TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/16 W235 2191622-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2020
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Entscheidungsdatum

16.04.2020

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W235 2191622-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 03.2018, Zl. 1006120209-161561779, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu.

Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Iran, stellte nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 18.11.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin in Besitz eines Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck "Studierender", ausgestellt vom Amt der Wiener Landesregierung am XXXX 07.2015, war, der am XXXX 03.2016 abgelaufen ist (vgl. AS 47). Zuvor wurde der Beschwerdeführerin bereits am XXXX 03.2014 ein Aufenthaltstitel als "Studierender" erteilt, der am XXXX 08.2014 bis zum XXXX 07.2015 verlängert wurde.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Beschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zu ihrer Person angab, sie stamme aus XXXX im Iran, gehöre der persischen Volksgruppe an und sei protestantische Christin. Sie habe zwölf Jahre lang die Grundschule und drei Jahre lang die Universität besucht. Ihre Eltern und ihre Schwester würden noch in Teheran leben, wo auch ihr letzter Wohnsitz gewesen sei. Sie sei vor ca. einem Jahr und drei Monaten legal mit ihrem eigenen Reisepass aus dem Iran ausgereist und direkt nach Wien geflogen. Die Beschwerdeführerin habe nach Österreich wegen ihres Studiums gewollt.

Zu ihren Fluchtgründen brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei zum Christentum konvertiert und könne daher nicht in den Iran zurück. Im Mai 2014 habe sie sich in Österreich taufen lassen und sei dann in den Iran zurückgekehrt. Damals habe sie noch keine Probleme gehabt. Als sie wieder nach Österreich gekommen sei, habe sie erfahren, dass sie die iranischen Sicherheitsbehörden hätten sprechen wollen, da sie im Iran eine Kirche besucht habe. Aufgrund der Konversion drohe ihr die Todesstrafe.

1.3. Am 27.11.2017 wurde die Beschwerdeführerin unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Farsi vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab dabei zunächst an, dass sie gesund sei und keine Medikamente nehme. Es gebe einen Fehler in der Niederschrift der Erstbefragung; sie habe sich 2015 und nicht 2014 taufen lassen. Die Hälfte ihres Lebens habe sie in XXXX und die andere Hälfte in Teheran verbracht. Ihre Eltern würden noch in Teheran wohnen; ihre Schwester sei Studentin und lebe im Norden vom Iran. Zu ihrer Familie habe sie regelmäßigen Kontakt. Die Beschwerdeführerin sei im Computerbereich tätig gewesen. Nach ihrem abgeschlossenen Computerstudium habe sie zwei Jahre für eine "Stromfirma" gearbeitet und sei dort für die Netzwerke und die Database zuständig gewesen. Danach sei sie sieben Jahre bis ca. eine bis zwei Wochen vor ihrer Ausreise bei der Firma XXXX tätig gewesen. Die Beschwerdeführerin sei ledig, habe aber in Österreich einen Freund, den sie im Sommer 2018 heiraten wolle. Ihren Freund, der österreichischer Staatsangehöriger sei, habe sie im Mai 2016 in einem Kloster in XXXX kennengelernt.

Das erste Mal sei sie am XXXX 04.2014 nach Österreich eingereist und am XXXX 08.2015 in den Iran zurückgekehrt. Danach sei sie am XXXX 10.2015 wieder nach Österreich gekommen und nicht mehr in den Iran zurückgekehrt. Es sei richtig, dass die Beschwerdeführerin nach ihrer Taufe am XXXX 05.2015 in den Iran zurückgekehrt sei. Sie habe ihre Familie besucht. Eingereist sei die Beschwerdeführerin mit einem Studentenvisum, das mittlerweile jedoch abgelaufen sei. In Österreich habe sie Deutsch gelernt und dann Arbeit gefunden. Daher habe sie auch nicht mehr studieren wollen. Sie habe in einem Wettbüro programmiert und habe dort ca. zehn oder elf Monate gearbeitet.

Dezidiert zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass sie nach ihrer Konversion in Österreich in den Iran zu ihrer Familie gereist sei. Sechs Wochen habe sie im Iran verbracht. Sie habe eine Freundin getroffen, die ihr eine Kirche in der Nähe ihres Elternhauses empfohlen habe. Es sei an einem Sonntag gewesen, als sie in diese Kirche gegangen sei und dort ca. viereinhalb Stunden verbracht habe. Dort habe sie auch ihre Nummer und ihren Namen einem Mann gegeben. Am nächsten Samstag sei sie zurück nach Österreich geflogen und habe etwas später von ihrer Mutter erfahren, dass zwei Männer bei ihren Eltern gewesen seien und nach ihr gesucht hätten. Ihre Mutter habe keine Antwort auf ihre Frage bekommen, woher diese Männer kämen. Drei bis vier Monate später seien sie wieder gekommen und hätten nach der Beschwerdeführerin gefragt. Sie hätten ihrer Mutter gesagt, die Beschwerdeführerin gehe jede Woche in die Kirche und hätten gesagt, dass sie ihrer Mutter eine Ladung schicken würden. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin ihrer Schwester eine Kopie ihres Reisepasses geschickt, um zu beweisen, dass sie in Österreich sei. Wenn ihre Mutter eine Ladung erhalten hätte, hätte sie den Reisepass vorlegen können. Aufgrund ihrer Religion sei die Beschwerdeführerin im Iran persönlich nicht bedroht worden, aber die Männer, die bei ihrer Mutter gewesen seien, würden auch eine Bedrohung darstellen. Daher habe die Beschwerdeführerin Angst und könne nicht in den Iran zurückkehren. Es könne sein, dass sie gleich am Flughafen verhaftet werde.

