TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 W174 2126032-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W174 2126032-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ZEIGE, Zentrum für Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2016, Zl. 1017153202 - 14575364/BMI-BFA_BGLD_RD, nach einer mündlichen Verhandlung am 07.11.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 30.4.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 1.5.2014 gab er im Wesentlichen an, aus XXXX in der Provinz Nangarhar zu stammen, als kleines Kind in Kabul gelebt zu haben, der Volksgruppe der Paschtunen und dem sunnitischen Glauben anzugehören sowie Analphabet und traditionell verheiratet zu sein. In der Heimat würden noch seine Eltern, die Ehefrau, vier Söhne, zwei Töchter, drei Brüder und vier Schwestern leben, ein weiterer Bruder sei verstorben. Sein Vater habe als Polizeikommandant gearbeitet, sei bei einer Explosion verletzt worden und bekomme jetzt ein Gehalt von der Regierung, von dem die ganze Familie lebe.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, er sei Fahrer bei seinem Vater gewesen, deshalb von den Taliban verfolgt worden und habe Drohbriefe bekommen. Dreimal hätten sie ihn zu Hause gesucht, das letzte Mal ca. 20 Tage vor der Ausreise, er habe sich bei den Nachbarn versteckt. Ein Bruder wäre vor ca. einem Jahr von den Taliban mitgenommen und getötet worden.

3. Am 2.6.2015 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen und legte - neben diversen Integrationsunterlagen und Befunden - Drohbriefe, eine Geburtsurkunde mit Lichtbild und einen afghanischen Führerschein vor. Im Wesentlichen wie bisher erklärte er, aus dem Distrikt XXXX in der Provinz Nangarhar zu stammen, dort zuletzt aufhältig gewesen zu sein und mit der gesamten Familie gelebt zu haben. Sein Vater wäre Polizeikommandant in XXXX , er selbst habe mit Ersatzteilen von Motorrädern gehandelt und zusätzlich als Fahrer und Leibwächter für seinen Vater gearbeitet, sei jedoch nicht offiziell bei der Polizei gewesen. Wegen des dauernden Krieges habe er keine Schule besucht. Einmal monatlich stehe er in Kontakt zu den Angehörigen.

Da sein Vater als Kommandant bei der Polizei gearbeitet habe, seien sie in großer Gefahr. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer dreimal zu Hause gesucht. Da ihn die Nachbarn gewarnt hätten, sei er nicht nach Hause gekommen. Neun Monate vor seiner Ausreise hätten die Taliban einen seiner Brüder durch einen Kopfschuss getötet, wozu ein Foto vorgelegt wurde. Das Leben des Beschwerdeführers sei in Gefahr, er habe nach seiner Ausreise mehrere Drohbriefe erhalten, die vor der Eingangstüre gelegen seien. Als ältester Sohn sei er ausgesucht, sein jüngerer Bruder erwischt und getötet worden.

Der Vater lebe nach wie vor zu Hause, er sei Kommandant im Distrikt XXXX (ca. 3 1/2 Stunden von zu Hause entfernt) gewesen und zweimal durch Bomben verletzt worden. Das erste Mal vor ca. 3 Jahren auf einer Landstraße im Distrikt XXXX . Damals hätten sie ihn in Kabul behandelt, beim zweiten Anschlag habe ihn die afghanische Regierung nach Indien zur Behandlung gebracht. Der Beschwerdeführer habe die Unterlagen dazu vorgelegt, jedoch nicht mit und die afghanische Polizei kenne den Vorfall. Der zweite Vorfall seit ca. ein Jahr später und sein Vater ca. 1 km von XXXX auf dem Heimweg gewesen, als eine Bombe ferngezündet worden sei. Drei Polizisten seien getötet, acht verletzt worden. Dazu legte der Beschwerdeführer eine Arztrechnung vor, ausgestellt am 26.6.2013, eingeliefert am 24.5.2013. Bei der Person, deren Namen auf der Rechnung stehe, handle sich um seinen Vater, unter diesem Namen sei er auch bei der Polizei bekannt. Weiters legte der Beschwerdeführer ein Foto aus dem Jahr 2003, das aus einer Wahlberechtigungskarte stammen soll, vor.

