TE Bvwg Beschluss 2019/12/17 L516 2226521-1

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Entscheidungsdatum

17.12.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L516 2226521-1/2E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2019, 1076749904/191193585, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA Pakistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 21.11.2019 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Das BFA hob mit dem im Zuge einer Einvernahme am 10.12.2019 nach einer Befragung des Beschwerdeführers mündlich verkündeten Bescheid gemäß § 12a Abs 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz auf und begründete dies damit, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende, gem § 22 Abs 10 AsylG gesetzlich fingierte Beschwerde.

Verfahrensablauf

Am 21.11.2019 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung fand dazu am selben Tag statt, Einvernahmen vor BFA am 10.12.2019.

Mit der Ladung vom 02.12.2019 für die Einvernahme am 10.12.2019 wurden dem Beschwerdeführer Länderinformationen zu Pakistan mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ausgefolgt. Der Beschwerdeführer gab zu diesen keine Stellungnahme ab.

Das Verfahren wurde nicht zugelassen.

Das BFA informierte das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 10.12.2019 darüber, dass im gegenständlichem Verfahren mit mündlich verkündetem Bescheid vom selben Tag der faktische Abschiebeschutz gem § 12a Abs 2 AsylG aufgehoben worden sei und übermittelte gleichzeitig dem Bundesverwaltunsgericht die diesbezügliche Niederschrift sowie die Verwaltungsakten der Behörde. Die Verwaltungsakten des BFA langten am 13.12.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein, wovon das BFA am selben Tag verständigt wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1 Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan, stammt aus Sialkot in der Provinz Punjab und gehört der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an [Niederschrift (NS) 21.11.2019, S 1)]

Der Beschwerdeführer stellte am 07.07.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Eine Erstbefragung nach dem AsylG erfolgte dazu am selben Tag. Eine Einvernahme vor dem BFA unterblieb, da der Beschwerdeführer nicht mehr auffindbar war. Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21.03.2018, Zahl IFA 1076749904/150806016, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab; gleichzeitig wurde kein Aufenthaltstitel erteilt, gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Verwaltungsverfahrensakt des BFA zum Vorverfahren (VA1, Aktenseite (AS), 77ff). Jener Bescheid wurde am 27.03.2018 nach einem Zustellversuch an jener Adresse, an welcher der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt hauptwohnsitzmäßig im ZMR gemeldet war, durch Hinterlegung beim zuständigen Zustellpostamt zugestellt. Mangels Erhebung einer Beschwerde wurde der Bescheid mit Ablauf des 24.04.2018 rechtskräftig (VA1, AS 59, 169, 171).

Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz zusammengefasst damit, dass er für die PTI tätig gewesen sei, diese Partei gegen die Regierung mit einem Sitzstreik demonstriert habe, er landesweit an solchen Demonstrationen teilgenommen habe, er deswegen mindestens vier oder fünf Mal von der Polizei festgenommen und geschlagen worden sei und von zwei Mitgliedern der PML-N mit dem Tod bedroht worden sei, weil er die PTI unterstütze. Deshalb sei er geflohen (VA1, S 5).

Das BFA erachtete in jenem Verfahren im Bescheid das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dessen Ausreisegründen mit näherer Begründung für nicht glaubhaft, erachtete es als nicht asylrelevant und führte aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege und eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle (Bescheid 21.03.2018, 61ff).

1.2 Am 21.11.2019 wurde der Beschwerdeführer in Durchführung der Dublin III-Verordnung von Italien nach Österreich überstellt (Verwaltungsverfahrensakt des BFA zum gegenständlichen Folgeantrag (VA2), Aktenseite (AS), 59, 61).

1.3 Zur Begründung seines gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz vom 21.11.2019 brachte er bei der Erstbefragung zusammengefasst im Wesentlichen vor, er habe ein "Soggiorno" in Italien gehabt, habe dieses verlängern lassen wollen und sei dann von Italien abgeschoben worden, nachdem man ihm gesagt habe, dass er nicht in Italien bleiben dürfe. Seine alten Asylgründe seien noch immer aufrecht. Deshalb könne er nicht nach Pakistan gehen. Bei der Einvernahme am 10.12.2019 wurde er erneut gefragt, weshalb er einen neuen Antrag stelle und er führte dazu aus, ihm sein Anwalt während seines Verfahrens gesagt habe, dass man ihn vermutlich abschieben werde und er kein Asyl erhalten werde. Er sei deshalb dann nach Italien gegangen; er habe für den 12.12.2018 einen Interviewtermin erhalten, zu dem er auf Anraten seines Anwaltes nicht erschienen sei. Deshalb sei er nach Italien. Italien habe ihn dann nach Österreich gebracht. Er habe keine neuen Fluchtgründe, es seien noch immer seine alten Fluchtgründe gültig. Er habe keine neuen Beweismittel, nur Deutschkursbestätigungen. Österreich gefalle ihm und er wolle nicht nach Pakistan. Letzte Woche sei eine Person namens XXXX getötet worden, dies sei derzeit in den pakistanischen Schlagzeilen. Jener habe drei Schwestern und dennoch habe man ihn umgebracht. Vor acht Jahren habe man einfach so ohne Grund zwei Brüder in Pakistan umgebracht: Das habe er vom Internet. In Pakistan würden die Armen von den reichen korrupten Politikern getötet werden. Er selbst sei auch im Jahr 2012 von der Polizei verletzt worden und er habe auf der Brust und am rechten Bein eine Narbe. Er habe immer noch seine alten Gründe, es sei immer noch dasselbe. In Österreich habe er einen Cousin, in Italien ebenso Cousins und einen jüngeren Bruder; ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht [Niederschrift 21.11.2019, S 3; Niederschrift 10.12.2019, S 3-5]

