TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 L519 2211520-1

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L519 2211523-1/20E

L519 2211518-1/18E

L519 2211521-1/15E

L519 2211520-1/16E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 25.11.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , StA. GEORGIEN, 2. XXXX , geb. XXXX , StA. GEORGIEN, 3. XXXX , geb XXXX , StA. GEORGIEN, 4. XXXX , geb. XXXX , StA. GEORGIEN, sämtliche vertreten durch RA Mag. Dr. BLUM, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Oberösterreich vom 12.11.2018, Zlen. XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.11.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte IV. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und werden diese Spruchpunkte ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , StA. GEORGIEN, 2. XXXX , geb. XXXX , StA. GEORGIEN, 3. XXXX , geb. XXXX , StA. GEORGIEN, 4. XXXX , geb. XXXX StA. GEORGIEN, sämtliche vertreten durch RA Mag. Dr. BLUM, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Oberösterreich vom 12.11.2018, Zl. XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.11.2019 den Beschluss gefasst:

A) Die Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, werden als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP4" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 29.08.2014 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") unter den als alias im Spruch angegebenen Namen Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten und Eltern der bP 3 und 4.

I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachten die bP 1 und 2 im Wesentlichen Folgendes vor:

Sie hätten zuletzt in der Ukraine gelebt. Dort herrsche nunmehr Krieg und sei es lebensgefährlich, dort zu bleiben. Sie hätten mangels Dokumenten keine Ausbildung in der Ukraine für die Kinder erhalten und wollten sie, dass diese normal aufwachsen.

Die bP 2 sei im Irak geboren, die bP 1 in Latschin. Ob die bP 1 die Staatsangehörigkeit von Aserbaidschan oder Armenien habe, wisse sie nicht. Die Eltern der bP 1 und die Mutter der bP 2 würden in der Ukraine leben. Sie hätten beide keine Geschwister.

I.2.2. Vor der belangten Behörde gaben die bP am 25.09.2017 die gleichen Personaldaten an, Identitätsdokumente hätten sie nicht.

Die bP 1 habe illegal als Automechaniker gearbeitet und keinerlei Ausbildung erhalten. Es bestünden keine Fahndungsmaßnahmen, ein Haftbefehl oder eine Anzeige gegen sie.

Mehrfach wurden die bP über die Folgen unwahrer Angaben aufgeklärt.

I.2.3. Am 09.11.2017 gab die bP 1 wiederum an, keine Dokumente zu besitzen. Zudem bestätigte sie die bisherigen Identitätsdaten.

I.3. In der Einvernahme am 09.11.2017 gab die bP 2 an, seit einiger Zeit bei einem FA für Neurologie in Behandlung zu sein und ein Medikament einzunehmen. Ein entsprechendes Schreiben wurde vorgelegt. Auch die bP 2 bestätigte in ihrer Einvernahme vom selben Tag die bisher angegebene Identität.

Gemäß dem von der bB eingeholten psychiatrischen Gutachten vom 23.10.2017 leidet die bP 2 an keiner behandlungsbedürftigen neurologisch-psychiatrischen Erkrankung. Es liegt bei der bP 2 eine Anpassungsstörung in Remission vor.

I.4. Im Akt befindet sich ein Aktenvermerk über einen anonymen Telefonanruf betreffend die Identität der bP.

I.5. Am 09.03.2018 langte eine Meldung über eine Anzeige gegen die bP 2 wegen Ladendiebstahls beim BFA ein.

I.6. Am 22.10.2018 langte die vom BFA in Auftrag gegebene Recherche betreffend der Identität der bP 1 und am 02.11.2018 die betreffend der bP 2 ein.

I.7.1. In der weiteren Einvernahme am 12.11.2018 gab die bP 1 zum Erhebungsergebnis, welches zeigt, dass die bP aus Georgien stammen an, dass die Erhebungen falsch wären und blieb vorerst bei der falschen Identität. Jedoch befragt zu seiner Schulbildung gestand die bP 1 dann doch ein, dass sie eine falsche Identität angegeben hat.