Er selbst sei zum letzten Mal 20 Tage vor seiner Ausreise, einen Monat davor das zweite Mal und einen weiteren Monat davor das erste Mal von den Taliban gesucht worden. Beim ersten Mal hätte seine Mutter mit ihnen gesprochen, alle anderen hätten sich versteckt. Die Taliban hätten das Haus durchsucht und seien wieder gegangen. Der Beschwerdeführer selbst habe es mitbekommen und sei weggeblieben. Nachgefragt erklärte er, er wäre zu Hause gewesen und ein Nachbarskind habe ihn gewarnt, dass die Taliban zu ihnen unterwegs wären. Seine Mutter habe mit dem Kind gesprochen, er selbst sei dann über die Mauer zum Nachbar gesprungen und geflohen, dies sei alle drei Male so gewesen. Auch die anderen Geschwister seien über die Mauer gesprungen. Von der Mutter hätten die Taliban wissen wollen, wo der Vater und die Söhne sich befänden.

Beim ersten Vorfall wären zwei seiner Brüder und alle seine vier Söhne sowie eine der Schwestern anwesend gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich jedes Mal mit den anderen bei dem Nachbarn auf der linken Seite aufgehalten, alle Frauen und Mädchen in seinem Haus geblieben. Die Mutter des Beschwerdeführers hätte nach drei bis vier Stunden nachgesehen, ob die Taliban weg seien und den Beschwerdeführer informiert, die Frau des Beschwerdeführers sei auch zu Hause gewesen. Die Polizei wäre vom Beschwerdeführer telefonisch verständigt worden und erst am nächsten Morgen gekommen, weil sie selbst Angst vor den Taliban habe. Im ganzen Distrikt seien ca. 30 bis 40 Polizisten stationiert. Auch ein paar Dorfälteste hätten sie aufgesucht. Alle drei Besuche der Taliban hätten an einem Donnerstag oder Freitag stattgefunden und es wären jedes Mal ungefähr ca. 20 Taliban bei ihnen gewesen.

Beim zweiten Mal habe die Mutter des Nachbarkindes die Mutter des Beschwerdeführers aufgesucht und darüber verständigt, dass die Taliban kämen. Sie lebe am Anfang der Straße und habe es bemerkt. Nur die Familie des Beschwerdeführers sei von den Taliban aufgesucht worden, weil sie für die Regierung gearbeitet habe. Sie wären um ca. 23:00 Uhr gekommen. Daraufhin seien die Männer über die Mauer gesprungen und zum Nachbarn geflüchtet. Von der Warnung bis zu dem Zeitpunkt, als die Taliban bei ihnen gewesen seien wären etwa 15 bis 20 Minuten vergangen. Die Taliban hätten an die Türen an der Straße geklopft, die Bewohner des ersten Hauses hätten geöffnet und während einer mit ihnen gesprochen habe, hätten die anderen die Familie gewarnt. Dies habe ca. 20 Minuten gedauert.

Sein Bruder sei in einem näher genannten Dorf im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers erschossen worden. Neun Monate und fünf Tage vor der Ausreise des Beschwerdeführers hätten ihn die Taliban um 1:00 Uhr nachts während nur die Frauen und Kinder anwesend gewesen wären aus dem Elternhaus entführt und er wäre von den Dorfältesten der Umgebung um 13:00 Uhr getötet worden. Drei der Söhne des Beschwerdeführers hätten sich damals mit einem seiner Brüder in Jalalabad, der Beschwerdeführer und die beiden anderen Brüder bei ihrem Vater aufgehalten.

4. Am 10.8.2015 erstellte die Staatendokumentation eine Anfragebeantwortung zum Beschwerdeführer. Zusammenfassend ist dem Bericht der Vertrauensperson zu entnehmen, dass seine Angaben nur teilweise bestätigt hätten werden können.

Die Person die vom Beschwerdeführer als sein Vater benannt wurde, sei stellvertretender Gouverneur des Distrikts XXXX , er habe keine verwandtschaftlichen Verbindungen zum Beschwerdeführer, sondern zwei Söhne, von denen einer Soldat in der ANA und der zweite noch ein Kind sei); Polizeikommandant des Distrikts XXXX sei seit 4 Jahren (= 2011) eine andere namentlich genannte Person.

Ein Anschlag auf den vom Beschwerdeführer als seinem Vater genannten Mann habe stattgefunden, dieser sei verwundet worden und habe sich auf eigene Kosten nach Indien in ein näher genanntes Krankenhaus zur Behandlung begeben. Drei Polizisten seien dabei getötet und acht weitere Personen verwundet worden.

