Index
L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
B-VG Art140;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des R, vertreten durch A, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 29. Juni 1993, Zl. MD-VfR - H 9-12/93, betreffend Abwassergebühr und Umweltabgabe auf Abwasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtenen Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufungen des Beschwerdeführers gegen vier Bescheide des Magistrates der Stadt Wien betreffend Wassergebühr, Abwassergebühr, Umweltabgabe auf Wasser und auf Abwasser sowie Wasserzählergebühr gemäß dem Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978 KKG, LGBl. für Wien Nr. 2, und der Kanalgebührenordnung 1988 vom 11. Dezember 1987, Pr.Z. 3867, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 51, sowie dem Gesetz über die Einhebung von Umweltabgaben auf Wasser, Abwasser und Müll (Umweltabgabegesetz - UAG), LGBl. für Wien Nr. 43/1989, als unbegründet abgewiesen.
2. Die Bescheide betrafen jeweils die Vorschreibung der genannten Abgaben für verschiedene Zeiträume zwischen Jänner 1987 und 1993.
3. Die Liegenschaft EZ X im Eigentum des Beschwerdeführers, auf welche sich die Abgabenvorschreibungen beziehen, besteht aus mehreren Grundstücken. Zwei dieser Grundstücke wurden im Jahre 1984 von der EZ Y in den Gutsbestand der EZ X abgeschrieben. Die Liegenschaft hat die Adresse M-Gasse 59-61.
4. Die verfahrensgegenständliche Abgabenvorschreibung erfolgte jeweils "für die Wasserabgabestelle Wien 14, M-Gasse 59", zu "Gebührenkonto 14/020/490/8/01".
5. Auf der Liegenschaft EZ X befindet sich eine weitere Wasserentnahmestelle samt Wasserzähler und Kanalanschluß; sie trägt die Nr. 14-020-500/7. Die für diese Wasserentnahmestelle vorgeschriebenen Wasser- und Abwassergebühren wurden vom Beschwerdeführer entrichtet (diese Wasserentnahmestelle bzw. der Kanalanschluß bestanden schon vor 1984 auf der Liegenschaft, welche die Adresse M-Gasse 61 hatte).
6. Auf den Grundstücken der EZ Y (mit der Adresse M-Gasse 59) befand sich die Wasserentnahmestelle mit der Nr. 14-020-490/8. Ein Kanalanschluß war nicht vorhanden.
7. In einer Mitteilung vom 23. Dezember 1986 wurde vom Magistrat der Stadt Wien festgestellt, daß eine Abwassergebühr für die "Liegenschaft M-Gasse 59 (KtoNr. 14-020-49-08)" zu entfallen habe.
8. In den Jahren 1991 und 1992 ergingen sodann die oben erwähnten erstinstanzlichen Bescheide betreffend die Vorschreibung der Wassergebühr und Abwassergebühr bzw. Umweltabgabe auf Wasser und Abwasser sowie die Wasserzählergebühr. In diesen Bescheiden ging der Magistrat entgegen der in der erwähnten Mitteilung vertretenen Ansicht davon aus, daß aufgrund der Abgabepflicht für die Liegenschaft als Ganzes auch für die von der Entnahmestelle Nr. 14-020-490/8 bezogenen Wassermengen die Abwassergebühr zu entrichten sei.
9. Vor der Abschreibung der Grundstücke aus EZ Y in die EZ X wurden für die von der Wasserzähleradresse 14-020-490/8 bezogenen Wassermengen keine Abwassergebühren eingehoben.
