TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/17 W137 2135770-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W137 2135766-1/32E

W137 2135767-1/27E

W137 2135772-1/16E

W137 2135768-1/16E

W137 2135770-1/16E

W137 2171493-1/12E

W137 2216856-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Gerhard Mory, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2016, Zl. 1108618901-161083915 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.07.2017, 01.12.2017 und 05.08.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und § 34 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Gerhard Mory, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2016, Zl. 1108619201-161083931, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.07.2017, 01.12.2017 und 05.08.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und § 34 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Gerhard MORY, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2016, Zl. 1108619408-161083995, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.07.2017, 01.12.2017 und 05.08.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und § 34 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2016, Zl. 1108620006-161083958, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.07.2017, 01.12.2017 und 05.08.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und § 34 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2016, Zl. 1108621101-161084008, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.07.2017, 01.12.2017 und 05.08.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und § 34 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017, Zl. 1160173005-170891867, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.12.2017 und 05.08.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und § 34 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2019, Zl. 1221260110 - 190212760, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.08.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und § 34 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin sowie die minderjährigen Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer_innen reisten am 04.08.2016 legal aus Pakistan kommend mit dem Flugzeug (und im Rahmen einer Familienzusammenführung) nach Österreich ein. Zuvor hatte der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Minderjährigen in Österreich subsidiären Schutz erhalten.

Nach der Einreise stellte die Erstbeschwerdeführerin, Staatsangehörige von Afghanistan, einen Antrag auf internationalen Schutz. Gleichzeitig stellte sie - als deren gesetzliche Vertreterin - auch entsprechende Anträge für ihre minderjährigen Kinder. Dabei wurde eine Befragung der Erstbeschwerdeführerin am 05.08.2016 in Dari durchgeführt und Folgendes protokolliert: "Wir haben keine eigenen Fluchtgründe. Ich bin mit einer Entscheidung des Bundesamtes auf Basis dieser Angaben einverstanden und verzichte auf eine weitere Einvernahme." Diese Angaben würden auch für ihre Kinder gelten. Die Erstbeschwerdeführerin bestätigte die Richtigkeit dieser Angaben nach Rückübersetzung mit ihrem Fingerabdruck.

2. Mit den nunmehr angefochtenen - im Spruch bezeichneten - Bescheiden des Bundesamtes vom 29.08.2016, wurden die Anträge der Erst- bis Fünftbeschwerdeführer_innen auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihnen der Status der/des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihnen allerdings im Rahmen des Familienverfahrens der Status der/des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG (zunächst) bis 09.10.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Verfolgung der Beschwerdeführer_innen aus asylrelevanten Gründen nicht habe festgestellt werden können. Die Beschwerdeführer_innen würden sich ausschließlich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes/Vaters beziehen und hätten keine weiteren Gründe zum Verlassen Ihres Heimatstaates vorgebracht. Die Zuerkennung des Status der/des subsidiär Schutzberechtigten ergebe sich aus der Zuerkennung dieses Status an den Ehemann/Vater.

3. Dagegen erhoben die Erst- bis Fünftbeschwerdeführer_innen am 16.09.2016 innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, mit welcher die oben bezeichneten Bescheide des Bundesamtes hinsichtlich Spruchpunkt I. angefochten wurden.

Begründend wurde ausgeführt, dass den Beschwerdeführer_innen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verwehrt worden sei. Die Beschwerdeführer_innen, insbesondere die Erstbeschwerdeführerin, seien in Afghanistan durch Mitglieder der Taliban aufgrund der Verfolgung des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin ebenfalls verfolgt. Zudem sei der älteste Sohn der Erstbeschwerdeführerin von den Taliban festgenommen worden und habe nicht ausreisen können. Die Erstbeschwerdeführerin sei der Verhaftung durch die Taliban zuvorgekommen indem sie mit den Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer_innen nach Pakistan ausgereist sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei den Beschwerdeführer_innen nicht zur Verfügung gestanden.

Weiters sei die Erstbeschwerdeführerin von der Einvernahmesituation bei der Erstbefragung überfordert gewesen und habe nicht mitbekommen, dass Sie sich einverstanden erklärt habe, lediglich den gleichen Schutz wie ihr Ehemann zu erhalten. Die rechtliche Tragweite des damaligen Vorganges sei ihr in keiner Form bewusst gewesen. Ein allenfalls abgegebener Verzicht sei darüber hinaus nicht rechtswirksam, da dieser nicht zulässig sei und jederzeit widerrufen werden könne.

4. Am 04.07.2017 erfolgte eine erste mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Erst- bis Fünftbeschwerdeführerinnen und ihres rechtsfreundlichen Vertreters. Geladen war (entsprechend der Aktenlage) eine Dolmetscherin für die Sprache Dari. Dabei stellte sich heraus, dass die Erstbeschwerdeführerin nur sehr eingeschränkt Dari beherrscht und in Pashtu deutlich besser kommunizieren kann. Dies war jedoch auch im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes nicht kommuniziert worden. Überdies wurde festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin hochschwanger war (was ihr Rechtsanwalt dem Gericht ebenfalls nicht im Vorfeld der Verhandlung mitgeteilt hatte). Aus diesen Gründen erfolgte eine Vertagung der Verhandlung auf unbestimmte Zeit.

