TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/9 W281 2221486-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2020
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Entscheidungsdatum

09.04.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs4
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W281 2221486-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SERBIEN, vertreten durch: RA Mag. Nikolaus Rast gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 12.06.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 12.06.2019, XXXX , wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist, gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG, ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF erlassen und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 15.07.2019 brachte der BF unter anderem vor, dass eine Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot unzulässig wäre und stattdessen allenfalls ein Aufenthaltsverbot verhängt habe werden können, da der BF begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG sei, er im Besitz einer gültigen Aufenthaltskarte sei und ihm die Eigenschaft als Drittstaatsangehöriger trotz Scheidung weiterhin zukomme.

Das BFA legte die Beschwerde samt Verwaltungsakten mit Beschwerdevorlage vom 17.07.2019, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 19.07.2019, vor.

Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde die Sache einer anderen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist serbischer Staatsangehöriger und am XXXX geboren. Seine Identität steht fest.

Der BF heiratete Anfang 2016 eine rumänische Staatsbürgerin, die Ehe wurde im Jahr 2017 wieder geschieden. Aus dieser Ehe gingen keine Kinder hervor.

Der BF hat zwei minderjährige Kinder. Ein minderjähriges Kind (eine Tochter) lebt nicht in Österreich. Das andere, ein Sohn, wurde am 15.04.2016 in Österreich geboren. Die Mutter des Sohnes ist ukrainische Staatsbürgerin.

Der BF ist im Besitz eines Aufenthaltstitels Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers von 13.09.2016 bis 13.09.2021 (GZ. XXXX ) und wurde ihm zu diesem Zweck eine Aufenthaltskarte (Nr. XXXX ) ausgestellt. Davon ging auch das BFA in seinen Feststellungen des angefochtenen Bescheides aus.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 06.12.2018, rechtskräftig am 06.12.2018, XXXX , gemäß § 87 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 360 Tagesätzen á EUR 8,--, gesamt sohin zu EUR 2.880,--, verurteilt. Er hat am 04.03.2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem weiteren, bislang unbekannten Täter, als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) XXXX dadurch, dass sie mehrfach auf ihn einschlugen und auf ihn eintraten, selbst als dieser bereits am Boden lag, eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, nämlich eine Prellung der rechten Rippen, einen Bruch des Fußwurzelknochens, eine Prellung beider Gesichtshälften mit oberflächlicher Hautabschürfung sowie einen geschlossenen, nicht verschobenen Nasenbeinbruch, absichtlich zugefügt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus der im Akt befindlichen Kopie eines Reisepasses, gültig ab 07.07.2014 bis 07.07.2024.

Die Feststellungen zur Ehe des BF mit einer rumänischen Staatsbürgerin und seiner Kinder ergeben sich aus der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 16.04.2019. Das Geburtsdatum des Sohnes des BF ergibt sich aus der im Akt befindlichen Kopie einer Geburtskurkunde des Standesamtes Wien-Währung vom 25.04.2016. Die Staatsbürgerschaft der Mutter des Sohnes des BF ergibt sich aus einer im Akt befindlichen Kopie ihres Reisepasses.

Die Feststellungen zum Aufenthaltstitels Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers ergeben sich aus einer im Akt befindlichen Kopie der Aufenthaltskarte und einer aktuellen Abfrage im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister vom 12.03.2020 und den Feststellungen des BFA auf S. 8 des angefochtenen Bescheides.

Die Feststellungen zum Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 06.12.2018 ergeben sich aus dem im Akt befindlichen Protokollsvermerk und gekürzter Urteilsausfertigung des entsprechenden Urteils und aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister vom 12.03.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf hebt.

3.2. Zu A) Zur Behebung des Bescheides

3.2.1. Anzuwendende Rechtslage

3.2.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lauten:

Der mit "Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet" betitelte § 31 FPG lautet (auszugsweise):

"§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

...

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

..."

Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet (auszugsweise):

"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt."

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet (auszugsweise):

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

..."

3.2.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) lauten:

Der mit "Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers" betitelte § 54 NAG lautet (auszugsweise):

"§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

...

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

..."

Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:

"§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

3.2.1.3. § 9 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

..."