10. Begründend führt die belangte Behörde zur Abweisung der Berufungen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid aus, der Beschwerdeführer habe bestritten, daß ihn eine Verpflichtung zur Entrichtung der Abwassergebühr bzw. der Umweltabgabe auf Abwasser treffe. Nach Wiedergabe des Inhaltes des § 11 Abs. 1 KKG und der Sachverhaltsdarstellung durch den Beschwerdeführer in der Berufung stellt die belangte Behörde fest, daß für die Abgabepflicht des Beschwerdeführers entscheidend sei, wie der Begriff "Grundbesitz" in § 1 Abs. 1 KKG auszulegen sei. Aus den Berufungsausführungen sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer den Begriff "Grundbesitz" mit dem Begriff "Grundstück" verwechsle. Aus der Aktenlage sowie den Berufungsausführungen gehe eindeutig hervor, daß die Liegenschaft EZ X aus mehreren Grundstücken bestehe, somit eine EZ mehrere Grundstücke erfasse. Während der Beschwerdeführer der Auffassung sei, daß die Abgabepflicht für jedes Grundstück gesondert zu beurteilen sei, sei die Abgabenbehörde erster Instanz davon ausgegangen, daß die Liegenschaft als Einheit zu betrachten sei. In § 11 Abs. 1 KKG werde bei der Verwendung des Begriffes Grundbesitz in einem Klammerausdruck auf § 1 Grundsteuergesetz 1955 verwiesen. Damit habe der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß dieser Begriff entsprechend seiner Bedeutung im Grundsteuergesetz 1955 zu verstehen sei. Als Grundbesitz definiere § 1 Grundsteuergesetz unter anderem das Grundvermögen (§§ 51 bis 56 des Bewertungsgesetzes 1955). § 51 des Bewertungsgesetzes 1955 normiere, daß jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein selbständiges Grundstück im Sinne dieses Bundesgesetzes bilde. Somit sei der Begriff Grundbesitz im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit der betreffenden Grundstücke zu prüfen. Daß diese wirtschaftliche Einheit im Falle des Berufungswerbers vorliege, ergebe sich aus dem finanzbehördlichen Bescheid, mit dem für die gesamte EZ X der Einheitswert zum 1. Jänner 1986 festgestellt worden sei.
Damit sei die Abgabepflicht für die gesamte Liegenschaft gegeben und sei bei der Ermittlung der Abwassermenge nach § 12 Abs. 1 Z 1 KKG die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogene Wassermenge, somit auch die von der Wasserentnahmestelle Konto-Nr. 14/020/490/8, heranzuziehen gewesen. Der Hinweis auf das Schreiben vom 23. Dezember 1986 gehe ins Leere, da es sich dabei um eine bloße Information über die bestehende Rechtslage gehandelt habe und der damalige Irrtum im Tatsachenbereich eine spätere Abgabenvorschreibung nicht ausschließe.
Daß der Abgabenbehörde erster Instanz bei der Berechnung der Abgabe ein Fehler unterlaufen sei, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Aus diesem Grund sei der Berufung keine Folge zu geben gewesen.
11. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Beschwerdeführer bestreitet das Bestehen einer Abgabepflicht hinsichtlich der Abwassergebühr. Durch die Vereinigung der Grundstücke sei keine für die Abgabenerhebung relevante Änderung eingetreten. Überdies sieht der Beschwerdeführer in der unter 7. erwähnten Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien einen Bescheid im Sinn der WAO. Im übrigen hätte aber die belangte Behörde die Berufungsausführungen des Beschwerdeführers als Antrag nach § 13 KKG auf Herabsetzung der Abwassergebühr zu deuten gehabt. Die von der Wasserentnahmestelle M-Gasse 59 bezogene Wassermenge hätte daher bei der Bemessung der Abgabe gemäß § 12 KKG außer Betracht zu bleiben.
12. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat zur Gegenschrift eine Replik erstattet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer hat den angefochtenen Bescheid zur Gänze angefochten, also auch insoweit, als sich dieser auf die Festsetzung von Wassergebühr, Umweltabgabe auf Wasser- und Wasserzählergebühr durch die vier mit Berufung bekämpften erstinstanzlichen Bescheide bezieht.
Das Beschwerdevorbringen erstreckt sich jedoch ausschließlich auf die Frage der Berechnung der Abwassergebühr gemäß § 12 KKG (und der Umweltabgabe auf Abwasser) aufgrund des Wasserbezuges über die Wasserentnahmestelle 14/020/490/8/01, sodaß nur insoweit eine Geltendmachung der Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers erkennbar ist.