Erstmalig dazu befragt, warum sie Georgien verlassen habe führte die bP 1 vorerst aus, sie habe im Jahr 2009 Haschisch geraucht, sei in Georgien erwischt worden und habe seither Probleme mit der Polizei. Am Ende der Einvernahme befragt dazu, ob sie noch etwas anführen möchte bzw. die Fluchtgründe vollständig geschildert habe führte die bP 1 aus:

"Ich möchte noch ausführen, dass ich in Georgien, nachdem ich Hasch rauchte zur Polizei gebracht worden bin. Ich saß hinter dem Steuer, hatte ganz rote Augen. Das war im Jahr 2009, es war eindeutig erkennbar, dass ich Drogen genommen hatte. Die Beamten wollten, dass ich meine Lieferanten bekanntgebe. Ich habe das gemacht, dann bekam ich langsam Probleme, denn ich war ein guter Autospengler bzw. Autolackierer und habe Autos präpariert. Das habe ich gemacht. Ich habe die Drogen nur in Luxusautos versteckt. Ich habe das bis ins Jahr 2012 gemacht. Die Regierung in Georgien hat sich dann geändert und ich hoffte damit Ruhe zu haben. Ich habe der Polizei einige der Drogenlieferanten mitgeteilt - diese sind alle zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt worden. Wenn diese nun aus dem Gefängnis kommen, dann befürchte ich die Rache dieser Personen. Auch bei mir hat die Polizei Drogen gefunden und auch ich könnte bei meiner Rückkehr nach Georgien Probleme bekommen. Das ist mein wahrer Fluchtgrund.

I.7.2. Die bP 2 gab am 12.11.2018 an, dass die nunmehr laut Rechercheergebnis festgestellte Identität die Richtige sei. Zu den Fluchtgründen führte sie aus, dass der Ehegatte mit der Polizei in Georgien Probleme gehabt habe, da er wegen Drogenmissbrauches bekannt und auch eingeraucht am Steuer erwischt worden sei. Die Behörden hätten vom Ehegatten verlangt, die Lieferanten der Drogen bekannt zu geben. Dies habe der Ehegatte dann auch über einen Zeitraum von 3 Jahren gemacht.

bP3 - bP4 beriefen sich auf die Gründe der bP1 und 2 und auf den gemeinsamen Familienverband.

I.7.3. Vorgelegt wurden von den bP:

* Teilnahmebestätigungen Wertedialog 2016 von bP 1 und 2

* Bestätigung der Gemeinde über Tätigkeiten der bP 1 und Deutschkursbesuche bP 1 und 2

* Bestätigung über freiwillige Tätigkeit der bP 2 von 2015 bis 2016

* Deutschzertifikat A2 und B1 der bP 2

* Medizinische Unterlagen zur bP 2

I.8. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Den Beschwerden wurde gem. § 18 (1) Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt.

Gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG wurden in Bezug auf die bP 1 und 2 Einreiseverbote für die Dauer von 3 Jahren erlassen (Spruchpunkte IV).

I.8.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1):

Zum Fluchtgrund befragt, führten Sie aus, dass Sie sich außer Stande gesehen hätten in der Ukraine weiterzuleben, da dort Krieg herrsche bzw. geherrscht hätte und dass Sie für Ihre Kinder eine gute Ausbildung wünschten. Die Verfolgung hat sich auf jenen Staat zu beziehen hat, dessen Staatsangehörigkeit der Antragsteller besitzt. Sie sind Staatsangehöriger von Georgien, Georgien betreffend haben Sie keinen Flucht- bzw. Ausreisegrund vorgebracht.

Es haben sich unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhaltes in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Georgien ergeben. Generell ist zu Auslegung der Z 4 des § 18 Abs. 1 BFA-VG zu sagen, dass dieser erfüllt wird, wenn der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht behauptet. Im Rahmen einer Interpretation dieser Bestimmung ist davon auszugehen, dass die genannte Bestimmung dahingehend zu verstehen ist, dass deren Tatbestandsvoraussetzungen dann erfüllt sind, wenn eindeutig keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK behauptet wird (vgl. hierzu Feßl/Holzschuster, AsylG 2005,S 529 f mwN zur inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 38 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 aF).

Im gegenständlichen Fall gerieten Sie in das Visier der georgischen Behörden wegen Drogenkonsum (während Sie ein Fahrzeug lenkten) und Drogenbesitz und es deutet nichts darauf hin, dass Sie im Rahmen der Ermittlungen hinsichtlich des Verdachts des Besitzes einer Gewehres im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen und des Strafverfahrens aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung schlechter gestellt sind, als andere Personen, gegen die ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Dazu kommt, dass Sie laut eigenen Angaben die Heimat legal und im Besitz des eigenen authentischen georgischen Reisepasses verlassen haben (sich der Grenzkontrolle stellten).