In Österreich gehe die Beschwerdeführerin regelmäßig in die Kirche. Sie beginne den Tag mit einem Gebet. Dann gehe sie in den Deutschunterricht. In ihrer Freizeit schaue sie fern und lese die Bibel. Der Entschluss zum Religionswechsel sei schleichend gekommen. Ein Studienkollege habe sie Anfang 2015 auf einen Urlaub eingeladen und sei diese Reise von der Pastorin XXXX organisiert gewesen. Dort seien auch andere Kirchenmitglieder gewesen und die Beschwerdeführerin habe die Gelegenheit gehabt, mit XXXX zu plaudern. So sei sie der Kirche nähergekommen, habe sich dafür interessiert und sei letztlich fünf bis sechs Monate später getauft worden. Die Beschwerdeführerin kenne den Islam sehr gut, da ihre Mutter sehr gläubig sei. Als sie dann mit XXXX gesprochen habe, habe sie zu vergleichen begonnen. Ihre "neue" Religion sei für sie Weg weisend. Sie habe auch schon dreimal Ostern in Österreich in XXXX verbracht. Die Stimmung und die Atmosphäre seien etwas Besonderes für sie. Am XXXX 05.2015 sei die Beschwerdeführerin von der Adonai Gemeinde getauft worden. Sechs Monate lange habe sie einmal pro Woche die Taufvorbereitungen bei XXXX in deren Wohnung besucht. Ca. drei Monate vor der Taufe sei der Kurs "strenger" geworden. Sie hätten die Bibel gelesen und seien manche Teile erklärt worden. In Österreich besuche sie die Adonai Gemeinde im XXXX Bezirk. Dorthin sei sie von Anfang an gegangen. Sie habe die Kirche nicht gewechselt. Sie gehe einmal pro Woche hin. In ihrer Kirche werde auch nicht zu einem Priester gebeichtet wie bei den Katholiken, sondern man beichte direkt bei Gott bzw. bei Jesus.

Die Beschwerdeführerin sei im Iran nur Moslemin gewesen, weil ihre Eltern Moslems seien. Sie habe den Islam nicht gewählt. Es gefalle ihr auch nicht. Frauen seien nur die Hälfte eines Mannes wert und werde auch Rache viel zu groß geschrieben. Wenn ein Moslem einen Christen umbringe, dann gelte das im Islam nicht als Mord. Ihre Mutter sei anfangs nicht froh über die Entscheidung der Beschwerdeführerin gewesen zu konvertieren, da sie streng gläubig sei. Aber mittlerweile habe sie es akzeptiert. Ihr Vater habe darüber keine besondere Meinung.

Am Ende der Einvernahme wurden der Beschwerdeführerin Fragen über das Christentum bzw. über ihre Kirche bzw. über den Protestantismus gestellt (z.B. über die Bibel, Feiertage, das "Vater Unser", die Zehn Gebote etc.) die die Beschwerdeführerin nahezu ausschließlich korrekt beantworten konnte.

Weiters wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen dieser Einvernahme vorgehalten, dass sie einen Zettel mit handschriftlichen Notizen zu Rate gezogen habe und gab sie daraufhin an, dass sie sich verschiedene Daten aufgeschrieben habe, damit sie keine Fehler mache. Dieser Zettel wurde zum Akt genommen. Ferner wurde nachstehende Unterlagen von der Beschwerdeführerin vorgelegt:

* Taufurkunde der Beschwerdeführerin vom XXXX 05.2015, ausgestellt von der Adonai Gemeinde, der zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin seit Jänner 2015 regelmäßige Besucherin der Adonai Gemeinde ist;

* Bestätigung der Pfarre XXXX vom XXXX 11.2017, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 2015, 2016 und 2017 das Osterfest in dieser Pfarre mitgefeiert hat;

* Bestätigung der Adonai Gemeinde vom XXXX 11.2017, dass die Beschwerdeführerin Mitglied dieser Gemeinde ist und diese einmal pro Woche besucht;

* Kursbesuchsbestätigung einer Volkshochschule vom XXXX 11.2017 "Deutsch B2 (Teil 1 und 2 von 2)";

* Anmeldebestätigung einer Volkshochschule vom XXXX 11.2017 zum Kurs "Deutsch B2 ÖSD Prüfung Zertifikat B2";

* Bescheid des AMS vom XXXX 01.2016, mit dem der Beschwerdeführerin eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit einer Wettschaltermitarbeiterin für den Zeitraum XXXX 01.2016 bis XXXX 01.2017 erteilt wurde;

* Abschlusszeugnis der Beschwerdeführerin, ausgestellt von der Universität XXXX vom XXXX 01.2003 (in Farsi und in deutscher Übersetzung vorgelegt);

* Bestätigung der XXXX vom XXXX 06.2016, dass die Beschwerdeführerin von XXXX 05.2007 bis XXXX 04.2014 in diesem Unternehmen tätig war (in Farsi und in deutscher Übersetzung vorgelegt);

* Bestätigungen für Studierende im Vorstudienlehrgang vom XXXX 11.2017 betreffend die Teilnahme an Deutsch-Intensivkursen von XXXX 05.2014 bis XXXX 07.2014, von XXXX 10.2014 bis XXXX 01.2015 sowie von XXXX 05.2015 bis XXXX 07.2015 und

* zwei Empfehlungsschreiben für die Beschwerdeführerin von Privatpersonen

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 03.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde unter Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und unter Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist. Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin iranische Staatsangehörige sei. Nicht festgestellt werde, dass sie sich zum christlichen Glauben bekenne. Die Beschwerdeführerin habe die Schule bis zur Matura besucht und anschließend ein Computerstudium abgeschlossen. Festgestellt werde, dass sie an keinen Krankheiten leide. Sie sei legal in Besitz eines Visums D für Studierende in das Bundesgebiet eingereist. Die von der Beschwerdeführerin angegebenen Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes seien nicht glaubhaft. Auch die angegebenen Nachfluchtgründe seien nicht glaubhaft und habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin zum Christentum konvertiert sei. Nicht festgestellt werden könne, dass sie einer asylrelevanten Gefährdung oder Verfolgung im Herkunftsland ausgesetzt gewesen sei. Festgestellt werde, dass ihre Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in den Iran keine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten würde. Ihre Familie lebe im Iran und habe die Beschwerdeführerin dort die Schule besucht, studiert und gearbeitet. Sie habe den Großteil ihres Lebens im Iran verbracht und befinde sich erst kurzer Zeit im Bundesgebiet. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 20 bis 71 des Bescheides Länderfeststellungen zur Lage im Iran, einschließlich zur Religionsfreiheit und zur christlichen Minderheit sowie zur Apostasie/Konversion zum Christentum/Proselytismus (Seiten 50 bis 56).