2. Die belangte Behörde hat die Abgabenvorschreibung (auch) von Abwassergebühr gemäß § 11 iVm § 12 KKG auch für die von der Wasserabgabestelle 14/020/490/8/01 bezogene Wassermenge darauf gestützt, daß § 11 KKG auf den "Grundbesitz" abstelle und aufgrund des Verweises auf das Grundsteuergesetz im Zusammenhang mit § 1 Grundsteuergesetz die Liegenschaft EZ X für die Abgabenvorschreibung (als Ganzes) maßgeblich sei. Gemäß § 12 KKG sei daher aufgrund des Wasserbezuges (auch von der Wasserentnahmestelle 14/020/490/8/01) die Abgabe zu berechnen.
3. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, daß die von der Wasserentnahmestelle Nr. 14/020/490/8/01 bezogenen Wassermengen nicht in den öffentlichen Kanal geleitet würden. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde seine Berufungsausführungen als Antrag gemäß § 13 KKG deuten müssen. Eine mittelbare oder unmittelbare Einleitung von Wasser in den öffentlichen Kanal erfolge nur hinsichtlich der von der Wasserentnahmestelle M-Gasse 61 bezogenen Wassermengen. Da sich auch die Gebührenpflicht hinsichtlich der Umweltabgabe nach dem Wiener Umweltabgabegesetz nach der mittelbaren oder unmittelbaren Einleitung von Abwasser von innerhalb der Stadt Wien gelegenen Grundbesitz richte (§ 2 UAG), sei die Problematik hinsichtlich der Umweltabgabe ident mit der Frage der Abwassergebühr nach § 11 KKG. Es habe daher auch die Umweltabgabe insoweit zu entfallen.
4. Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.
5. Die §§ 11 bis 13 und § 16 Abs. 3 Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978, LGBl. Nr. 2 (§ 13 und § 16 Abs. 3 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 8/1986), lauten:
"Gebührenpflicht und Ausmaß der Gebühr
§ 11. (1) Der Gebührenpflicht unterliegt die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz (§ 1 Grundsteuergesetz 1995, BGBl. Nr. 149) in einen öffentlichen Kanal (Straßenkanal).
(2) Die Abwassergebühr ist nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu bemessen und mit einem Betrag je Kubikmeter festzusetzen.
Ermittlung der Abwassermenge
§ 12. (1) In den öffentlichen Kanal abgegeben gelten
1.
die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogene, nach § 11 des Wasserversorgungsgesetzes 1960, LGBl. für Wien Nr. 10, ermittelte Wassermenge und
2.
bei Eigenwasserversorgung die im Wasserrechtsbescheid festgestellte Wassermenge, deren Benutzung eingeräumt wurde (§ 111 Wasserrechtsgesetz 1959).
(2) Ist im Wasserrechtsbescheid das eingeräumte Maß der Wassernutzung nicht enthalten oder liegt eine nach dem Wasserrechtsgesetz nicht bewilligte Eigenwasserversorgung vor, ist die bezogene Wassermenge vom Magistrat unter Zugrundelegung der Verbrauchsmenge gleichartiger Wasserabnehmer zu schätzen. Diese Menge gilt als in den öffentlichen Kanal abgegeben.
(3) Besteht eine Wasserversorgung nach Abs. 1 oder Abs. 2, sind die aus einer zusätzlichen Eigenwasserversorgungsanlage bezogenen Wassermengen bei der Ermittlung der Abwassermenge nicht zu berücksichtigen, wenn diese nachweislich zur Gänze nicht in einen öffentlichen Kanal eingeleitet werden.
(4) Der Gebührenschuldner kann bei Eigenwasserversorgung die Anbringung eines Wasserzählers zur Messung der entnommenen Wassermenge beantragen. Die vom Wasserzähler angezeigte Wassermenge gilt in diesen Fällen als in den öffentlichen Kanal abgegeben. Die §§ 11, 15 Abs. 3, § 20 Abs. 5 lit. a und § 27 des Wasserversorgungsgesetzes 1960 sind sinngemäß anzuwenden. Zusätzlich hat der Gebührenschuldner die Kosten der Anschaffung und Auswechslung des beigestellten Wasserzählers zu tragen. Verlangt der Gebührenschuldner die Beseitigung des Wasserzählers, sind ihm die vorgeschriebenen Anschaffungskosten, vermindert um 10 v.H. für jedes Kalenderjahr, in dem ein Wasserzähler beigestellt war, rückzuerstatten.
