TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/13 W168 2111374-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2020
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Entscheidungsdatum

13.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W168 2111374-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2019, Zl. 1020418402/190376754, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unberechtigt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 30.05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die Ausführungen des BF zu den Gründen für seine Ausreise glaubhaft gewesen seien. Es könne somit festgestellt werden, dass er Afghanistan aufgrund der Probleme mit der Familie seiner Verlobten verlassen habe. Hierzu müsse ausgeführt werden, dass die vom BF befürchtete Blutrache asylrechtlich a priori irrelevant sei, da keines der fünf Motive der Genfer Flüchtlingskonvention vorliege. Eine konkret gegen die Person des BF gerichtete Verfolgungsgefahr aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sei von ihm nicht behauptet worden. Auch sonst seien im gesamten Verfahren keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine mögliche Asylrelevanz der behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat hindeuten würden.

3. Mit Schriftsatz vom 21.07.2015 wurde der oben genannte Bescheid in vollem Umfang angefochten.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.02.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen und seinen Fluchtgründen befragt wurde. Der BF gab dabei insbesondere zu Protokoll, dass seine Eltern gemeinsam mit seinen sechs Geschwistern und seiner Verlobten in der Provinz Kunar leben würden. Zudem habe er in Afghanistan noch eine Tante und einen Onkel.

5. Dieser Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 28.02.2018, W 152 2111374-1/11E, gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Begründend wurde festgehalten, dass der Umstand, dass der aus Afghanistan stammende Asylwerber als Familienmitglied in ein Geflecht der Blutfehde bzw. Blutrache in Afghanistan geraten sei, lasse ihn in Afghanistan im erheblichen Maße gefährdet erscheinen. In seinem Fall liege daher wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der "Familie" vor. Die vom Bundesamt vorgenommene Beurteilung, dass die Verfolgung aus Gründen der Blutrache asylrechtlich a priori irrelevant sei, weil keines der fünf Motive in der GFK vorliege, erweise sich daher als verfehlt. Aufgrund der vorliegenden Feststellungen zu Afghanistan sei ein Funktionieren staatlicher Schutzmechanismen nicht anzunehmen und den afghanischen Behörden nicht möglich, für die grundlegenden Rechte und Freiheiten Sorge zu tragen. Daher müsse er in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit massiven, gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen rechnen, die hinsichtlich ihrer Intensität asylrechtliche Relevanz erreichen würden. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der im Rahmen der Blutfehde gegnerischen Familie um eine mächtige und einflussreiche mit den Taliban in Verbindung stehende Familie handle und im Hinblick auf die regelmäßigen Kontrollen erfordernde Hepatitis B-Erkrankung des BF sei eine innerstaatliche Fluchtalternative für den Asylwerber anzunehmen.

6. Dem BFA ist eine erfolgte Reisebewegung des BF nach Pakistan bekanntgeworden. Das BFA leitete am 12.04.2019 infolge geänderter Verhältnisse im Herkunftsstaat sowie infolge geänderter persönlicher Umstände ein Aberkennungsverfahren gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ein. Am 16.04.2019 wurde dem BF die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens mitgeteilt.

In weiterer Folge fand am 08.05.2019 die Niederschrift im Verfahren vor der belangten Behörde statt.

Hierbei führte der Beschwerdeführer aus, dass er an Hepatitis B leide und täglich Medikamente einnehmen müsse. Alle zwei Monate mache er eine Blutkontrolle und arbeite als Küchenhilfe. Auf Vorhalt, dass Hepatitis B laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 31.07.2018 auch in Afghanistan und vor allem in Großstädten behandelbar sei, antwortete der BF, dass er nicht wisse, ob es in Kabul Ärzte gebe, er sei in Afghanistan jedoch bereits behandelt worden.

Zu seinen persönlichen Umständen befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er der Volksgruppe der Paschtunen angehöre und sunnitischer Moslem sei. In Österreich habe er bislang lediglich geringfügig gearbeitet, den Führerschein absolviert und Deutschkurse besucht. Die Fragen, ob er familiäre oder private Bindungen an Österreich habe oder in Österreich zum Aufenthalt berechtigte Verwandte habe, wurden vom BF verneint. Seit Kurzem gehe er im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nach. Der BF sei jedoch kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und besuche keine Kurse oder Fortbildungen. Vor drei Jahren habe er wegen einer ihm vorgeworfenen Vergewaltigung und eines Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz ein Schreiben erhalten.