3.2.2. Zur Anwendung dieser Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

3.2.2.1. Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel als Familienangehöriger einer EU-Staatsbürgerin ausgestellt, der bis zum 13.09.2021 gültig ist. Der BF war durch seine Eheschließung mit einer rumänischen Staatsbürgerin und dem Erhalt eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger begünstigter Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 11 FPG. Diese Ehe wurde am im Jahr 2017 geschieden, weshalb dem BF seit diesem Zeitpunkt die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger sowie ein daraus abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr zukommt.

Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt aber selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig (vgl. die Erläuterungen der RV 330 Blg NR XIV. GP 53, zur mit BGBl. I Nr. 122/2009 erfolgten (inhaltlich auch nach der Rechtslage nach dem FrÄG 2011 beibehaltenen) Änderung des § 55 NAG). Demnach soll es einem Drittstaatsangehörigen möglich sein, trotz des Wegfalles der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (vgl. VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).

3.2.2.2. Aus Anlass einer Meldung nach § 54 Abs. 6 NAG kann die Niederlassungsbehörde gemäß § 55 Abs. 2 NAG den Fortbestand der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht überprüfen. Sollte sie dabei zum Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte zu setzen. Demnach hat die Niederlassungsbehörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die zuständige Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wird. Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist (von der Niederlassungsbehörde) unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt lediglich im - fallbezogen nicht relevanten - Fall des § 54 Abs. 7 NAG nicht. Unterbleibt eine "Aufenthaltsbeendigung (§ 66 FPG)" hat dies die Fremdenpolizeibehörde gemäß § 55 Abs. 4 NAG der Niederlassungsbehörde mitzuteilen (vgl. VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).

§ 55 Abs. 3 NAG stellt hinsichtlich der Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens nicht nur auf das Fehlen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ab, sondern auch auf das Fehlen des Aufenthaltsrechts, weil die Nachweise nach §§ 53 Abs. 2 oder 54 Abs. 2 NAG nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen. Auf diese Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG nimmt auch der - die Ausweisung regelnde - § 66 FPG Bezug, der somit insoweit auch jenen Fall erfassen soll, in dem geprüft werden soll, ob für den Drittstaatsangehörigen, der über eine Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen. Ein solches Verfahren nach § 66 FPG einzuleiten ist auch dem BFA aus Eigenem - also auch ohne Vorliegen einer darauf abzielenden Mitteilung der Niederlassungsbehörde - nach den Bestimmungen des FPG nicht verwehrt (VwGH 13.10.2011, 2009/22/0330; VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).

3.2.2.4.1. Im konkreten Fall ist nicht ersichtlich, dass eine Meldung an die zuständige Niederlassungsbehörde (in Wien: Magistratsabteilung 35) erfolgte bzw. ein Verfahren zur Überprüfung der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts gemäß § 55 Abs. 2 NAG durchgeführt wurde. Der BF ist nach wie vor in Besitz einer bis 13.09.2021 gültigen Aufenthaltskarte.

Ist der BF aber auf Grund einer für ihn nach dem NAG ausgestellten Dokumentation rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig (vgl. zur früheren, aber ähnlich gelagerten Rechtslage des FPG und NAG, VwGH 24.11.2009, 2007/21/0011), stellt sich die Erlassung einer auf § 52 Abs. 1 FPG gestützten Rückkehrentscheidung und eines damit nach § 53 FPG verbundenen Einreiseverbotes als nicht zulässig dar. Zudem geht aus § 55 Abs. 4 NAG infolge des darin enthaltenen - wie den zitierten Erläuterungen zu entnehmen ist: bewusst gesetzten - Verweises klar hervor, dass in den davon erfassten Konstellationen die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung anhand des § 66 FPG zu prüfen ist. Diesfalls kommt es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nicht an. Ebenso wenig ist für das zu wählende Verfahren maßgeblich, zu welchem Zeitpunkt die Meldung nach § 54 Abs. 6 NAG erstattet wurde (vgl. zur früheren Rechtslage VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).

3.2.2.4.2 Aus der Änderung des Verweises in § 55 Abs. 4 NAG (statt auf § 66 FPG nunmehr auf § 9 BFA-VG), die in den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien (ErläutRV zum FNG 1803 BlgNR 24. GP 79) als bloße "Verweisanpassung" aufgrund der durch die Einrichtung des BFA "geänderten Gesetzessystematik" umschrieben wurde, lässt sich für sich genommen nicht ableiten, damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, es sei in diesen Fällen statt einer Ausweisung eine Rückkehrentscheidung zu erlassen (VwGH 23.01.2020, Ro 2019/21/0018). Vielmehr ist in solchen Konstellationen (weiterhin) zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen unionsrechtlich aufenthaltsberichtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 4. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG, somit eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, vorliegen (vgl. dazu VwGH 23.01.2020, Ro 2019/21/0018; VwGH 18.6.2013, 2012/18/0005).