§ 13. (1) Für nach § 12 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 und 4 festgestellte Abwassermengen, die nicht in den öffentlichen Kanal gelangen, ist über Antrag die Abwassergebühr herabzusetzen, wenn die im Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleiteten Abwassermengen 5 vH der für diesen Zeitraum festgestellten Abwassermengen, mindestens jedoch 100 Kubikmeter, übersteigen und die Nichteinleitung durch prüfungsfähige Unterlagen nachgewiesen wird. Der Antrag ist bei sonstigem Anspruchsverlust für in einem Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleitete Wassermengen bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres einzubringen.
(2) Für Kleingärten sowie für Baulichkeiten mit nicht mehr als zwei Wohnungen, insbesondere Kleinhäuser, Reihenhäuser und Sommerhäuser im Sinne des § 116 der Bauordnung für Wien, LGBl. für Wien Nr. 11/1930, in der Fassung des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 18/1976, kann, wenn die Nutzfläche der einzelnen Wohnungen 150 Quadratmeter nicht übersteigt, mit Beschluß des Gemeinderates für zur Bewässerung von Grünflächen verwendete Wassermengen ein Pauschalbetrag festgesetzt werden, um den die gemäß § 12 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 und 4 festgestellte Abwassermenge für die Ermittlung der Abwassergebühr vermindert wird. Der pauschale Abzug dieser Wassermengen erfolgt über Antrag für die der Antragstellung folgenden Kalenderjahre. Das Wegfallen der Voraussetzungen für den pauschalen Abzug ist dem Magistrat unverzüglich mitzuteilen."
§ 16 Abs. 3:
"(3) Bescheidmäßig zuerkannte Herabsetzungen gemäß § 13 dieses Gesetzes sind bei der Festsetzung der Teilzahlungen zu berücksichtigen. Wird ein Antrag gemäß § 13 vor Festsetzung der Abwassergebühr eingebracht, so ist die Abwassergebühr zunächst unter Berücksichtigung bescheidmäßig zuerkannter Herabsetzungen vorläufig und nach Entscheidung über den Antrag endgültig festzusetzen. Jede Änderung der Voraussetzungen für die Herabsetzung der Abwassergebühr ist dem Magistrat unverzüglich mitzuteilen."
6. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. Juni 1993, Zl. 91/17/0191, worauf die belangte Behörde an sich zutreffend hinweist, ausgesprochen, daß der Gebührenpflicht gemäß § 11 Abs. 1 KKG, LGBl. für Wien Nr. 2/1978 idgF, die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz (§ 1 Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149) in einen öffentlichen Kanal (Straßenkanal) unterliege.
Die Abwassergebühr ist jedoch gemäß § 11 Abs. 2 KKG nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu bemessen und mit einem Betrag je Kubikmeter festzusetzen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Mai 1985, Zl. 85/17/0008, festgestellt hat, handelt es sich bei der Berechnungsvorschrift des § 12 Abs. 1 KKG (arg.: "gelten" ... "gilt") dem Anschein nach um eine der Vereinfachung der Ermittlung der Gebührenhöhe dienende Fiktion. Zu ihrer Korrektur im Sinne des Gebührentatbestandes und zur Vermeidung eines gleichheitswidrigen Ergebnisses seien ihr Regeln an die Seite gestellt, die es erlaubten, auf Fälle Rücksicht zu nehmen, in denen die in die öffentlichen Kanäle abgeleiteten Abwassermengen geringer seien als die der öffentlichen Wasserversorgung oder einer Eigenwasserversorgung entnommenen Wassermengen. Der Nachweis hiefür werde in diesen Regeln dem Gebührenpflichtigen auferlegt, womit sich die Fiktion in Wahrheit als widerlegbare Rechtsvermutung erweise.