Aufgrund der vorliegenden Informationen über die aktuelle Lage im Herkunftsstaat haben sich nach Durchführung Prüfung keine weiteren konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach anzunehmen wäre, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Ihrer Person in Ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 2, 3 oder 8 EMRK bzw. des 6. oder 13. ZPEMRK bedeuten würde oder für Sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ihre Angaben zu den Ausreisegründen werden den weiteren Feststellungen und Erwägungen zu Grunde gelegt.

In Bezug auf die weiteren bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

I.8.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

I.8.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Da die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen, wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 [1] 1 BFA-VG). Einreiseverbote seien zu erlassen gewesen hinsichtlich bP 1 und 2.

I.9. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerden erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass der bP 1 gesagt worden sei, dass sie 12 Jahre ins Gefängnis käme, wenn sie nicht mit der Polizei - nach den Problemen wegen Drogenmissbrauchs und Lenken eines Fahrzeuges unter Drogeneinfluss - zusammenarbeite. Sie habe daraufhin im Auftrag der Polizei Drogenpakete in Autos von Kunden deponiert, woraufhin diese von der Polizei festgenommen und erpresst worden wären. Nun drohe der bP 1 eine Verfolgung sowohl durch die Polizei als auch durch die Kunden, welche aufgrund der bP 1 festgenommen worden wären. Als Angehöriger der Minderheit der Jesiden könne sie keine Hilfe von der Polizei erwarten. In den Länderfeststellungen werde auch festgehalten, dass die Einmischung der Executive und Legislative in die Justiz ein erhebliches Problem in Georgien darstelle. Vor dem Hintergrund der Minderheitszugehörigkeit sei sie vor der Polizei schlechter gestellt als andere Personen, welche strafrechtswidrige Handlungen begangen hätten.

Im Hinblick auf die zu erwartende Haft für die bP 1 sowie die Kopf-OP der bP 2 und laufenden Kontrollen, wofür Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stünden, hätte den bP Asyl oder Refoulementschutz gewährt werden müssen. Keinesfalls hätte ein Einreiseverbot erlassen werden dürfen, welches auf die Richlinie 2008/115/EG im Zusammenhang mit der Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise bzw. die Mittellosigkeit gestützt wurde. Eine in diesem Fall jedenfalls notwendige Gefährdungsprognose sei auch nicht getroffen worden. Die bP hätten trotz des falschen Gutachtens der bB ihre Identität richtiggestellt und sei auch keine aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

Vorgelegt wurden von den bP:

* Bericht der Volksschule der bP 3 über die Familie der Beschwerdeführer

* Bestätigung des Gemeindeamtes über die Aushilfstätigkeiten und ehrenamtlichen Tätigkeiten der bP 1 aus dem Jahr 2017 und das Bedauern der Gemeinde über den Wegzug der bP

* Bericht des Hortes der bP 3

* Bestätigung über ehrenamtliche Tätigkeit der bP 2 in einem Pflegeheim 2015 und 2016

* Befund bP 2 Februar 2017 sowie vom 22.10.2018

* Anmeldung der bP 1 zur geringfügigen Beschäftigung vom 20.09.2017 samt Lohnzettel und Beitragsgrundlagennachweis

* "Arbeitgeberbestätigung" über die Bereitstellung einer Beschäftigung als Paketzusteller für die bP 1 bei entsprechenden Nachweisen

I.10. Die Beschwerdevorlagen langten am 20.12.2018 beim BVwG, Hauptsitz Wien, ein.

I.11. Mit Erkenntnissen des BVwG vom 27.12.2018 wurden die Beschwerden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18 (1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte IV. der diesbezüglich ebenfalls angefochtenen Bescheide wurde stattgegeben und diese Spruchpunkte jeweils ersatzlos behoben. Die Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wurden als unzulässig zurückgewiesen.

I.12. Nach Abtretung der Beschwerden vom VfGH an den VwGH wurde mit Beschluss des VwGH vom 29.04.2019 den Revisionen der bP gegen die Erkenntnisse des BVwG gem. § 30 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

I.13. Mit Erkenntnissen des VwGH vom 29.08.2019, Zlen. Ra 2019/19/0138 bis 0141-7 wurden die Erkenntnisse des BVwG vom 27.12.2018 infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behoben, da keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist.

I.14. Mit Schreiben vom 14.11.2019 wurden ein Befund der bP 2 vom 22.10.2019, eine Bestätigung über die freiwillige Mitarbeit der bP 1 und 2 in einem Seniorenheim, Unterstützungsschreiben und eine Bestätigung über die Betätigung der bP 1 und 2 in der Pfarrgemeinde vorgelegt.

