Entscheidungsdatum
19.03.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L503 2225319-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a JICHA sowie den fachkundigen Laienrichter RgR PHILIPP über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 25.6.2019, XXXX , zu Recht erkannt:
A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: "BF") verfügt über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung im Ausmaß von 50 v. H.
2. Am 17.1.2019 beantragte der BF die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) und damit gleichzeitig die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel".
3. Am 9.4.2019 wurde der BF von Dr. M. J.-J., Ärztin für Allgemeinmedizin, untersucht und führte die Gutachterin in ihrem Gutachten vom 8.5.2019 auszugsweise wie folgt aus:
"Derzeitige Beschwerden:
Kreuzschmerzen, Schulterschmerzen, links mehr als rechts, Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, erhöhte Blutdruckwerte, Depressionen, zum Teil mit psychotischen Symptomen, zeitweise Angst und Konzentrationsverminderung und Schlafprobleme.
[...]
Gesamtmobilität - Gangbild:
Normales Gangbild, kein Hinken, keine Gehhilfe.
Zehen- und Fersengang beidseits durchführbar.
Status Psychicus:
Bewusstseinsklar, zeitlich, örtlich und zur Person orientiert, gut kontaktfähig, Affizierbarkeit erhalten, jedoch eingeschränkt und auffällig, stimmungsmäßig gedrückt und verlangsamt, keine pathologischen Denkinhalte."
Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung sodann im Gutachten wie folgt festgehalten:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
01
Rezidivierende depressive Störung und anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit langem stationären Aufenthalt im Herbst 2018
02
Wirbelsäulenbeschwerden
03
Mischkopfschmerz (Migräne, Spannungskomponente, St. p. Medikamentenübergebrauch)
04
Schmerzen in der linken Schulter
05
Hypertonie
Im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde wie folgt ausgeführt: "Es liegt keine erhebliche Mobilitätseinschränkung und keine höhergradige Einschränkung der Gehleistung vor. Es liegen auch keine Einschränkungen der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten vor, die die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschweren würden."
4. Mit Schreiben zur Wahrung des Parteiengehörs vom 23.5.2019 teilte das SMS dem BF mit, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nicht vorliegen würden; somit seien auch die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Parkausweises und ein Anspruch auf den Bezug einer Gratisvignette nicht gegeben. Dem BF werde die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Beigelegt wurde dem Schreiben das Gutachten von Dr. M. J.-J. vom 8.5.2019.
5. Mit Schreiben vom 12.6.2019 gab der BF eine Stellungnahme ab. Darin führte der BF wörtlich wie folgt aus:
"Es stimmt, dass sich mein Schmerzgedächtnis schon in ganz jungen Jahren anfing, zu entwickeln. Im Laufe der langen Zeit entstanden Ganzkörperschmerzen die es mir nicht ermöglichen, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zu fahren, da ich oft an mehreren Stellen am Körper gleichzeitig so Schmerzen habe und aufgrund der überfüllten Züge, Busse keine Möglichkeit zum niedersetzen finde. Das ist für mich unerträglich.
Und es stimmt, dass ich mich, wenn mehrere Menschen sich ansammeln (wie eben in Öffis) ich mich sehr unwohl fühle, da richtig Angst bekomme. Dies versuche ich abermals im Zuge einer Psychotherapie zu bewältigen, in der ich mich seit ca. einem Jahr wieder ständig befinde. (P. Linz). Ich versuche, die Medikamente absolut um das notwendig Wenigste zu reduzieren, daher die Gesprächstherapie.
Alle ICD Diagnosen haben Sie erhalten. (Letzte Diagnose Psychosomatische Erkrankung aus dem Jahr November 2018)."
Er ersuche um positive Entscheidung betreffend den Parkausweis.
6. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 25.6.2019 wies das SMS den Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.
Begründend wurde - neben Darstellung der rechtlichen Grundlagen - ausgeführt, im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden; nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Das Sachverständigengutachten sei als schlüssig erkannt und der Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt worden. Der BF habe mit seiner Stellungnahme vom 12.6.2019 zwar angegeben, er sei mit dem Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden, allerdings seien seine Einwände nicht geeignet, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften und habe der BF insbesondere auch keine neuen Beweismittel vorgelegt. Beigelegt wurde dem Bescheid das Sachverständigengutachten von Dr. M. J.-J. vom 8.5.2019.
7. Mit Schreiben vom 27.7.2019 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 25.6.2019. Darin verwies er - wie bereits in seiner Stellungnahme vom 12.6.2019 - auf seine schon im Kindesalter eingetretenen Beschwerden (Schmerzgedächtnis); in den pausenlos überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln bekomme er keinen Sitzplatz und habe in Anbetracht der Menschenmengen Angstzustände. Er sei in ständiger Psychotherapie und nehme ständig Schmerzmittel, wobei die Schmerzmittel im Gutachten des SMS nicht richtig angeführt worden seien. Er verfüge bereits - zeitlich uneingeschränkt - über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 50 v. H.
