TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/3 W235 2191631-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.04.2020
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Entscheidungsdatum

03.04.2020

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W235 2191631-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2018, Zl. 1143679003-170324067, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu.

Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Iran, stellte nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.03.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Beschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zu ihrer Person angab, sie stamme aus XXXX und gehöre der persischen Volksgruppe an. Sie habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und vier Jahre an der Universität XXXX Elektronik studiert. Im Iran würden noch ihre Eltern, ein Bruder und eine Schwester leben. Ein weiterer, älterer Bruder von ihr lebe in Österreich. Die Beschwerdeführerin sei am XXXX .02.2017 legal mit ihrem eigenen Reisepass, versehen mit einem Visum, direkt von Teheran nach Wien geflogen.

Zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, dass sie vor einigen Jahren die Religion "Eckankar" kennengelernt habe. 2008 sei sie offiziell dieser Religion beigetreten und ein Jahr später unter Ahmadinejad seien alle gegen diese Religion gewesen. Ihr Name und jener ihrer Familie seinen beim Sicherheitsdienst registriert worden. Daher sei ihr Leben in Gefahr. Man werde mit dem Tod bestraft, wenn man der Religion Eckankar zugehörig sei. Bei einer Rückkehr in den Iran fürchte die Beschwerdeführerin wegen ihrer Religion der Todesstrafe ausgesetzt zu sein.

Im Rahmen der Erstbefragung legte die Beschwerdeführerin ihren iranischen Reisepass mit der Nummer XXXX , ausgestellt am XXXX .03.2013, vor, dem (unter anderem) entnommen werden kann, dass der Beschwerdeführerin von der österreichischen Botschaft in Teheran am XXXX .02.2017 ein Schengen-Visum für 18 Tage mit einer Gültigkeit von XXXX .02.2017 bis XXXX .03.2017 erteilt worden war. Dies wird auch durch einen Abgleichsbericht zur VIS Abfrage bestätigt (vgl. AS 59).

Weiters legte die Beschwerdeführerin einen Bescheid der Universität für Angewandte Kunst Wien über die bedingte Zulassung zum Diplomstudium "Design Mode" vom XXXX .12.2016 vor.

Im Akt findet sich ferner ein Bescheid des Bundsamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2015, Zl. XXXX , mit welchem dem Bruder der Beschwerdeführerin, Herrn XXXX , der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden war (vgl. AS 69). Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Heimatland in Verbindung mit dem Vorbringen des Bruders der Beschwerdeführerin die behauptete Furcht vor Verfolgung als glaubwürdig gewertet habe werden können.

1.3. Am 22.02.2018 wurde die Beschwerdeführerin unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Farsi vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab dabei zu ihrer Person an, sie sei Perserin und Eckistin. Nach Abschluss der Grund- und Mittelschule habe sie zwei Jahre an der Universität Elektronik studiert und ca. ein Jahr privat als Designerin und Schneiderin gearbeitet. Die Beschwerdeführerin sei ledig und habe keine Kinder.

Befragt zu ihrem Fluchtgrund brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei 2017 offiziell Mitglied von Eckankar geworden. Eckankar sei im Iran verboten und würden die Mitglieder verfolgt. Ihre Familie und sie hätten Eckankar über Freunde ihres Bruders 2006 kennengelernt und sei ihr Bruder 2008 ein offizielles Mitglied von Eckankar geworden. Es sei so, wenn jemand aus einer Familie Mitglied sei, könne die restliche Familie an Diskussionen teilnehmen und habe Zugang zu Diskursen. 2009 unter Ahmadinejad seien alle Mitglieder ausgeforscht und vorgeladen worden. Ihr Bruder habe beim Geheimdienst Etelaat einen Brief unterschreiben müssen, dass er seine Tätigkeit aufgebe und er habe alle Unterlagen dem Geheimdienst aushändigen müssen. Sie hätten mit rechtlichen Schritten gegen ihre Familie gedroht, würden sie etwas finden. Vor zwei Wochen seien drei Männer hingerichtet und 15 bis 20 Frauen von Eckankar verhaftet worden. Weiters sei die Übersetzerin von Eckankar-Büchern zum Tode verurteilt worden, was auch in den Nachrichten gebracht worden sei. Da ihr Name durch ihren Bruder im Iran bekannt sei, habe die Beschwerdeführerin Angst, in den Iran zurückgekehrt. Die Beschwerdeführerin habe sich für die Religion Eckankar entschieden, da sie sie am meisten angesprochen habe. Eine Grundsäule sei, dass Leute für ihre Taten verantwortlich seien. Weitere Grundsäulen seien Selbstdisziplin und Liebe zu anderen Menschen. Es gebe keine Zwänge, man dürfe auch eigene Erfahrungen machen. Eckankar sage, dass für jede gute und für jede schlechte Tat Karma entstehe. Zwischen 2009 und ihrer Ausreise aus dem Iran habe es keine Ereignisse betreffend Eckankar gegeben, aber sie hätten sich auch nicht auffällig verhalten.