1.4 Das Verfahren zu diesem Folgeantrag wurde nicht zugelassen [Internes Fremdenregister (IZR), 12.12.2019].

1.5 Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage in Pakistan seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens ist auch nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren auch nicht substantiiert behauptet, dass sich die allgemeine Lage in Pakistan entscheidungswesentlich geändert habe.

1.6 Pakistan hat bereits einmal für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat mit der Gültigkeit vom 05.12.2018 bis 05.03.2019 ausgestellt (IZR, 12.12.2019).

2. Beweiswürdigung

2.1 Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Vorverfahren. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im vorangegangenen sowie gegenständlichen Verfahren ergeben sich konkret aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und den im Akt einliegenden Niederschriften, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) angeführt sind.

2.2 Dass die allgemeine Situation in Pakistan - soweit sie den Beschwerdeführer betrifft - seit der rechtskräftigen Erlassung der Rückkehrentscheidung im Vorverfahren im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Pakistan für den Beschwerdeführer nicht geändert hat, ergibt sich aus den vom BFA im gegenständlichen Verfahren herangezogenen Länderinformationsquellen (Niederschrift 10.12.2019, S 11-73) die dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden sind, und denen er nicht substantiiert entgegen getreten ist (Niederschrift 10.12.2019, S 4).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes (§12a AsylG)

3.1 Aufrechte Rückkehrentscheidung

3.1.1 Der Bescheid des BFA vom 28.01.2019 zum ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde am 01.02.2019 der damaligen Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers im Wege eines elektronischen Zustelldienstes nach dem Zustellgesetz zugestellt. Seit dieser Erlassung sind keine 18 Monate vergangen und das gegenständliche Folgeverfahren wurde auch nicht zugelassen, sodass die Rückkehrentscheidung noch aufrecht ist.

3.2 Keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts

3.2.1. Der Beschwerdeführer begründet den gegenständlichen Folgeantrag ausschließlich damit, dass seine alten Asylgründe, die er zum Zeitpunkt seines ersten Asylverfahrens gehabt habe, noch immer gültig seien und er keine neuen Fluchtgründe habe (siehe oben 1.3). Der Beschwerdeführer stützt damit seinen Folgeantrag jedenfalls auf Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Asylantrag vorlagen. Damit fehlt es an einem maßgeblich geänderten Sachverhalt im Sinn der zu § 68 Abs 1 AVG (VwGH 13.05.2019, Ra 2018/18/0506).

3.2.2 Das BFA legte seinem am 10.12.2019 mündlich verkündeten Bescheid aktuelle Feststellungen zur Lage in Pakistan zugrunde, aus denen sich ergibt, dass die allgemeine Situation in Pakistan - soweit sie den Beschwerdeführer betrifft - im Vergleich zu den Länderfeststellungen im Bescheid des Vorverfahrens im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Pakistan für den Beschwerdeführer nicht geändert hat. Derartiges wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Auch von Amts wegen ist seit den rechtskräftigen Abschlüssen der vorhergehenden Asylverfahren keine Änderung der allgemeinen Situation in Pakistan notorisch, welche die Annahme einer allgemeinen extremen Gefährdungslage gerechtfertigt erscheinen lassen würde.

3.2.3 Das BFA ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass sich aus dem - bisherigen - Vorbringen des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Folgeantrag kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt ergeben hat und auch die Ländersituation im Wesentlichen gleichgeblieben ist, sodass der neue Antrag auf internationalen Schutz - voraussichtlich - wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

3.3 Keine Verletzung der EMRK

3.3.1 Bereits im vorangegangenen ersten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestehen würde.

3.3.2 Auch im nunmehrigen zweiten Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmung sprechen würde. Nach der ständige Judikatur des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 MRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134). Einen derartigen Nachweis hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht erbracht.

3.3.3 Des Weiteren gelangte das BFA zu der Beurteilung, dass aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers nicht von einer Abhängigkeit oder besonders engen Beziehung zu einer in Österreich oder der EU aufenthaltsberechtigten Person ausgegangen werden könne und es im Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers keine relevante Änderung zum Vorverfahren erkannt werden könne. Dem konnte nicht entgegengetreten werden.

3.4 Schließlich erscheint die Abschiebung alsbald nach Aberkennung möglich (vgl dazu Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K12 zu § 12a AsylG), zumal Pakistan bereits einmal die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erteilt hat und keine Hinderungsgründe für eine Neuausstellung erkennbar sind.

3.5 Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 10.12.2019 rechtmäßig.

3.6 Gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B)

Revision

3.7 Die Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

3.8 Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

entschiedene Sache faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2226521.1.00

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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