Beigelegt wurden der Beschwerde ein Schreiben von Dr. S., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 17.7.2019, in dem der Arzt darauf hinwies, dass im Rahmen des erstellten Gutachtens die beim BF bestehende soziale Anpassungsstörung außer Acht gelassen worden sei; es bereite dem BF deutliche Beklemmung bis hin zu Angstzuständen, sich in einer Menschenmenge zu befinden. Als Diagnose führte der Arzt eine Skoliose der Wirbelsäule, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Anpassungsstörung mit emotionaler Beeinträchtigung an.
Beigelegt wurde vom BF weiters ein Erinnerungsprotokoll an seine Kindheit.
8. Im Gefolge seiner Beschwerde wurde der BF am 2.10.2019 von Dr. A. K., Facharzt für Neurologie und Arzt für Allgemeinmedizin, untersucht und führte der Gutachter in seinem Gutachten vom 7.10.2019 auszugsweise wie folgt aus:
"Derzeitige Beschwerden:
Unverändert zum Vorgutachten beklagt der Antragsteller Schmerzen an diversen Körperstellen. Diese sind sehr wechselhaft, zum Teil im Kreuz, dann wieder im Schulterbereich. Er hat beinahe täglich Kopfschmerzen, sowohl Spannungskopfschmerz als auch Migräne Kopfschmerz. Die Stimmung beschreibt er aktuell an und für sich weder gut noch schlecht, er hat wenig soziale Kontakte. Er berichtet bei Menschenansammlungen über ein unangenehmes Gefühl, das jedoch nicht wirklich näher beschrieben werden kann. Er nimmt diesbezüglich keine Bedarfsmedikamente ein. Er ist nach eigenen Angaben in Psychotherapie, jedoch nicht speziell zur Behandlung dieser Symptomatik.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Duloxetin 60 mg 2-0-0, Concor 10 mg 1/2-0-1/2, Ibuprofen bei Bedarf, Xefo bei Bedarf, Paracetamol bei Bedarf.
[...]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Vorgutachten Dr. J.-J. vom 09.04.2019
Vorgutachten Dr. S. vom 03.08.2016, GdB 50%
Befund Dr. S. vom 17.07.2019 [...]"
Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung sodann im Gutachten wie folgt festgehalten:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
01
Rezidivierende depressive Störung und anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit langem stationären Aufenthalt im Herbst 2018
02
Wirbelsäulenbeschwerden
03
Mischkopfschmerz (Migräne, Spannungskomponente, St. p. Medikamentenübergebrauch), DVA cerebellär (asymptomatisch)
04
Bluthochdruck
05
Schmerzen in der linken Schulter
Im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde wie folgt ausgeführt: "Es liegt im Rahmen der Schmerzen keine eingeschränkte Wegstrecke vor. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit zum sicheren Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel unter Beachtung der üblichen Niveauunterschiede. Es besteht eine ausreichende Standsicherheit. Das vom Antragsteller angegebene Unwohlsein bei Menschenansammlungen kann nicht näher beschrieben werden. Er wird diesbezüglich nicht spezifisch psychotherapeutisch, ebenfalls auch nicht spezifisch psychopharmakologisch behandelt."
Abschließend wurde im Hinblick auf die gutachterliche Stellungnahme nochmals betont, das vom BF vorgebrachte Unwohlsein bei Menschenansammlungen werde als zu unspezifisch beschrieben; es liege darüber hinaus auch keine spezifische Therapie für diese Symptomatik vor. Fachspezifisch werde dieses Symptom ebenfalls nicht behandelt.
9. Mit Schreiben zur Wahrung des Parteiengehörs vom 15.10.2019 teilte das SMS dem BF mit, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nicht vorliegen würden; somit seien auch die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Parkausweises und ein Anspruch auf den Bezug einer Gratisvignette nicht gegeben. Dem BF werde die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Beigelegt wurde dem Schreiben das Gutachten von Dr. A. K. vom 7.10.2019.
10. Eine Stellungnahme des BF ist nicht aktenkundig.
11. Am 12.11.2019 legte das SMS den Akt dem BVwG vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist 1965 geboren und in Österreich wohnhaft. Er verfügt über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H.
Am 17.1.2019 beantragte der BF die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.
1.2. Beim BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
01
Rezidivierende depressive Störung und anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit langem stationären Aufenthalt im Herbst 2018
02
Wirbelsäulenbeschwerden
03
Mischkopfschmerz (Migräne, Spannungskomponente, St. p. Medikamentenübergebrauch), DVA cerebellär (asymptomatisch)
04
Bluthochdruck
05
Schmerzen in der linken Schulter
1.3. Es liegt im Rahmen der Schmerzen des BF keine eingeschränkte Wegstrecke vor. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit zum sicheren Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel unter Beachtung der üblichen Niveauunterschiede; es besteht eine ausreichende Standsicherheit. Dem BF ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter diesem Aspekt somit zumutbar.