Zu den im Gesetz vorgesehenen unterschiedlichen Verfahrensweisen für die Feststellung der tatsächlich in die Kanalanlage eingeleiteten Abwassermengen führte der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis aus, daß gegen die Verschiedenheit der Verfahrensweisen sowie der Voraussetzungen bei der Berücksichtigung des Nachweises nicht in den Kanal abgegebener Abwassermengen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes keine Bedenken bestünden. Die Besonderheit des in § 12 Abs. 3 KKG geregelten Falles bestehe nämlich darin, daß die aus einer zusätzlichen Eigenwasserversorgungsanlage bezogenen Wassermengen zur Gänze nicht als Abwassermengen in einen öffentlichen Kanal eingeleitet würden. In diesem Fall könne daher davon ausgegangen werden, daß in der Regel der Nachweis einfach zu erbringen sei, wehalb ein wesentlicher Unterschied im Sachverhalt vorliege, der es sowohl erlaube, von der Antragsbedürftigkeit der Berücksichtigung abzusehen, als auch Grenzwerte nicht aufzustellen.
§ 13 Abs. 1 lasse sich jedoch nicht entnehmen, daß die Berücksichtigung eines bereits bewiesenen Herabsetzungsanspruches nur in einem besonderen Rückerstattungsverfahren erfolgen dürfe, oder, daß es dem Belieben der Behörde anheim gestellt sei, einen derartigen Antrag anläßlich der Gebührenfestsetzung unberücksichtigt zu lassen. Weder die Worte "festgestellte Abwassermengen" noch der Ausdruck "herabzusetzen" ließen erkennen, daß der Herabsetzung bereits eine Gebührenfestsetzung vorausgegangen sein müsse. Ein derartiges Verständnis des Gesetzes verstieße gegen den in § 11 Abs. 1 KKG festgelegten Gebührentatbestand, aus dem zu entnehmen ist, daß nur die in einen öffentlichen Kanal eingeleiteten Abwässer der Gebührenpflicht unterliegen sollten.
Stünde daher bereits der Herabsetzungsanspruch fest, so dürfe von der Behörde nur mehr die herabgesetzte Gebühr festgesetzt werden.
Gleiches wurde mit näherer Begründung hinsichtlich der Teilzahlungen festgestellt.
7. Auch dem zitierten Erkenntnis lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem zum Zeitpunkt der Entscheidung der im Verfahren belangten Behörde noch keine formelle Entscheidung über den Herabsetzungsantrag ergangen war, den die Beschwerdeführerin für das dem Jahr, für welches die bekämpften Teilzahlungen festgesetzt worden waren, vorangehende Jahr gestellt hatte. Der Verwaltungsgerichtshof kam in dem genannten Erkenntnis zum Ergebnis, daß - sollte die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß sie durch die dem Herabsetzungsantrag beigelegten Unterlagen den Herabsetzungsantrag bereits nachgewiesen habe, richtig sein - die belangte Behörde der Festsetzung der Teilzahlungen für das Folgejahr nur mehr die entsprechend dem Herabsetzungsbegehren für das Vorjahr reduzierte Abwassermenge zugrunde legen hätte dürfen.
8. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung wäre die belangte Behörde vor der Entscheidung über die Berufungen des Beschwerdeführers verpflichtet gewesen, auf das Vorbringen hinsichtlich der Nichteinbringung der von der Wasserentnahmestelle Nr. 14-020-490/8 bezogenen Wassermengen in den Kanal einzugehen bzw. zu prüfen, ob im Sinne der vorstehenden Ausführungen der Herabsetzungsanspruch bereits feststehe. Ungeachtet der durch § 13 Abs. 1 KKG eröffneten Möglichkeit, eine solche Herabsetzung innerhalb der in § 13 Abs. 1 KKG genannten Fristen auch nach Festsetzung der Abgabe (in Durchbrechung der Rechtskraft des Festsetzungsbescheides) erreichen zu können, ist bei Feststehen des Herabsetzungsanspruches bereits bei der Festsetzung der Abgabe die reduzierte Wassermenge der Berechnung der Abgabe zugrunde zu legen.