Zu seiner Familie befragt, brachte der BF vor, dass seine Familienmitglieder nunmehr in Kunar leben würden und es ihnen gut gehe. Seit einem Monat stehe der BF nicht mehr in Kontakt mit seiner Familie und er vermute, dass seine Angehörigen dessen Handynummer verloren hätten. Zum Vorhalt, dass es bis März keine Anrufe von seiner Familie geben würde, führte der BF aus, dass er diese in Pakistan getroffen habe. Seine Schwester habe dort geheiratet. Zum weiteren Vorhalt, dass er zuvor behauptet habe, dass seine Schwester bereits vor zwei Jahren geheiratet habe, erwiderte der BF, dass die Hochzeit vor zwei Jahren stattgefunden habe und er diese nunmehr besucht habe. Sein Vater arbeite im Heimatstaat als Taxifahrer und sein Bruder wäre als Tischler tätig. Über eine konkrete Bedrohung seiner Familie wisse der BF jedenfalls nicht Bescheid. Befragt, wie lange die Familie des BF bereits wieder in Afghanistan lebe, antwortete der BF, dass diese nach ca. eineinhalb Jahren in Pakistan wieder nach Afghanistan zurückgekehrt seien. Zur Frage, welche seiner Angehörigen sich noch im Heimatland aufhalten würden, gab der BF an, dass er neben seiner Kernfamilie noch drei Onkel sowie drei Tanten in Afghanistan habe. Auf die Frage, wen er in Pakistan genau besucht habe, antwortete der BF, dass er dort seine Verlobte getroffen habe, die er dort geheiratet habe. Zudem habe er über alternative Heilmethoden für seine Erkrankung gehört. Zur Frage, wer ihn in Afghanistan suche oder verfolge, führte der BF aus, dass es sich bei seinen Feinden um den Vater und den Onkel seiner Frau handle, die in Khost leben würden. Befragt, wieso er nicht zu seinen Eltern zurückkehren könne, entgegnete der BF, dass er das Hauptziel der Blutrache sei. Auf Vorhalt, dass seine Ehefrau ebenfalls in Kunar lebe, erwiderte der BF, dass man ein Haus, in dem Frauen leben würden, nicht aufsuchen würde. Zum weiteren Vorhalt, dass er lediglich auf die Eheschließung verzichten hätte müssen, brachte der BF vor, dass sich dann niemand um seine Verlobte gekümmert hätte. Seine Familie sei nach Afghanistan zurückgekehrt, da das Leben in Pakistan schwierig sei. Befragt, wieso er nicht nach Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zurückkehren könne, führte der BF aus, dass sein Leben in Gefahr sei, da er aufgrund der Ehre getötet werden würde. Zum Vorhalt, dass er in seinem Verfahren behauptet habe, dass er unter anderem von den Taliban verfolgt wäre, weil die ihm feindlich gesinnte Familie gute Kontakte zu den Taliban gehabt habe, erwiderte der BF, dass er die Taliban nie gesehen habe, jedoch vernommen habe, dass diese gefährlich seien. Die Frage, ob er Probleme mit den Taliban gehabt habe, wurde vom BF verneint. Befragt, ob er beim Bundesverwaltungsgericht eine Gefährdungslage durch die Taliban zu Protokoll gegeben habe, antwortete der BF, dass er dort ausschließlich angegeben habe, sich vor den Taliban zu fürchten. Befragt, was ihn an einer Rückkehr nach Herat oder Mazar-e Sharif hindere, brachte der BF vor, dass die Lage im gesamten Land gleichermaßen gefährlich sei, weswegen er den Tod fürchte. Auf Frage, wieso er in Pakistan keine Angst habe, gab der BF an, dass diese nicht wissen würden, dass er in Pakistan gewesen sei.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde ein Befund des Zentrums für Virologie vom 12.11.2018 mit der Diagnose "chronische Hepatitis B", Laborbefunde vom 15.03.2019 sowie eine Terminbestätigung der Wiener Gebietskrankenkassa über einen Termin im Gesundheitszentrum am 24.06.2019. Auch wurde eine Verständigung der Staatsanwaltschaft vom endgültigen Rücktritt von der Verfolgung vom 09.02.2018 in Vorlage gebracht.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16.05.2019 wurde der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 28.02.2018 zuerkannte Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt. Gem. § 7 Abs. 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist zur Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich die Situation des BF und seiner Familie derart geändert habe, dass nun eine Rückkehr des BF nach Afghanistan möglich wäre, womit die Aberkennung seines internationalen Schutzes zwingend erforderlich sei. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Vater des BF die Forderungen der Übergabe von zwei Töchtern nicht erfüllt habe, wäre die Schande der Familie auf ihn übergegangen. Aus diesem Grund sei es für die Familie des BF unmöglich, wieder ins Heimatland zurückzukehren, bevor der Streit unter den Familien nicht beigelegt worden sei. Im Zuge der Einvernahme vom 08.05.2019 habe der BF ausgeführt, dass seine Familie nun seit beinahe drei Jahren wieder im Heimatland in der Provinz Kunar lebe und es gehe seinen Angehörigen gut. Sein Vater sei den Angaben des BF zufolge als Taxifahrer tätig. Da ein verstecktes Leben als Taxifahrer unmöglich sei, müsse festgestellt werden, dass es keine Verfolgung mehr geben könne. Nachdem auch der Bruder des BF problemlos als Tischler arbeiten könne, sei es ein weiterer Nachweis dafür, dass der Streit nun beigelegt sein müsse. Bei seiner Familie befinde sich den Angaben des BF zufolge auch seine frisch in Pakistan traditionell angetraute Ehefrau. Würde es tatsächlich noch einen Streit zwischen den Familien geben, dann hätte der Vater des BF seine traditionelle Ehefrau einfach in Pakistan belassen, um diese zu beschützen. Die Eheschließung zwischen dem BF und seiner Verlobten würde nur dann Sinn ergeben, wenn die Familie der Frau zugestimmt habe und zur Beilegung des Streites nunmehr die Eheschließung verlangt worden sei, um damit die Ehre wiederherzustellen. Die Tatsache, dass der BF nun vor einem Mullah geheiratet habe, sei das nächste Faktum, welches für die Beilegung des Konfliktes spreche, zumal eine Ehe ohne Zustimmung nicht möglich wäre und keine Gültigkeit hätte. Die Erkrankung des BF sei auch in Afghanistan behandelbar und entsprechend seien Medikamente verfügbar. Zudem sei den Länderfeststellungen derzeit eindeutig zu entnehmen, dass trotz der Anschläge in Afghanistan eine Rückkehr für einen arbeitsfähigen, jungen und gesunden Afghanen mit Schulbildung und Berufserfahrung als zumutbar einzuschätzen sei. Dem BF sei daher gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen.