5. Mit Schreiben vom 10.08.2017 gab die Erstbeschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung die Geburt der Sechstbeschwerdeführerin am XXXX bekannt und teilte mit, dass betreffend der Sechstbeschwerdeführerin am 31.07.2017 um Gewährung von internationalem Schutz im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG angesucht worden sei. Anbei wurde die Geburtsurkunde, Meldebestätigung und der Antrag gemäß § 34 AsylG betreffend die Sechstbeschwerdeführerin übermittelt.

6. Mit Bescheid vom 02.08.2017 wurde der Antrag der Sechstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihr der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihr allerdings im Rahmen des Familienverfahrens der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG (zunächst) bis 09.10.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Vater der Sechstbeschwerdeführerin kein asylrelevantes Vorbringen erstattet habe. Da dem Vater der Sechstbeschwerdeführerin ohnehin subsidiärer Schutz gewährt worden sei, sei eine Beweisführung zur Situation im Heimatland nicht notwendig. Der Sechstbeschwerdeführerin sei daher der gleiche Schutz wie ihrem Vater zu gewähren.

Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht eine Beschwerde eingebracht, wobei keine individuelle Verfolgungsgefahr der Neugeborenen behauptet wurde.

7. Am 01.12.2017 erfolgte vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung mit sämtlichen Beschwerdeführer_innen. Ebenfalls anwesend war der als Zeuge geladene Ehemann/Vater der Beschwerdeführer_innen. Die Vertretung in der Verhandlung erfolgte durch einen Mitarbeiter des bevollmächtigten Rechtsanwaltes. Dieser gab eingangs bekannt, dass er eine Befragung der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer_innen für nicht erforderlich erachte.

Die Zweitbeschwerdeführerin (die während der Verhandlung durchgehend Kopftuch trug) gab im Wesentlichen an, in Afghanistan nicht die Schule besucht oder eine Ausbildung gemacht zu haben. Sie sei "einfach zuhause" gewesen. Die Zweitbeschwerdeführerin besuche in Österreich als außerordentliche Schülerin eine Mittelschule und treffe sich am Nachmittag mit Freundinnen aus der Schule. Die Religion sei für die Zweitbeschwerdeführerin "egal" und würde sie das Kopftuch nur dann tragen, wenn sie es möchte. In Afghanistan dürfe sie nicht aus dem Haus gehen, da "die Leute" es verbieten würden. Allfällige Konsequenzen seien ihr nicht bekannt.

Die Erstbeschwerdeführerin gab an, aus Sherzad zu stammen und nie eine Schule besucht oder Bildung erhalten zu haben. Dies sei "bei uns nicht möglich". Die Erstbeschwerdeführerin habe den Haushalt geführt und sei von ihrem Ehemann versorgt worden. Die älteren Kinder der Erstbeschwerdeführerin seien alle zuhause auf die Welt gekommen. Der Fünftbeschwerdeführer sei in Pakistan im Krankenhaus zur Welt gekommen. Nach der Flucht ihres Ehemannes sei die Erstbeschwerdeführerin in Begleitung ihres Bruders mit ihren Kindern nach Pakistan gegangen und habe dort bei ihrer Schwester und deren Ehemann gelebt.

Ihre Kinder würden in Österreich die Schule bzw. den Kindergarten besuchen. Um schulische Belange der Kinder würde sich grundsätzlich ihr Mann kümmern. Falls dieser nicht könne, würde sie aushelfen - die Zweitbeschwerdeführerin würde ihr dann dolmetschen. Sie selbst habe aus zeitlichen Gründen noch keinen Deutschkurs besucht und würde mit ihren Kindern ein wenig Deutsch lernen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre ihr Leben in Gefahr, da sie Afghanistan verlassen habe und daher als Ungläubige angesehen werde. Vor zwei bis drei Jahren seien die Taliban zu ihnen nach Hause gekommen und hätten ihren Schwager und dessen Sohn zusammengeschlagen. Im weiteren Verlauf der Befragung datierte sie diesen Vorfall auf das Jahr 2005.

Der als Zeuge befragte Ehemann/Vater der Beschwerdeführer_innen gab an, 2011 Afghanistan endgültig verlassen zu haben und nach Österreich gelangt zu sein. Seine Familie habe trotz des konservativen lokalen Umfeldes "alle Möglichkeiten" und auch umfangreiche Bildungsmöglichkeiten gehabt. Für Frauen sei das in seiner Familie allerdings nicht erwünscht gewesen - was er persönlich aber anders sehe.

Anschließend wurde der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin eine vorläufige Sachverhaltsannahme zur maßgeblichen Lage in Afghanistan übergeben und eine Frist von drei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Nach Rückübersetzung des Verhandlungsprotokolls erklärte der Zeuge, seine Frau sei aufgrund fehlender Bildung nicht in der Lage, die Regierung und die Taliban auseinander zu halten. Sie habe deshalb Vorfälle von 2005 und 2014 durcheinandergebracht.

Im Anschluss bestätigten die Erstbeschwerdeführerin, der Zeuge und der Rechtsvertreter die Vollständigkeit und Richtigkeit des Protokolls mit ihrer Unterschrift.

