Staatsangehöriger. Er verfügte erstmals über eine Aufenthaltsbewilligung „Student“ von 7.3.2011 bis 7.3.2012. Es erfolgten zwei Verlängerungen. Im Jahr 2015 stellte er mangels Studienerfolg einen Zweckänderungsantrag auf „Schüler“. Der letzte Verlängerungsantrag vom 1.3.2016 zur weiteren Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Schüler“ wurde mit Bescheid der MA 35 vom 1.4.2016, Zl. … zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde nach der Aktenlage rechtskräftig. Eine Beschwerde langte nie bei der Niederlassungsbehörde ein und wurde erst im Zuge des gegenständlichen Strafverfahrens tatsächlich vorgelegt und umgehend an die Niederlassungsbehörde weitergeleitet (die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid wurde mit Fax gemeinsam mit der gegenständlichen Beschwerde am 11.9.2018 an die Landespolizeidirektion Wien übermittelt). Ein weiterer Verlängerungsantrag wurde nicht gestellt.
Diese legte die Beschwerde samt Akt dem Verwaltungsgericht Wien vor und wurde dies unter der GZ VGW-151/060/5915/2018 protokolliert. Der Behördenakt wurde zurückgestellt, da nicht davon auszugehen war, dass mit dem Fax an die Landespolizeidirektion die Einbringung einer Beschwerde beabsichtigt war. Der am im Zuge dieses Verfahrens am 11.8.2018 eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (der nach Zustellung eines Verspätungsvorhaltes gestellt wurde) wurde zuständigkeitshalber an die Niederlassungsbehörde weitergeleitet (siehe die diesbezügliche, im Gerichtsakt in Kopie aufliegende Erledigung vom 6.11.2018 zu VGW-151/060/5915/2018). Dieses Verfahren ist vor der MA 35 weiterzuführen.
Der Beschwerdeführer ist seit 2017 mit der ebenfalls mongolischen Staatsangehörigen D. E. verheiratet und lebt mit ihr im gemeinsamen Haushalt an der Adresse Wien, C.-gasse. Die Gattin verfügt über einen bis 28.3.2019 gültige „Rot-Weiß-Rot Karte plus“. Sie ist als Arbeiterin der F. GmbH beschäftigt. Sonstige familiäre Bindungen sind nicht hervorgekommen und wurden auch nicht behauptet. Soziale Bindungen in Österreich sind anzunehmen, wenn auch nicht vorgebracht.
Der Beschwerdeführer war in den Jahren 2012 bis 2016 mit Unterbrechungen als geringfügig Beschäftigter (zuletzt von 23.6.2015 bis 20.6.2016 der G. OG) zur Sozialversicherung gemeldet. Zum Entscheidungszeitpunkt gab es kein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis, mit Stichtag 12.12.2018 war er als Ehegatte krankenversichert. Es kann nicht von einer nachhaltigen beruflichen Integration auszugehen. Derzeit lukriert er kein eigenes Einkommen.
Der Beschwerdeführer verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache, beantragte jedoch persönlich die Beiziehung einer Dolmetscherin für die mongolische Sprache.
Nach der Aktenlage ist er im Bundesgebiet straf- und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.
Angaben zu Lebenserhaltungskosten, weiterer Bindungen im Bundesgebiet oder Bindungen zum Heimatland konnten nach der Aktenlage und aufgrund der unentschuldigten Nichtteilnahme des Beschwerdeführers (obwohl ein Dolmetscher beantragt wurde) nicht getroffen werden.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den persönlichen Daten (Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Wohnanschrift, Arbeitsverhältnisse etc.) wurden durch Einholung von Auszügen des Zentralen Melderegisters und der Sozialversicherung (den Beschwerdeführer und seine Gattin betreffend), einen EKIS Auszug die Gattin betreffend sowie insbesondere durch Einsichtnahme in den Niederlassungsakt VGW-151/060/5915/2018 und den diesbezüglichen Akt der MA 35 getroffenen. Die Eheschließung ergibt sich aus der in Kopie aufliegenden Heiratsurkunde.
Dass der Beschwerdeführer zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt ist aufgrund der Aufenthaltsdauer ebenso anzunehmen, wie das Bestehen von sozialen Bindungen im Bundesgebiet.
Weitere Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen waren nicht möglich und konnte mangels Teilnahme des Beschwerdeführers an der mündlichen Verhandlung auch kein gegenteiliger Eindruck gewonnen werden.
Die Feststellung zur Nichteinbringung einer Beschwerde gegen die Zurückweisung des Verlängerungsantrages und zur Weiterleitung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergeben sich aus der Entscheidung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien zu VGW-151/060/5915/2018. Auch wenn ein vermeintlicher Faxbericht mit dem Vermerk „ok“ (der offensichtlich vom Anwalt des Beschwerdeführers nicht verifiziert wurde) in Kopie vorgelegt wurde konnte nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Beschwerdeschriftsatz auch tatsächlich bei der MA 35 einlangte. Mangels Nichtteilnahme des Beschwerdeführers und seines Vertreters konnte keine andere Feststellung getroffen werden. Es wäre sowohl dem Beschwerdeführer, als auch seinem Vertreter frei gestanden an der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien teilzunehmen und allenfalls ein anderes belegtes Vorbringen zu erstatten.
