Entscheidungsdatum
16.12.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
L516 2007027-2/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2015, Zahl IFA: 1003197309 Verfahren: 14479616, nach mündlicher Verhandlung am 03.12.2019, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 23.03.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein erster Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30.03.2014, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers zur Gänze abgewiesen worden war, wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 13.11.2014, L516 2007027-1/7E, gemäß § 28 Abs 3 VwGVG behoben und das Verfahren wurde zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.
Nach Durchführung weiterer Ermittlungen wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 12.11.2015 (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG", erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Gegen diesen Bescheid vom 12.11.2015 richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.
Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache am 03.12.2019 eine mündliche Verhandlung durch.
1. Sachverhaltsfeststellungen:
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; S=Seite; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]
1.1. Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der Volksgruppe der Jat aus dem Punjab sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht fest. [NS 25.03.2014, S 1; NS 28.03.2014, S 3; NS 30.10.2015, S 5; SD, Anfragebeantwortung 25.09.2015, S 4]
1.2. Der Beschwerdeführer hält sich seit März 2014 legal als Asylwerber in Österreich auf, wobei ihm die bisherige Verfahrensdauer im Asylverfahren nicht anzulasten ist. [Zentrales Fremdenregister, 03.12.2019]
1.3. Der Beschwerdeführer ist homosexuell und lebt seine sexuelle Orientierung auch aus. [VS 03.12.2019]
1.4. Homosexualität ist gem. § 377 PPC ("gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr") verboten; für eine Verurteilung ist der Beweis des Geschlechtsaktes zwingend erforderlich. Das Strafmaß beträgt im Regelfall zwei bis zehn Jahre Haft, in besonders schweren Fällen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe (AA 21.8.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Vergewaltigung wird im Strafrecht explizit als Verbrechen definiert, das von einem Mann an einer Frau begangen wird (USDOS 13.3.2019) Dem Auswärtigen Amt sind keine Strafverfahren gegen männliche oder weibliche Homosexuelle, die Beziehungen auf einvernehmlicher Basis unterhalten, bekannt (AA 21.8.2018). Diese können aber leicht Opfer von Erpressungen seitens der Polizeibehörden werden, sofern ihre Beziehungen bekannt werden (AA 21.8.2018; vgl. HRW 17.1.2019). LGBTI-Personen (Lesbian, gay, bisexual, transgender, and intersex) machen ihre sexuelle Orientierung oder Gender-Identität nur selten öffentlich (USDOS 13.3.2019). Homosexualität ist in Pakistan gesellschaftlich nicht akzeptiert, wird aber im privaten Bereich toleriert (AA 21.8.2018). Es kommt zu Gewalt und Diskriminierung gegen LGBTI-Personen (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019). Verbrechen werden oft nicht gemeldet und die Polizei wird selten aktiv, wenn Anzeigen eingehen. Jedoch haben Initiativen von NGOs in Khyber Pakhtunkhwa die Interaktionen zwischen Polizei und der dortigen Transgender-Gemeinschaft verbessert (USDOS 13.3.2019). [LIB, Mai 2019]
Verschiedene religiöse und politische Parteien, wie die Jafria Alliance Pakistan und das Shia Ulema Council, bezeichneten in der Folge Homosexualität als die krasseste Form menschlicher Degeneration. Der Führer der Jamaat-e-Islami, der grössten islamischen Partei Pakistans meinte, dass LGBT-Personen der Fluch der Gesellschaft und sozialer Abfall seien. Vor allem Polizisten erpressen Homosexuelle um Geld und Sex, damit sie diese nicht anzeigen. Auch andere sexuellen Minderheiten werden von der Polizei oft unterdrückt, willkürlich verhaftet, erpresst und sexuell missbraucht [Schweizerische Flüchtlingshilfe, Pakistan: Situation von Homosexuellen, 11.06.2015]
2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem Verwaltungsverfahrensakt des BFA und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen jeweils in Klammer angeführt.
2.1. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Das BFA traf noch im angefochtenen Bescheid die Feststellung, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe (Bescheid, S 17) und begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer keine entsprechenden Bescheinigungsmittel habe vorlegen können (Bescheid, S 56). Das BFA ließ dabei jedoch das Ergebnis der von ihm selbst veranlassten Überprüfung durch den Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft außer Acht, demzufolge der Beschwerdeführer bei der durchgeführten Vor-Ort-Recherche eindeutig identifiziert werden konnte und unter anderem auch mit dem Vater des Beschwerdeführers gesprochen werden konnte (SD, Anfragebeantwortung 25.09.2015, S 4), weshalb das Bundesverwaltungsgericht entgegen dem BFA davon überzeugt ist, dass die Identität des Beschwerdeführers feststeht.