8. Mit Eingabe vom 13.06.2019 wurde binnen offener Frist vollinhaltlich Beschwerde gegen den Bescheid erhoben und ausgeführt, dass sich die belangte Behörde bei ihren Feststellungen auf unvollständige und teilweise veraltet anzusehende Länderberichte stütze. Sie würden zwar allgemeine Aussagen über Afghanistan beinhalten, würden sich jedoch nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des BF befassen und seien dadurch als Begründung zur Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutzes unzureichend. Aus einer Anfragebeantwortung von ACCORD vom Jänner 2019 bezüglich der Behandelbarkeit von Hepatitis B in Afghanistan gehe hervor, dass es in der Praxis Schwierigkeiten beim Zugang zur Behandlung von Hepatitis B gebe und für diese Behandlungen hohe Kosten anfallen würden. Die Feststellungen würden auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Befragung und Sachverhaltsermittlung beruhen und würden § 60 AVG verletzen. Als wichtigsten Grund für die Aberkennung des Asylstatus sehe die Behörde die Tatsache, dass die Familie und die Verlobte des BF nun nicht mehr in Pakistan, sondern wieder in Afghanistan lebe. Hierzu sei erstens festzuhalten, dass die Familie inklusive der nun traditionell angetrauten Ehefrau des BF aus Angst nicht mehr in der Herkunftsprovinz des BF, Khost lebe, sondern in Kunar. Auch wäre festzuhalten, dass der Aufenthalt dieser Personen wieder in Afghanistan bereits im Zeitpunkt der Zuerkennung des Asylstatus bereits bestanden habe und diese Tatsache auch dem Gericht (sich aus dem vorliegenden Einvernahme Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ergebend) bekannt gewesen sei. Grundsätzlich wäre ferner festzuhalten, dass die Behörde aufgrund der beiden Reisen des BF nach Pakistan auf diesen aufmerksam geworden sei und deswegen ein Aberkennungsverfahren eingeleitet habe. Der Verfassungsgerichthof habe in Hinblick auf Begründungsanforderungen in Aberkennungsbescheiden als Grundsatz festgehalten, dass ein rechtskräftig entschiedener Sachverhalt nicht grundlos neuerlich untersucht und anders entschieden werden dürfe. Dieser Pflicht sei das Bundesamt gegenständlich in keinster Weise nachgekommen. Konkrete Feststellungen zu den maßgeblichen Änderungen auf Sachverhaltsebene sowie eine vergleichende Darstellung des Sachverhalts, der ursprünglich zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt habe, würden fehlen bzw. ins Leere gehen. Das Bundesverwaltungsgericht gehe in Hinblick auf die beim BF bestehende chronische Hepatitis B-Erkrankung mit steigender Viruslast und aktueller medikamentöser Behandlungsbedürftigkeit vor dem Hintergrund der insbesondere in den Stellungnahmen vom 19.07.2018 sowie 24.08.2018 getroffenen Ausführungen und des in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials aufgrund der damit einhergehenden Einschränkungen bei der Arbeitssuche und der damit verbundenen Kostenbelastung für die notwendige Behandlung somit davon aus, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Afghanistan, insbesondere in den Städten Mazar-e Sharif, Kabul und Herat, nicht zumutbar sei. Bezüglich der Hauptstadt Kabul bringe das UNHCR klar und explizit zum Ausdruck, dass in Kabul generell keine interne Flucht-oder Schutzalternative zur Verfügung stehe. Vor dem Hintergrund der beschriebenen prekären Sicherheits-und sich zuspitzenden Versorgungslage in den afghanischen Städten, insbesondere im Hinblick auf Kabul, Mazar-e Sharif und Herat, befinde sich der BF in einer besonders vulnerablen Situation. Der BF befinde sich seit Mai 2014 und somit seit mehr als fünf Jahren in Österreich und sein Aufenthalt gefährde weder die öffentliche Ruhe oder Ordnung noch die nationale Sicherheit oder das wirtschaftliche Wohl. Er spreche Deutsch auf A2 Niveau und bemühe sich im Rahmen seiner eingeschränkten Leistungs-und Arbeitsfähigkeit aktiv um Arbeit. Der Eingriff in das schützenswerte Privatleben des BF sei als unverhältnismäßig zu qualifizieren und daher auf Dauer unzulässig. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Beschwerde wurden ein Affidavit in englischer Sprache über die Miete eines Zimmers vom 18.01.2019 bis zum 05.03.2019, ein Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 vom 18.07.2018, eine Teilnahmebestätigung (Werte-und Orientierungskurs) vom 06.08.2018 sowie eine Verschreibung des Zentrums für Virologie vom 12.11.2018 angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen und der Religionsgemeinschaft der Sunniten an. Er stammt aus der Provinz Khost, ist dort aufgewachsen und beherrscht die Sprache Paschtu.