I.15. Für den 25.11.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Zu Beginn der Verhandlung brachten die befragten bP vor, Georgier zu sein und tätigten im Wesentlichen dieselben Ausführungen wie vor der bB. Sie bestätigten die aus der Anfragebeantwortung bekanntgewordene Adresse, an welcher sie vor ihrer Ausreise lebten.

Die bP legten einen medizinischen Befund für die bP 2, eine Anwesenheitsbestätigung für die bP 3 bei einer Beratungsstelle, einen Entwicklungsbericht für die bP 3 und 4, einen Bericht über die Familie der bP, eine Einstellungszusage für die bP 1 und eine Rechnung für eine A2 Prüfung der bP 1 vor.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurden die Erkenntnise des BVwG mündlich verkündet.

Unter anderem wurde festgehalten (bP 1 = BF1):

Insbesondere war das Vorbringen des BF1 zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft, widersprüchlich und zum Teil nicht plausibel. Doch selbst bei Wahrunterstellung der Angaben, ist davon auszugehen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Drittstaat handelt, in dem von der grundsätzlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der staatlichen Organe auszugehen ist. Ebenso ergeben sich aus den Länderberichten keine Hinweise, dass kurdische Jesiden in Georgien systematisch verfolgt würden. Den Beweisanträgen war mangels Entscheidungsrelevanz in den ggst. Verfahren nicht nachzukommen.

Die Beschwerden wurden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Die Einreiseverbote wurden behoben. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

Mit Schreiben vom 4.12.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgier. Sie sind Jesiden und Sonnenanbeter.

Die bP 1 und 2 sind junge, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Die bP 2 hat bis zum 15ten Lebensjahr die Schule besucht. Die bP 1 arbeitete nach dem Schulbesuch bis zur Ausreise als Autospengler, Mechaniker und Maler.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP ist durch deren Eltern gesichert.

Familienangehörige (Eltern, Großmutter, Onkel und Bruder der bP 2 mit der Familie sowie Eltern der bP 1 in XXXX ) leben nach wie vor in Georgien. Vor ihrer Ausreise haben die bP bei den Eltern der bP 1 in deren Eigentumswohnung gelebt. Dort gibt es auch Schulen und Kindergärten. Der Vater der bP 1 arbeitet als Schuster und kann auch als KFZ Mechaniker arbeiten. Auch die Angehörigen der bP 2 gehen Beschäftigungen nach bzw. beziehen eine Pension.

Die bP haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit 5 Jahren und 3 Monaten im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung. Sie sind strafrechtlich unbescholten. Sie haben Deutschkurse besucht. Die bP 2 hat das B1 Deutschdiplom erhalten, die bP 1 das A2 Diplom.

Die bP 3 besucht die Volksschule, die bP 4 hat den Kindergarten besucht und geht nun ebenfalls zur Schule. Die bP 3 und 4 sind in einem Judoverein und spielen Fußball. Nachmittags besuchen sie den Hort.

Die bP 1 arbeitete 2017 geringfügig bei einer Firma und hat über die Gemeinde ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet. Es liegen Einstellungszusagen für die bP 1 und 2 vor. Die bP 2 ist Mitglied im Elternverein. Die bP 1 und 2 betätigen sich seit Mai 2019 ehrenamtlich in einem Seniorenheim. Die bP 2 hat 2015 und 2016 in einem Heim freiwillig gearbeitet. Die bP 1 hat aktuell Schwarzarbeit verrichtet.

Die bP 1 hat Diabetes und nimmt aus diesem Grund ein Medikament ein.

Laut Bericht vom 23.06.2017 lag zu diesem Zeitpunkt bei der bP 2 eine relative Operationsindikation vor, da sie zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf die bei ihr festgestellte Zyste beschwerdefrei war. Bei der bP 2 wurde eine Rathkesche Zyste (keine Tumore, sondern Reste einer normalerweise im Rahmen der Embryonalentwicklung zurückbildenden Struktur) in Österreich problemlos im August 2018 operiert. Die bP 2 erhielt bis zur Operation Hydrocortone, welche jedoch gemäß Befund vom 22.10.2018 abgesetzt wurde. Zudem erhielt sie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Die bP 2 leidet gemäß Gutachten an einer Anpassungsstörung und einer Schilddrüsenüberfunktion. Sie hat regelmäßige Kontrollen beim Hausarzt. Die bP 2 leidet aktuell an Panikattacken sowie einer depressiven Anpassungsstörung und nimmt Medikamente ein. Ferretab gegen Eisenmangel, Excitalopram gegen Depression und Xanor bei Bedarf bei Panikattacken. Die bP 3 war im Institut für Familien- und Jugendberatung und liegt kein Befund darüber vor bzw. steht sie aktuell in keiner Behandlung.