Sie habe den Iran verlassen, da sie in Österreich habe studieren wollen und auch, damit sie ein vollwertiges Mitglied von Eckankar werden könne. In Österreich sei es ihr möglich, frei über ihre Religion zu entscheiden. Einen konkreten Auslöser für die Asylantragstellung habe es nicht gegeben. Sie habe aber auch nicht warten wollen, bis etwas passiere. Ihr Studium habe sie nicht abgeschlossen, weil sie Probleme mit dem Rektor und den Professoren gehabt habe. Sie sei von "Herasat" vorgeladen und gefragt worden, warum sie mit anderen Studenten über Eckankar gesprochen habe. Das sei ca. im April 2013 gewesen. Sie habe unterschreiben müssen, dass sie nicht mehr darüber sprechen dürfe. Damals habe sie schon vor gehabt, den Iran zu verlassen, aber dann habe ihre Schwester geheiratet und es sei auch nicht leicht als Mädchen das Land zu verlassen. Vor zehn Jahren habe man sich mit Eckankar noch beschäftigten können und es habe auch Bücher darüber gegeben. Die Regierung sei erst später darauf gekommen, dass Eckankar eine Religion sei. Zurzeit sei Eckankar im Iran verboten, die Mitgliedschaft sei untersagt und man dürfe keine Versammlungen abhalten.

In Österreich sei die Mitgliedschaft ein Jahr lang gültig und man zahle $ 5,00 im Monat. Dafür bekomme man Bücher sowie Unterlagen und dürfe an Exkursionen teilnehmen. Hier könne sie ihre Religion leben und sei als Frau nicht eingeschränkt. An Familienangehörigen habe sie nur ihren Bruder in Österreich. Sie treibe Sport, lese Bücher und höre Musik. Weiters treffe sie ihre Freunde von Eckankar und wolle ihre Deutschkenntnisse verbessern.

Im Zuge dieser Einvernahme legte die Beschwerdeführerin nachstehende, verfahrensrelevante Unterlagen vor:

* Schreiben von Eckankar vom XXXX .03.2017 betreffend das erste Jahr der Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin samt Mitgliedsausweis;

* Bescheid der Studienabteilung der Technischen Universität Wien vom XXXX .03.2017 zur aufschiebend bedingten Zulassung zum Bachelorstudium Elektrotechnik und Informationstechnik;

* Teilnahmebestätigung Deutsch A2 von XXXX .11.2017 bis XXXX .02.2018;

* Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs vom XXXX .01.2018;

* Schreiben (in englischer Sprache) von Eckankar in den USA, unterfertigt vom Vizepräsidenten an das Bundesamt vom XXXX .02.2018 mit Beilagen mit allgemeinen Informationen über Eckankar (ebenfalls in Englisch);

* Vereinsregisterauszug zum Stichtag XXXX .08.2017 von Eckankar Österreich und

* Internetausdruck vom XXXX .02.2018 mit Informationen über Eckankar Österreich

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Iran, Islamische Republik gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Iran, Islamische Republik gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin iranische Staatsangehörige, Eckistin sowie Angehörige der Volksgruppe der Perser sei und aus XXXX im Iran stamme. Sie sei legal in das Bundesgebiet eingereist. Nicht festgestellt werden könne, dass die Beschwerdeführerin im Iran einer individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Sie habe in unglaubhafter Weise angegeben, aufgrund ihrer Konversion zu Eckankar bedroht zu sein. In einer Gesamtschau sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr in den Iran nicht in eine Notlage entsprechend Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK geraten würde. Sie führe in Österreich kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Bezüglich ihr Privatleben sei festzuhalten, dass sie erst seit kurzem in Österreich sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 13 bis 39 des Bescheides Länderfeststellungen zur Lage im Iran, einschließlich zur Religionsfreiheit sowie zur Apostasie/Konversion zum Christentum/Proselytismus (Seiten 21 bis 26).

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist zunächst zu entnehmen, dass die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin auf ihren Dokumenten und ihren diesbezüglich glaubhaften Aussagen beruhen würden. Es sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen, ein fundiertes und substanziiertes Vorbringen rund um etwaige Fluchtgründe im Herkunftsland darzulegen. Mit näherer Begründung und unter Anführung von Beispielen wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin über die Freunde ihres Bruders nichts Konkretes habe angeben können. Auch habe sie die Frage, warum sie sich für Eckankar entschieden habe, nur vage beantwortet. Weiters habe die Beschwerdeführerin explizit angegeben, dass es für sie oder ihre Familie im Iran von 2009 bis zur Ausreise keine Probleme aufgrund der Zugehörigkeit zur Eckankar gegeben habe. Auch habe sie den Asylantrag nicht aufgrund einer bestimmten akuten Verfolgungshandlung gestellt. Bei den vorgelegten Unterlagen der Kirche Eckankar habe es sich großteils um Informationen gehandelt, die keinen persönlichen Bezug zur Beschwerdeführerin aufweisen würden. Ihr Mitgliedsausweis beziehe sich auf ihre Mitgliedschaft in Österreich. Es gebe keine Anhaltspunkte oder Beweismittel, die eine Verfolgung der Person der Beschwerdeführerin im Iran annehmen ließen. Es hätten auch keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden können, dass die Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr in den Iran einer Verfolgungsgefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Es sei ihr zuzumuten, im Iran mit Hilfe ihrer eigenen Arbeitsleistung sowie durch Unterstützung ihrer Familie ihren Lebensunterhalt zu sichern, sodass auch der Schluss zulässig sei, dass es bei einer Rückkehr in den Iran nicht zu einer Verletzung der Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK kommen werde. Die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht wurde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dass sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes ergeben hätten, welcher gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zur Gewährung von Asyl führen würde. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass kein Hinweis auf das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" bestehe, die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 50 FPG unzulässig machen könnten. Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln im Iran sei grundsätzlich gewährleistet und der Beschwerdeführerin sei es auch bis zu ihrer Ausreise möglich gewesen in XXXX zu leben. Sie sei gesund, verfüge über soziale Bezugspunkte in XXXX sowie über ein Studium in Elektronik und habe als Designerin und Schneiderin ihren Lebensunterhalt bestritten. Hinsichtlich Spruchpunkt III. hielt das Bundesamt zunächst fest, dass sich keine Anhaltspunkte ergeben hätten, die die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG rechtfertigen würden. Das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK habe nicht festgestellt werden können. Sie habe in Österreich einen Bruder und halte sich erst seit einem kurzen Zeitraum im Bundesgebiet auf. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich habe. Daher sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Unter Spruchpunkt IV. wurde darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung verpflichtet sei.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2018 wurde der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Im Akt des Bundesamtes findet sich eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 22.03.2018 zur Lage von Mitgliedern der Eckankar-Kirche im Iran, deren Ergebnis offensichtlich nicht in das Ermittlungsverfahren bzw. in die Begründung des angefochtenen Bescheides eingeflossen ist. Der Anfragebeantwortung ist - gestützt auf unterschiedliche Quellen - im Wesentlichen zu entnehmen, dass dem früheren Manager des staatlichen Fernsehnetzwerkes und seiner Frau vorgeworfen worden sei, Eckankar zu verbreiten. Er sei im Oktober 2015 festgenommen und in weiterer Folge hingerichtet worden. Das Todesurteil gegen seine Frau, die hauptsächlich als Übersetzerin und Beraterin gearbeitet habe, sei angefochten worden. Sie habe eine Reihe englischer Bücher zum Thema Eckankar übersetzt.

4. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer damaligen bevollmächtigten Vertretung fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, dass bereits aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation hervorgehe, dass iranische Staatsbürger, die als Muslime geboren seien, nicht das Recht hätten, sich ihren eigenen Glauben auszusuchen. Unter Verweis auf weitere Länderberichte wurde darauf verwiesen, dass im Iran das Recht auf Religionsfreiheit systematisch verletzt werde. Die Behörde habe zwar festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Eckistin sei, ignoriere im Bescheid jedoch die ihr im Iran drohenden Gefahren zur Gänze. Zur Wertung des Vorbringens der Beschwerdeführerin als unglaubwürdig wurde darauf verwiesen, dass sie in der Einvernahme klar dargelegt habe, warum sie sich für Eckankar entschieden habe und sich nicht mehr zum Islam bekenne. Am 16.03.2018 sei die Beschwerdeführerin offiziell aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Damit die Beschwerdeführerin als Konvertitin in der iranischen Gesellschaft nicht auffalle, habe sie nicht nur ihre innere Überzeugung verstecken, sondern sich darüber hinaus im Alltag auch verstellen müssen. Ferner würden die Fluchtgründe der Beschwerdeführerin mit jenen ihres Bruders zusammenhängen und seien diese daher entscheidungsrelevant. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Behörde die Meinung vertreten könne, dass im gegenständlichen Fall keine asylrelevante Verfolgung vorliege. Die Beschwerdeführerin würde im Iran von staatlicher Seite verfolgt werden, da sie vom Islam abgefallen sei und der religiösen Bewegung Eckankar angehöre. Daher liege eine religiöse Verfolgung im Sinne von Art. 10 lit. b Statusrichtlinie vor. Die Beschwerdeführerin habe sich aus innerer Überzeugung der Lehre Eckankars zugewandt.

Neben der Vollmacht für die einschreitende Rechtsberaterorganisation wurden nachstehende Unterlagen vorgelegt:

* Religionsaustritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich vom XXXX .03.2018;

* Niederschrift der Einvernahme des Bruders der Beschwerdeführerin vom XXXX .2013, der zu entnehmen ist, dass er einen Beschluss bekommen habe, dass er als Ungläubiger gehängt werde, falls er über "die Religion" etwas lese und habe er versprechen müssen, dass er Moslem sei, die "andere Religion" vergesse und nie wieder erwähne, im September 2008 habe die Etelaat diese Gruppe entdeckt und unter Beobachtung gestellt, sie hätten sich auch schriftlich verpflichten müssen, sich von dieser Religion zu distanzieren, seit Feber 2008 sei er Mitglied der Religion Eckankar, die im Iran verboten sei;

* ÖSD Zertifikat A2 vom XXXX .02.2018 mit der Beurteilung "gut bestanden" und

* Anmeldebestätigung zum Deutschkurs B1 von XXXX .02.2018 bis XXXX .05.2018

5. Im Beschwerdeverfahren wurde ein Schreiben von XXXX Eckankar Spirituelles Zentrum Österreich, vom XXXX .05.2018 vorgelegt, mit dem bestätigt wird, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig an Veranstaltungen teilnimmt und ernsthaftes Interesse an den Lehren von Eckankar zeigt.

6. Am 12.02.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt, an der die Beschwerdeführerin mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter teilnahm. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt hat schon mit Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an einer Verhandlung verzichtet und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Weiters wurden der Priester und XXXX des Zentrums von Eckankar in der XXXX in Wien, XXXX , sowie der Bruder der Beschwerdeführerin, XXXX , als Zeugen einvernommen. Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation im Iran zur Kenntnis gebracht.