8. Zu der Sachverhaltsannahme betreffend die maßgebliche Lage in Afghanistan nahmen die Beschwerdeführer_innen mit (einheitlichem) Schreiben ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 15.12.2017 schriftlich Stellung. Darin wurde ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor höchst volatil sei und die Taliban landesweit handlungsfähig seien. Insbesondere die Heimatregion der Beschwerdeführer_innen würde eine der gefährlichsten Regionen des Landes darstellen und sei die Heimatprovinz der Beschwerdeführer_innen auch die Hochburg des IS und würde sich dieser regelmäßig, Kämpfe mit den Taliban liefern. Gewalt gegen Frauen sei ein weit verbreitetes Phänomen und würden die staatlichen Akteure keine ausreichenden Maßnahmen zum Schutz von Frauen setzen. Nach der Rechtsprechung des VwGH würden Frauen Asyl beantragen können, die aufgrund eines gelebten westlichen Lebensstils in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wären. Nach der Rechtsprechung des BVwG sei dies insbesondere bei afghanische Frauen, bei denen angenommen werde, dass sie soziale Normen verletzt hätten oder eine westliche Lebensführung angenommen hätten.

In der Verhandlung habe sich insbesondere bei der Zweitbeschwerdeführerin gezeigt, dass sie den Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben habe und auf keinen Fall nach Afghanistan zurückwolle. Sie würde das Kopftuch betont locker tragen und würde sich in ihrer Freizeit vorwiegend mit österreichischen Freundinnen treffen. Die Erstbeschwerdeführerin habe in der Verhandlung ebenfalls klargemacht, dass sie die Freiheitsbeschränkungen ihrer Heimat als unzumutbar empfinde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei insbesondere deshalb nicht zumutbar, da dem Ehemann bereits rechtskräftig der subsidiäre Schutz zuerkannt worden sei und die Rückkehr einer alleinstehenden Mutter mit mehreren Kindern nach Afghanistan nicht zumutbar sei. Im Ergebnis seien die Beschwerdeführerinnen insbesondere die Zweitbeschwerdeführerin als Angehörige der sozialen Gruppe der "Afghaninnen westlicher Orientierung" in ihrem Heimatstaat verfolgt und sei ihnen daher der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

Der Stellungnahme beigelegt waren ein Bericht zu Gewalt gegen Frauen in Afghanistan, ein Bericht über den Islamischen Staat in Afghanistan, sowie ein Kommentar zum "Gutachten" von Mag. Mahringer (das allerdings nie in die gegenständlichen Verfahren eingeführt worden war).

9. Mit Schreiben vom 10.09.2018 wurden die Parteien vom Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich der aktuellen Situation in Afghanistan verständigt und ihnen aktuelle Berichte zur Situation in Afghanistan - insbesondere die damals gerade veröffentlichten Berichte von UNHCR und EASO - vorgelegt. Zu diesen Berichten wurde seitens der rechtsanwaltlich vertretenen Beschwerdeführer_innen keine Stellungnahme erstattet.

10. Betreffend die kurz zuvor geborene Siebtbeschwerdeführerin wurde am 01.03.2019 (durch ihren Vater) um Gewährung von internationalem Schutz im Familienverfahren gem. § 34 AsylG angesucht. Das Bundesverwaltungsgericht wurde weder von der Geburt noch der Antragstellung seitens der Erstbeschwerdeführerin, ihres Mannes (des Kindesvaters) oder ihres Rechtsanwalts in Kenntnis gesetzt.

11. Mit Bescheid vom 14.03.2019 wurde der Antrag der Siebtbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihr der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihr allerdings im Rahmen des Familienverfahrens der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG (zunächst) bis 09.10.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Vater der Siebtbeschwerdeführerin kein asylrelevantes Vorbringen erstattet habe. Da dem Vater der Siebtbeschwerdeführerin subsidiärer Schutz gewährt worden sei, sei ihr daher der gleiche Schutz wie ihrem Vater zu gewähren.

Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht eine Beschwerde (durch den amtlich beigegebenen Rechtsberater als Vertreter) eingebracht, wobei keine individuelle Verfolgungsgefahr der Neugeborenen behauptet und lediglich auf das laufende Beschwerdeverfahren der Mutter (Erstbeschwerdeführerin) verwiesen wurde.

12. Mit Schriftsatz vom 20.03.2019 übermittelte der bevollmächtigte Rechtsanwalt, Dr. Gerhard MORY, eine "dringende Entscheidungsurgenz" und verwies insbesondere auf einen besonders verinnerlichten "westlichen Lebensstil" der Zweitbeschwerdeführerin, zu dem auch "das frei gelebte, wach werdende, pubertäre Interesse am anderen Geschlecht" komme. Beigelegt waren Schulnachrichten und eine Schulbesuchsbestätigung der Zweitbeschwerdeführerin.

Die Siebtbeschwerdeführerin wurde in diesem Schriftsatz mit keinem Wort erwähnt.

13. Am 17.07.2019 (mittags) wurden den Beschwerdeführer_innen im Wege ihres (jeweiligen) Vertreters Ladungen für eine weitere mündliche Verhandlung übermittelt. Am Nachmittag desselben Tages ersuchte der bevollmächtigte Rechtsanwalt per e-mail seiner Kanzlei um Akteneinsicht am Nachmittag des 18.07.2019 - und zwar im Anschluss an eine vorherige Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht.

