TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 L504 2191495-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §32

Spruch

L504 2191495-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Libanon, auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.11.2018, Zl. L504 2191495, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die wiederaufnahmewerbende Partei brachte am 4. Dezember 2018 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 VwGVG ein. Darin wird der Antrag gestellt, ihr Verfahren zur Zl. L504 2191495, welches durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. November 2018, zugestellt am 14. November 2018, rechtskräftig abgeschlossen wurde, gemäß § 32 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 5 VwGVG wieder aufzunehmen.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2018 sei ihr Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Weiters sei die Abschiebung in den Libanon für zulässig erklärt und ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen worden sowie wurde die Frist für eine freiwillige Ausreise nicht gewährt.

Gegen diesen Bescheid sei am 5. November 2018 Beschwerde erhoben worden.

Noch am selben Tag, am 5. November 2018, habe die wiederaufnahmewerbende Partei per FAX eine Ergänzung der Beschwerde beim Bundesamt eingebracht. Im Grunde sei darin moniert worden, dass der am 19. Oktober 2018 zugestellte Bescheid weder eine Unterschrift des Genehmigenden noch eine Amtssignatur aufweise.

Da es sich bei der Unterschrift gemäß § 58 Abs. 3 AVG i.V.m. § 18 Abs. 4 AVG um ein konstitutives Bescheidmerkmal handle, sei davon auszugehen, dass der Bescheid vom 18. Oktober 2018 nicht rechtswirksam erlassen worden sei.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. November 2018, zugestellt am 14. November 2018, sei die Beschwerde gemäß § 16 BFA-VG als verspätet zurückgewiesen worden.

Da in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes auf den Vorwurf der fehlenden Unterschrift und somit den Inhalt der Beschwerdeergänzung nicht eingegangen wurde, sei seitens des bevollmächtigten Vertreters am 27. November 2018 Einsicht in den Akt beim Bundesverwaltungsgericht genommen worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die am 5. November 2018 eingebrachte Beschwerdeergänzung nicht Eingang in den Akt beim Bundesverwaltungsgericht gefunden habe und somit bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt werden habe können. Die mangelnde Übermittlung könne dem Wiederaufnahmewerber nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Mit Akteneinsicht vom 27. November 2018 habe die Rechtsvertretung Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund erlangt. Die Einbringung des gegenständlichen Antrages erfolge somit auch innerhalb der diesbezüglichen Zweiwochenfrist des § 32 Abs. 2 VwGVG.

Da es sich bei dem mit Einbringung der Beschwerde geäußerten Vorwurf des Vorliegens eines Nicht-Bescheides um eine neue Tatsache handle, die eine im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Entscheidung herbeigeführt hätte, nämlich die Zurückweisung der Beschwerde, mangels Vorliegens eines der Beschwerde zugänglichen Bescheides aufgrund des Vorliegens eines Nicht-Bescheides, würden alle Voraussetzungen für die Einbringung eines Wiederaufnahmeantrages gemäß § 32 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 5 VwGVG grundsätzlich vorliegen. Ob das Verfahren tatsächlich einen anderen Ausgang nimmt, sei im wieder aufgenommenen Verfahren zu klären. Ergänzend sei noch anzuführen, dass der Wiederaufnahmewerber ihrer Rechtsvertretung den besagten Bescheid vom 18. Oktober 2018 zur Erhebung einer Beschwerde, so wie er diesen am 19. Oktober 2018 in Empfang genommen habe, beim Rechtsberatungsgespräch vom 25. Oktober 2018 übergeben habe. Es handle sich um ein Schriftstück im Umfang von 100 Seiten, wobei die letzte Seite mit der Seitenanzahl 100/100 zwar mit den Namen des Genehmigenden, aber nicht mit dessen Unterschrift versehen gewesen sei. Eine zusätzliche Seite mit einer Amtssignatur sei diesem nicht beigefügt worden.

