TE Vfgh Beschluss 1996/2/26 B3181/95

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Veröffentlicht am 26.02.1996
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
VStG §45 Abs1 Z2

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde mangels Beschwer infolge Einstellung des - aufgrund des angefochtenen Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates fortgesetzten - Verwaltungsstrafverfahrens vor Beschwerdeerhebung

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg leitete aufgrund einer Anzeige des Arbeitsinspektorates gegen die Beschwerdeführerin ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Verdachtes einer Übertretung des §19 Abs2 der Verordnung über Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (Bauarbeitenschutzverordnung) ein. In der Folge stellte sie das Verfahren mit Bescheid vom 15. Februar 1995 gemäß §45 Abs1 Z2 (zweiter Fall) VStG 1991 wegen Vorliegens eines Schuldausschließungsgrundes ein.

2. Gegen diesen Bescheid erhob das Arbeitsinspektorat Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit dem Begehren, den Einstellungsbescheid zu beheben und die Beschuldigte wegen Übertretung des §19 Bauarbeitenschutzverordnung mit S 20.000,-- zu bestrafen.

3. Mit Bescheid vom 1. September 1995 gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich dieser Berufung insofern Folge, als er den Einstellungsbescheid mit der Feststellung behob, daß die Bezirkshauptmannschaft Perg das eingeleitet gewesene Strafverfahren fortzuführen haben werde.

4. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 6. September 1995 zugestellt. Mit der vorliegenden, am 18. Oktober zur Post gegebenen Bescheidbeschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung dieses Bescheides wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und ein faires Verfahren iSd Art6 Abs1 und 3 EMRK sowie wegen Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Beschwerdevorwürfen entgegentritt.

Zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde führt sie aus:

   "Im vorliegenden Fall erscheint nach Ansicht der belangten

Behörde die gegenständliche Beschwerde ... an einem Mangel der

Legitimation (§19 Abs3 Z2 lite VfGG) zu leiden bzw. wurde die

Bf ... klaglos gestellt (§19 Abs3 Z3 VfGG) ...

   ... Zunächst liegt im gegenständlichen Fall - entgegen den

Ausführungen in der Beschwerde - keinerlei 'Beschwer' mehr vor.

Denn das in Beschwerde gezogene Erkenntnis der belangten Behörde

vom 1.9.1995 ... wurde der Bf am 6.9.1995 zu Handen ihres

ausgewiesenen Rechtsvertreters zugestellt; in der Folge hat die

Bezirkshauptmannschaft Perg mit Bescheid vom 12.9.1995 ... das

gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß §45 Abs1 Z2

2. Fall iVm §31 Abs3 VStG 1991 eingestellt, weil seit der Tat am 10.9.1992 bereits mehr als drei Jahre vergangen sind und daher zufolge §31 Abs3 1. Satz VStG 1991 ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden darf. Diesen Einstellungsbescheid hat die Bf zu Handen ihres Rechtsvertreters ... bereits am 14.9.1995 erhalten. Ungeachtet der Zustellung dieses Einstellungsbescheides am 14.9.1995, wodurch die Bf in jeder Richtung von vornherein klaglos gestellt bzw. von keiner Beschwer mehr betroffen worden war, wurde (erst) mit Schriftsatz vom 18.10.1995 (eingelangt beim VfGH am 19.10.1995) die gegenständliche Beschwerde erhoben und dabei kühn behauptet, daß 'eine Einstellung bis dato nicht erfolgt' sei und daraus der Schluß gezogen, daß 'die Prozeßvoraussetzungen der materiellen Beschwer' vorliege. Diese Behauptungen sind sohin vollkommen unrichtig und an Hand der Aktenlage objektiv überprüfbar."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

1. Die Erhebung einer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde hat unter anderem zur Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt werden konnte (vgl. hier und zum folgenden - jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur - VfSlg. 11764/1988, 13289/1992). Die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes ist dann gegeben, wenn der Bescheid subjektive Rechte (oder Pflichten) begründet, verändert oder feststellt.

Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid setzt ein objektives Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Bescheides voraus. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegung eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, daß der angefochtene Bescheid die Rechtsposition des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil verändert.

2. Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, wurde das - aufgrund des angefochtenen Bescheides fortgesetzte - Strafverfahren von der Bezirkshauptmannschaft Perg mit Bescheid vom 12. September 1995 gemäß §45 Abs1 Z2 (zweiter Fall) eingestellt.

3. Mit diesem der Beschwerdeführerin zuhanden ihres ausgewiesenen Vertreters am 14. September 1995 zugestellten Einstellungsbescheid verlor aber der angefochtene Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates jegliche (nachteilige) Bedeutung für die Beschwerdeführerin, sodaß sie durch ihn nicht mehr belastet sein kann. Der Beschwerdeführerin fehlte es daher bereits im Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Beschwerde (18. Oktober 1995) an der Beschwer, um den an sie ergangenen Bescheid mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof anfechten zu können.

III. Die Beschwerde ist sohin

mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG als unzulässig zurückzuweisen.

Der Antrag, die Beschwerde in eventu dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung gemäß Art144 Abs3 B-VG und §87 Abs3 VerfGG nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

Schlagworte

VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B3181.1995

Dokumentnummer

JFT_10039774_95B03181_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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