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist zunächst zu entnehmen, dass die Identität der Beschwerdeführerin aufgrund ihres iranischen Reisepasses feststehe. Die Feststellungen zu ihrer Schul- bzw. Berufsbildung, zu ihrem Gesundheitszustand und zu ihrer legalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet würden auf ihren glaubhaften Angaben und auf den vorgelegten Unterlagen beruhen. Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass dem Vorbringen kein Glauben geschenkt werde. Nach Wiederholung der wesentlichen Angaben der Beschwerdeführerin wurde mit näherer Begründung darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin im Zuge der freien Erzählung nach einem Zettel mit handschriftlichen Notizen gesucht habe. Da sie einen "Spickzettel" zur Hilfe benötigt habe, gehe die Behörde davon aus, dass es sich um ein konstruiertes Vorbringen handle. Ferner sei ihr Vorbringen sehr allgemein und oberflächlich geblieben. Weiters könne eine intensive Auseinandersetzung mit ihrer neuen Religion wegen ihrer kaum vorhandenen Vorbereitung nicht erfolgt sein. Der von der Beschwerdeführerin hierfür angegeben Zeitraum sei viel zu kurz. Es werde davon ausgegangen, dass es der Beschwerdeführerin hauptsächlich um den Erhalt eines Taufscheins gegangen sei, um ihr Vorbringen im Asylverfahren zu untermauern. Die Behörde verkenne nicht, dass die Beschwerdeführerin im Stande gewesen sei, allgemeine Fragen zum Christentum zu beantworten, jedoch habe es sich um leicht zugängliche Fakten gehandelt, die jeder auswendig lernen könne. Ihre Aufenthaltsbewilligung als Studierende sei nur bis XXXX 03.2016 verlängert worden. In einer Gesamtbetrachtung komme die Behörde zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf internationalen Schutz ausschließlich gestellt habe, um einer Abschiebung wegen illegalen Aufenthalts zu entgehen. Eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung durch die iranischen Behörden habe sie nicht namhaft gemacht. Es sei nicht davon auszugehen, dass iranische Behörden alle im Ausland vorgenommenen Taufen beobachten und registrieren würden. Da der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe und sie eine erwachsene, arbeitsfähige und gebildete Person sei, sei es ihr zumutbar im Fall der Rückkehr - etwa durch Arbeitsaufnahme - selbst für ihr Auskommen zu sorgen. Auch würden ihre Familienangehörigen im Iran leben. Die Feststellungen zu ihrem Privat- und Familienleben hätten sich aufgrund ihrer Angaben in den Einvernahmen ergeben. Die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht wurde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dass die Ausführungen der Beschwerdeführerin als unglaubwürdig zu befinden gewesen seien. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass es ihr zumutbar sei, selbst für ihr Auslangen zu sorgen. Die Beschwerdeführerin habe familiäre bzw. private Anknüpfungspunkte und Unterstützungsmöglichkeiten im Iran. Es könne nicht vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausgegangen werden, die im Fall der Rückkehr eine Verletzung der EMRK bedeuten würden. Hinsichtlich Spruchpunkt III. hielt das Bundesamt fest, dass sich keine Anhaltspunkte ergeben hätten, die die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG rechtfertigen würden. Weiters führte das Bundesamt zu Spruchpunkt IV. aus, dass die Beschwerdeführerin in Österreich keine Familienangehörigen habe. Eine Integrationsverfestigung der Person der Beschwerdeführerin in Österreich habe nicht festgestellt werden können. Ferner habe die Beschwerdeführerin ihr Privatleben zu einem Zeitpunkt begründet, als der Aufenthalt ungewiss und auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt gewesen sei. Daher sei das öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle höher zu bewerten und begründe die Ausweisung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin. Die Rückkehrentscheidung sei daher zulässig. Ferner wurde unter Spruchpunkt V. ausgesprochen, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Iran bei Vorliegen aller Voraussetzungen zulässig ist. Unter Spruchpunkt VI. wurde darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung verpflichtet sei.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 03.2018 wurde der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer ausgewiesenen Vertretung am 29.03.2018 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, dass Konvertiten im Iran Lebensgefahr ausgesetzt seien, da ihr Glaube als "abweichend" angesehen werde. Zum Vorwurf der Verwendung eines "Spickzettels" werde darauf verwiesen, dass sich die Beschwerdeführerin zwar Notizen gemacht habe, die auch die beiden Vorfälle im Iran umfasst hätten, allerdings hätten diese Notizen vor allem Namen von Orten in Österreich beinhaltet, die die Beschwerdeführerin besucht habe, sowie zeitliche Angaben und Hinweise zu ihrem Verhalten in der Einvernahme. Der Zettel habe ihr eine gewisse Sicherheit gegeben, lasse aber keinesfalls darauf schließen, dass es sich beim Vorbringen der Beschwerdeführerin um ein Konstrukt handle. Ferner sei aus dem Protokoll der Einvernahme erkennbar, dass die Beschwerdeführerin ihre Fluchtgeschichte im Detail und lebensnah geschildert habe. Weiters hätten sich die vermeintlichen Widersprüche leicht aufklären lassen. Sie habe ausführlich vorgebracht, was ihr Interesse am Christentum geweckt und wie der Prozess der Konversion ausgesehen habe. Die Entscheidung, die Religion zu wechseln, sei ein schleichender Prozess gewesen. Es habe kein "Schlüsselerlebnis" gegeben, sondern mehrere kleine Ereignisse, viele Gespräche und Erkenntnisse. Die Beschwerdeführerin sei in Österreich immer legal aufhältig gewesen. Da sie jedoch ihren Aufenthaltstitel verloren habe, habe die Gefahr einer Abschiebung in den Iran bestanden, wo die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Konversion verfolgt werde.