Seine Eltern, seine zwei Brüder und seine vier Schwestern leben mit der Ehefrau des Beschwerdeführers nach einem Aufenthalt in Pakistan nunmehr in Afghanistan (Provinz Kunar). Der Vater des BF ist als Taxifahrer und der Bruder des BF ist als Tischler tätig. Zu seinen im Herkunftsstaat ansässigen Familienangehörigen stand der Beschwerdeführer bis vor Kurzem in telefonischen Kontakt.

Der Beschwerdeführer ist aus Afghanistan schlepperunterstützt ausgereist.

Der Beschwerdeführer ist an Hepatitis B erkrankt und im erwerbsfähigen Alter. In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers.

1.2. Aberkennungstatbestand

Dem Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis der BVwG, GZ W152 2111374-1/11E, vom 28.02.2018 aufgrund einer Blutfehde der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer war einmal 2018 sowie in der Zeit vom 15.01.2019 bis zum 31.03.2019 in Pakistan, um seine Verlobte zu besuchen, traditionell zu heiraten und sich medizinisch behandeln zu lassen. In weiter Folge wurde ein Aberkennungsverfahren gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG gegen den Beschwerdeführer eingeleitet.

Im Asylaberkennungsbescheid vom 16.05.2019, Zl. 1020418402/190376754, wurde begründend ausgeführt, dass die Gründe für die Zuerkennung des Asylstatus nicht mehr vorliegen würden, da sich die subjektive Lage des BF im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm der Asylstatus gewährt worden sei, geändert habe.

Festzustellen ist, dass der BF bereits im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG ausdrücklich angegeben hat, dass sich seine Familie wieder in Afghanistan aufhält und im Wissen um diesen Sachverhalt von einer glaubhaften und konkret asylrelevant bestehenden Bedrohung des BF ausgegangen wurde.

Das BFA hat ausreichend begründet nicht aufgezeigt, welche nachhaltigen und wesentlichen Änderungen der rechtskräftig und glaubwürdig bereits durch das BVwG asylrelevant festgestellten Situation des BF nunmehr eingetreten sind und die zur Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten geführt haben.