Umgehend wurde der Anwalt davon informiert, dass dies aus dienstlich-dispositorischen Gründen nicht möglich sei - es wurde aber Akteneinsicht vor der angesprochenen Verhandlung angeboten (OZ 21 im Verfahren 2135766-1). Zudem wurde dem Rechtsanwalt mitgeteilt, dass er zur Vertretung der Siebtbeschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht (noch) nicht legitimiert sei, weil er bisher keine entsprechende Vollmacht bekannt gegeben habe. In deren Verfahrensakt sei eine Einsicht jedenfalls erst nach entsprechender Erklärung möglich. Diese Gelegenheit zur Akteneinsicht wurde vom Rechtsanwalt jedoch am 18.07.2019 nicht wahrgenommen.

14. Am 05.08.2019 erfolgte vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung mit sämtlichen (sieben) Beschwerdeführer_innen. Ebenfalls anwesend war der - nicht geladene - Ehemann/Vater der Beschwerdeführer_innen. Die Vertretung in der Verhandlung erfolgte durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt persönlich, der dabei auch seine Bevollmächtigung im Verfahren der Siebtbeschwerdeführerin bekanntgab. Weiter erklärte er, dass er eine Befragung der Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer_innen für nicht erforderlich erachte.

Hinsichtlich der in die Verfahren eingebrachten Länderberichte vertrat RA Dr. Gerhard Mory die Ansicht, dass das jüngste - im Verfahren der Siebtbeschwerdeführerin erstinstanzlich eingebrachte Länderinformationsblatt (LIB) Afghanistan erst bei gesonderter Verlesung Teil der übrigen sechs Beschwerdeverfahren sei. Darüber hinaus beantragte der Rechtsanwalt die neuerliche Befragung des Vaters/Ehemannes der Beschwerdeführer_innen als Zeugen. Dieser Antrag wurde vom Gericht mit verfahrensleitendem Beschluss abgewiesen. Überdies betonte der Rechtsanwalt, dass er die rechtskräftige Entscheidung im Verfahren des Vaters/Ehemannes hinsichtlich der fehlenden Glaubhaftigkeit seines Vorbringens einer ihm drohenden (und auf seine Familie durchschlagenden) Verfolgung seitens der Taliban für die gegenständlichen Verfahren als nicht bindend erachte.

In ihrer Einvernahme bestätigte die Erstbeschwerdeführerin die Richtigkeit ihrer bisherigen Angaben. Aufgrund ihrer Betreuungspflichten den sechs Kindern gegenüber habe sie bisher keinen Deutschkurs besuchen können. Ihre unmündigen Kinder (die Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer_innen) hätten kein eigenständiges Vorbringen. Ihr Anwalt thematisierte hingegen eine potenzielle Zwangsrekrutierung des Dritt- und Viertbeschwerdeführers seitens der Taliban zur Verrichtung von Hilfsdiensten.

Anschließend erfolgte eine ausführliche Befragung der Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Leben in Österreich. Dabei wurde Dr. Mory wiederholt durch den Richter darauf hingewiesen, dass das Leben der Erstbeschwerdeführerin in Afghanistan bereits in der Verhandlung vom 01.12.2017 abschließend behandelt worden sei und Fragen zu diesem Komplex daher nicht zugelassen würden. Gegenstand der Befragung waren hingegen Ereignisse in Afghanistan seit Dezember 2017, insbesondere zum Tod ihrer Eltern im Jänner 2019 im Zuge von Luftangriffen der internationalen Streitkräfte.

Bei der anschließenden Befragung der Zweitbeschwerdeführerin war der Vater auf ihren Wunsch hin (und im Einvernehmen mit dem rechtsfreundlichen Vertreter) anwesend. Dabei erfolgte eine ausführliche Befragung der Zweitbeschwerdeführerin zu ihrem Leben in Österreich und ihrer Entwicklung in den vergangenen drei Jahren. Nicht zugelassen wurde vom Gericht die Frage von Dr. Mory, wie die Minderjährige mit einer versuchten Zwangsverheiratung durch die eigenen Eltern umgehen würde - was zuvor nie Thema von Beschwerdeergänzungen und Eingaben war. In keiner Form von Dr. Mory thematisiert wurde im Zuge der Befragung hingegen das - laut Schreiben vom 20.03.2019 bei der Zweitbeschwerdeführerin vorliegende - "frei gelebte, wach werdende, pubertäre Interesse am anderen Geschlecht".

Für weitergehende Ausführungen zur "westlichen Orientierung" der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin (gegenüber den Ausführungen in der Eingabe vom 20.03.2019 wurde dem Rechtsanwalt eine Frist bis 14.08.2019 zur schriftlichen Einbringung entsprechender Ausführungen eingeräumt.

15. Mit Schreiben vom 06.08.2019 wurde dem bevollmächtigten Rechtsanwalt das aktuelle LIB Afghanistan (für sämtliche Beschwerdeführer_innen) übermittelt und eine Frist von 10 Tagen (ab Einlangen) zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

Mit Schreiben vom 08.08.2019 ersuchte der rechtsfreundliche Vertreter um Verlängerung der Abgabefrist (für beide Themenfelder) bis 19.08.2019.

Am 19.08.2019 übermittelte er eine Stellungnahme (datiert mit 14.08.2019), die sich ausschließlich auf das Länderinformationsblatt und die Gefährdung der Beschwerdeführer_innen aufgrund der Verwandtschaft zum Vater/Ehemann bezog. Bezüglich der vorgebrachten "westlichen Orientierung" findet sich lediglich die Wortfolge "Fortsetzung folgt !!!!!!!!!!" (Schreibweise wie im Original).