Die Identität der bP steht aufgrund der durchgeführten Recherchen fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Georgien

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

II.1.2.1. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen (in den Länderfeststellungen haben seit der Entscheidung des VwGH bzw. der letzten Entscheidung des BFA keine maßgeblichen Änderungen ergeben):

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 25.6.2018, Regierungsumbildung (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage).

Am 13.6.2018 erklärte Premierminister Giorgi Kvirikashvili seinen Rücktritt. Als Grund wurden Meinungsverschiedenheiten mit dem Parteivorsitzenden Ivanishvili genannt, der am 11.5.2018 das Amt des Parteivorsitzenden des "Georgischen Traums" von Kvirikashvili übernommen hatte und damit in die Politik Georgiens zurückgekehrt war. Begleitet war Kvirikashvilis Rücktritt zudem von Massenprotesten (RFE/RL 20.1.2018, vgl. civil.ge 20.6.2018).

Das georgische Parlament hat am 20.6.2018 den bisherigen Finanzminister Mamuka Bakhtadze zum neuen Premierminister von Georgien gewählt und das von ihm vorgeschlagene Kabinett als Übergangsregierung bestätigt. Die parlamentarische Opposition blieb der Abstimmung geschlossen fern. Aus den eigenen Reihen erhielt Bakhtadze sechs Gegenstimmen, bei 99 Ja-Stimmen. Bakhtadze kündigte an, dass das neue Kabinett geschlossen an einem Neuzuschnitt einiger Ressorts und damit auch einer Verringerung der Zahl der Ministerien arbeiten werde (GA 21.6.2018, vgl. RFE/RL 20.6.2018). Überdies betonte Bakhtadze, dass er die Bestrebungen nach einer Mitgliedschaft sowohl in der NATO als auch der EU fortsetzen werde (RFE/RL 20.6.2018).

Quellen:

? Civil.ge (20.6.2018): Bakhtadze's Cabinet Wins Confidence, https://civil.ge/archives/244788, Zugriff 25.6.2018

? GA - Georgien aktuell (21.6.2018): Mamuka Bakhtadze zum Premierminister von Georgien gewählt, http://georgien-aktuell.info/de/politik/article/13762-premierminister, Zugriff 25.6.2018

? RFE/RL - Radion Free Europe/Radio Liberty (20.1.2018): Georgian Parliament Approves Bakhtadze As Prime Minister, https://www.rferl.org/a/georgia-parliament-approves-bakhtadze-as-prime-minister/29307191.html, Zugriff 25.6.2018

2. Politische Lage

Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).

Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).

Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).

Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).

Quellen:

? Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018

? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018

? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017): Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017, http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018

? Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018

? Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50, http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018

3. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).

Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).

Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):

Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).

Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südssetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0, Zugriff 6.6.2018

? Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search, Zugriff 12.4.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

? EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 6.6.2018

? GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal, Zugriff 9.4.2018

? Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/, Zugriff 12.4.2018

? Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/, Zugriff 9.4.2018

? Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis, https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis, Zugriff 9.4.2018

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung, die in der Vergangenheit systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Die dritte Reformwelle vom Dezember 2016 garantiert vor allem die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Demgegenüber neigen Politiker und andere prominente Interessenvertreter aus Wirtschaft und Medien dazu, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen pauschal politische Motive bzw. Korruption zu unterstellen. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess. Die Praxis lang andauernder Untersuchungshaft wurde im Fall Ugulava, des ehemaligen Bürgermeisters von Tiflis vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt und verfassungskonform beschränkt (AA 11.12.2017).

Im Dezember 2016 wurde ein Paket von Gesetzesänderungen zur Justizreform verabschiedet. Die Änderungen betrafen insbesondere die Veröffentlichung aller Entscheidungen, die schrittweise Einführung der elektronischen Zufallszuweisung von Fällen sowie das Auswahlverfahren der Richterkandidaten und das Disziplinarverfahren (Schaffung der Institution des Untersuchungsinspektors). Die Änderungen betrafen jedoch nicht andere, seit langem bestehende Punkte, einschließlich der Anwendung der Probezeit. Eine erste umfassende Justizstrategie und ihr fünfjähriger Aktionsplan wurden vom Hohen Rat der Justiz im Mai 2017 angenommen. Dieser sieht spezifische Maßnahmen und Indikatoren in den Kapiteln Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht, Qualität und Effizienz sowie Zugang zur Justiz vor. In Bezug auf den Zugang zur Justiz sind die vom Hohen Rat der Justiz (HCoJ) eingeführten Verfahren zur Ernennung von Richtern und Gerichtspräsidenten sowie die Disziplinarverfahren allerdings nicht vollständig transparent und rechenschaftspflichtig. Die neue Verfassung führte die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs durch das Parlament auf Vorschlag des Obersten Gerichtshofs sowie die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit ein. Im Januar 2017 wurden die Geschworenenprozesse, die 2010 beim Stadtgericht von Tiflis eingeführt wurden, auf andere Regionen Georgiens und auf weitere Arten von Vergehen ausgeweitet. Anfang 2017 wurden die Strafverfolgungsstrategie, der neue Ethikkodex und ein Beurteilungssystem für Staatsanwälte verabschiedet (EC 9.11.2018).