2.2. Die Feststellungen zur Einreise und zum Aufenthalt in Österreich (oben 1.2.) ergeben sich aus dem vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt und dem Gerichtsakt in Verbindung mit der Eintragung im Zentralen Fremdenregister.
2.3. Die Feststellungen zur Homosexualität des Beschwerdeführers (oben 1.3) waren nach Durchführung der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu treffen. Das BFA veranlasste eine Überprüfung der Angaben des Beschwerdeführers in dessen Heimatland durch einen Vertrauensanwalt und erachtete in der Folge die vom Beschwerdeführer vorgebrachte sexuelle Neigung des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft. Jener Vertrauensanwalt war zu dem Ergebnis gekommen, dass die vorgebrachte Homosexualität nicht verifizierbar gewesen sei. Der Vertrauensanwalt sprach dazu sowohl mit dem Vater des Beschwerdeführers als auch mit jenem Mann, mit dessen Sohn der Beschwerdeführer laut dessen Angaben eine sexuelle Beziehung gehabt hat. Es stellte sich dabei heraus, dass jener Mann, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, tatsächlich ein "Choudhry" (auch: "Chaudhry"), eine reiche und einflussreiche Person und der Dorfvorsitzende im Heimatort des Beschwerdeführers ist und die Familie des Beschwerdeführers deshalb auch in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis gegenüber jenem steht. Der Vertrauensanwalt sprach den Vater des Beschwerdeführers direkt auf die von seinem Sohn vorgebrachte Homosexualität an, die vom Vater jedoch in der Folge bestritten wurde. Der Vertrauensanwalt sprach auch den Choudhry, der eine unbekannte Anzahl von Kindern mit mehreren Frauen hat, auf den vom Beschwerdeführer als " XXXX " benannten Sohn jenes Choudhrys an. Der Choudhry verweigerte gegenüber dem Vertrauensanwalt die Nennung seiner Kinder und gab an, dass diese alle im Ausland seien, bestritt jedoch, dass er einen Sohn namens XXXX habe (SD Anfragebeantwortung 25.09.2015, AS 257 ff). Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, wonach Homosexualität in der pakistanischen Gesellschaft nicht akzeptiert ist und für die involvierten Familien häufig mit Schande und Nachteilen verbunden ist, kann jedoch nicht erwartet werden, dass diesbezüglich insbesondere gegenüber einer außenstehenden fremden Person wie dem Vertrauensanwalt offene und ehrliche Antworten gegeben werden. Die in Bezug auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Homosexualität angewandten Recherchemethoden des Vertrauensanwaltes können daher als nicht tauglich angesehen werden, weshalb auch dem Rechercheergebnis insoweit auch kein Beweiswert zukommen kann.
Der Beschwerdeführer erstattete von Beginn an und während der gesamten Verfahrensdauer ein kohärentes, im Wesentlichen auch widerspruchsfreies, jedoch nicht gleichlautendes Vorbringen, sodass ein einstudierter Vortrag auszuschließen ist. Er schilderte in der mündlichen Verhandlung, wie bereits vor dem BFA, seine erste sexuelle Erfahrung in Pakistan mit einem Mann namens XXXX , den er über einen Freund in seiner Werkstatt kennenlernte. Er berichtete von der allmählichen Entwicklung dieser ersten längeren Beziehung, über seine Gefühle und was er gedacht hat, führte auch spontan Nebensächlichkeiten an, wie etwa, was sie getrunken haben. Er sprach auch über seinen Gewissenskonflikt, nachdem er das erste Mal mit jenem Mann geschlafen hat, da in seiner Jugendzeit unter seinen Freunden davon gesprochen wurde, dass Homosexualität etwas Falsches sei, und er sich bewusst war, dass er damit seiner Familie Schande bereitet habe (VS 03.12.2019, S 10-12). Der Beschwerdeführer hinterließ dazu in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich einen glaubhaften Eindruck.
Er berichtete schließlich auch in Einzelheiten über seine erste mehrmonatige homosexuelle Beziehung in Österreich im Jahr 2014 oder 2015 und wie diese aufgrund seiner zwischenzeitlichen TBC-Erkrankung in die Brüche gegangen ist, nachdem er erfahren musste, dass sein damaliger Freund ihm nicht bei seiner Krankheit beistehen wollte. Er erzählte auch über seine gerade im Entstehen befindliche Beziehung mit seinem neuen Freund, mit dem er bereits zusammenlebt, ohne dabei zu übertreiben, gestand er doch von sich aus ein, bisher noch nicht mit diesem geschlafen zu haben und sich erst noch besser kennenlernen zu müssen (VS 03.12.2019, S 9, 10).