Die Beschwerdeführerin werde im Iran aufgrund ihrer religiösen Ansichten und ihrem Abfall vom Islam verfolgt. Entscheidend sei, ob der Fremde im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ein Verzicht auf religiöse Betätigungen sei nicht zumutbar. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht, da der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Religion in allen Teilen des Iran Verfolgungshandlungen drohen würden.

Der Beschwerde beigelegt war ein Schreiben der Adonai Gemeinde, unterfertigt von Pastorin XXXX , vom XXXX 03.2018, in dem bestätigt wird, dass die Beschwerdeführerin seit Jänner 2015 die Adonai Gemeinde besucht und am XXXX 05.2015 getauft wurde sowie, dass sie die Adonai Gemeinde ein- bis zweimal wöchentlich besucht und an diversen Kursen teilnimmt bzw. insbesondere an Solchen zur Taufvorbereitung teilgenommen hat.

4. Im Beschwerdeverfahren wurden nachstehende Unterlagen vorgelegt:

* ÖSD Zertifikat auf der Niveaustufe B2 vom XXXX 07.2018;

* Teilnahmebestätigung des Österreichischen Integrationsfonds am Werte- und Orientierungskurs vom XXXX 08.2018;

* Bestätigung vom XXXX 01.2019 betreffend eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Internetcafé;

* Bestätigung betreffend eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Pensionistenheim vom XXXX 02.2019;

* Vereinbarung AsylwerberInnen für gemeinnützige Tätigkeiten an Wiener Schulen zwischen der Beschwerdeführerin und einer Schule der Stadt Wien;

* Bestätigung des Magistrats der Stadt Wien über den Austritt der Beschwerdeführerin aus der Islamischen (schiitischen) Glaubensgemeinschaft vom XXXX 03.2018 und

* Religionsaustrittserklärung der Beschwerdeführerin aus der Islamischen (schiitischen) Glaubensgemeinschaft vom XXXX 03.2018

5. Am 21.02.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt, an der die Beschwerdeführerin in Begleitung einer Vertrauensperson mit ihrer ausgewiesenen Vertreterin teilnahm. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich mit E-Mail vom 13.02.2020 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Weiters wurde Herr XXXX als Zeuge einvernommen. Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation im Iran zur Kenntnis gebracht.

Eingangs der Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, dass sie gesund und nicht schwanger sei. Die Beschwerdeführerin habe im bisherigen Verfahren immer die Wahrheit gesagt. Beim Bundesamt habe sie gesagt, dass nicht alles korrekt übersetzt worden sei. Sie habe gesagt, dass sie durch ihre Arbeit die Universität nicht mehr besuchen könne. Es sei jedoch protokolliert worden, dass sie das nicht wolle. Ihr aktuell noch gültiger Reisepass befinde sich beim Bundesamt. Die Beschwerdeführerin sei ledig und kinderlos. Sie sei iranische Staatangehörige und sei ihre Volksgruppe Fars. Wegen der Zugehörigkeit zu ihrer Volksgruppe habe sie im Iran keine Probleme gehabt. An Sprachen spreche sie Farsi, Englisch und Deutsch in Wort und Schrift. Zu den bereits mit der Ladung versendeten Länderberichten zur Situation im Iran gab die Vertreterin der Beschwerdeführerin an, dass die Beschwerdeführerin im Iran aufgrund ihrer Konversion zum christlichen Glauben verfolgt werde. Im Länderinformationsblatt sei beschrieben, dass Konversion im Iran mit Gefängnis und mit der Todesstrafe bedroht sei. Apostasie sei "Mohareb" und werde somit als poltische Aktivität angesehen. Aus diesem Grund bestehe sowohl eine politische als auch eine religiöse Gesinnung, die eine Verfolgung durch staatliche Behörden hervorrufe. Christen mit moslemischen Hintergrund würden vor Gericht gestellt und verurteilt. Darüber hinaus komme es bei der Beurteilung der Konversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an.

Im Iran würden noch die Eltern und die Schwester der Beschwerdeführerin leben. Ihre letzte Wohnadresse sei in Teheran gewesen, wo sie mit ihren Eltern und mit ihrer Schwester im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Die Beschwerdeführerin habe ihr halbes Leben in XXXX und die andere Hälfte in Teheran gelebt. Mit ihren Angehörigen habe sie Kontakt und es gehe ihnen gut. Nach ihrer Matura habe sie drei Jahre auf der Universität "Computer" studiert. Zwei Jahre habe sie im Energieministerium und sieben Jahre in einer Firma gearbeitet. Sie sei Programmiererin gewesen und habe die Datenbank geführt.

Die Beschwerdeführerin habe einen Freund in Österreich, lebe mit diesem jedoch nicht zusammen. Sie habe zuvor schon eine Beziehung zu einem österreichischen Staatsangehörigen gehabt und hätten sie auch schon über Heirat gesprochen. Plötzlich und unerwartet habe er ihr gesagt, dass er Probleme habe und sie nicht heiraten könne. Ihren jetzigen Freund habe die Beschwerdeführerin kennengelernt als sie ehrenamtlich Nachhilfe in einer Neuen Mittelschule gegeben habe, in der er als Lehrer arbeite. Nunmehr seien sie ca. sieben oder acht Monate zusammen. Die Beschwerdeführerin habe die Niveaustufe B2 in Deutsch absolviert und habe auch schon den C1-Kurs besucht. Seit Herbst 2018 arbeite sie ehrenamtlich in einem Pensionistenheim und auch in einem Internetcafé. Jetzt verdiene sie auch ein bisschen Geld. Sie wolle eine Computerausbildung machen und dann in dem Beruf arbeiten, den sie gelernt habe, wenn sie ein Aufenthaltsrecht bekäme. In Österreich habe sie viele Freunde. Die Beschwerdeführerin sei legal mit einem Studentenvisum nach Österreich eingereist. Sie habe auf der Technischen Universität Informatik studieren wollen, habe dies dann nicht getan, da sie Arbeit gefunden habe. Drei Semester habe sie als außerordentliche Studierende einen Vorstudienlehrgang besucht. Sie habe auch noch einen Antrag auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot Karte gestellt, den sie dann zurückgezogen habe, da es die Firma, bei der sie gearbeitet habe, nicht mehr gebe. Das erste Mal sei sie am XXXX 04.2014 nach Österreich gereist und ca. ein Jahr und drei Monate geblieben. 2015 sei sie in den Iran zurückgekehrt, sei dort sechs Wochen lang aufhältig gewesen, habe den Iran erneut am XXXX 10.2015 verlassen und sei seitdem in Österreich. Sie liebe Österreich und wolle auch mit ihrem Freund zusammenbleiben.