Auch das vom BF angegebene - nicht näher spezifizierte - Unwohlsein bei Menschenansammlungen bedingt nicht, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar wäre.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen zum BF, zu seinem Behindertenpass und seinem Antrag auf Vornahme einer Zusatzeintragung ergeben sich unmittelbar aus dem Akteninhalt.
2.3. Die getroffenen Feststellungen zu den beim BF bestehenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem (zuletzt) - aufgrund von Einwänden des BF im Rahmen des Parteiengehörs - vom SMS eingeholten (weiteren) Sachverständigengutachten vom 7.10.2019 von Dr. A. K., in dem die Funktionseinschränkungen nachvollziehbar dargestellt wurden; der BF hat diesbezüglich trotz Gelegenheit keine Stellungnahme abgegeben und ist dem Gutachten somit nicht entgegengetreten. In diesem Gutachten hat der Gutachter im Übrigen auch ausdrücklich das vom BF in seiner Beschwerde vorgelegte Schreiben von Dr. S., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 17.7.2019 berücksichtigt, wonach die soziale Anpassungsstörung des BF bisher außer Acht gelassen worden sei.
2.4. Die getroffene Feststellung, wonach dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, beruht auf folgenden Erwägungen: Zunächst hat sich insbesondere auch der Letztgutachter (Gutachten vom 7.10.2019 von Dr. A. K.) mit der somatoformen Schmerzstörung des BF auseinandergesetzt und legte in nachvollziehbarer Weise dar, dass die Wegstrecke dadurch nicht eingeschränkt sei und dass auch das sichere Ein- und Aussteigen gewährleistet und eine entsprechende Standsicherheit des BF gegeben sei. Diesbezüglich hat der BF im gesamten Verfahren nie substantiiert Gegenteiliges vorgebracht, sondern nur allgemein in den Raum gestellt, dass er aufgrund seiner Ganzkörper- bzw. Wanderschmerzen bzw. allenfalls auch seiner Migräne jedenfalls keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen könne, zumal diese ständig überfüllt seien und er somit auch keinen Sitzplatz finde.
Zudem brachte der BF im Verfahren vor, dass er sich bei Menschenansammlungen - wie es bei ständig überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln der Fall sei - "sehr unwohl fühle" und dabei Angstzustände bekomme. In diesem Sinne wird nicht verkannt, dass der BF mit seiner Beschwerde ein Schreiben des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 17.7.2019 vorlegte, wonach bisher eine beim BF bestehende soziale Anpassungsstörung unberücksichtigt geblieben sei; der BF leide an "deutlicher Beklemmung bis hin zu Angstzuständen", wenn er sich in einer Menschenmenge befinde. Wie bereits oben dargelegt, war dieses Schreiben auch offensichtlich der Grund dafür, dass das SMS den BF am 2.10.2019 einer weiteren Untersuchung - nämlich durch einen Facharzt für Neurologie - unterzog und wurde dieses Schreiben vom 17.7.2019 sodann vom Neurologen Dr. A. K. in seinem Sachverständigengutachten vom 7.10.2019 ausdrücklich berücksichtigt. Dessen ungeachtet vermochte Dr. A. K. nach eingehender Untersuchung des BF aber auch in dieser Hinsicht keine Einschränkungen betreffend die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch den BF zu erkennen: So führte Dr. A. K. etwa aus, der BF berichte ihm bei Menschenansammlungen "über ein unangenehmes Gefühl, das jedoch nicht wirklich näher beschrieben werden kann". Der BF nehme diesbezüglich keine Bedarfsmedikamente ein, er sei in Psychotherapie, jedoch nicht speziell zur Behandlung dieser Symptomatik.
Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Sachverständigen durchaus nachvollziehbar, wonach das vom BF vorgebrachte Unwohlsein bei Menschansammlungen zu unspezifisch sei, um daraus Einschränkungen im Hinblick auf die Benutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel ableiten zu können.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BBG lauten:
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, [...]
§ 42. (1) [...] Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
[...]
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. [...]
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
3.3. § 1 Abs 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, lautet:
[...] (4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: [...]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
[...]
3.4. Im konkreten Fall bedeutet dies:
Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, haben die - eingehenden - Ermittlungen des SMS ergeben, dass beim BF keine Einschränkungen der Benutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel vorliegen. Der BF ist dem im Verfahren nicht substantiiert (betreffend das Gutachten von Dr. M. J.-J. vom 8.5.2019) bzw. nicht (betreffend das Gutachten von Dr. A. K. vom 7.10.2019) entgegengetreten. Das SMS kam somit zutreffend zum Ergebnis, dass dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht unzumutbar im Sinne von § 1 Abs 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist; folglich ist die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. klare Rechtslage betreffend Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" stützen.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.
Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).
Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2225319.1.00Im RIS seit
22.09.2020Zuletzt aktualisiert am
22.09.2020