IV.3. Rechtliche Beurteilung:
Der Beschwerdeführer hielt sich seit Erteilung des ersten Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierender“ im Jahr 2011 bis zur Zurückweisung des Verlängerungsantrages zum Zweck „Schüler“ am 1.4.2016 rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Nach Zurückweisung des Verlängerungsantrages durch die Niederlassungsbehörde wurde der Aufenthalt des Beschwerdeführers unrechtmäßig, zumal – wie festgestellt und im Rahmen der vorgenommenen Beweiswürdigung begründet – eine Beschwerde nicht (rechtzeitig) erhoben wurde.
Er hat somit zum Tatzeitpunkt die objektive Tatseite der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung verwirklicht. Lediglich die übertretenen Rechtsvorschriften waren im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu konkretisieren und in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung anzuführen (vgl. z.B. VwGH vom 14.11.2013, Zl. 2013/21/0142).
Da das Fremdenpolizeigesetz über das Verschulden keine Aussage trifft, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (vgl. § 5 Abs. 1 erster Satz VStG). Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weil weder der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr vorausgesetzt, noch über das Verschulden etwas bestimmt wird. Bei solchen Delikten obliegt es gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung entsprechender Beweisanträge.
Danach ist bei Ungehorsamsdelikten das Verschulden des Täters nicht von der Behörde zu beweisen, sondern „ohne weiteres anzunehmen“. Dem Täter steht es jedoch frei, diese Vermutung durch Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit zu widerlegen. Der „Entlastungsbeweis“ ist aber nicht notwendig, wenn die Behörde schon bei Ermittlung des äußeren Tatbestandes schuldausschließende Umstände feststellt (Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 16. Aufl., Anm. 5 zu § 5 VStG).
In diesem Zusammenhang beruft sich der Beschwerdeführer (bzw. sein Vertreter) im Wesentlichen darauf, gegen den Zurückweisungsbescheid der MA 35 rechtzeitig Beschwerde erhoben zu haben. Dies konnte jedoch wie ausführlich dargelegt nicht nachvollzogen werden. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass sich der Beschwerdeführer etwa bei seinem Anwalt betreffend die rechtzeitige Einbringung erkundigt hätte. Er wird offensichtlich schon seit längerer Zeit von derselben Kanzlei vertreten und wäre es ihm durchaus zumutbar gewesen, diesbezüglich Gespräche mit seinem Vertreter zu führen. Darüber hinaus musste dem Beschwerdeführer bewusst sein, dass Aufenthaltstitel „Schüler“ immer nur für 12 Monate erteilt werden und erscheint es zumindest grob fahrlässig, dass der Beschwerdeführer sich von 1.3.2016 (Verlängerungsantrag) bis zur gegenständlichen Anzeige offensichtlich nie bei seinem Vertreter oder direkt bei der MA 35 betreffend die Ausstellung der weiteren Aufenthaltskarte erkundigte. Es wäre dem Beschwerdeführer und seinem Vertreter frei gestanden an der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien teilzunehmen und allenfalls ein anderes Vorbringen zu erstatten.
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist bei jener Behörde zu stellen, bei der die (gegenständlich Beschwerde-) Frist vermeintlich versäumt wurde – hier bei der Niederlassungsbehörde erster Instanz. Aus diesem Grund wurde der Antrag im beim Verwaltungsgericht Wien im Jahr 2018 anhängigen Administrativverfahren zuständigkeitshalber weitergeleitet und obliegt eine erste Entscheidung der MA 35.
Ein Absehen von der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen seines illegalen Aufenthalts wäre nur noch wegen Überwiegen der durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen im Bundesgebiet möglich. Dazu ist folgendes festzuhalten:
Das Verwaltungsgericht Wien verkennt nicht, dass sich der Beschwerdeführer ca. fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und durch seine Eheschließung im Jahr 2017 mit einer ebenfalls mongolischen Staatsangehörigen, die über einen befristeten Aufenthaltstitel verfügt, familiäre Bindungen bestehen. Anzumerken bleibt aber dennoch, dass die Eheschließung erst erfolgte, als der Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen wurde und er sich somit nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Darüber hinaus musste es beiden Ehepartnern bei Eheschließung bewusst sein, dass sie jeweils nur über befristete Aufenthaltstitel verfügen.