Eingangs der Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, dass sie gesund und nicht schwanger sei. Sie befinde sich nicht in medizinischer Behandlung und nehme keine Medikamente. Die Beschwerdeführerin habe im bisherigen Verfahren immer die Wahrheit gesagt und die Niederschriften seien ihr rückübersetzt worden. Die Dolmetscherin bei der Polizei sei Afghanin gewesen; beim Bundesamt sei alles in Ordnung gewesen. Ihren Reisepass habe sie der Polizei übergeben. Die Beschwerdeführerin sei ledig und kinderlos. Sie sei iranische Staatangehörige und der persischen Volksgruppe zugehörig. An Sprachen spreche sie Farsi als Muttersprache, Deutsch auf Level B1 und Englisch auf Level A2. Zu den bereits mit der Ladung versendeten Länderberichten zur Situation im Iran wollte weder die Beschwerdeführerin noch ihr rechtsfreundlicher Vertreter eine Stellungnahme abgeben.

Im Iran würden noch ihre Eltern, ihre Schwester und ein Bruder in XXXX leben. Ihre Familie sei umgezogen und die Beschwerdeführerin kenne die aktuelle Adresse nicht. Sie sei in XXXX geboren und habe immer in XXXX gelebt. Vor ihrer Ausreise habe sie mit ihren Eltern und mit ihrem Bruder zusammengelebt. Ihre Schwester habe schon geheiratet gehabt. Über Skype habe die Beschwerdeführerin am Wochenende Kontakt zu ihren Angehörigen. Es gehe ihnen gut. Zu ihrem Leben im Iran gab die Beschwerdeführerin an, dass sie insgesamt zwölf Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen habe. Dann habe sie zweieinhalb Jahre auf der Universität Elektronik studiert, aber nicht abgeschlossen. Weiters habe sie zwei Ausbildungen in Schneiderei und Kleiderdesign. Aufgrund ihrer Probleme habe sie den Abschluss auf der Universität nicht machen können. Sie habe in einer Schneiderei gearbeitet und sei von ihren Eltern unterstützt worden.

Die Beschwerdeführerin lebe in Österreich alleine. An Verwandten habe sie ihren Bruder. Sonst habe sie viele Freunde und zwar sowohl österreichische als auch iranische. Zu ihrem Bruder habe sie eine enge emotionale Beziehung. Sie spreche Deutsch und habe schon ihre Zeugnisse vorgelegt. Aktuell dürfe sie nicht arbeiten, aber wenn sie eine Arbeitserlaubnis hätte, würde sie ein Praktikum in der Programmiersprache Java machen und danach als Programmiererin arbeiten. Sie lebe von der Grundversorgung und werde von ihrem Bruder finanziell unterstützt. Ein Jahr lang habe die Beschwerdeführerin ehrenamtlich für Wikipedia gearbeitet. Sie habe die Übersetzung von Google auf Persisch korrigiert. Als sie den Iran verlassen habe, habe sie dem Iran "lebe wohl" gesagt. Seit sie in Österreich sei, genieße sie ihr Leben und liebe dieses Land. Den Iran vermisse sie nicht.

Zu ihren Reisebewegungen und zu ihren Fluchtgründen wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisher erstattetes Vorbringen. Ergänzend brachte sie vor, dass sie sich seit dem Jahr 2006 mit der Religion Eckankar beschäftige. Sie habe ihren Bruder zu Zusammenkünften begleitet bis dieser ein offizielles Mitglied geworden sei. Dann habe sie direkt den "Diskurs" benützen können. Mit "Diskurs" meine sie Bücher/Vorschriften/Regeln/ Informationen und ähnliches. Nachdem Eckankar durch Ahmadinejad verboten worden sei, habe ihr ihr Bruder erzählt, dass ihm ein Lehrer gesagt habe, dass ein Brief vom Informationsministerium gekommen sei, dass weitere Bewegungen verboten seien und alle "Diskurse" dem Informationsministerium zu übergeben seien. Danach habe die Familie nichts mehr gemacht bis die Beschwerdeführerin 2009 oder 2010 mit anderen Studenten über Eckankar gesprochen habe. Sie habe schon davor über Eckankar nachgedacht und auch viele Bücher darüber gelesen. Diese Gespräche seien zu "Herasat" gelangt, die sie zu sich "gebeten" und ihr verboten hätten, darüber zu reden. Sie hätten von ihr eine schriftliche Erklärung verlangt, dass sie nicht mehr darüber spreche. Wann das genau gewesen sei, wisse sie nicht mehr. 2010 oder 2011. Ab dem Zeitpunkt als sie die Verpflichtungserklärung unterschrieben habe, habe sich ihre Situation auf der Universität verändert. Sie habe schlechtere Noten bekommen und sei beispielsweise in manchen Fächern viermal durchgefallen. Ihre Beschwerden seien nicht beantwortet worden. Irgendwann habe ihr Professor ihr gesagt, dass er beauftragt worden sei, ihr gar keine Noten zu geben. Er würde ihr raten, auf das Studium zu verzichten und bequemer zu leben. In ihrer Familie habe jeder einen Universitätsabschluss. Im Iran sei es so, dass man wenn man einer Arbeit nachgehen wolle, man nicht nur einen Universitätsabschluss brauche, sondern man müsse sich auch einer Religionsprüfung unterziehen. Diese sei jedoch gegen ihren Glauben gewesen. Die Beschwerdeführerin habe versucht, das Beste daraus zu machen und habe ein Jahr lang eine Schneiderausbildung gemacht und dann Kleiderdesign gelernt. Realistisch habe sie nichts machen können. Sie habe nicht nach ihren Vorstellungen, ihrer Religion und nach ihrem Glauben leben können. Da ihr Bruder ein offizielles Mitglied von Eckankar gewesen sei, sei ihre Familie streng bewacht worden. Die Beschwerdeführerin habe so leben müssen, wie es ihr das Gesetz auferlegt habe. Sie habe sich dann dazu entschieden, ihr Recht auf Freiheit in die Hand zu nehmen und habe mit der besten Möglichkeit, die sie bekommen habe, den Iran verlassen. Auf Vorhalt, ihre Familienmitglieder würden immer noch im Iran leben, obwohl ihre Namen beim Sicherheitsdienst registriert seien, gab die Beschwerdeführerin an, nachdem ihr Bruder den Brief vom Informationsministerium bekommen habe, hätten sie gewusst, dass sie unter Beobachtung stünden. Ihre Eltern würden nach dem islamischen Recht leben und könnten daher dort leben. Die Beschwerdeführerin habe auch so gelebt; sie habe einen Hijab getragen und nichts Ungesetzliches gemacht. Sie sei nicht gemeinsam mit ihrem Bruder ausgereist, da sie damals noch studiert habe. Die Beschwerdeführerin sei zwar streng bewacht worden, dass sie Eckankar nicht ausübe, habe jedoch kein Ausreiseverbot gehabt. Ihre Eltern seien auch schon als Touristen hier gewesen und nach zwei Monaten in den Iran zurückgekehrt.