9. In diesem Sinne hätte die belangte Behörde im Beschwerdeverfahren entweder den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Sachverhalt (den sie im Grunde nicht bestritten hat), ihrer Entscheidung zugrunde zu legen gehabt, oder aber - so sie das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als ausreichenden Nachweis erachtet hätte - gegebenenfalls zur Vorlage weiterer Nachweise auffordern müssen (im vorgelegten Verwaltungsakt findet sich ua. eine Meldung über eine Abwassererhebung, laut der die von einer dort mit einer bestimmten Nummer, die nicht mit den sonstigen Bezeichnungen für die in Rede stehende Entnahmestelle übereinstimmt, gekennzeichneten Entnahmestelle bezogenen Wassermengen nicht in den Kanal eingeleitet würden; in der Berufungsvorentscheidung vom 10. Juli 1992 wird lediglich festgestellt, daß die Liegenschaft an den Kanal angeschlossen worden sei, was vom Beschwerdeführer auch nie bestritten wurde, geht es doch nicht darum, ob die Liegenschaft an den Kanal angeschlossen ist, sondern ob auch die vom verfahrensgegenständlichen Wasseranschluß bezogenen Wassermengen in den Kanal eingeleitet werden).
Der Beschwerdeführer hat (wenn auch in rechtlicher Hinsicht unpräzise) bereits in seiner Berufung vom 17. Jänner 1992 die Auffassung vertreten, daß die Abwassergebühr zu entfallen habe, "da oben genannte Liegenschaft nach wie vor an keinen Kanal angeschlossen" sei (die Ausführungen bezogen sich auf das "Grundstück M-Gasse 59" und sind daher dahingehend zu verstehen, daß einzelne Grundstücke der Liegenschaft nicht an den Kanal angeschlossen seien). Als "Beweis" ist in der Berufung auf den "Bescheid vom 23.12.1986 der MA 4 - Ref. 6" verwiesen. Mit diesem Schreiben wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 14. März 1986, mit dem er um Herabsetzung der Abwassergebühr für das Jahr 1985 ersucht hatte, da die Wasserentnahme ausschließlich zu Grünflächenbewässerung erfolge, "mitgeteilt", daß gemäß § 11 Abs. 1 des Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetzes - KKG 1978, LGBl. für Wien Nr. 2/78, in der derzeit geltenden Fassung, der Gebührenpflicht die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz in einen öffentlichen Kanal unterliege.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben sodann wie folgt:
"Da die o.a. Liegenschaft an keinen Kanal angeschlossen ist, muß die Abwassergebühr entfallen.
Der Stadtkasse für den 13./14. Bezirk wurden S 8.365,-- zur Gutschrift angewiesen."
10. Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob das genannte Schreiben (dessen vom zuständigen Abteilungsleiter unterfertigter Entwurf im vorgelegten Akt erliegt; die an den Beschwerdeführer ergangene Ausfertigung liegt dem Verwaltungsgerichtshof nicht vor) einen Bescheid darstellt oder nicht. Auch wenn die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung die formalen Erfordernisse eines Bescheides nach der WAO erfüllt haben sollte, sodaß die Qualifikation als Bescheid insbesondere davon abhinge, ob die Formulierung "mitgeteilt" im vorliegenden Fall ausnahmsweise im Zusammenhalt mit der Tatsache, daß ausdrücklich auf einen Antrag des Beschwerdeführers Bezug genommen wird, einen Bescheidwillen der Behörde erkennen lasse, wäre die Rechtskraft dieses Bescheides im Hinblick auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 14. März 1986 nur bezüglich der Abwassergebühr für das Jahr 1985 gegeben.
Unabhängig davon dokumentiert das Schreiben jedoch - und insofern ist dem Beschwerdeführer im Ergebnis Recht zu geben - , daß die Behörde erster Instanz (zumindest für das Jahr 1985) von der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ausgegangen ist. Dies ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde als Berufungsbehörde im Verfahren zur Festsetzung der Abwasserabgabe von Bedeutung. Wenn die belangte Behörde davon spricht, dem Schreiben liege ein "Tatsachenirrtum" zugrunde, meint sie nicht, daß die in Rede stehenden Wassermengen nicht zur Bewässerung verwendet würden, sondern spricht damit vielmehr die nunmehr im Gegensatz zur Behörde erster Instanz zugrunde gelegte Auffassung an, daß die nunmehrige EZ X als einheitlicher "Grundbesitz" der Abgabe unterliege. Damit gibt die belangte Behörde aber zu verstehen, daß sie hinsichtlich der Frage des "Grundbesitzes" eine andere Auffassung vertrete als die Behörde erster Instanz und deshalb von der in dem genannten Schreiben "mitgeteilten" Rechtsauffassung abgehe.