In einem Folgegespräch, am 22. November 2018, sei der Wiederaufnahmewerber von der Rechtsvertretung aufgefordert worden, alle vom Bundesamt erhaltenen Schriftstücke und Unterlagen mit zum Gespräch zu nehmen. Auch bei Durchsicht all dieser Unterlagen habe kein Zettel mit einer Amtssignatur gefunden werden können. Selbst wenn das Bundesamt also den Bescheid vom 18.10.2018 aber dafür mit Amtssignatur an die Justizanstalt XXXX übermittelt hat, um diesen zuzustellen, dem Wiederaufnahmewerber der Bescheid aber ohne Unterschrift und Amtssignatur ausgefolgt wurde, sei hier das Zustellrisiko der Behörde und nicht dem Wiederaufnahmewerber zuzurechnen, da die Justizanstalt wohl als Zustellbote der Behörde und nicht ihm als Empfangsbote zugerechnet werden könne. Da der Bescheid vom 18. Oktober 2018 also weder unterschrieben noch amtssigniert war, als er in seinen Empfangsbereich gekommen ist, sei vom Vorliegen eines Nicht-Bescheides auszugehen.

Das Bundesamt wurde aufgefordert zum Inhalt des Wiederaufnahmeantrages Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme erfolgte mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2018. Das Bundesamt führt darin aus, dass der gegenständliche Bescheid am 18. Oktober 2018 erstellt und die Urschrift durch den approbationsbefugten Referenten eigenhändig unterfertigt worden sei. Die schriftliche Ausfertigung sei mittels Amtssignatur gefertigt (Seite 101) worden und sei im Format PDF samt Info-Ausreiseverpflichtung und einer Verfahrensanordnung per Mail an die JA XXXX , mit der Bitte um Aushändigung an den Wiederaufnahmewerber übermittelt worden. Die konkrete Ausfertigung der Dokumente durch einen Mitarbeiter der Justizanstalt XXXX sei laut Übernahmebestätigung am 19. Oktober 2019 (gemeint wohl 2018) erfolgt. Laut Auskunft der Justizanstalt (Telefonat am 11. Dezember 2019 mit Frau A.) würden im Falle eines Zustellersuchens Schriftstücke (Bescheide) immer samt Amtssignatur ausgedruckt und ausgefolgt.

Am 5. November 2018 um 15:32 Uhr ist beim Bundesamt die Beschwerde und um 16.09 Uhr die im Wiederaufnahmeantrag angeführt Beschwerdeergänzung per Telefax eingegangen. Beide Eingänge (samt Verfahrensanordnung und der Bescheidentwurf) seien am 6. November 2018 um 8:50 Uhr dem Bundesverwaltungsgericht per E-Mail vorgelegt worden.

Dem Antragsteller sei am 19 Oktober 2018 ein Ausdruck des Bescheides samt Amtssignatur ausgefolgt worden. Es sei nicht nachvollziehbar warum im konkreten Fall seitens der Justizanstalt das Schriftstück nicht samt Amtssignatur ausgefolgt worden sein soll.

In diesem Zusammenhang werde auch auf dem beiliegenden Antrag des Wiederaufnahmewerber an das Bundesamt betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19. November 2018 verwiesen, der belege, dass dem Wiederaufnahmewerber sehr wohl der Bescheid samt Amtssignatur ausgefolgt worden sei. In diesem Antrag werde vom Antragsteller nämlich festgehalten, dass "der Ausfertigung des Bescheides eine Amtssignatur beigegeben war" ["Dem war so - allerdings nicht als Bestandteil des 100-seitigen Bescheides [100/100].

Aus Sicht des Bundesamtes liege daher ein rechtsgültiger Bescheid vor. Die Ausfertigung sei mit einer Amtssignatur versehen gewesen und die Urschrift sei zudem eigenhändig unterfertigt worden.

Am 10. Jänner 2019 langte vom Bundesamt ein ergänzendes Schreiben mit dem Hinweis ein, dass irrtümlich die Beschwerdeergänzung nicht dem, dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Akt beigefügt wurde. Diese sei jedoch am 6. November 2018 per Mail an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat zentral durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie durch das ergänzende Ermittlungsverfahren Beweis erhoben. Der maßgeblicher Sachverhalt ergibt sich dadurch zweifelsfrei.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Das bezughabende Verfahren des BVwG Zl. L5 504 2191495, wurde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. November 2018, zugestellt am 14. November 2018, rechtskräftig abgeschlossen.