3.2.2.4.3 Das BFA hat entgegen dieser Rechtslage und der dazu erfolgten Rechtsprechung die Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG und ein Einreiseverbot gemäß § 53 FPG geprüft.

Trotz erfolgter Auflösung bzw. Scheidung der Ehe mit einer unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgerin und dem Wegfall der formalen Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Z 11 FGP (begünstigter Drittstaatsangehöriger) wäre gegenständlich zur Beurteilung der Rechtsmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Hinblick auf den BF § 67 FPG zur Anwendung zu bringen und daher zu prüfen gewesen. Aus § 55 Abs. 4 NAG geht klar hervor, dass in den davon erfassten Konstellationen die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung anhand des § 66 FPG bzw. § 67 FPG zu prüfen ist.

Daraus ergibt sich, dass das BFA die Voraussetzung für ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG zu prüfen gehabt hätte und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot im Ergebnis unzulässig war.

3.2.3. Zur ersatzlosen Behebung

3.2.3.1. Bei einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm mit einem Einreiseverbot gemäß § 53 FPG handelt es sich nicht um dieselbe Sache wie eine Ausweisung gemäß § 66 FPG bzw. ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG.

Bei Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot einerseits sowie bei einem Aufenthaltsverbot andererseits handelt es sich um unterschiedliche Maßnahmen. Erstere ergehen gegen Drittstaatsangehörige, verpflichten diese zur Ausreise in deren Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat (Rückkehrentscheidung) und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten (das sind jene Staaten, für die die Richtlinie 2008/115/EG gilt; siehe VwGH 22.5.2013, 2013/18/0021) einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten (Einreiseverbot). Ein Aufenthaltsverbot ist dagegen jene aufenthaltsbeendende Maßnahme, die gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige in Betracht kommt und verpflichtet lediglich zum Verlassen des Bundesgebietes, auch die Ausweisung verpflichtet zum Verlassen des Bundesgebietes. Angesichts des demnach unterschiedlichen normativen Gehalts der erwähnten Maßnahmen, die zudem an unterschiedliche Voraussetzungen anknüpfen, sind sie nicht "austauschbar". Die Transformation eines Einreiseverbotes in ein Aufenthaltsverbot, wenn der betroffene Fremde EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger wird oder ist, kommt daher nicht in Betracht (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151).

Da sich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG und eines Einreiseverbots gemäß § 53 FPG wesentlich von denjenigen nach § 66 FPG für eine Ausweisung bzw. § 67 FPG für ein Aufenthaltsverbot unterscheiden, liegt hinsichtlich der Fragen der Zulässigkeit dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kein entsprechender inhaltlicher Gleichklang vor. Wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals eine Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit einer Ausweisung bzw. eines Aufenthaltsverbotes treffen würde, würde es eine ihm nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nehmen und ein allfälliges Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belasten.

3.2.3.2. Auch eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache mit Beschluss gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da das BFA keine notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Das BFA ging - wie den oben angeführten Feststellungen zu entnehmen ist - selbst vom Vorliegen einer Aufenthaltsberechtigung Angehöriger aus. Der Bescheid des BFA gründet daher auf einer vorwiegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Grundsätzlich berechtigt das Vorliegen einer bloß unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde. Dies ist nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken der Fall (vgl. zB VwGH 17.07.2019, Ra 2019/06/0111), die im vorliegenden Fall gerade nicht vorliegen.

3.2.3.3. Im Ergebnis zeigt sich daher, dass der Bescheid ersatzlos zu beheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist im Erkenntnis nicht von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendung des §§ 66 und 67 FPG bei Fremden, die weiterhin im Besitz eines Aufenthaltstitels sind, denen aber die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nicht mehr zukommt, abgewichen (vgl. zB VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; VwGH 23.01.2020, Ro 2019/21/0018).

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung behoben Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W281.2221486.1.00

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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