1.3. Zur Integration des BF in Österreich

Der BF hat im österreichischen Bundesgebiet keine familiären Anknüpfungspunkte, war bisher lediglich geringfügig tätig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und hat lediglich eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 bestanden.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

Quellen:

- AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival, https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6-year-festival-190321064823472.html, Zugriff 26.3.2019

- AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul, https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html, Zugriff 26.3.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019): Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf

- NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talks-afghanistan.html, Zugriff 26.3.2019, ua.

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer; 1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

Quellen:

- BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

- BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

- SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf, Zugriff 20.2.2019

- UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report_2018_final_24_feb_2019_v3.pdf, Zugriff 25.2.2019

- UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (11.2018): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Special report: 2018 elections violence, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/special_report_on_2018_elections_violence_november_2018.pdf, Zugriff 20.2.2019

- UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018): Quarterly report on the protection of civilians in armed conflict: 1 January to 30 September 2018, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf, Zugriff 20.2.2019

- UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (7.12.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General, https://undocs.org/S/2018/1092, Zugriff 20.2.2019

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Quellen:

- CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step', https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peace-talks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019

- DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019

- FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?, https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-be-known-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/, Zugriff 31.1.2019, ua.

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

Quellen:

- AJ - Al Jazeera (20.1.2019): Taliban attack in Afghanistan's Logar kills eight security forces, https://www.aljazeera.com/news/2019/01/taliban-attack-afghanistan-logar-kills-security-forces-190120093626695.html, Zugriff 22.1.2019

- IM - Il Messaggero (22.1.2019): Afghanistan, sangue sul disimpegno Usa: autobomba dei talebani contro scuola militare, 130 vittime, https://www.ilmessaggero.it/pay/edicola/afghanistan_autobomba_morti_talebani-4246561.html, Zugriff 22.1.2019, ua.

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

Quellen:

- AJ - Al Jazeera (30.12.2018): Afghan presidential elections postponed until July 20: official, https://www.aljazeera.com/news/2018/12/afghan-presidential-elections-postponed-july-20-official-181230185336213.html, Zugriff 8.1.2019

- AJ - Al Jazeera (25.12.2018): Kabul attack: Gunmen storm government building, kill dozens, https://www.aljazeera.com/news/southasia/2018/12/gunmen-storm-kabul-government-compound-gun-battle-ensues-181224115249492.html, Zugriff 8.1.2019

- IEC - Independent Electoral Commission (o.D.): 2018 Afghanistan Wolesi Jirga Elections, http://www.iec.org.af/results/en/home, Zugriff 17.12.2018

- NYT - The New York Times (24.12.2018): Militants Storm Afghan Offices in Kabul, Killing Dozens, https://www.nytimes.com/2018/12/24/world/middleeast/kabul-militant-attack.html, Zugriff 8.1.2019

- ORF - Österreichischer Rundfunk (24.12.2018): Tote bei Angriff auf Regierungsgebäude in Kabul, https://orf.at/stories/3105448/, Zugriff 8.1.2019, ua.

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

Quellen:

- 1TV (31.10.2018): Suicide attack kills seven outside Kabul prison, http://www.1tvnews.af/en/news/afghanistan/36271-suicide-attack-kills-seven-outside-kabul-prison?fbclid=IwAR2WADPVHTuF8LZMwm0-LYci05vz1p06BygjhELlFr-wLKNDNo8XQRLXnuQ, Zugriff 22.11.2018

- AJ - Al Jazeera (21.11.2018): 'Brutal and barbaric': Victims recount horror of Kabul attack, https://www.aljazeera.com/news/2018/11/barbaric-victims-recount-horror-kabul-attack-181121162807917.html, Zugriff 22.11.2018

- AJ - Al Jazeera (12.11.2018): Kabul: Suicide bomber targets protesters demanding security, https://www.aljazeera.com/news/2018/11/afghanistan-suicide-bomber-targets-protesters-kabul-181112094659291.html, Zugriff 22.11.2018, ua.

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u.a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten: Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

(UNAMA 10.10.2018)Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert: davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

Quellen:

- AAN - Afghanistan Analysts Network (26.10.2018): Before Election Day Three: Looking at Kandahar's upcoming vote, https://www.afghanistan-analysts.org/before-election-day-three-looking-at-kandahars-upcoming-vote/, Zugriff 29.10.2018

- AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018a): Election Day One (Evening Update): Voter determination and technical shambles, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-one-evening-update-voter-determination-and-technical-shambles/ Zugriff 22.10.2018

- AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018b): Election Day Two: A triumph of administrative chaos, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-two-a-triumph-of-administrative-chaos/, Zugriff 22.10.2018, ua. KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes: Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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