Mit Akteneinsicht vom 27. November 2018 hat der Wiederaufnahmewerber durch ihre Rechtsvertretung Kenntnis erlangt, dass sich die Beschwerdeergänzung vom 05.11.2018, nicht im Verwaltungsakt des Bundesverwaltungsgerichtes befindet. Darin wurde moniert, dass der zugestellte Bescheid des Bundesamtes keine Unterschrift und auch keine Amtssignatur aufweist und somit kein rechtswirksamer Bescheid vorliegen würde.

Am 04.12.2018 wurde der verfahrensgegenständliche Wiederaufnahmeantrag gestellt und vorgebracht, dass die Beschwerdeergänzung nicht Eingang in die Entscheidungsfindung beim BVwG gefunden hat.

Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass diese Beschwerdeergänzung sich nicht im vorgelegten Akt des Bundesamtes und auch nicht im Akt des BVwG befand. Aus dem eVa System des BVwG ist ersichtlich, dass diese tatsächlich vom Bundesamt per Mail nachgereicht wurde, aber beim Bundesverwaltungsgericht keinen Eingang in den schriftlichen Akt fand.

Fest steht für das Bundesverwaltungsgericht, dass der Wiederaufnahmewerber den verfahrensgegenständlichen Bescheid am 19.10.2018 in der Justizanstalt persönlich übernommen hat. Dem ausgefolgten Bescheid war die bezugnehmende Amtssignatur beigegeben. Die Urschrift des Bescheides im Verwaltungsakt des Bundesamtes weist die Unterschrift des genehmigenden Organwalters auf.

2. Beweiswürdigung

Der für diese Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und dem Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens

Der Wiederaufnahmewerber bringt im Antrag im Wesentlichen ins Treffen, dass der verfahrensgegenständliche zugestellte Bescheid des Bundesamtes keine Unterschrift und keine Amtssignatur aufweist und daher kein rechtswirksam erlassener Bescheid vorliegen würde.

Unstreitig ist, dass der Bescheid des Bundesamtes gem. § 18 Abs 3 AVG an keinem Genehmigungsmangel leidet. Dieser ist vom approbationsbefugten Organwalter eigenhändig unterfertigt worden und befindet sich im Akt. Weiters ist unstreitig, dass der an den Wiederaufnahmewerber zugestellte Bescheid keine Unterschrift des genehmigenden Organwalters oder einen Beglaubigungsvermerk der Kanzlei aufweist.

Der Behauptung des Wiederaufnahmewerbers im Wiederaufnahmeantrag, dass der Bescheid auch nicht amtssigniert wurde, kann seitens des BVwG aus nachfolgenden Gründen nicht gefolgt werden:

Der Wiederaufnahmewerber hat vor dem Wiederaufnahmeantrag schon am 19.11.2018 beim Bundesamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. In diesem Antrag führt er Folgendes aus:

"[...]

Da auf die fehlende Unterfertigung in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes nicht eingegangen wurde, wurde durch die Rechtsberatung erhoben, ob bei der Zustellung an den ASt, am 19.10.2018, dem Bescheid, mangels Unterschrift, eine Amtssignatur beigegeben wurde. ?Dem war so' - allerdings nicht als Bestandteil des 100-seitigen Bescheides (100/100).

[...]"

Der Wiederaufnahmewerber führt also im vorangegangenen Wiedereinsetzungsantrag noch selbst aus bzw. bestreitet nicht, dass dem verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes auch eine zum Bescheid bezughabende Amtssignatur "beigegeben" war und diese dem Wiederaufnahmewerber auch zugestellt wurde. Dies ist auch stimmig zu den Angaben des Bundesamtes im Zuge der eingeholten Stellungnahme und der darin befindlichen Auskunft der Justizanstalt.