Die genannte Person habe auch keinen Sohn mit Namen des angeblich getöteten Bruders des Beschwerdeführers. Die Bewohner des betreffenden Dorfes hätten die Hinrichtung durch die Taliban in ihrem Dorf verneint, und der Polizeikommandant des Distriktes XXXX kenne keine Berichte, weder offiziell noch inoffiziell, dass eine Person mit diesem Namen dort aufgehängt oder anderweitig zu Tode gebracht worden sei.

Die Familie der genannten Person sei in XXXX bekannt und lebe seit vielen Jahren dort. Die Identität des Beschwerdeführers habe nicht geklärt werden können, seine Tazkira sei eine Fälschung, ebenso die übermittelten Ausweise. Der Beschwerdeführer sei von keinem der Befragten anhand des übermittelten Lichtbildes identifiziert worden.

5. Am 17.9.2015 wurde der Beschwerdeführer hierzu vor dem Bundesamt nochmals niederschriftlich einvernommen und erklärte im Wesentlichen, nichts erfunden zu haben. Bei der genannten Person handle sich um seinen Vater und er habe in diesem Dorf gelebt.

Vorgelegt wurden diverse Integrationsunterlagen.

6. Mit Schreiben vom 21.10.2015 wurde ein Datenträger mit zwei Videoclips sowie mit Briefen vorgelegt, die die Geschichte des Beschwerdeführers und dessen Identität bestätigen sollen.

Am 22.10.2015 langten beim Bundesamt Fotos von Dokumenten sowie Fotos, die den Vater des Beschwerdeführers bei seiner Arbeit zeigen sollen, ein.

7. Laut Aktenvermerk des Bundesamtes vom 4.2.2016 ist die vom angeblichen Vater des Beschwerdeführers genannte Telefonnummer, unter der jener erreichbar sein soll, nicht vergeben, wie mehrfach versuchte Anrufe gezeigt hätten.

8. Mit Schreiben vom 25.2.2016 wurden dem Bundesamt nochmals Farbkopien der Fotos und Bestätigungen des angeblichen Vaters, Fotos, die den Bruder des Beschwerdeführers zeigen sollen, das Kuvert sowie die Kopie des Führerscheins übermittelt.

9. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 7.4.2017 erteilt.

Zum Spruchpunkt I. führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Angaben des Beschwerdeführers entsprächen nach der durchgeführten Recherche in Afghanistan nicht der Wahrheit (Erhebungen im Heimatdorf, Interview mit dem angeblichen Vater persönlich und Bewohnern des Heimatdorfes in XXXX und in XXXX ).

Der Bombenanschlag auf die vom Beschwerdeführer als Vater genannte Person sei offiziell bekannt und diene ihm als Vorwand für seine Fluchtgeschichte, um seine Angaben glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Der Beschwerdeführer vermische Umstände, zB sei diese Person stellvertretender Gouverneur und nicht Polizeikommandanten in XXXX . Es sei nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer und seine Familie bei den drei Besuchen der Taliban zu Hause rechtzeitig vorgewarnt hätten werden können, um sich beim Nachbarn zu verstecken und wenig realitätsnah, dass es ihm und seiner Familie jedes Mal möglich gewesen sei, das Haus zu verlassen, denn die Taliban wären nach seinen Angaben erst gegen Mitternacht gekommen. Zudem habe ein Verbindungsbeamter festgestellt, dass die Tazkira des Beschwerdeführers eindeutig gefälscht ist. Dass der Beschwerdeführer im genannten Heimatdorf gewohnt haben soll, habe nicht identifiziert werden können.

Den im Verfahren vorgelegten Drohbriefen käme kein Beweischarakter zu, weil es der Behörde notorisch bekannt sei, dass solche Schreiben oft in eigener Regie erstellt oder in Afghanistan in leichter Weise käuflich erworben werden könnten. Die Bestätigung, dass der Beschwerdeführer Probleme mit der Taliban habe, habe nicht als echt festgestellt werden können, zumal die Recherche ein anderes Ergebnis erbracht habe und solche Schreiben in Afghanistan leicht zugänglich seien und der Behörde kein Fall bekannt sei, dass die afghanische Regierung solche Bestätigungen ausstelle.