Die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Justiz ist nach wie vor ein erhebliches Problem, ebenso wie der Mangel an Transparenz und Professionalität bei den Verfahren. Im Jahr 2017 äußerten sich Oppositionelle und andere besorgt darüber, dass die politische Einmischung ein wesentlicher Faktor in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen sei, so die Rückgabe des TV Senders "Rustavi 2" an seinen ehemaligen Miteigentümer, der mit der Regierungspartei Georgischen Traum verbunden ist. Das Urteil wurde allerdings später vom Europäischen Gericht für Menschenrechte aufgehoben (FH 1.2018, vgl. AI 22.2.2018).

Ende Mai 2018 musste der Generalstaatsanwalt Georgiens vor dem Hintergrund von Protesten zurückgetreten, in denen tausende Demonstranten ihre Empörung über ein, ihrer Meinung nach, unfaires Gerichtsurteil im Mordfall von zwei Schülern in Tiflis zum Ausdruck brachten (CK 5.6.2018). Die Demonstranten glaubten, dass andere als die beiden Beschuldigten für den Tod verantwortlich waren und der Strafe entkamen, weil ihre Verwandten in der Generalstaatsanwaltschaft arbeiteten (RFE/RL 4.6.2018). Führende NGOs des Landes haben sich geweigert, sich an der Ernennung eines neuen Generalstaatsanwaltes unter der Leitung von Justizministerin Teya Tsulukiani zu beteiligen, sondern haben im Gegenteil deren Rücktritt gefordert (CK 5.6.2018, vgl. JAMnews 6.6.2018). Das Parlament hat am 31.5.2018 als Reaktion auf die Entlassung der Beschuldigten durch das Gericht in Tiflis eine Untersuchungskommission zum Mordfall eingerichtet (civil.ge 6.6.2018). Die Demonstrationen haben die Ansicht mancher Georgier über Korruption und eine Atmosphäre der Straflosigkeit in der herrschenden Elite des Landes widergespiegelt (RFE/RL 4.6.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

? AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 17.4.2018

? Caucasian Knot (5.6.2018): Activists demand resignation of Georgia's MoJ head, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43375/, Zugriff 7.6.2018

? Civil.ge (6.6.2018): Parliament Approves Teen Murder Probe Commission, https://civil.ge/archives/243789, Zugriff 7.6.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 17.4.2018

? JAMnews (6.6.2018): Georgian NGOs demand resignation of Minister of Justice, https://jam-news.net/?p=106350, Zugriff 7.6.2018

? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.6.2018): Georgian Protest Leader Gives Authorities Progress Ultimatum, https://www.rferl.org/a/tbilisi-subway-workers-strike-as-new-antigovernment-protests-expected/29270264.html, Zugriff 7.6.2018

5. Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht durchgeführt worden (AA 11.12.2017).

Meinungsumfragen zeigen einen Rückgang des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Strafverfolgungssystem. Umfragen zufolge waren 2013 noch 60% der Georgier und Georgierinnen mit der Leistung der Polizei zufrieden. Dieser Wert fiel jedoch im April 2017 Jahres auf 38%. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Unzufriedenen mit der Polizei von einem einstelligen Prozentwert auf 14% (NDI/CRRC 4.2017).

Hochrangige Zivilbehörden üben nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst aus. Die zivilen Behörden behielten jedoch die effektive Kontrolle über das Verteidigungsministerium bei. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungs- und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die nationale und internationale Aufmerksamkeit für Straflosigkeit hat zugenommen (USDOS 20.4.2018).