Befragt nach den Büchern, die sie gelesen habe, gab die Beschwerdeführerin an, sie habe bevor Eckankar im Iran verboten worden sei, die übersetzten Bücher lesen können. "Der Fremde am Fluss" bedeute "Biganeh bar lab-e Rudkhaaneh", "Der Zahn des Bären" bedeute "Dandan-e babr" und "Das Leben ist kein zufälliger Spaziergang" bedeute "Zendegieh yek ghadam zadane etefaghinist". "Der Fremde am Fluss" habe Harold Klemp geschrieben, das sei der "Professor des Lebens" in dieser Religion. Als die Beschwerdeführerin Eckankar kennengelernt habe, habe sie auf alle ihre Fragen bezüglich Religion eine Antwort bekommen. Die Grundlage der Religion bestehe in Reinkarnation und Karma. Es gebe kein Paradies und keine Hölle. Alles, was man im Leben tue - Gutes und Schlechtes - komme als Karma zurück. Man werde wiedergeboren, könne seine Erfahrungen benutzen und das schlechte Karma wieder gut machen. Eckankar sage, dass das Leben von den eigenen Erfahrungen gemacht werde. Es gebe kein Sein oder Nichtsein. Man müsse Erfahrungen machen und so leben, wie man als einzelnes Individuum leben könne. Das Wort "Eckankar" heiße "Partner Gottes werden". Wenn man in verschiedenen Leben die Erfahrungen ausnütze und das schlechte Karma wieder gut mache, werde es so weit kommen, dass man kein schlechtes Karma mehr habe und der Geist Gottes in einem selbst mit Gott gleichgestellt werde. Rituale im Sinne einer Taufe gebe es nicht. Die Beschwerdeführerin sei Mitglied und bekomme jährlich die Bücher und Zeitschriften von Herrn Klemp. Der Hauptunterschied zum Islam sei, dass man nur eine bestimmte Zeit zu leben habe. Dann komme man entweder ins Paradies oder in die Hölle. In Eckankar kämen alle Handlungen wieder zurück. Man lebe so lange, bis man Gott erreiche. Im Islam gebe es Regeln, was erlaubt sei und was nicht. In Eckankar gebe es einen spirituellen Raum, wo man selbst entscheide, was man dürfe und was nicht. Beispielsweise sei im Islam Alkoholkonsum verboten. In Eckankar sei es der freie Wille Alkohol zu trinken, aber man müsse auch die Folgen tragen. Im Islam würden Frauen sehr ungerecht behandelt; sie würden nur halb so viel wie ein Mann erben und auch nur die Hälfte von Schmerzengeld bekommen. Sie hätten kein Recht, sich scheiden zu lassen und würden für alles, was sie tun, einen "Vormund" benötigen. In Eckankar gebe es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Sie seien gleichberechtigt und jeder Mensch könne frei entscheiden wie er oder sie zu leben habe. In Österreich lebe sie sehr frei nach ihrem Glauben. Wenn sie mentale Unterstützung brauche, gehe sie ins "Eckcenter" und mache dort ihre spirituellen Übungen. Das neue Jahr bei Eckankar fange am 22. Oktober an. Da werde hier und auch in den USA gefeiert. In den USA komme Herr Klemp und halte eine Rede vor den Mitgliedern. Es gebe auch Lieder. Eines der besten Lieder sei "Hu"; das sei der alte Name von Gott. Das Lied könne man alleine oder in der Gruppe singen. Gottesdienste seien am Freitag. Das Heilige Buch heiße "Shariat Key Sug Mat", aus dem lese jeder etwas vor. Einen Pfarrer oder Priester gebe es nicht. Die Beschwerdeführerin versuche jeden Freitag dort zu sein. Dort könne jeder selbstständig machen, was er wolle. Auch ihre Schwägerin (= Frau ihres Bruders) und deren Schwester seien Mitglieder von Eckankar. Die Beschwerdeführerin habe dort keine bestimmten Aufgaben, aber wenn sie um etwas gebeten werde, mache sie es. Ihre Mitgliedschaft bei Eckankar zeige sich nicht nach außen; sie lebe hier und tue nichts besonderes. Eine offizielle Mitgliederliste von Eckankar gebe es nicht; die Mitgliedschaft sei vertraulich. Die Auswirkungen ihrer Religion auf ihr Leben in Österreich seien, dass sie frei leben und sich frei entscheiden könne. Sie solle erst nachdenken, dann eine Entscheidung treffen und die Folgen der Entscheidung tragen. Auch habe sie die "innere Ruhe" für ihr Leben. In Eckankar glaube man daran, dass alle Menschen zur richtigen Zeit "Eck" kennenlernen würden. Es sei nicht so wie im Islam oder im Christentum, dass man Werbung mache. Ein Gesetz von "Eck" schreibe vor, dass man sich als Eckist nicht bei anderen Menschen einmischen dürfe; man dürfe nicht sage, dass deren Religion nicht richtig sei. Es gebe kein "Tun" oder "Nicht Tun". Es werde nur nahegelegt, ein oder zwei Tage pro Woche kein Fleisch zu essen, um den Körper zu entgiften. Ein großes Problem im Iran seien die Bekleidungsvorschriften. Im "Eck" sei man frei, was man tragen wolle. Sie könne im Iran auch nicht arbeiten, weil man dort einen Universitätsabschluss brauche, den sie nicht habe. Auch sei die Religionsprüfung gegen ihren Glauben. Wenn sie im Iran arbeiten würden, wäre sie dazu verpflichtet, die religiösen Zusammentreffen mitzumachen und sei auch das gegen ihren Glauben. Sie würde sich verstellen müssen. Wenn sie in den Iran zurückkehre, würde die Regierung fragen, wer sie sei und was sie die letzten drei Jahre gemacht habe. Es bestehe Gefahr für ihr Leben. Auch wenn es keine offiziellen Mitgliederlisten von Eckankar gebe, würden die iranischen Behörden Nachforschungen anstellen und herausfinden, dass die Beschwerdeführerin Eckistin sei. Die Beschwerdeführerin kenne auch Leute, die wegen ihrer Mitgliedschaft bei Eckankar verurteilt und bestraft worden seien [Anm.: Die Beschwerdeführerin nennt die Namen der Personen, die auch in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 22.03.2018 zur Lage von Mitgliedern der Eckankar-Kirche im Iran erwähnt werden.]