Den Recherchen vor Ort kämen besonderes Gewicht zu, die österreichischen Vertretungsbehörden setzten zur Erfüllung ihrer Aufgaben spezielle Vertrauensanwälte, Gutachter und Sachverständige ein.

10. Gegen Spruchpunkt I. des genannten Bescheides wurde rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, in der im Wesentlichen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt wurde. Der Beschwerdeführer könne sich das Rechercheergebnis nicht erklären, es müsse sich um einen Irrtum handeln, eine Verwechslung sei nicht ganz ausgeschlossen.

11. Laut dem beim Bundesverwaltungsgericht am 14.6.2016 eingelangten Abschlussbericht der zuständigen Landespolizeidirektion vom 13.6.2016 habe der Beschwerdeführer am 29.10.2015 einen afghanischen Führerschein vorgelegt und dessen Austausch beantragt. Nach den Untersuchungen des Bundeskriminalamtes handle es sich bei diesem afghanischen Führerschein um eine Totalfälschung. Am 16.2.2016 habe der Beschwerdeführer einen weiteren angeblichen afghanischen Führerschein vorgelegt, der laut Mitteilung des Bundeskriminalamtes vom 28.4.2016 nur die Übersetzung eines afghanischen Führerscheins sei, wobei keine Aussage darüber gemacht worden könne, ob der Beschwerdeführer tatsächlich im Besitz einer afghanischen Lenkerberechtigung wäre. Dieses Dokument habe man rückgemittelt und der Beschwerdeführer sich damit gerechtfertigt, er sei sicher, dass es sich um einen echten Führerschein handle, weil er ihn persönlich bei der Behörde abgeholt habe; als Beweis könne er einen Auszug aus dem "Verkehrsamtsregisterbuch" und eine Bestätigung vom Verkehrsministerium und Verkehrsamt für seinen Heimatsbezirk beibringen.

12. In einer Beschwerdeergänzung vom 23.8.2018 wurden neuer Beweismittel vorgelegt:

- USB Datenträger mit Videoaufzeichnung des angeblichen Vaters des Beschwerdeführers, auf welchem er bestätigt, dass letzterer sein Sohn und dessen beiden namentlich genannten Söhne seine Enkel seien. Angegeben wurde die private Telefonnummer des angeblichen Vaters, unter welcher er erreichbar wäre und als Zeuge zur Verfügung stünde, sollten noch Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens bestehen.

- Schreiben des Beschwerdeführers gerichtet an die Stammesältesten und Weißbärtigen des Dorfes sowie Bestätigung des angeblichen Vaters zur Identität und Fluchtgeschichte samt Bescheinigungen dortiger Amtsträger samt Übersetzung.

13. Am 10.5.2019 wurde der Beschwerdeführer im Bundesgebiet rechtskräftig gemäß §§ 15, 127 StGB zu 40 Tagsätzen, im Nichteinbringungsfall zu 20 Tagen unbedingt verurteilt.

14. Am 20.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei nicht teilnahm.

Der Beschwerdeführervertreter gab eingangs an, dass er und seine beiden mittlerweile im Bundesgebiet befindlichen Söhne unisono behauptet hätten, dass das Ergebnis der Recherche vor Ort nicht der Wahrheit entspreche. Dies im Wesentlichen deshalb, weil die vor Ort entsandte befragende Person Bestechungsgeld verlangt hätte, die Zahlung jedoch verweigert worden und deswegen das Rechercheergebnis falsch sei. Einer der beiden Söhne sei im Besitz einer Videoaufnahme, in der sein Großvater den Sachverhalt in einer Aufnahme richtigstelle. Er habe dieses Video auf seinem Handy mit. Die Söhne seien gerne bereit, über ihre tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse auszusagen.

Der Beschwerdeführer gab an, er sei ca. 34-35 Jahre alt, Paschtune, sunnitischer Moslem, verheiratet und habe sechs Kinder, zwei Töchter und vier Söhne. Geboren sei er in der Provinz Nangarhar, im Distrikt XXXX und habe auch sein ganzes Leben dort verbracht. Nachgefragt korrigierte er sich dahingehend, dass seine Familie während des Krieges gegen die Russen ca. zwei Jahre lang in Pakistan gewesen sei.