Zu ihren Reisebewegungen und zu ihren Fluchtgründen wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisher erstattetes Vorbringen. Insbesondere brachte sie vor, dass sie schon getauft gewesen sei, als sie in den Iran zurückgekehrt sei. Im Iran habe sie sich mit zwei Freundinnen getroffen, die sie schon länger kenne und die sehr offen seien. Die Beschwerdeführerin habe sich mit ihrer neuen Religion so wohl gefühlt, dass sie sie mit Anderen habe teilen wollen. Eine von diesen beiden Freundinnen habe ihr von einer Kirche in der Nähe ihrer Wohnung erzählt. Es sei eine katholische Kirche gewesen und die Beschwerdeführerin sei an einem Sonntag hingegangen. Sie sei mit einer älteren Dame gemeinsam in diese Kirche gegangen, die sie zuvor gefragt habe, ob sie ihr helfen könne. Die Beschwerdeführerin habe mit einem iranischen Pastor über das Christentum sprechen wollen. Sie sei auch bei der Messe dabei gewesen; dort seien ca. 20 Leute gewesen, die jedoch alle als Christen geboren seien. Nach der Messe hätten sie sich unterhalten. Sie habe schon in XXXX mit einem Pastor sprechen können, aber sie habe eine solche Unterhaltung auch auf Persisch führen wollen. Ein Mann habe ihr erzählt, dass der Priester nicht nur am Sonntag zur Messe, sondern noch an anderen zwei oder drei Tagen anwesend sei. Sie habe dann dem Mann ihre Handynummer gegeben und habe auch zweimal versucht, den Priester anzurufen. Dann sei sie zurück nach Österreich gereist. Ihr sei aufgefallen, dass die Telefonate mit ihrer Familie ungewöhnlich geworden seien; sie habe genau sagen müssen, wo sie gewesen sei und wann sie zurückkomme. Ihre Mutter habe ihr dann gesagt, nach ihrer Ausreise seien zwei Männer gekommen, die ihre Mutter gefragt hätten, ob sie noch Moslemin sei, da ihre Tochter (= die Beschwerdeführerin) für das Christentum missioniere und zum Christentum konvertiert sei, wofür die Strafe der Tod sei. Diese beiden Männer hätten mit der Beschwerdeführerin sprechen wollen und habe ihnen ihre Mutter gesagt, sie sei nicht da. Zwei bis drei Monate später habe die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter erfahren, dass diese Männer wieder gekommen seien. Ihre Mutter habe diesmal schärfer nachgefragt, wer diese Männer seien und diese hätten ihr dann gesagt, dass sie eine Vorladung bekommen werde. Diese Männer hätten ihrer Mutter mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin jede Woche in die Kirche gehe, was ja gar nicht sein hätte könne, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Iran gewesen sei. Eine Vorladung habe ihre Mutter in der Folge doch nicht bekommen. In der Familie der Beschwerdeführerin habe es zuvor nie Probleme mit Gerichten, Behörden oder der Polizei gegeben. Die Beschwerdeführerin habe sich auch geschämt, dass ihre Familie ihretwegen solche Schwierigkeiten bekommen habe. Sie habe auch Angst gehabt. Daher habe sie sich auch nicht auf der Universität eingeschrieben, sondern sich Arbeit gesucht, da sie gedacht habe, die Arbeit werde sie ablenken. Ihre Familie habe sich auch Sorgen um die Beschwerdeführerin gemacht und habe sie ihre Schwester das letzte Mal als die Beschwerdeführerin am Telefon über eine Rückkehr in den Iran gesprochen habe, gefragt, ob sie verrückt sei. Auch ihre Mutter wolle nicht, dass sie zurückkehre. Als ihre Mutter sie im Frühling 2018 in Österreich besucht habe, habe sie der Beschwerdeführerin erzählt, dass diese Leute noch weitere zwei Male zu ihrem Elternhaus gekommen seien und zwar ohne Durchsuchungsbeschluss. Sie hätten sich alles im Haus angesehen und seien in jedes Zimmer gegangen. Als ihr Vater gesagt habe, er werde sie anzeigen, hätten sie ihn ausgelacht. Drei Monate nach der Rückkehr ihrer Mutter in den Iran sei ihre Familie umgezogen. Betreffend die Kirche im Iran, die sie besucht habe, lege sie einen Internetausdruck in persischer Sprache vor. Diese Kirche sei keine Hauskirche gewesen und man habe von außen nicht sehen können, dass es sich um eine Kirche handle. Ihre Freundin, die die Kirche gekannt habe, sei zwar Moslemin, aber nicht sehr gläubig. Sie sei offen, mache viele Ausflüge und habe viele Kontakte.