In der Folge wurde Mag. XXXX , geb. XXXX , als Zeuge einvernommen. Dieser gab im Wesentlichen an, dass er die Beschwerdeführerin von Veranstaltungen des Eckankar-zentrums in Wien kenne. Er sei XXXX des Zentrums in der XXXX in Wien und auch Geistlicher, also Priester. Auf Vorhalt, die Beschwerdeführerin habe gesagt, bei Eckankar gebe es keine Pfarrer oder Priester, gab der Zeuge an, er habe auch einen Ausweis, der ihn als Eckankar Geistlicher ausweise. Die Beschwerdeführerin besuche regelmäßig die Veranstaltungen von Eckankar, darunter auch einen Lehrkurs. Sein Eindruck sei, dass sie sehr an dem Weg von Eckankar interessiert sei. Einem Mitglied von Eckankar werde empfohlen, dass man täglich eine Kontemplation mache, das sei eine Art der Meditation. Wenn man die zweite Eckankareinweihung habe, werde man gebeten, einmal im Monat einen Bericht an den lebenden Eckmeister zu schicken. Es gehe darum, dass man sich Gedanken darüber mache, welche Fortschritte man auf dem Weg gemacht habe. In Eckankar gebe es Einweihungen, das seien Verbindungen mit dem "göttlichen Strom". Die erste Einweihung bekomme man im Traum, auf die zweite Einweihung habe jeder, der Eckankar mache, Anspruch nach zwei Jahren. Die Beschwerdeführerin habe die zweite Einweihung noch nicht. Auf Vorhalt, im Akt befinde sich ein Schreiben, dass die Beschwerdeführerin seit 2017 Eckankar regelmäßig besuche, gab der Zeuge an, man sei erst berechtigt, wenn man Mitglied bei Eckankar in den USA sei. Die Beschwerdeführerin sei dies seit XXXX .03.2018; das seien noch nicht zwei Jahre. Den Informationen des Zeugen zufolge sei es nicht möglich, Eckankar im Iran auszuüben, da man verfolgt werde. Auch das spirituelle Zentrum in den USA lehne es ab, dass jemand, der im Iran lebe, offiziell Mitglied von Eckankar werde, weil es zu gefährlich sei.