16. Am 20.08.2019 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter einen weiteren Schriftsatz in dem er zunächst Korrekturen des obigen Schriftsatzes (vom 19.08.2019) vornahm. Darüber hinaus erfolgte eine Stellungnahme zur Inanspruchnahme von Grund- und Freiheitsrechten seitens der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin, die sich im Wesentlichen auf die Auflistung dieser Rechte (und ihrer juristischen Quellen) beschränkte.

17. Mit e-mail vom 18.11.2019 ersuchten die Erstbeschwerdeführerin und ihr Mann um einen positiven "Asylbescheid" und verwiesen auf finanzielle Probleme und eine laufende Wohnungsräumungsklage.

18. Mit Schreiben vom 19.11.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Rechtsanwalt der Beschwerdeführer_innen das aktuelle LIB Afghanistan (Stand November 2019) und räumte eine Frist zur Erstattung einer schriftlichen Stellungnahme ein.

19. Mit Schriftsatz vom 02.12.2019 erstattete der bevollmächtigte Rechtsanwalt eine "Äußerung" zum aktuellen LIB Afghanistan, in der er ausführte, dass hinsichtlich einer Verfolgung von "westlich orientierten Frauen mit westlichem Lebensstil und westlichen Werthaltungen" keinerlei Änderungen eingetreten seien. Im Übrigen müssten die beschwerdeführenden Parteien "seit unverhältnismäßig langer Zeit" auf eine Gerichtsentscheidung warten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Aufgrund der der Entscheidung zugrundeliegenden Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der Eingaben der Beschwerdeführer_innen und der durchgeführten mündlichen Verhandlung steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

1.1. Die Beschwerdeführer_innen sind Staatsangehörige von Afghanistan, gehören der Volksgruppe der Paschtunen und dem sunnitischen Glauben an. Die Erstbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX (GZ W137 2135766) und ist die Mutter der weiteren (minderjährigen) Beschwerdeführer_innen: XXXX (Zweitbeschwerdeführerin; GZ W137 2135767), XXXX (Drittbeschwerdeführer; GZ W137 2135772), XXXX (Viertbeschwerdeführer; GZ W137 2135768), XXXX (Fünftbeschwerdeführer; GZ W137 2135770), XXXX (Sechstbeschwerdeführerin; GZ W137 2171493) und XXXX (Siebtbeschwerdeführerin; GZ W137 2216856).

Die Sechstbeschwerdeführerin und die Siebtbeschwerdeführerin wurden bereits in Österreich geboren; die übrigen Beschwerdeführer verließen Afghanistan via Pakistan im Rahmen einer Familienzusammenführung mit dem Vater/Ehemann und reisten legal (Visum D, ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Islamabad/Pakistan im Juli 2016) nach Österreich ein.

Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der übrigen Beschwerdeführer_innen - XXXX - hatte bereits am 30.03.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet gestellt. Das Bundesasylamt hat diesen Antrag mit Bescheid vom 22.11.2011, ZI. 11 03.054-BAG hinsichtlich der Gewährung von Asyl und der Gewährung von subsidiärem Schutz abgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht eine Beschwerde eingebracht. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 04.12.2013, ZI. C3 423.160-1/2011/13E wurde die Beschwerde gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 abgewiesen. Am 31.03.2014 stellte er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz und brachte dazu vor, dass sich zwischenzeitlich neuerliche Ereignisse zugetragen hätten, die eine Rückkehr nach Afghanistan unmöglich machen würden. Der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.10.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Gleichzeitig wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung (zunächst) bis zum 09.10.2015 erteilt. Diese wurde in der Folge wiederholt verlängert und liegt auch gegenwärtig vor. Begründend wurde vom Bundesasylamt damals ausgeführt, dass er eine asylrelevante Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können. Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfolgte nicht aufgrund konkreter individueller Verfolgungshandlungen, sondern allein aufgrund des fehlenden Zuganges zu "benötigter medizinischer Betreuung". Gegen diesen Bescheid wurde keine Beschwerde erhoben und erwuchs dieser in Rechtskraft.

Sämtlichen Beschwerdeführer_innen wurde in Österreich bereits durch die erste Instanz der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die Beschwerdeführer_innen verfügen in ihrem Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte in Form von Verwandten der Zweitbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes. Verwandte der Zweitbeschwerdeführerin leben auch in wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen in Pakistan. Die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin starben im Jänner 2019 bei Kampfhandlungen in ihrer Herkunftsprovinz bei Luftschlägen der internationalen Streitkräfte gegen die die Taliban. Sie waren keiner Verfolgung seitens einer der beiden Konfliktparteien ausgesetzt - ihr Tod gilt nach militärischer Diktion als "Kollateralschaden".

Die Erstbeschwerdeführerin stammt aus der Provinz Nangarhar und lebte dort nach der Ausreise ihres Ehemannes (zusammen mit den damals bereits geborenen Kindern) in wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen bei dessen Verwandten. Zuletzt lebte sie mit den Kindern bei ihrer Schwester in Pakistan.