Soweit der Wiederaufnahmewerber eine mangelnde Erlassung deshalb anzweifelt, weil die Amtssignatur eigentlich die Seite 101 wäre, der Bescheid jedoch nur 100 Seiten lt. Fußnote aufweist, so kann darin kein relevanter Mangel erkannt werden, zumal lt. Äußerung des Wiederaufnahmewerbers im Wiedereinsetzungsantrag ohnedies klar war, dass diese Amtssignatur auf den Bescheid des Bundesamtes Bezug nimmt und er selbst ausdrücklich angibt, dass "dem Bescheid eine Amtssignatur beigegeben" war.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. [...]

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. [...]

4. [...]

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Wie die Materialien zum VwGVG 2014 (RV 2009 Blg NR 24. GP, 7) erkennen lassen, sind die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG 2014 denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet. Auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmsgründe kann folglich zurückgegriffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136).

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit oa. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren des Wiederaufnahmewerbers aufgrund neuer Tatsachen, beziehungsweise Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wieder aufzunehmen.

Es muss sich um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens"). Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (18.01.2017, Ra 2016/18/0197 ).

Neu entstandene Tatsachen, also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhaltes die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheides nicht entgegensteht. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl. dazu VwGH 17.02.2006, 2006/18/0031; 07.04.2000, 96/19/2240, 20.06.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25. 11. 1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.02.1992, 90/12/0224 u.a.).

Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweise allein genügt nicht, um das Verfahren wieder aufzunehmen. Es handelt sich bei diesem "Neuerungstatbestand" nämlich um einen relativen Wiederaufnahmegrund und ist für eine Wiederaufnahme weiters erforderlich, dass die neuen Tatsachen und Beweise voraussichtlich auch zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würden (vgl. VwGH 14.06.1993, 91/10/0107; 27.09.1994, 92/070074; 22.02.2001, 2000/04/0195). Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH vom 19. April 2007, 2004/09/0159).

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH vom 18.01.2017, Ra 2016/18/0197).

Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, Zl. 2001/07/0017; 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).

Fallbezogen ergibt sich somit Folgendes:

Auf Grund der Aktenlage ist unstreitig, dass die wP den Wiederaufnahmeantrag gem. § 32 Abs 2 VwGVG binnen zwei Wochen ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes, somit rechtzeitig, beim BVwG eingebracht hat.

Der Antrag bringt vor, dass der Einwand von Umständen, die nach seiner Ansicht einen Nichtbescheid aufzeigen würden und somit zu einem anderen Ergebnis des BVwG geführt hätte, ohne sein Verschulden im Verfahren beim BVwG nicht geltend gemacht werden konnte. Mangels Amtssignatur oder Unterschrift liege ein Mangel der Ausfertigung des Bescheides vor, der zu einem sog. Nichtbescheid geführt hätte. Das BVwG hätte folglich bei Berücksichtigung die Beschwerde mangels Bescheidqualität als unzulässig zurückweisen müssen.

§ 18 AVG

[...]

(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

§ 2. E-GoVG

1.

"Identität": die Bezeichnung der Nämlichkeit von Betroffenen (Z 7) durch Merkmale, die geeignet sind, ihre Unterscheidbarkeit von anderen zu ermöglichen; solche Merkmale sind insbesondere der Name und das Geburtsdatum, aber auch etwa die Firma oder (alpha)nummerische Bezeichnungen;

2.

"eindeutige Identität": die Bezeichnung der Nämlichkeit eines Betroffenen (Z 7) durch ein oder mehrere Merkmale, wodurch die unverwechselbare Unterscheidung von allen anderen bewirkt wird;

(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 7/2008)

4.

"Eindeutige Identifikation": elektronische Identifizierung gemäß Art. 3 Z 1 eIDAS-VO (Z 11);

5.

"Authentizität": die Echtheit einer Willenserklärung oder Handlung in dem Sinn, dass der vorgebliche Urheber auch ihr tatsächlicher Urheber ist;

(Anm.: Z 6 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 50/2016)

7.