11. Die belangte Behörde hat - ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsansicht, daß die Verwendung des Wassers bei der Festsetzung der Abgabe keine Rolle spiele - keine Feststellungen hinsichtlich des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Sachverhalts getroffen. Die belangte Behörde konnte, ausgehend von dem ihr vorliegenden Verfahrensergebnis, nicht ohne weiteres die Einrede, daß die in Rede stehenden Wassermengen nicht in den Kanal eingeleitet würden, übergehen.
12. Im Hinblick auf die Fristbestimmung in § 13 Abs. 1 zweiter Satz KKG ist noch zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer die Geltendmachung der Nichteinleitung zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Behörde erster Instanz bzw. des angefochtenen Bescheides noch offen stand.
Dies ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf den auch im Verfahren nach der WAO geltenden Grundsatz von Treu und Glauben zu bejahen. § 13 Abs. 1 zweiter Satz geht im systematischen Zusammenhang mit § 16 KKG und dem demnach anwendbaren Wasserversorgungsgesetz, LGBl. Nr. 10/1960, im Beschwerdefall in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 3/1974, offensichtlich davon aus, daß es zu einer regelmäßigen Festsetzung der Abgabe kommt, sodaß dem Abgabepflichtigen bekannt ist, von welchen Mengen, die in den Kanal eingeleitet würden, die Behörden ausgehen. Im Beschwerdefall kam es für die Jahre ab 1987 erst am 10. Juli 1992 zu einer erstmaligen Festsetzung der Abgabe. Bis dahin hatte der Beschwerdeführer von Seiten der Abgabenbehörden nur das oben genannte Schreiben vom 23. Dezember 1986, in dem seinem Standpunkt Rechnung getragen wurde (vgl. in diesem Zusammenhang zur Bedeutung von Auskünften an Abgabepflichtige im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben Ritz, BAO, Anm. 3 und 6 zu § 1 Auskunftpflichtgesetz, und Ritz, ÖStZ 1991, 285). Bei dieser Situation kann es einem Rechtsunterworfenen nicht zugemutet werden, "auf Verdacht einer möglichen Änderung der Rechtsauffassung der Behörde" Anträge auf Herabsetzung von Abgaben zu stellen, deren Zahlung ihm die Behörde (noch) nicht vorgeschrieben hat, von deren Vorschreibung sie im Gegenteil im Hinblick auf eine auch dem Abgabepflichtigen mitgeteilte Rechtsansicht - wenn auch nicht bescheidmäßig, so doch faktisch - Abstand genommen hat. Bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden muß daher die Geltendmachung der Nichteinleitung der bezogenen Wassermengen in den Kanal auch noch im Abgabenfestsetzungsverfahren offen stehen. Andernfalls wäre § 13 Abs. 1 zweiter Satz in Verbindung mit der für die Festsetzungsverjährung geltenden Bestimmung verfassungswidrig, da der Behörde durch Abwarten des Fristablaufes nach § 13 Abs. 1 KKG die Möglichkeit offen stünde, den Rechtsunterworfenen um die Geltendmachung seines Herabsetzungsanspruches zu bringen.
13. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Auf die Frage, ob hinsichtlich einer Liegenschaft die Abgabenfestsetzung - wie dies im vorliegenden Fall offensichtlich erfolgte - derart vorgenommen werden kann, daß hinsichtlich verschiedener Wasserentnahmestellen verschiedene (Teil-)Bescheide ergehen (oder ob von der Rechtskraft einer für ein bestimmtes Grundstück - wenn auch nur unter Zugrundelegung der von einer bestimmten Wasserentnahmestelle bezogenen Wassermengen - vorgenommenen Abgabenfestsetzung auszugehen ist), war daher im Beschwerdefall nicht einzugehen.
14. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Stempelgebühren für die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde bzw. der Äußerung zur Gegenschrift.
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1993170290.X00Im RIS seit
08.02.2002