Der Beschwerdeführer erstattete in der mündlichen Verhandlung insgesamt ein widerspruchsfreies und konsistentes Vorbringen und das Bundesverwaltungsgericht geht deshalb entgegen dem BFA vor dem Hintergrund der hier getroffenen Ausführungen in Bezug auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachte sexuelle Orientierung von einem glaubhaften Vorbringen aus.
2.4. Die Feststellungen zur Lage in Pakistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Mai 2019 und dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu Pakistan: Situation von Homosexuellen, 11.06.2015. Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Pakistan Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Die herangezogenen Quellen sind aktuell und Großteils aus dem Jahr 2019. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch der Beschwerdeführer ist in seiner Stellungnahme vom 27.11.2019 den in das Verfahren eingeführten Quellen nicht entgegengetreten (OZ 13).
3. Rechtliche Beurteilung:
Spruchpunkt I
Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)
3.1. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 07.11.2013, C-199/12, ausgesprochen, dass Art 9 Abs 1 in Verbindung mit Art 9 Abs 2 lit c der Qualifikations-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung darstellt. Dagegen ist eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, welches eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird, als unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt somit eine Verfolgungshandlung dar. Art 10 Abs 1 lit d in Verbindung mit Art 2 Buchst c der Qualifikations-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass vom Geltungsbereich der Richtlinie nur homosexuelle Handlungen ausgeschlossen sind, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten strafbar sind. Bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft können die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber auch nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.
3.2. Laut dem festgestellten Sachverhalt ist der Beschwerdeführer homosexuell und er lebt seine sexuelle Orientierung auch aus. In Pakistan werden laut den Länderfeststellungen neben dem strafrechtlichen Verbot von Homosexualität nach Art 377 PPC homosexuelle Handlungen nach dem 1990 eingeführten Scharia-Gesetz mit bis zu 100 Peitschenhieben oder mit Tod durch Steinigung bestraft. Die Tatsache, dass Art 377 PPC homosexuelle Handlungen in Pakistan mit einer Freiheitsstrafe von zwei bis zehn Jahren bzw gar lebenslanger Haft bedroht, führt zwar nach der zuvor zitierten Judikatur des EuGH für sich genommen noch nicht zum Vorliegen einer relevanten Verfolgungshandlung. Allerdings ist festzustellen, dass laut den Länderfeststellungen die gesetzlich in Art 377 PPC angedrohte Freiheitsstrafe für homosexuelle Handlungen in Pakistan - wenngleich selten - so doch auch tatsächlich verhängt wird, wobei sich der Umstand, dass allgemein in Pakistan selten Strafverfahren und Verurteilungen gegen Homosexuelle wegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs bekannt werden, damit erklärt wird, dass Homosexuelle in Pakistan aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der weit verbreiteten Vorbehalte in der Bevölkerung ihre sexuelle Orientierung verbergen. Nach übereinstimmender Auskunftslage wird Homosexualität in Pakistan nur so lange toleriert, wie die sexuelle Orientierung geheim bzw unsichtbar bleibt. Ein offenes Bekenntnis zur Homosexualität ist gesellschaftlich inakzeptabel und führt einerseits zur Ausgrenzung durch die pakistanische Gesellschaft und oft auch durch die Familie sowie andererseits auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu entsprechender Strafverfolgung. Die betroffene Person ist dann dabei häufig Einschüchterungen, Bedrohungen oder gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt.
3.3. Nach der Judikatur des EuGH kann auch nicht erwartet werden, dass der Beschwerdeführer seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.
3.4. Es ist daher unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen, und zwar aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgten sozialen Gruppe, nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen, zumal auch eine inländische Ausweichmöglichkeit - die pakistanische Regierung übt ihre Macht über alle Landesteile aus - nicht vorhanden ist.
3.5. Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.
3.6. Im vorliegenden Fall sind somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben.
3.7. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.8. Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs 1 Z 15 AsylG 2005 idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 24/2016 zu (§ 75 Abs 24 AsylG 2005).
Spruchpunkt II
Revision
3.9. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des EuGH geklärt ist (VwGH 20.12.2016, Ro 2014/03/0049).
3.10. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung HomosexualitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2007027.2.00Im RIS seit
22.09.2020Zuletzt aktualisiert am
22.09.2020