"Betroffener": jede natürliche Person, juristische Person sowie sonstige Personenmehrheit oder Einrichtung, der bei ihrer Teilnahme am Rechts- oder Wirtschaftsverkehr eine eigene Identität zukommt;

8.

"Stammzahl": eine einem Betroffenen zu dessen eindeutiger Identifikation zugeordnete Zahl, die auch für die Ableitung von bereichsspezifischen Personenkennzeichen (bPK) gemäß §§ 9 und 14 bestimmt ist.

9.

"Stammzahlenregister": ein Register, das die für die eindeutige Identifikation von Betroffenen verwendeten Stammzahlen enthält bzw. die technischen Komponenten zur Ableitung von Stammzahlen im Bedarfsfall besitzt;

10.

"Elektronischer Identitätsnachweis (E-ID)": eine logische Einheit, die unabhängig von ihrer technischen Umsetzung eine qualifizierte elektronische Signatur (Art. 3 Z 12 eIDAS-VO) mit einer Personenbindung (§ 4 Abs. 2) und den zugehörigen Sicherheitsdaten und -funktionen verbindet;

11.

"eIDAS-VO": Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. Nr. L 257 vom 28.08.2014 S. 73, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 155 vom 14.06.2016 S. 44.

Amtssignatur

§ 19 E-GoVG

(1) Die Amtssignatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat oder Zertifikat für elektronische Siegel ausgewiesen wird.

(2) Die Amtssignatur dient der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs. Sie darf daher ausschließlich von diesem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs unter den näheren Bedingungen des Abs. 3 bei der elektronischen Unterzeichnung und bei der Ausfertigung der von ihm erzeugten Dokumente verwendet werden.

(3) Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Verantwortliche des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur oder des elektronischen Siegels sind vom Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs bereitzustellen.

Beweiskraft von Ausdrucken

§ 20 E-GoVG

Ein auf Papier ausgedrucktes elektronisches Dokument einer Behörde hat die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (§ 292 der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895), wenn das elektronische Dokument mit einer Amtssignatur versehen wurde. Die Amtssignatur muss durch Rückführung des Dokuments aus der ausgedruckten in die elektronische Form prüfbar oder das Dokument muss durch andere Vorkehrungen der Behörde verifizierbar sein. Das Dokument hat einen Hinweis auf die Fundstelle im Internet, wo das Verfahren der Rückführung des Ausdrucks in das elektronische Dokument und die anwendbaren Prüfmechanismen enthalten sind, oder einen Hinweis auf das Verfahren der Verifizierung zu enthalten.

Wie sich aus dem Ermittlungsverfahren für das BVwG unzweifelhaft ergibt, war der verfahrensgegenständlichen schriftlichen Ausfertigung dieses elektronischen Dokumentes eine zum Bescheid bezughabende Amtssignatur beigegeben. Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen gem. § 18 Abs 4 AVG keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Gem. § 20 E-GovG hat ein auf Papier ausgedrucktes elektronisches Dokument einer Behörde, wie die gegenständliche behördliche Erledigung, die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (§ 292 der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895), weil das elektronische Dokument mit einer Amtssignatur versehen wurde.

Der Einwand der bP, dass die Ausfertigung somit an einem Mangel leiden würde, der zu einem sog. Nichtbescheid geführt hätte und somit das BVwG mangels Vorliegen eines rechtswirksam erlassenen Bescheides die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gehabt hätte, trifft somit nicht zu.

Dem Wiederaufnahmwerber ist somit der Nachweis einer Tatsache bzw. eines Beweismittels, die/das voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautende Entscheidung des BVwG herbeigeführt hätte, nicht gelungen und war somit der Antrag auf Wiederaufnahme gem. § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Absehen von der Verhandlung:

Eine Verhandlung konnte gem. § 24 Abs 4 VwGVG entfallen. Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus den eigenen Angaben der bP. Die wiederaufnahmewerbende Partei hat zudem auch gar keine Verhandlung beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Amtssignatur Bescheidqualität entschiedene Sache Folgeantrag nova producta nova reperta res iudicata Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L504.2191495.3.00

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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