Der im Jahr 1982 geborene Beschwerdeführer reiste im Jahr 2011 nach Österreich um hier zu studieren. Es musste ihm zu jedem Zeitpunkt bewusst sein, dass es sich immer nur um jährlich zu verlängernde Titel – insbesondere nach Vorlage von Erfolgsnachweisen – handelt. Dies gilt auch für den nach Stellung des Zweckänderungsantrages („Schüler“) erteilten Titel.
Die maßgebliche Zeit seiner Sozialisierung verbrachte er somit in seinem Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet nicht nachhaltig beruflich integriert, zeitweise geringfügige Beschäftigungen reichen dafür nicht aus. Der Beschwerdeführer verfügt zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Soziale Interessen am Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zum Tatzeitpunkt sind anzunehmen, auch wenn solche nicht dargelegt wurden.
Dem Aufenthalt des Beschwerdeführers kommt im Ergebnis bezogen auf den Tatzeitpunkt kein solcher Stellenwert zu, dass insgesamt die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers die maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens überwiegen würden.
Der Beschwerdeführer konnte somit im Ergebnis und nach ausführlicher Abwägung aller Gründe nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft machen, dass ihm die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschriften ohne sein Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre. Ein Strafausschließungsgrund im Sinne von § 6 VStG konnte ebenso wenig dargetan werden.
Die subjektive Tatseite der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung ist daher verwirklicht.
Zur Strafbemessung:
Da der Beschwerdeführer keine einschlägige Vormerkung aufweist, kommt der erste Strafsatz des § 120 Abs. 1a FPG zur Anwendung (Geldstrafe von € 500,-- bis € 2.500,--; Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen).
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013 sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) ist als hoch zu qualifizieren. Die Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die gegenständliche Tat konnte im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt nicht als gering erachtet werden.
Auch das Verschulden des Beschwerdeführers, der sich zu keinem Zeitpunkt erkundigte, ob eine Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid rechtzeitig eingebracht wurde, ist nicht gering.
Mildernd war nichts zu werten. Die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit kommt dem Beschwerdeführer zu Gute und wurde von der belangten Behörde durch Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe einbezogen. Erschwerende Umstände sind nicht hervorgekommen.
Die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers sind als unterdurchschnittlich zu beurteilen. Sorgepflichten oder Vermögen liegen nicht vor.
Unter Zugrundelegung der dargelegten Strafbemessungskriterien konnte die von der Behörde in der Höhe der Mindeststrafe verhängte Geldstrafe nicht herabgesetzt werden, da die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe im vorliegenden Fall als tat- und schuldangemessen zu bewerten ist.
Auch die behördlich festgelegte Ersatzfreiheitsstrafe steht in angemessener Relation zur verhängten Geldstrafe (vgl. § 16 VStG).
Eine Herabsetzung der gegen den Beschwerdeführer verhängten Strafe konnte zudem aus folgenden Gründen nicht erfolgen:
Der Beschwerdeführer ist kein Jugendlicher. Es ist gegenständlich auch nicht von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe auszugehen, weshalb kein Raum für die außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG besteht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet selbst bei Fehlen von Erschwerungsgründen der einzige zu berücksichtigende Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im Sinne von § 20 VStG (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 2010, Zl. 2009/03/0155).
Auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Schlusssatz VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013 (Ermahnung) sind gegenständlich nicht gegeben. Für die Anwendung dieser Gesetzesstelle ist das kumulative Vorliegen der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Kriterien, nämlich dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind, Voraussetzung (vgl. dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Mai 2014, Zl. Ro 2014/03/0052).
Dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat nicht als gering zu betrachten sind, wurde bereits oben ausgeführt. Die Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsgutes findet ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens, der für entsprechende Zuwiderhandlungen gemäß § 120 Abs. 1a erster Strafsatz FPG eine Geldstrafe ab € 500,-- und zweiter Strafsatz Geldstrafen ab € 2.500,-- vorsieht. Ist aber die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht gering, fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, weshalb auch keine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG in Frage kommt (vgl. betreffend einen bis € 726,-- reichenden Strafrahmen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 2015, Zl. Ra 2015/02/0167). § 45 Abs. 1 Z 4 VStG und § 45 Abs. 1 Schlusssatz VStG konnten folglich nicht zum Tragen kommen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Der Ausspruch über die Kosten ergibt sich aus den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen. Mangels ausdrücklicher Norm (§ 52 Abs. 3 VwGVG) konnten die Kosten für die beantragte Beiziehung der Dolmetscherin nicht auferlegt werden.
IV.4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Vielmehr waren in einem durchgeführten Ermittlungsverfahren und nach umfassender freien Beweiswürdigung Feststellungen und rechtliche Ausführungen betreffend die objektive und subjektive Seite der angelasteten Verwaltungsübertretung zu treffen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Rechtmäßiger Aufenthalt; InteressensabwägungAnmerkung
VwGH vom 16.5.2019, Ra 2019/21/0036; ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.051.031.4510.2018Zuletzt aktualisiert am
22.09.2020