1.2. Die Beschwerdeführer_innen hatten keine Probleme mit staatlichen Behörden in Afghanistan. Auch Probleme aufgrund ihres sunnitischen Glaubens oder der Zugehörigkeit zur paschtunischen Volksgruppe waren nie gegeben. Die weiblichen Beschwerdeführerinnen waren im Herkunftsstaat allein aufgrund ihres Geschlechts keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt. Sie würden in diesem Zusammenhang auch nicht Gefahr laufen, in ihren Rechten gemäß Art. 2 und 3 EMRK verletzt zu werden. Als die Zweitbeschwerdeführerin ein schulpflichtiges Alter erreichte, war ihr ein Schulbesuch aufgrund der Sicherheitslage - somit unabhängig von ihrem Geschlecht - unmöglich.

Die Beschwerdeführer_innen würden im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan allein aufgrund des mehrjährigen Aufenthalts in Europa nicht als "Verräter" oder "Ungläubige" angesehen werden und wären allein aufgrund dieses Umstandes auch keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt.

Das individuelle Vorbringen des Ehemannes/Vaters der Beschwerdeführer_innen - hinsichtlich einer ihn treffenden Verfolgungsgefahr (insbesondere seitens der Taliban) - hat sich als zur Gänze nicht glaubhaft erwiesen. Soweit die Beschwerdeführer/innen dieses ihrem eigenen Antrag auf internationalen Schutz zugrunde gelegt haben, kommt diesen Behauptungen keine Glaubhaftigkeit zu.

1.3. Die Erstbeschwerdeführerin verfügt über keinerlei Schulbildung und war bei Antragstellung Analphabetin. Sie hat bisher keinen Deutschkurs besucht und verfügt nach mehr als drei Jahren Aufenthalt im Bundesgebiet über sehr geringfügige Deutschkenntnisse. Sie verfügt auch in ihrer Muttersprache Pashtu nur über rudimentäre Fähigkeiten im Bereich Schreiben und Lesen. Sie verbringt ihren Alltag in Österreich vorwiegend mit der Betreuung ihrer Kinder und Hausarbeit. Sie verfügt über keine nennenswerten substanziellen Sozialkontakte zu österreichischen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen. Die Erstbeschwerdeführerin trägt in Österreich Kopftuch und Kleidung, die sie ähnlich auch in Afghanistan getragen hat und tragen kann. Der von der Erstbeschwerdeführerin in Österreich gepflegte Kleidungsstil wird in weiten Teilen Afghanistans - insbesondere städtischen Zentren - als "traditionell" bis "konservativ" eingestuft. Er verstößt jedenfalls nicht in einer solchen Form gegen die tradierten sozialen Normen in der Herkunftsprovinz, dass er eine Verfolgung auslösen würde. Dass die Erstbeschwerdeführerin außerhalb des Hauses stets Burka tragen musste, erweist sich als nicht glaubhaft.

Die Erstbeschwerdeführerin kümmert sich effektiv allein um die Kinder und den Haushalt. Eine substanzielle Beteiligung ihres Mannes - der selbst keiner Beschäftigung nachgeht, aber auch nicht bettlägerig oder (medizinisch) arbeitsunfähig ist - bei diesen Tätigkeiten liegt nicht vor. Dieser erledigt vorrangig nur die "Außenbeziehungen" der Familie (Behördenkontakte, Kommunikation mit der Schule). Sie lebt damit in Österreich eine innerfamiliäre Rollenverteilung die selbst für afghanische Verhältnisse als traditionell/konservativ einzustufen ist und die sich nur geringfügig von ihrem Leben im Herkunftsstaat unterscheidet.

Weder die Familie der Erstbeschwerdeführerin noch jene ihres Mannes hatte je ein Interesse daran, ihr aktiv eine substanzielle Bildung zu ermöglichen. Das hat sich hinsichtlich ihres Mannes bis heute nicht geändert. Die Erstbeschwerdeführerin zeigt aber auch nach fast dreieinhalb Jahren in Österreich kein substanzielles inneres Bedürfnis an zumindest grundlegender Bildung und hat nie versucht, sich entsprechende Freiräume zu schaffen. Sie hat auch nie versucht, in irgendeiner Form eine Beschäftigung zu finden. Darüber hinaus sieht sie für sich selbst zumindest für die kommenden Jahre keine konkrete Bildungs- oder Berufsperspektive.

Die Erstbeschwerdeführerin hat während ihres rund zwei Jahre währenden Aufenthalts in Österreich keine Lebensweise angenommen, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan (auch in ihrer Herkunftsregion) darstellen würde. Vielmehr leben tausende Frauen in Afghanistan in beruflicher und privater Hinsicht gegenwärtig selbstbestimmter und eigenständiger als es die Beschwerdeführerin nach einem fast dreieinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich (mit Schutzstatus) tut.

1.4. Die Zweitbeschwerdeführerin ist eine mündige Minderjährige von knapp 16 Jahren, die in Österreich die Schule besucht. Die Beschwerdeführerin zeigt weder einen besonderen schulischen Ehrgeiz, noch besondere Ambitionen hinsichtlich ihres Berufswunsches. Den angestrebten Berufswunsch Zahnarztassistentin könnte sie auch in Afghanistan verwirklichen.

Sie trägt regelmäßig ein Kopftuch. Ihre Freizeit verbringt sie mit Schulfreunden und Schulfreundinnen oder Jugendlichen/Kindern aus ihrer Wohnumgebung im Park - vorrangig mit Ballsportarten. Darüber hinaus unterstützt sie ihre Mutter bei der Betreuung der jüngeren Geschwister, insbesondere ihrer beiden schulpflichtigen Brüder.

Abseits geringfügiger altersbedingter Anpassungen weisen die Schilderungen der Beschwerdeführerin zu ihrer Freizeitgestaltung und ihrem Leben in Österreich in den Verhandlungen vom 01.12.2017 und 05.08.2019 keine substanziellen Unterschiede auf. Eine betonte Selbstständigkeit oder Abgrenzung vom in der Familie vorgelebten, betont traditionell-patriarchalen, Weltbild samt entsprechender Rollen- und Aufgabenverteilung liegt nicht vor. Für das im Schriftsatz vom 20.03.2019 ausdrücklich betonte "frei gelebte, wach werdende, pubertäre Interesse am anderen Geschlecht" haben sich keinerlei nachvollziehbare Hinweise ergeben.

1.5. Der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer sind unmündige männliche Minderjährige von rund zehn und acht Jahren, die in Österreich die Schule besuchen. Sie sind in Afghanistan aufgewachsen und in einem anpassungsfähigen Alter. Es kann nicht festgestellt werden, dass es ihnen unmöglich oder unzumutbar wäre, sich (wieder) in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren. Sie unterliegen keiner realen Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban. Das Bestehen darüberhinausgehender individueller Fluchtgründe wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter wiederholt verneint.

1.6. Der Fünftbeschwerdeführer sowie die Sechstbeschwerdeführerin sind (Klein-)Kinder im Alter von vier beziehungsweise zweieinhalb Jahren. Die Siebtbeschwerdeführerin steht kurz vor Vollendung ihres ersten Lebensjahres. Für die Annahme, dass sie (zum Entscheidungszeitpunkt) einer individuellen Verfolgung aus allein in ihrer Person gelegenen Gründen ausgesetzt sein könnten, gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Eine Integration in das afghanische Gesellschaftssystem wäre ihnen angesichts ihres Alters problemlos möglich und auch zumutbar.

1.7. Die minderjährigen Beschwerdeführer_innen erhalten ihre Bildung in Österreich vorrangig aufgrund der gesetzlich bestehenden Unterrichtspflicht. Ein besonderes Engagement der Eltern ist nicht feststellbar, wobei es im Falle der Zweitbeschwerdeführerin bereits an den dazu erforderlichen Fähigkeiten mangelt. Der Vater hingegen hätte für eine einschlägige Förderung zwar sowohl die grundlegenden Voraussetzungen als auch die zeitlichen Ressourcen, zeigt aber tatsächlich keinerlei Engagement.

1.8. Zur Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den

Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Provinz Nangarhar

Nangarhar liegt im Osten Afghanistans, an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Provinz grenzt im Norden an Laghman und Kunar, im Osten und Süden an Pakistan (Tribal Distrikts Kurram, Khyber und Mohmand der Provinz Khyber Pakhtunkhwa) und im Westen an Logar und Kabul (NPS o.D.na; vgl. UNOCHA 16.4.2010, UNOCHA 4.2018na). Die Provinzhauptstadt von Nangarhar ist Jalalabad (NPS o.D.na; vgl. OPr 1.2.2017na). Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Dara-e-Nur, Deh Bala (auch Haska Mena (AB19.9.2016; VOA 28.6.2019)), Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, Sher Zad, Shinwar und Surkh Rud (CSO 2019; vgl. IEC 2018na, UNOCHA 4.2014na, NPS o.D.na) sowie dem temporären Distrikt Spin Ghar (CSO 2019; vgl. IEC 2018na).

Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Nangarhar für den Zeitraum 2019-20 auf 1.668.481 Personen - davon 263.312 Einwohner in der Hauptstadt Jalalabad (CSO 2019). Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Pashai, Arabern und Tadschiken (NPS o.D.na). Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft lebten in der Provinz Nangarhar, insbesondere in und um Jalalabad (AAN 23.9.2013). Viele von ihnen haben Afghanistan aus unterschiedlichen Gründen wie z.B. Unsicherheit verlassen. Mit Stand September 2018 lebten noch 60 Familien in der Gemeinde in Nangarhar (SW 23.9.2018).

Die asiatische Autobahn AH-1 führt durch die Distrikte Surkhrod, Jalalabad, Behsud, Rodat, Batikot, Shinwar, Muhmand Dara zum afghanisch-pakistanischen Grenzübergang Torkham (MoPW 16.10.2015; vgl. UNOCHA 4.2014na). Die Provinz, die an die ehemaligen Stammesgebiete unter Bundesverwaltung (FATA) Pakistans grenzt, dient als inoffizieller Korridor für in- und ausländische Aufständische (AAN 27.9.2016; vgl. VOA 28.6.2019; PF 15.5.2019; NA 25.1.2018).

Laut dem UNODC Opium Survey 2018 war Nangarhar in der östlichen Region die führende Provinz beim Schlafmohnanbau, obwohl die Anbaufläche 2018 im Vergleich zu 2017 um 9% gesunken ist. Der Rückgang betraf die Distrikte Khogyani, Chaparhar und Lalpoor, während in Kot, Shinwar und Achin ein Anstieg verzeichnet wurde. Die meisten staatlich durchgeführten Mohnvernichtungsaktionen fanden in der Provinz Nangarhar statt (UNODC/MCN 11.2018).