Georgien verfügt nicht über einen wirksamen unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden. Wenn Ermittlungen eingeleitet werden, führen sie häufig zu Anklagen, die geringere, unangemessene Sanktionen wie Amtsmissbrauch nach sich ziehen und selten zu Verurteilungen führen. Die Behörden weigern sich oft, denen, die Missbrauch vorwerfen, einen Opferstatus zu gewähren, und nehmen ihnen die Möglichkeit, die Ermittlungsakten einzusehen (HRW 18.1.2018).

Die Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte blieb bestehen, während die Regierung weiterhin einen unabhängigen Ermittlungsmechanismus versprach, aber nicht einführte. Im Juni 2017 schlug die Regierung statt eines unabhängigen Ermittlungsmechanismus eine neue Abteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft vor, die den mutmaßlichen Missbrauch durch Strafverfolgungsbeamte untersuchen sollte (AI 22.2.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

? AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 18.4.2018

? Eurasianet (5.7.2017): Georgia: Are the Police Backsliding? https://eurasianet.org/s/georgia-are-the-police-backsliding, Zugriff 18.4.2018

? HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422446.html, Zugriff 17.4.2018

? NDI/CRRC - National Democratic Institute/Caucasus Research Resource Centers (4.2017): Public attitudes in Georgia Results of a April 2017 survey carried out for NDI by CRRC Georgia, https://www.ndi.org/sites/default/files/NDI_April_2017_political%20Presentation_ENG_version%20final.pdf, Zugriff 18.4.2018

? USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 23.5.2018

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (AA 11.12.2017).

Die Analyse der vom Amt des Chefanklägers Georgiens erhaltenen Informationen zeigt, dass die Untersuchung anhängiger Strafverfahren mit Vorfällen angeblicher Misshandlung verzögert und unwirksam ist. Dennoch haben die Behörden keine positiven Anstrengungen unternommen, um einen unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung durch Strafverfolgungsbeamte einzurichten. Nach den Zehnmonatsdaten von 2017 ist im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Beschwerden wegen angeblicher Misshandlungen durch Polizeibeamte während und/oder nach Verhaftungen gestiegen. Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich allerdings die Einschätzung von Vorfällen angeblicher Misshandlung verbessert (PD 10.12.2017).

Seit November 2016 erhielt die Georgian Young Lawyers' Association (GYLA) mindestens 20 Beschwerden wegen Folter und Misshandlung durch die Polizei und fünf durch das Gefängnispersonal. Laut GYLA haben die Behörden die Vorwürfe nicht wirksam untersucht (HRW 18.1.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

? HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422446.html, Zugriff 6.6.2018

? PD - The Public Defender of Georgia (10.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf, Zugriff 18.4.2018

7. Korruption

Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem. Dies kann unter anderem in Form von Bestechungsgeldern, dem Austausch von Insiderinformationen und Einschüchterungen geschehen. Die Durchsetzung von Antikorruptionsmaßnahmen auf hohem Niveau fehlt (FH 1.2018; vgl. GAN 8.2017).

Insgesamt ist es dem Land gelungen, die Korruption zu reduzieren. Die georgischen Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung sind weitgehend im Strafgesetzbuch enthalten, das einen soliden Rechtsrahmen zur Eindämmung der Korruption im Land vorsieht, auch wenn die Durchsetzung, die durch die mangelnde Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden behindert wurde, in einigen Bereichen noch immer fehlt. Defizite bestehen beispielsweise im Justizwesen und im öffentlichen Auftragswesen (GAN 8.2017).

Die Anti-Korruptions-Behörde des Europarates, GRECO, lobte am 17.1.2017 den beträchtlichen Fortschritt bei der Reduzierung der Korruption in Georgien. Insbesondere wurden die Maßnahmen hervorgehoben, wonach öffentliche Vertreter, darunter Parlamentarier, Richter und Staatsanwälte der höheren Ebene ihr Vermögen deklarieren müssen. Laut GRECO sei es wichtig, diese Bestimmungen auf alle Staatsanwälte auszuweiten und diese konstant zu überprüfen. Hinsichtlich der Parlamentsabgeordneten empfiehlt GRECO die Veröffentlichung von Unvereinbarkeitsbestimmungen. Darüber hinaus sollte die Einflussnahme der Regierung und der Parlamentsmehrheit bei der Bestellung des Generalstaatsanwalts und der Aktivitäten des Rates der Staatsanwaltschaft reduziert werden (CoE 17.1.2017).

Am 26.9.2017 verabschiedete die Regierung eine überarbeitete nationale Antikorruptionsstrategie und einen neuen Anti-Korruptions-Aktionsplan für 2017-2018. Seit Januar 2017 hat Georgien ein Überwachungssystem für Vermögenserklärungen von Amtsträgern eingeführt (EC 9.11.2017).