Weiters wurde der (ältere) Bruder der Beschwerdeführerin, XXXX , geb. XXXX , als Zeuge einvernommen und brachte vor, dass Eckankar keine traditionelle Religion, sondern ein spiritueller Weg sei. Die Mitglieder von Eckankar könnten ihren mentalen Weg erweitern. Es gebe auch viele Bücher, durch die man sein Wissen erweitern könne. Das Wichtigste sei die Kontemplation, das sei das Bekenntnis und die Verinnerlichung. Das sei der Weg, den er und die Beschwerdeführerin gemeinsam gingen. Das Informationsministerium im Iran gehe gegen diese spirituellen Wege vor. Der Zeuge habe Asyl wegen seiner Religionsänderung zu Eckankar bekommen. Er sei immer noch Mitglied von Eckankar. Es gebe Gruppenaktivitäten. Eine Gruppe setze sich zusammen und man spreche über "Diskurs". In welcher Gruppe man sei, hänge von der Ebene ab; man sei im ersten, zweiten oder dritten Jahr. Der Zeuge und die Beschwerdeführerin seien in verschiedenen Gruppen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden nachstehende Unterlagen von der Beschwerdeführerin vorgelegt:

* Lebenslauf der Beschwerdeführerin (Beilage ./1);

* ÖSD Zertifikat B1 vom XXXX .05.2018 mit der Beurteilung "befriedigen bestanden" (Beilage ./2);

* Zeugnis zur Integrationsprüfung vom XXXX .12.2018 (Beilage ./3);

* Zertifikat für ehrenamtliches Engagement zwischen XXXX .11.2018 und XXXX .03.2019 am Projekt "Wikipedia mit sozialen Inhalten mitgestalten" (Beilage ./4) und

* zwei Schreiben von Eckankar USA (in englischer Sprache) vom XXXX .03.2017 und vom XXXX .02.2018, dass die Beschwerdeführerin (jeweils) für zwölf Monate Mitgliedschaft monatlich $ 5,00 bezahlt (Beilagen ./5 und ./6) samt Mitgliedsausweisen mit Ablaufdatum XXXX .03.2018 und XXXX .03.2019 (Beilage ./7)

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist eine iranische Staatsangehörige persischer Volksgruppenzugehörigkeit und wurde als Moslemin (im Sinne von: Tochter einer moslemischen Familie) im Iran geboren. Sie stammt aus XXXX , wo sie bis zu ihrer Ausreise mit ihren Eltern und einem Bruder im gemeinsamen Haushalt gelebt hat. In XXXX hat die Beschwerdeführerin nach der Matura an der Universität ca. zweieinhalb Jahre Elektronik studiert; allerdings hat sie das Studium nicht abgeschlossen. Weiters hat sie eine Ausbildung sowohl als Schneiderin als auch als Modedesignerin und hat in einer Schneiderei gearbeitet. Der Beschwerdeführerin wurde am XXXX .02.2017 von der österreichischen Botschaft in Teheran ein Schengen-Visum für 18 Tage mit einer Gültigkeit von XXXX .02.2017 bis XXXX .03.2017 ausgestellt. In Besitz dieses Visums reiste die Beschwerdeführerin legal mit ihrem eigenen iranischen Reisepass in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.03.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Dem älteren Bruder der Beschwerdeführerin, Herrn XXXX , wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2015 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Der in Österreich asylberechtigte Bruder der Beschwerdeführerin lernte bereits ca. im Jahr 2006 die Religionsgemeinschaft "Eckankar" kennen und nahm die Beschwerdeführerin zu Zusammenkünften sowie zu sogenannten "Diskursen" mit. Nachdem Eckankar im Iran verboten worden war, besuchte die Beschwerdeführerin keine Treffen mehr und verhielt sich unauffällig. Allerdings konnte sie sich innerlich von dieser Religion nicht lösen und beschäftigte sich weiterhin mit dem spirituellen Weg von Eckankar. Nachdem sie ca. im Jahr 2010 einmal mit Kommilitonen über Eckankar gesprochen hat, wurde sie von den sogenannten "Herasat" (= "Moralwächter" an Universitäten) dazu aufgefordert, eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben mit dem Inhalt, in Zukunft nicht mehr über Eckankar zu sprechen. Auch war es der Beschwerdeführerin danach nicht mehr möglich, ihr Studium abzuschließen. Bis zu ihrer nunmehrigen Ausreise aus dem Iran lebte die Beschwerdeführerin nach den islamischen Regeln und blieb daher behördlicherseits unbehelligt.

In Österreich nahm die Beschwerdeführerin mit Hilfe ihres asylberechtigten Bruders unmittelbar nach ihrer Einreise Kontakt zu Eckankar in Wien auf und ist seit 2017 dort Mitglied. Seit XXXX .03.2018 ist sie auch Mitglied bei Eckankar in den USA. Ferner ist die Beschwerdeführerin aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ausgetreten. Die Beschwerdeführerin engagiert sich bei Eckankar, besucht regelmäßig die Gottesdienste, macht ihre spirituellen Übungen, benützt die sogenannten "Diskurse" und nimmt an den Veranstaltungen teil. Die Beschwerdeführerin beschäftigt sich auch in ihrem Alltagsleben mit Eckankar, sie liest die Bücher des aktuellen spirituellen Führers, hinterfragt immer wieder ihr eigenes Handeln und befasst sich individuell bzw. innerlich mit den Lehren von Eckankar. Festgestellt wird, dass sich die Beschwerdeführerin bereits im Iran vom Islam abgewendet und sich Eckankar zugewendet hat. In Österreich konnte sie dann auch offiziell vom Islam zu Eckankar konvertieren, wobei festgestellt wird, dass diese Konversion aus innerer Überzeugung erfolgt ist. Bei einer Rückkehr in den Iran wäre es für die Beschwerdeführerin nicht zumutbar, ihre religiöse Überzeugung zu Eckankar zu leugnen und zum Islam zurückzukehren.

Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für vom Islam abgefallene Apostaten, die zu einer spirituellen Religion konvertiert sind, nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr in den Iran aufgrund ihres nunmehrigen Bekenntnisses zu Eckankar keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegen würde. Der Beschwerdeführerin steht als vom Islam zu Eckankar Konvertierten keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur verfahrensrelevanten Situation im Iran:

1.2.1. Religionsfreiheit:

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2019).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/ 4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelev ante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019;

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 31.5.2019;

* BFA Analyse (23.5.2018): Iran - Situation armenischer Christen,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf, Zugriff 31.5.2019;

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019;

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 31.5.2019 und

* US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html,

Zugriff 31.5.2019

1.2.2. Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen:

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

[...]

Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagte eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/ 4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelev ante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 5.6.2018;

* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 3.6.2019;

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 3.6.2019;

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019 und

* Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran,

https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 3.6.2019

1.2.3. Eckankar - Allgemeines sowie Eckankar im Iran:

Eckankar ist eine weltweite neue religiöse Bewegung deren Ursprünge unter anderem in der Sant-Mat-Bewegung liegen. Selbst versteht sie sich als Urreligion, die auf den Prinzipien des Karma und der Reinkarnation basiert und das Wissen sowie die Erfahrung aller großer Weltreligionen in ihrem Kern vereint. Eckankar wurde 1965 in den USA von Paul Twitchell als "Wissenschaft der Seelenreise" veröffentlicht. Der derzeitige spirituelle Führer ist Harold Klemp. Dieser wurde 1981 zum 973. lebenden Meister und spirituellen Führer von Eckankar ernannt. Seitdem hat er ca. 70 Bücher und eine Reihe von Jahreskursen mit monatlichen Briefen für die Mitglieder geschrieben sowie ca. 50 Videobänder mit seinen Vorträgen produziert.

Eckankar ist der Auffassung, das irdische Leben sei eine wertvolle Erfahrung für die Seele, der mit Respekt und dem Fördern der kreativen Talente gedient werden soll. Anhänger von Eckankar gehen davon aus, dass es bereits nach zwei Jahren intensiver Praxis im Alltag möglich sein soll, eine erneute physische Inkarnation durch liebevolles und umsichtiges Verhalten unnötig zu machen und so ein bewusster "Mitarbeiter Gottes" im Jenseits oder freiwillig hier auf der Erde zu werden.

Eckankar gibt keine spezifischen lebenspraktischen Anweisungen, gibt keine bestimmten gesellschaftlichen oder sozialen Werte vor, auch wird keine vegetarische Ernährung erwartet. In den offiziellen Erklärungen wird beschrieben, dass der Eckist ein verantwortungsbewusstes Leben voller Anteilnahme führen sollte, während er seine Aufmerksamkeit auf die Welten Gottes gerichtet hält.

Quelle:

* Wikipedia, https://de.wikepedia.org/wiki/Eckankar, Zugriff am 11.02.2010

BBC Monitoring schreibt in der Zusammenfassung mehrerer iranischer Medienartikel vom 13.02.2018, dass Karim Zargar, der frühere Manager des staatlichen Fernsehnetzwerkes IRTV1, laut der Human Rights Activists News Agency (HRANA) hingerichtet worden sei. Zargar sei "Korruption auf Erden" vorgeworfen worden. Nach Angaben von HRANA sei Zargar im Oktober 2015 festgenommen worden. Auch die moderate regierungsnahe iranische Tageszeitung Iran Daily habe über die Hinrichtung von Zargar berichtet. Die Zeitung habe ihn jedoch als "Urheber dunkler Verbrechen" beschrieben und seinen Namen nicht genannt. Zargar sei auch der ehemalige Besitzer des prestigeträchtigen, iranischen Monatsjournals "Gozaresh Film" gewesen sowie der Dekan der Journalistenschule des staatlichen Rundfunks. Laut Iran Daily hätten Zagar und seine Frau ein privates Institut in Teheran gegründet, um "falsche Mystik" voranzutreiben. Der Artikel habe dem Paar vorgeworfen, behauptet zu haben, über "mystische Mächte und Fähigkeiten" zu verfügen und junge Frauen, die unter Depressionen oder anderen psychischen Problemen gelitten hätten, in ihr Institut gelockt zu haben, um ihnen spirituelle Unterstützung und Rat anzubieten. Dann habe das Paar die Frauen betäubt, um sich sexuell an ihnen zu vergehen. Die Zeitung habe weiters berichtet, dass das Paar wegen Vergewaltigung zum Tode verurteilt worden sei. Das Urteil des Mannes sei bereits umgesetzt worden, das der Frau folge, wenn es endgültig sei.

HRANA wiederum habe den Anwalt von Majan Davari zitiert, bei der es sich vermutlich um Zargars Frau handle. Dieser habe angegeben, dass seine Mandantin mit Zargars Institut hauptsächlich als Übersetzerin und Beraterin zusammengearbeitet habe, nicht aber verantwortlich gewesen sei. Laut dem Anwalt sei Zargars Todesurteil bestätigt worden, das Urteil seiner Mandantin sei jedoch angefochten worden. HRANA habe berichtet, dass Zargar und Davari vorgeworfen worden sei, Eckankar zu verbreiten, eine 1965 gegründete Bewegung, die auch unter dem Namen "Der Weg spiritueller Freiheit" bekannt sei. BBC Monitoring fügt an, dass in den letzten Jahren viele Sufis und AnhängerInnen spiritueller Bewegungen im Iran strafrechtlich verfolgt worden seien.

Iran Human Rights Monitor (HRM), eine Quelle, die selbst angibt, den Kampf der IranerInnen für Menschenrechte zu unterstützen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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