Der Mann, dem sie ihre Telefonnummer gegeben habe, habe in der Kirche gearbeitet und sei auch in der Messe gewesen. Nach der Messe hätten sie miteinander gesprochen und dieser Mann habe ihr sein Arbeitszimmer gezeigt. Da sie ein gutes Gefühl gehabt und gesehen habe, dass dieser Mann dort arbeite, habe ihm die Beschwerdeführerin ihre Nummer gegeben. Befragt nach dem "Spickzettel" gab die Beschwerdeführerin an, dass sie diesen Zettel auch heute mithabe. Damals beim Bundesamt habe sie ihre Unterlagen rausgenommen und dabei sei ihr der Zettel hinuntergefallen. Das sei unabsichtlich gewesen. Sie habe sich nur Sachen aufgeschrieben, die für sie wichtig gewesen seien. Sie habe den Zettel aufgehoben und auf den Tisch gelegt, aber die Einvernahmeleiterin habe nicht verstanden, dass das nur Zufall gewesen sei. Es sei richtig, dass sie versucht habe, eine Rot-Weiß-Rot Karte zu bekommen, aber ihr Leben sei in Gefahr gewesen und sei sie daher gezwungen gewesen, den Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Auf Vorhalt der zeitlichen Differenz zwischen der Ausreise aus dem Iran und der Antragstellung gab die Beschwerdeführerin an, dass sie zuerst gedacht habe, diese Probleme würden solange sie in Österreich sei - nach ein bis zwei Jahren - aufhören. Sie habe durch ihre Arbeit Geld verdienen und noch eine Zeit lang hierbleiben wollen, aber nachdem die Arbeit nicht fortgesetzt habe werden können und sie die Rot-Weiß-Rot Karte nicht bekommen habe, habe sie sich mit ihrer Familie beraten, ob sie in den Iran zurückkehren solle.

Im Iran lerne man nicht in der Schule etwas über andere Religionen. Aber erwachsen Menschen wüssten schon, dass es auch andere Religionen gebe, die in anderen Ländern auch mehrheitlich seien. Als die Beschwerdeführerin 20 oder 21 Jahre alt gewesen sei, sei sie mit ihrer Schwester und einer Freundin aus Interesse und Neugier in eine Kirche gegangen. Sie hätten sehen wollen, wie eine Kirche aussehe. Dort habe sie gesehen, dass Männer und Frauen nebeneinander sitzen, gemeinsam beten und auch singen. Da sei ihr zum ersten Mal der Unterschied zum Islam bewusst geworden. Das habe sie vor dem Bundesamt nicht ausgesagt, da sie gedacht habe, man stelle ihr dort Fragen und sie solle kurz und direkt antworten.

Befragt zu ihrer jetzigen Kirche brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe sie kennengelernt als sie das erste Mal in Österreich gewesen sei. Damals habe sie einen (namentlich genannten) Österreicher kennengelernt, der sehr gläubig sei. Mit ihm habe sie Sehenswürdigkeiten, darunter viele katholische Kirchen, besucht. Dadurch sei sie das erste Mal in eine Kirchengemeinde gekommen und habe dann im Jänner 2015 über einen persischen Freund die Pastorin XXXX kennengelernt. Sie habe XXXX und auch diesem Freund viele Fragen gestellt. XXXX habe sie schon auch missioniert. Sie hätten über die Unterschiede zwischen Islam und Christentum gesprochen und die Beschwerdeführerin habe mehr erfahren wollen. Daher habe sie XXXX auch in ihrem Haus besucht. Dort habe es Zusammenkünfte gegeben und "alle" hätten sich dort getroffen. Zu Ostern 2015 sei sie mit dem zuvor genannten Freund ins Kloster XXXX gegangen, was sehr interessant gewesen sei. Sie sei dann vier oder fünf Tage statt nur einem geblieben. Die Atmosphäre habe ihr sehr gut gefallen und sie habe viele Gespräche mit Geistlichen geführt. Die Beschwerdeführerin habe zuvor schon Interesse für das Christentum gehabt, aber nach dieser Tage im Kloster habe sie gewusst, dass das ihr Weg sei. Sie sei nicht katholisch geworden, da sie direkt mit Gott sprechen wolle. Sie möge Katholiken und auch die Priester, aber es gebe ein paar Dinge, die ihr nicht gefielen. Beispielsweise dass Priester nicht heiraten dürften und Frauen nicht Priester werden könnten. In ihrer Religion sei der Priester eine Frau. Im Katholizismus müsse man dem Pfarrer beichten und der vergebe. Sie wolle aber nur direkt Gott beichten. In der Adonai Gemeinde gebe es auch keine Heiligen, da eine Person, die wie ein Mensch sterbe, kein Heiliger sein könne. Die wesentlichen Glaubensinhalte seien Vater, Sohn und Heiliger Geist. Man glaube an Jesus Christus und das Ewige Leben. Man versuche "gut" zu sein. Am XXXX 05.2015 sei die Beschwerdeführerin in der Adonai Kirche in Wien getauft worden. Sie habe schon zuvor den Taufkurs bei XXXX besucht, aber erst nachdem sie in XXXX gewesen sei, habe sie sich ganz bewusst darauf eingelassen. Zuerst habe ein Gottesdienst stattgefunden, dann seien die Taufgründe verlesen worden und sei die Taufe in der Kirche gewesen. Sie sei vielleicht eine Sekunde unter Wasser gewesen, aber es sei wie eine Ewigkeit gewesen, weil es so ein schöner Moment gewesen sei. Die Beschwerdeführerin bete mehr als früher und könne auch besser mit Gott umgehen. Sie lese die Bibel und versuche durch Gespräche mit Priestern Antworten auf die Fragen zu bekommen. Eine Frage, die sie sich als Baptistin stelle, sei, dass Baptisten nicht an das Fegefeuer glauben würden; ein Mensch sei gut oder schlecht. Was passiere, wenn einem nicht vergeben werde - diese Frage stelle sie sich - weil es ja kein Fegefeuer gebe? Die Beschwerdeführerin habe eine gute Beziehung zu ihrer Gemeinde, besuche sie regelmäßig und habe Kontakt zu den anderen Mitgliedern. Sie sei von Anfang an bei der Priesterin XXXX gewesen und wolle bei ihr auch bleiben. Am Samstag sei Gottesdienst, den die Beschwerdeführerin besuche. In der Folge berichtete die Beschwerdeführerin auf Nachfrage ihrer Vertreterin über die für sie wesentlichen Unterschiede zwischen Islam und Christentum.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurde Herr XXXX , geb. XXXX , als Zeuge einvernommen. Dieser gab im Wesentlichen an, dass er Betreuer beim Kuratorium der Wiener Pensionistenhäuser sei. Er habe die Beschwerdeführerin im Zuge eines Vorleseprojekts als ehrenamtliche Mitarbeiterin kennengelernt. Im Herbst 2018 habe sich die Beschwerdeführerin für dieses Projekt gemeldet und komme seither mehrmals pro Woche zu Treffen, die ca. vier bis fünf Stunden dauern würden. Auch helfe die Beschwerdeführerin beispielsweise, wenn jemand Begleitung zum Arzt brauche und sie habe auch die Feste im kulturellen Jahreskreis unterstützt. Der Zeuge organisiere und leite die Gruppe. Es habe sich herausgestellt, dass die Beschwerdeführerin eine hohe soziale Intelligenz habe und daher sei ihr von der Chefin des Zeugen angeboten worden, 55 Stunden im Monat auf geringfügiger Basis zu arbeiten. Aber auch außerhalb dieser 55 Stunden helfe die Beschwerdeführerin ehrenamtlich mit. Anfang März werde eine Stelle im Haus XXXX frei und sei vereinbart, dass die Beschwerdeführerin diese Stelle bekomme, wenn sie eine Aufenthaltsberechtigung erhalte.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden nachstehende Unterlagen von der Beschwerdeführerin vorgelegt:

* Studienzeitbestätigung "Universitätslehrgang Vorstudienlehrgang" für das SS 2014, das WS 2014 und das SS 2015 vom XXXX 02.2020 (Beilage ./1);

* Besuchsbestätigung der Adonai Gemeinde vom XXXX 02.2020 betreffend die Taufe, Taufvorbereitung und das regelmäßige Engagement der Beschwerdeführerin in dieser Gemeinde (Beilage ./2);

* Schreiben des Pfarrverbandes XXXX vom XXXX 02.2020, in dem bestätigt wird, dass die Beschwerdeführerin 2018, 2019 "und in den Jahren zuvor" am Osterfest im Kloster XXXX und in der Pfarre XXXX teilgenommen hat (Beilage ./3);

* Kursbesuchsbestätigung der Niveaustufe C1 vom XXXX 02.2020 (Beilage ./4);

* Bestätigung der ehrenamtlichen Tätigkeit in einem Internetcafé vom XXXX 02.2020 (Beilage ./5);

* Bestätigung der Tätigkeit im Ausmaß von 55 Stunden im Monat sowie der darüber hinausgehenden ehrenamtlichen Tätigkeit im Haus XXXX vom XXXX 02.2020 (Beilage ./6);

* (undatierte) Urkunde "Bock for You" (Beilage ./7);

* Zeitungsartikel vom XXXX 01.2020 über den "Bock for You-Preis" (Beilage ./8) und

* Farsisprachiger Internetartikel (Beilage ./9)

6. In der Folge wurde der Dolmetscherin der Auftrag erteilt, den Internetartikel (Beilage ./9) sowie den bereits mehrfach angesprochenen "Spickzettel" zu übersetzen.

Betreffend den vorgelegten Internetartikel ist der Übersetzung die Überschrift "Eintrittsverhinderung der farsisprechenden Menschen in die Katholische Kirche" und das Datum "27.11.2015" zu entnehmen. Der Inhalt lautet zusammengefasst im Wesentlichen wie folgt: Am 18.08.2013 wurde der Eintritt farsisprachiger Christen oder nicht getaufter Personen in die römisch-katholische Kirche "Prophet Ebrahim" auf Anordnung der Sicherheitsbehörden in Teheran verboten. Der Bischof und der Pastor der Kirche wurden aufgefordert, persischsprachige Christen am Betreten der Kirche zu hindern. Daraufhin kündigte der Pastor ein Eintrittsverbot von persischsprachigen Christen und noch nicht getauften Mitglieder allen Personen an, die an diesem Tag zur Anbetung in die Kirche gekommen waren. Dies könnte zur Schließung der Kirche führen. Obwohl die Kirche nur wenig Mitglieder hat, hat das vom Informationsministerium verhängte Verbot, die Kirchenmitglieder überrascht. Ungefähr zwei Monate zuvor haben Sicherheitsbeamte Kopien der nationalen Karten der Mitglieder der Kirche Ebrahim gefordert, was die verantwortlichen Vertreter der katholischen Kirche abgelehnt hatten. Dieser Vorgang hat es auch erschwert, dass Mitglieder anderer, geschlossener Kirchen in Teheran zum Gottesdienst in diese Kirche kommen können. Diese Praxis wurde von den Revolutionsgarden angewendet, um christliche Gläubige, insbesondere Konvertiten, in anderen persischsprachigen Kirchen einzuschüchtern und zu bedrohen. Bis vor einigen Monaten waren die Mitglieder der lateinisch-katholischen Kirche der Ansicht, dass der Iran den traditionellen katholischen Kirchen nicht feindlich gegenübersteht.

Der Übersetzung des "Spickzettels" sind im Wesentlichen Stichworte für das Verhalten (wie z.B. "ich muss nicht übertreiben", "sanftes Make-up", "wichtig ist, dass ich frage bzw. die Frage in einer anderen Form gestellt bekomme") sowie Daten und Orte zu entnehmen. Weiters finden sich Stichworte betreffend die beiden geschilderten Vorfälle (wie z.B. "Sehr geehrte Frau Wir müssen mit ihr sprechen später werden Sie verstehen", "Fragten ob meine Mutter Muslimin sei" bzw. "Frau, jede Woche geht in die Kirche, was sagten Sie, ist nicht im Iran", "und sagten für sie eine Vorladung kommt").

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist eine iranische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe Fars an und wurde als Moslemin (im Sinne von: Tochter einer moslemischen Familie) im Iran geboren. Sie stammt aus XXXX, wo sie ca. 20 Jahre aufhältig war und zog dann mit ihrer Familie nach Teheran, wo sie bis zu ihrer Ausreise mit ihren Eltern und ihrer Schwester im gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Nach der Matura studierte die Beschwerdeführerin Computerwissenschaften und schloss dieses Studium ab. In der Folge arbeitete sie zwei Jahre im Energieministerium und danach sieben Jahre in einem Unternehmen als Programmiererin.

Der Beschwerdeführerin wurde am XXXX 03.2014 vom Amt der Wiener Landesregierung ein Aufenthaltstitel als "Studierender" erteilt, der nach Verlängerung bis XXXX 07.2015 gültig war. Aufgrund dessen reiste sie erstmals am XXXX 04.2014 legal nach Österreich ein und kehrte am XXXX 08.2015 in den Iran zurück, um ihre Familie zu besuchen. Am XXXX 07.2015 wurde der Beschwerdeführerin neuerlich ein Aufenthaltstitel "Studierender" erteilt. In Besitz dieses Aufenthaltstitels reiste die Beschwerdeführerin am XXXX 10.2015 neuerlich legal nach Österreich. Nach Ablauf der Gültigkeit dieses Aufenthaltstitels am XXXX 03.2016 beantragte die Beschwerdeführerin die Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot Karte, welche sie jedoch in weiterer Folge nicht erhielt. Am 18.11.2016 stellte sie sodann den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge ihres ersten Aufenthalts in Österreich lernte die Beschwerdeführerin im Jänner 2015 über einen persischen Freund die Pastorin der Adonai Gemeinde in Wien, XXXX , kennen. Aufgrund von Gesprächen mit der Pastorin sowie der Teilnahme an Zusammenkünften in deren Haus und auch aufgrund von Unterhaltungen mit katholischen Freunden begann die Beschwerdeführerin, die schon im Iran dem Islam kritisch gegenüberstand, sich mit dem Christentum an sich, aber auch mit den verschiedenen christlichen Strömungen auseinanderzusetzen und nahm bereits an einem Taufvorbereitungskurs teil. Als die Beschwerdeführerin Ostern 2015 aufgrund einer Einladung eines katholischen Freundes im Kloster XXXX verbrachte, entschloss sie sich endgültig zu konvertieren. Danach intensivierte sie ihre Taufvorbereitungen und wurde am XXXX 05.2015 in der Adonai Gemeinde getauft. Festgestellt wird sohin, dass die Beschwerdeführerin Angehörige der christlichen Adonai Gemeinde ist. Die Adonai Gemeinde Wien XXXX ist eine Freikirche, die seit dem Jahr 2016 zum Bund der Baptistengemeinden in Österreich gehört.

Nach ihrer Taufe kehrte die Beschwerdeführerin am XXXX 08.2015 in den Iran zurück um ihre Familie zu besuchen. Eine ihrer Freundinnen erzählte ihr von einer katholischen Kirche, die die Beschwerdeführerin an einem Sonntag aufsuchte und auch an der Messe teilnahm. An diesem Sonntag hielt sich die Beschwerdeführerin mehrere Stunden in den Räumlichkeiten dieser Kirche auf und sprach mit einigen Kirchenmitgliedern, bei denen es sich ausschließlich um "gebürtige" Christen handelte. Da sie Interesse daran hatte, auch mit einem Priester zu sprechen, hinterließ sie bei einem Mitarbeiter dieser Kirchengemeinde ihre Telefonnummer. Nach ihrer geplanten Rückkehr nach Österreich erfuhr die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter am Telefon, dass zwei Männer nach ihr gefragt hatten, die gewusst hatten, dass die Beschwerdeführerin zum Christentum konvertiert ist. Zwei bis drei Monate später wurde erneut nach der Beschwerdeführerin gefragt und ihrer Mutter eine Vorladung angedroht. Bei einem Besuch ihrer Mutter in Österreich im Frühjahr 2018 erzählte ihre Mutter der Beschwerdeführerin, dass diese Leute noch zweimal in ihr Elternhaus gekommen waren und dieses durchsucht hatten. Daraufhin ist die Familie umgezogen.

In Österreich besucht die Beschwerdeführerin regelmäßig die Gottesdienste der Adonai Gemeinde in Wien, ist dort aktives bzw. praktizierendes Mitglied, nimmt an dort angebotenen Kursen teil, beschäftigt sich intensiv mit der Bibel, den Glaubensinhalten und auch mit den Unterschieden zwischen Christentum und Islam sowie mit jenen innerhalb der unterschiedlichen christlichen Strömungen. Ferner ist die Beschwerdeführerin aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ausgetreten. Festgestellt wird sohin, dass die Beschwerdeführerin in Österreich aus innerer Überzeugung vom Islam zum Christentum konvertiert und nunmehr Angehörige der Adonai Gemeinde ist. Bei einer Rückkehr in den Iran wäre es für die Beschwerdeführerin nicht zumutbar, ihren christlichen Glauben zu leugnen und zum Islam zurückzukehren.

Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für konvertierte Christen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr in den Iran aufgrund ihrer nunmehr christlichen Religion keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegen würde. Der Beschwerdeführerin steht als vom Islam zum Christentum Konvertierten keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Die Beschwerdeführerin arbeitet im Ausmaß von 55 Stunden im Monat in einem Pensionistenheim und ist darüber hinaus ehrenamtlich sowohl in diesem Heim als auch in einem Internetcafé tätig. Sie spricht ausgezeichnet Deutsch und nimmt intensiv am sozialen Leben in Österreich teil. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in Österreich nicht straffällig geworden ist.

1.2. Zur verfahrensrelevanten Situation im Iran:

1.2.1. Religionsfreiheit:

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2019).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/ 4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelev ante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019;

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 31.5.2019;

* BFA Analyse (23.5.2018): Iran - Situation armenischer Christen,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf, Zugriff 31.5.2019;

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019;

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 31.5.2019 und

* US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html,

Zugriff 31.5.2019

1.2.2. Christen:

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/ 4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelev ante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* BFA Analyse (23.5.2018): Iran - Situation armenischer Christen,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf, Zugriff 3.6.2018;

* DIS/DRC - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019;

* Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran,

https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 3.6.2019 und

* US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 3.6.2019

1.2.3. Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen:

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

[...]

Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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