Transparancy International platzierte Georgien in seinem "Corruption Perceptions Index 2017" auf Rang 46 (2016: 44 von 176 Ländern) von 180 Ländern (25.1.2017).

Quellen:

? CoE - Council of Europe (17.1.2017): Georgia should continue reforms to prevent corruption among parliamentarians, judges and prosecutors, says new Council of Europe report [DC004(2017)], https://www.coe.int/en/web/tbilisi/-/georgia-should-continue-reforms-to-prevent-corruption-among-parliamentarians-judges-and-prosecutors-says-new-council-of-europe-report, Zugriff 18.4.2018

? EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 19.4.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 18.4.2018

? GAN - The Business Anti-Corruption Portal (8.2017): Georgia Corruption Report, https://www.business-anti-corruption.com/country-profiles/georgia, Zugriff 18.4.2018

? TI - Transparency International (21.2.2018): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/country/GEO, Zugriff 18.4.2018

8. NGOs und Menschrechtsaktivisten

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen, und können in Einzelfragen auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben (AA 11.12.2017).

Ein wachsendes Netzwerk sog. "Watchdog"-NGOs hat seine Leistungsfähigkeit gesteigert, damit Bürgerrechte mittels Kampagnen vertreten werden. Der zivilgesellschaftliche Sektor wächst weiter zahlenmäßig und hinsichtlich der Kapazitäten, bleibt aber in erster Linie in der Hauptstadt und anderen größeren Städte konzentriert. NGOs haben nur schwache Verbindungen mit der breiteren Bevölkerung (BTI 1.2018, vgl. FH 1.2018).

Trotz der Schwäche der NGOs in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen spielten sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft haben die NGOs die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BTI 1.2018).

Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden, berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 1.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

? BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 - Georgia Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf, Zugriff 19.4.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 19.4.2018

9. Ombudsperson

Die georgische Ombudsperson ist eine Verfassungsinstitution, welche den Schutz der Menschenrechte und Freiheiten innerhalb der Jurisdiktion überwacht. Die Ombudsperson stellt Verletzungen der Menschenrechte fest und trägt zu deren Wiederherstellung bei. Die Ombudsperson ist unabhängig in seinen Aktivitäten und gehört zu keiner Regierungsstelle. Sie überwacht die staatlichen Stellen, die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften, öffentliche Institutionen und Offizielle. Die Ombudsperson untersucht Menschenrechtsverletzungen sowohl auf der Basis eigener Initiative als auch infolge von erhaltenen Ansuchen. Sie unterbreitet Vorschläge und Empfehlungen in Bezug auf die Gesetzgebung und Gesetzesvorlagen aber auch in Richtung öffentlicher Institutionen aller Ebenen in Hinblick auf Menschen- und Grundrechtsfragen. Sie erfüllt gleichzeitig die Rolle als Nationaler Präventiver Mechanismus (NPM) im Sinne des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe der Vereinten Nationen (PD 2014).

Mit der Ombudsperson für Menschenrechte, aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten, Missstände und individuelle Beschwerdefälle zu untersuchen die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben (AA 11.12.2017).

NGOs zeigten sich 2017 infolge diskreditierender Erklärungen gegen die Ombudsperson [zum damaligen Zeitpunkt Ucha Nanuashvili] und die Ombudsmannstelle besorgt, die von den Vertretern der Legislative, Exekutive und Judikative, darunter hochrangige Regierungsbeamte, abgegeben wurden. In diesen Stellungnahmen reagierten letztere vor allem auf die Untersuchungsergebnisse der Ombudsperson im so genannten Cyanid-Fall. In ihrem Bericht hat die Ombudsperon auf die gravierenden Verfahrensmängel hingewiesen (Humanrights.ge 17.11.2017).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

? Humanrights.ge (17.11.2017): Statement of NGOs about the Discrediting Campaign against the Constitutional Institute of Public Defender, http://www.humanrights.ge/index.php?a=main&pid=19389&lang=eng, Zugriff 23.5.2018

? PD - Public Defender of Georgia (2014): Mandate, http://www.ombudsman.ge/en/public-defender/mandati, Zugriff 19.4.2018

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln (Artikel 14 ff.) postuliert. Mit dem Ombudsmann für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten zur Untersuchung von Vorgängen, greifen viele Themen auf und sind öffentlich sehr präsent. Mit Reformen haben in den letzten Jahren auch Staatsanwaltschaft und Gerichte in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen und werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat zunehmend beachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, so dass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Der vom Parl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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