Sein Vater sei Kommandant bei der Polizei und er selbst sehr oft mit ihm als Fahrer und auch als Bodyguard unterwegs gewesen. Als Kind habe er in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet und später als Taxifahrer Leute nach Torkhan gebracht, zur Grenze. Er sei auch für ca. sechs Monate zwischen Kabul und Jalalabahd gefahren. Zuvor sei er darüber nicht befragt worden und wahrscheinlich habe er es deshalb auch nicht gesagt. Auf Vorhalt erklärte er, manchmal im Sommer auch in Kabul gelebt zu haben.

Dem Beschwerdeführer wurde die im Akt befindliche Kopie einer Tazkira gezeigt und er bestätigte, dass es sich um die seine handle. Das Original habe ihm die türkische Polizei weggenommen und vernichtet. Dass das Dokument anlässlich der Anfrage der Behörde an die Staatendokumentation als gefälscht beurteilt worden sei, wäre deswegen, weil die Tazkira keinen Stempel vom Außenministerium habe bzw. die Bücher im Dorf wahrscheinlich nicht mehr existierten. Wenn man die Tazkira nicht vom Außenministerium stempelt, gelte das im Ausland nicht. Sein Führerschein sei vom Außenministerium bestätigt worden und eine Kopie davon habe er auch.

Vorgehalten, dass sowohl der bereits vorgelegte Führerschein als auch die in weiterer Folge übermittelte Übersetzung eines Führerscheins ins Deutsche einer kriminalpolizeilichen Überprüfung hinsichtlich ihrer Echtheit unterzogen und als Totalfälschung beurteilt worden seien, erwiderte der Beschwerdeführer, als Beweis für die Echtheit seines Führerscheines habe er sich von seinem Vater eine Kopie plus einer Bestätigung vom Außenministerium zukommen lassen und auch vorgelegt. Er übernehme die 100%ige Verantwortung dafür, dass alles echt sei. Es gebe auch eine Bestätigung seitens der afghanischen Botschaft in Österreich über die Echtheit des Führerscheines, die er bei der Polizei vorgelegt habe. Die Unterlagen habe er zuhause auf dem Regal liegen und könne sie schicken.

Seitens der erkennenden Richterin wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, das Original der Bestätigung der afghanischen Botschaft in Österreich betreffend die Echtheit seines afghanischen Führerscheines sowie eine weitere Bestätigung betreffend den Nachweis seiner Identität von der afghanischen Botschaft in Österreich bis zum 9.12.2019 beim Gericht einlangend vorzulegen. Diese Unterlagen würden vom Gericht anschließend dem kriminalpolizeilichen Dienst übermittelt werden, um deren Echtheit zu beurteilen. Daraufhin erwiderte der Beschwerdeführer: "Die Originale liegen bei der Polizei, ich glaube nicht, dass ich die Originale von denen bekommen kann. Ich verstehe nicht, warum ich einen Identitätsnachweis von der Botschaft bringen soll, wenn meine Tazkira sowieso echt ist."

Daraufhin belehrte die erkennende Richterin den Beschwerdeführer nochmals, dass eine Tazkira im Original bislang nicht vorgelegt worden und somit deren Beurteilung auf ihre Echtheit nicht möglich sei. Demzufolge sei ein Nachweis über die Identität des Beschwerdeführers nach wie vor offen. Die vorliegende Verhandlungsschrift könne ihm dazu dienen, bei der Polizeibehörde vorstellig zu werden, um das Original der Bestätigung betreffend den Führerschein zu erlangen und anher vorzulegen. Ebenso sollte es im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung möglich sein, dass er an die afghanische Botschaft herantritt, um eine Bestätigung seiner Identität zu erlangen.

Der Beschwerdeführer legte nochmals jene beiden Dokumente in Kopie vor, die bereits ins Deutsche übersetzt wurden und als Beilage zu OZ 14 (Beschwerdeergänzung vom 24.8.2018) dem Gericht in Kopie vorliegen und wurde aufgefordert, auch diese beiden Unterlagen dem Gericht bis zum 9.12.2019 in Original vorzulegen, um deren Echtheit durch die Kriminaltechnik beurteilen zu können.

Zudem wurden die Originale der angeblichen Drohbriefe der Taliban sowie ein Schreiben samt Originalkuvert vorgelegt.