In Nangarhar, die als strategische Provinz gilt (RY 27.4.2019), war seit 2011 eine Verschlechterung der politischen und sicherheitspolitischen Situation zu beobachten (AAN 27.9.2016; vgl. TBIJ 30.7.2018, NA 25.1.2018). Korruption, lokale Machtkämpfe und das Versagen, effektive Dienstleistungen zu erbringen, untergruben das Vertrauen der Bevölkerung in die afghanische Regierung, die die Bevölkerung ungeschützt gegen Aufständische zurückließ, aber auch der Rückzug der internationalen Streitkräfte in der Provinz ab dem Jahr 2013 trug dazu bei (AAN 27.9.2016). Nichtsdestotrotz sind Bemühungen der Regierung auf dem Weg, um Sicherheit zu gewährleisten, Landraub und Korruption vorzubeugen sowie die Koordinierung zwischen den Sicherheits- und Rechtsorganen zu verbessern (PAJ 20.1.2019). So arbeitet die UNAMA auch weiterhin auf lokaler Ebene mit ansässigen Gemeinschaften und Behörden, um Frieden und Konfliktlösungsbemühungen umzusetzen und voranzutreiben; so auch in der Provinz Nangarhar, wo UNAMA eine Friedensjirga zwischen zwei Stämmen im Distrikt Sher Zad einberief - an der zum ersten Mal auch Frauen eine aktive Rolle einnahmen. Diese Jirga führte zu einem Beschluss über die Verteilung von Wasser, der auch angenommen wurde (UNGASC 14.6.2019).

Auch ebnete ein politisches und militärisches Vakuum, das die Provinz seit Jahren heimgesucht hatte, rund um das Jahr 2016 den Weg für den Aufstieg des afghanischen Zweiges des Islamischen Staates, dem Islamischen Staat in der Provinz Khorasan (ISKP) (AAN 27.9.2016). So erleichterten beispielsweise Stammesrivalitäten innerhalb des Distriktes Shinwar den Aufstieg des ISKP in der Provinz (AAN 27.9.2016). Verschiedene militante Gruppen - afghanische, ausländische, sowie salafistische Kämpfer innerhalb der Taliban - trugen dazu bei, die Taliban in Nangarhar zu destabilisieren - viele von ihnen schlossen sich dem ISKP an (AAN 27.9.2016).

Im Februar 2019 galt Nangarhar als eine der ISKP-Hochburgen Afghanistans (UNSC 1.2.2019). Die Schätzungen über die Stärke des ISKP gehen auseinander: so geht eine Quelle von rund 3.000 Kämpfern im Osten Afghanistans (Provinzen Nangarhar und Kunar) aus (UNAMA 24.2.2019), während die ISKP-Stärke von einer anderen Quelle in ganz Afghanistan - jedoch insbesondere in Nangarhar und den angrenzenden östlichen Provinzen - im Juni 2019 auf 2.500-4.000 Kämpfer geschätzt wurde (UNSC 13.6.2019).

Der ISKP wurde in Nangarhar inzwischen zurückgedrängt, auch wenn er noch ein gewisses Territorium kontrolliert: Seine frühere Hochburg in den Spin Ghar-Bergen ist auf kleinere Inseln im Distrikt Achin zusammengeschrumpft (UNSC 13.6.2019). Durch große terroristische Angriffe in Städten führt der ISKP den Konflikt weiter (AAN 19.2.2019; vgl. UNSC 13.6.2019) - insbesondere in Kabul-Stadt und Nangarhar beanspruchte die Gruppe Terroranschläge für sich (UNAMA 24.2.2019; vgl. UNSC 13.6.2019; Anm.: s. auch Abschnitt über den IS im Kapitel "3. Sicherheitslage"). Für das Jahr 2018 verzeichnete UNAMA beispielsweise 17 Selbstmord- und komplexe Angriffe in Nangarhar, die dem ISKP zugeschrieben wurden und 738 zivile Opfer forderten (222 Tote und 516 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Die Taliban sind in Nangahar aktiv und kontrollieren manche Gebiete (NAT 31.7.2019; vgl. BB 31.7.2019; KP 6.7.2019); wie z.B. in den Distrikten Khugyani und Sher Zad (REU 24.4.2019).

Militärische Spezialeinheiten, auch als counter-terrorism pursuit teams bezeichnet, sind in den Provinzen Nangarhar und Khost tätig. Diese Kräfte, die inoffiziell von der US Central Intelligence Agency (CIA) ausgebildet und beaufsichtigt werden und für die Bekämpfung des Aufstands zuständig sind; diesen werden außergerichtliche Tötungen und Folter vorgeworfen (NYT 31.12.2018; vgl. DP 28.1.2018). Die in Nangarhar aktive Miliz wird 02-Einheit genannt. Sie wird vom afghanischen Geheimdienst NDS befehligt und von der CIA unterstützt und ausgebildet (TP 5.5.2019; vgl. TBIJ 8.2.2019). NDS-Operationen stehen außerhalb der Befehlskette der ANDSF (UNAMA 30.7.2019), weswegen Quellen eine mangelnde Rechenschaftspflicht für die Handlungen der NDS-Einheiten kritisieren (TBIJ 8.2.2019; vgl. TIN 21.8.2019; UNAMA 30.7.2019).

In Bezug auf die Anwesenheit regulärer staatlicher Sicherheitskräfte liegt die Provinz Nangarhar unter der Verantwortung des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 9.6.2019), das unter die NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - East (TAAC-E) fällt, welche von US-amerikanischen und polnischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019).

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.815 zivile Opfer (681 Tote und 1.1

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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