Bei dem Ausweis, der im Original im Verwaltungsakt enthalten ist (Seite 137) handle es sich um den Arbeitsausweis seines Vaters. Die Dolmetscherin wurde um Übersetzung ersucht und gab an: "Es handelt sich um eine Identitätskarte, mit der Nr. [...]. Darunter steht, 2003-2004. Daneben ist auch ein Stempel, es ist aber nicht ersichtlich, um welchen Stempel es sich handelt. Es stehen die Personalien drauf, es ist nicht alles leserlich. Unter dem Namen steht auch [...]. Es steht auch das Geschlecht, nämlich männlich. Es steht die Provinz, mit Nangahar. Als Distrikt steht XXXX. Von wem die Identitätskarte ausgestellt wurde, steht oben geschrieben, aber es ist abgeschnitten und man kann es nicht genau lesen. Der gesamte obere Teil ist abgeschnitten. Auf der Rückseite ist das afghanischen Wappen darauf und in dem Feld für die Unterschrift, ist eine Unterschrift. Auf der Rückseite ist auch eine Art Erklärung, wozu die Karte dient, aber man kann es nicht gut lesen. In der zweiten Zeile steht auch noch der Name des Vaters von [...], also des Großvaters des BF [...]". Laut dem Beschwerdeführer sei die Karte von der Kommandantenstelle (Polizeistelle) in Nangahar ausgestellt worden.

Nachgefragt, warum sein Vater im Frebruar 2016 unter der im vorgelegten USB-Stick enthaltenen Video angegebenen Telefonnummer nicht erreicht habe werden können, erwiderte der Beschwerdeführer, die Polizeistelle habe wahrscheinlich eine neue Nummer bekommen und er könne die neue auch nennen. Aufgefordert, dies zu tun, brachte der Beschwerdeführer vor: "Mein Sohn hat die Nummer, ich weiß es nicht. Ich habe mit ihm heute in der Früh gesprochen." Er wurde aufgefordert, die Telefonnummer bis zum 9.12.2019 dem Gericht bekannt zu geben.

Der Beschwerdeführer legte weiters einen USB-Stick vor, worauf alte und neue Videos seines Vaters zu sehen seien sollen.

Auf Nachfrage erklärte die Dolmetscherin, dass ein Bewohner des jeweiligen afghanischen Distriktes Namen von Personen, die dort als Gouverneur, Vizegouverneur, Polizei- oder Sicherheitschef bzw. als dessen Vertreter tätig waren oder sind, auf jeden Fall kennen würden.

Im Rahmen der Verhandlung wurde auf das Länderinformationsmaterial zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat hingewiesen. Der Beschwerdeführer verzichtete auf Erstattung einer Stellungnahme.

15. In weiterer Folge langten trotz mehrfacher Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes in der mündlichen Verhandlung weder während der gewährten Frist bis zum 9.12.2019 noch später Originaldokumente oder weitere Informationen zur Person des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem, für die Entscheidung maßgeblichem Sachverhalt aus:

1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen sowie dem sunnitischen Glauben an und stammt aus dem Distrikt XXXX in der Provinz Nangarhar.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, in Afghanistan wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seines Vaters bzw. wegen seiner (unterstellten) politischen Überzeugung oder Religion von Verfolgung durch die Taliban bedroht zu sein.

Weitere Verfolgungsgründe wurden von dem Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht vorgebracht bzw. liegen keine diesbezüglichen Hinweise vor.

2. Zur Lage im Herkunftsland:

Das Bundesverwaltungsgericht trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 4.6.2019:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/ Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche. Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Anmerkung der Staatendokumentation: Zur besseren Ortung der oben beschriebenen Vorfälle folgt eine kartografische Darstellung der Staatendokumentation mit der Einteilung der Stadt Kabul in Polizeidistrikte: (Quelle: BFA 13.2.2019)

Bild kann nicht dargestellt werden

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

[...]

3. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Bild kann nicht dargestellt werden

(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

Bild kann nicht dargestellt werden

(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Bild kann nicht dargestellt werden

(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO

INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

Bild kann nicht dargestellt werden

(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Bild kann nicht dargestellt werden

(Darstellung der Staatendokumentation)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine

Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der USAmerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster: Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018).

* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Karte Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

* In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

Zivilist/innen

Bild kann nicht dargestellt werden

(UNAMA 2.2018)

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.200931.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA 2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nichtziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Konkrete Informationen zu Zahlen und Tätern können dem Subkapitel "Regierungsfeindliche Gruppierungen" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten