Entscheidungsdatum
23.04.2020Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W214 2185513-1/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit: Iran, vertreten durch den Verein der Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2018, XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der persischen Volksgruppe, stellte am XXXX 10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am XXXX 11.2015 gab der Beschwerdeführer an, Anfang September legal aus seinem Heimatland in Richtung Türkei ausgereist zu sein und mit Hilfe von Schleppern über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Weiters gab er an, ca. vor einem Jahr vom Islam zum Protestantismus konvertiert zu sein und dadurch in seiner eigenen Firma viele Kunden verloren zu haben. Er habe auch Angst bekommen, dass die Regierung von der Konversion Kenntnis erlangen könnte, weil seine Religion zu wechseln die Todesstrafe im Iran bedeuten würde. Deshalb sei er geflüchtet.
Am 04.09.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) im Beisein eines Dolmetschers für Farsi niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, verheiratet zu sein, ein minderjähriges. Kind zu haben und zuletzt in der Stadt XXXX gelebt zu haben, wo er auch geboren sei. Seine Ehefrau und sein Kind würden sich in der Stadt XXXX , im Iran, befinden. Weiters gab er an, im Iran 12 Jahre lang die Schule besucht und fünf Jahre lang Software Engineering studiert zu haben. Seine Eltern, zu denen regelmäßiger Kontakt bestehe, sowie weitere Verwandte seien im Iran aufhältig. Er habe auch noch Verwandte in anderen europäischen Staaten. In Österreich habe er keine Familienangehörige oder Verwandte. Er arbeite an der TU an einem Projekt, erstelle ehrenamtlich Websites und beschäftige sich mit dem XXXX , befinde sich aber in Grundversorgung. Darüber hinaus habe er einen A1- Deutschkurs besucht und einmal in der Woche gehe er in die Kirche, wo er ehrenamtlich als Dolmetscher und in einem Security Team tätig sei.
Nach dem Fluchtgrund befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass er deshalb geflüchtet sei, weil sein Leben im Iran in Gefahr gewesen wäre. Er habe gehört, dass ein guter Freund verhaftet worden sei und dann hätte er Angst bekommen. Das sei ein Warnsignal für ihn gewesen und daher habe er das Land verlassen, bevor man ihn verhaften habe können. Da er Christ sei, würde er mit dem Staat Iran ein Problem haben. Die Konversion habe ca. ein Jahr vor seiner Ausreise aus Iran stattgefunden. Zwei Jahre davor habe er zum ersten Mal Kontakt mit dem Christentum gehabt. Als er zu einem dringenden Termin bei der Handballföderation fahren müssen habe, sei ein starker Verkehr gewesen. Daraufhin habe er einen Motorradfahrer angehalten und sei mit diesem zu seinem Ziel gefahren. Unterwegs habe ihm der Motorradfahrer eine Menge Informationen über das Christentum gegeben. Am Ziel angekommen, habe der Motorradfahrer nichts für die Fahrt verlangt und ihm stattdessen eine Bibel gegeben. Weitere Kontakte mit dem Christentum habe der Beschwerdeführer in seiner Firma gehabt. Ein Mann namens XXXX , der die Aufgabe gehabt habe, das Telefonsystem in der Firma zu wechseln, habe bei ihm das Fundament für den Religionswechsel gelegt. Mit diesem Mann sei der Kontakt längere Zeit aufrecht geblieben, bis dieser dann angefangen habe, in der Firma Sitzungen zu organisieren. In den Sitzungen hätten die Leute gebetet, aus der Bibel gelesen und sich über das Christentum unterhalten. Sie hätten auch gemeinsam gegessen. Einen Tag vor der Ausreise des Beschwerdeführers sei Herr XXXX verhaftet worden, und der Beschwerdeführer sei sich sicher gewesen, dass ihm das gleiche Schicksal drohen würde und sei deshalb geflüchtet. Offiziell Konvertieren sei im Iran nicht möglich, aber er habe das Christentum mit Überzeugung angenommen. Er habe im Laufe der Zeit gesehen, dass das Christentum für Liebe, Hoffnung und gegen Gewalt stehen würde. In Jesus Christus habe er Gott gefunden, was in seiner früheren Religion nicht der Fall gewesen sei. Auf die Frage, was seine Kritikpunkte am Islam seien, gab der Beschwerdeführer an, dass die Basis vom Islam Gewalt sei und dass der Islam die Kultur des Irans vernichtet habe. Sein Leben als Moslem sei dunkel gewesen, aber nachdem er die Lehre des Christentums gelesen habe, habe er sich vorstellen können, dass diese der Ausweg, die Rettung sei. Das Christentum habe ihm neue Hoffnung gegeben, es sei wie eine Wiedergeburt gewesen. Als Taufvorbereitung habe der Beschwerdeführer zwei Ausbildungskurse besucht, die insgesamt sechs Monate gedauert hätten. Von der Konversion würden seine Eltern und seine Frau wissen, und im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat würden ihm der Tod oder andere schlimme Strafen drohen. Dem Beschwerdeführer wurde bei der Einvernahme eine Reihe von detaillierten Fragen zum Christentum und Protestantismus gestellt, von denen er die meisten Fragen richtig oder fast richtig beantwortete.
Der Beschwerdeführer legte bei seiner Einvernahme eine Kopie der Identitätskarte und eine Kopie der Geburtsurkunde, beide ausgestellt in XXXX , einen Taufschein vom XXXX vom XXXX , eine Austrittsbestätigung von der islamischen Glaubensgemeinschaft vom XXXX und weitere Dokumente vor.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.) und setzte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Entscheidung (Spruchpunkt IV.).
Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen fest, dass der Beschwerdeführer iranischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der Volksgruppe der Perser sei. Die Identität könne mangels Vorlage eines für echt befundenen Identitätsdokuments nicht festgestellt werden. Im Bundesgebiet habe er keine Kinder und keine Verwandten oder Familien. Der Beschwerdeführer habe im Iran 12 Jahre lang die Schule besucht und habe anschließend das Studium "Software-Engineering" an einer iranischen Universität abgeschlossen. In diesem Bereich habe er im Iran zehn Jahre Arbeitserfahrung gesammelt. Er sei illegal in das Bundesgebiet eingereist und sei in Österreich bisher nicht straffällig geworden. Der Beschwerdeführer sei gesund und sei weiters in einer protestantischen Freikirche konvertiert.
Nicht festgestellt werden könne von der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Der Beschwerdeführer habe keine gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen glaubhaft vorbringen können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er im Iran einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliege.
Auch eine Gefährdung im Falle einer Rückkehr könne nicht festgestellt werden. Es sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung seiner Angehörigen den Lebensunterhalt, wie bisher, zu sichern.
Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wurde festgehalten, dass dieser in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige iSd Art. 8 EMRK habe. Er gehöre keinem Verein an, sei aber ehrenamtlich tätig. Die Kirche besuche er wöchentlich und seine Deutschkenntnisse seien mäßig.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die Fluchtgründe (Bedrohung durch Konversion) keine individuelle und konkrete Bedrohungssituation, der er ausgesetzt gewesen wäre, habe schildern können. Darüber hinaus sei ihm nicht gelungen in persönlicher Hinsicht als glaubwürdig in Erscheinung zu treten, seine Angaben zu den Fluchtgründen rund um Bedrohungen auf Grund seiner behaupteten Konversion erscheine konstruiert und nicht glaubhaft. Unglaubwürdig seien einerseits die Angaben über die geschilderte Motorradfahrt und der erste Kontakt mit dem Christentum, da es sehr unwahrscheinlich sein würde, dass während einer Motorradfahrt ein tiefgründiges Gespräch über das Christentum geführt werden könne. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, warum ein Motorradfahrer einer ihm unbekannte Person seine christliche Überzeugung anvertrauen sowie eine Bibel mitführen würde, welche bei einer Verkehrskontrolle ein extremes Risiko darstelle. Anderseits könne auch der Behauptung kein Glauben geschenkt werden, dass nur der Herr XXXX , der die Sitzungen in der Firma organisiert hätte, verhaftet worden sei. Es sei eigenartig, warum die Sicherheitsorgane nicht alle Teilnehmer dieser Sitzungen verhaften würden, da diese ja an einer christlichen Sitzung teilgenommen hätten. Fragen zur Religion habe der Beschwerdeführer durchaus passabel beantworten können, die Antworten hätten jedoch einstudiert und auswendig gelernt gewirkt. Für eine Person seiner Intelligenz und Bildung stelle es zudem in der Regel keine große Hürde dar, zahlreiche Informationen aufzunehmen und zu internalisieren. Daraus allein könne jedoch noch keine innere Überzeugung abgeleitet werden.
In Summe gesehen komme die belangte Behörde zum Schluss, dass der maßgebliche den Fluchtgrund betreffende Sachverhalt nicht den Tatsachen entspreche und der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen keine asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können.
Auch das Erfordernis der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde von der belangten Behörde verneint, da von einer allgemeinen, lebensbedrohenden Notlage im Iran, welche die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK bei einer allfälligen Rückkehr indizieren würde, nicht gesprochen werden könne. Grundsätzlich bestünden bezüglich Iran keine Anhaltspunkte dafür, dass dort gegenwärtig eine extreme Gefahrenlage herrsche, durch die praktisch jeder der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre. Es sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, im Falle einer Rückkehr einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und sich seinen Lebensunterhalt zu sichern. Wie bereits erwähnt, könne im gegenständlichen Fall von einer Glaubhaftmachung der Fluchtgründe nicht gesprochen werden, weshalb auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 50 FPG ausgegangen werden könnte.
Da die Gründe für eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG nicht vorlägen, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen ebenfalls nicht erteilt.
Weiters erließ die belangte Behörde eine Rückkehrentscheidung und führte hierzu aus, dass diese zulässig sei, da der Beschwerdeführer dadurch nicht in seinem Recht auf Familienleben oder Privatleben verletzt sei. In Österreich befänden sich keinerlei Verwandten bzw. Familienangehörigen, und er gehöre auch keinem Verein an. Der Beschwerdeführer besuche wöchentlich eine Kirche, was aus einem Schreiben der XXXX hervorgehe. Seine Deutschkenntnisse seien nur mäßig und es würden auch keine vertiefenden Formen der Integration vorliegen. Aufgrund der genannten Darlegung des Familien- und Privatlebens des Beschwerdeführers sei nicht davon auszugehen, dass er wesentliche integrative Bindungen zu Österreich habe. In Abwägung sei dem Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen als den bloß privaten Interessen des Beschwerdeführers. Daher sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Die Abschiebung in den Iran sei auch zulässig, da keine Hinderungsgründe des § 50 FPG vorlägen und habe die Ausreise des Beschwerdeführers binnen 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides zu erfolgen (§ 55 FPG).
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen gewählten Rechtsvertreter innerhalb offener Frist mit Schriftsatz vom XXXX 02.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Der Beschwerdeführer beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge,
- den Bescheid dahingehend abändern, dass den Anträgen auf internationalen Schutz Folge gegeben und gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird;
- in eventu gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen;
- in eventu Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG erteilen;
- in eventu den Bescheid ersatzlos beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen;
- die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und die Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG aufheben;
- sowie eine mündliche Verhandlung anberaumen.
Der Beschwerdeführer führte (nach Wiederholung des Sachverhalts und Vorbringens bei der Einvernahme bei der belangten Behörde) aus, dass der Beschwerdeführer seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung und mangels Fähigkeit seines Heimatstaates, ihn vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß tatsächlich und effektiv zu schützen, verlassen habe. Es sei davon auszugehen, dass ihm im Falle der Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung und eventuell sogar die Todesstrafe drohen würde. Die iranischen Sicherheitsbehörden seien nicht gewillt bzw. imstande, ihm den notwendigen Schutz zu bieten, weshalb er Flüchtling im Sinne der GFK sei. Der Beschwerdeführer habe sich immer mehr zum Christentum hingezogen gefühlt und habe auch einige Male an Sitzungen und Gebeten teilgenommen, die XXXX organisiert habe. Einen Tag vor der Ausreise des Beschwerdeführers sei XXXX verhaftet worden und daher habe er aus Angst sein Heimatland verlassen. Es werde ihm vorgeworfen, dass seine Aussagen nicht glaubwürdig seien. So werde ihm vorgeworfen, legal ausgereist zu sein. Der Beschwerdeführer habe nicht mehr in ständiger Angst leben wollen und da er seinen Glauben nicht ausleben hätte können, sei er ausgereist. Nun besuche er regelmäßig die Kirche und fühle sich zum ersten Mal in seinem Leben frei.
Die Art und Weise, in welcher die Behörde ihre Feststellungen getroffen habe, entspreche nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht. Die Behörde würde dem Beschwerdeführer vorhalten, dass sein Fluchtvorbringen sehr vage und nicht glaubhaft sei. Ihm werde auch vorgeworfen, dass er seine Konversion zum Christentum nicht glaubhaft machen konnte und diese nur zum Schein passiert sei, um einen Asylgrund vorzutäuschen. Zu diesen Vorwürfen sei zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer sich mit dem Christentum identifizieren könne und das erste Mal in seinem Leben das Gefühl habe einer Religion anzugehören. Er habe auch einen Taufschein und die Austrittsbestätigung von der islamischen Glaubensgemeinschaft vorgelegt, welche Beweise für die Konversion darstellen würde. Jedoch habe die Behörde es unterlassen, die Unterlagen bei ihrer Entscheidungsfindung entsprechend zu würdigen. Außerdem werfe ihm die Behörde vor, keinen konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Dabei lasse sie aber außer Acht, dass der Beschwerdeführer nicht erst eine gegen ihn gerichtete Amtshandlung abwarten habe müssen. Im Falle einer Rückkehr sei mit Sanktionen des iranischen Regimes wegen Apostasie zu rechnen. Abgesehen davon, dass auch der belangten Behörde bekannt sei, dass Apostasie im Iran mit dem Tode bestraft werden könne, sei es auch aus den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass im Falle des Verdachtes der Apostasie zumindest weitere Nachforschungen, Einvernahmen und vor allem eine Überwachung durch die staatlichen Behörden anzunehmen seien.
Weiters sei dem Beschwerdeführer zu Gute zu halten, dass er sich sehr um einen legalen Aufenthalt in Österreich bemühe. Sein Integrationswille zeige sich auch darin, dass er bereits an diverse Deutschkurse teilnehme und ehrenamtlich arbeite. Der Beschwerdeführer habe bereits viele österreichischen Freunde, allerdings seien diese Tatsachen von der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung überhaupt nicht berücksichtigt worden, obwohl sie während der Einvernahme erwähnt worden seien. Somit habe die belangte Behörde auch über das Bestehen und die Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers mangelhaft entschieden.
4. Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
5. Am XXXX01.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Beschwerdeführers, dessen rechtlicher Vertretung und im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt. Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben seiner Partnerin vom XXXX01.2020 und Kopien der Reisepässe der Eltern der Partnerin und der Partnerin vor.
Der Beschwerdeführer gab an, dass er geschieden sei. Nach seiner Flucht aus dem Iran seien die Scheidungspapiere nach Hause gekommen. Er glaube, dass seine Ex-Frau im Jahre 2016 die Scheidung eingereicht hätte. Seine Eltern, sein Kind und seine Ex-Frau würden nach wie vor im Iran leben, mit seiner Mutter habe er zuletzt vor zwei oder drei Tagen Kontakt gehabt. Im Bundesgebiet befinde sich ein Bruder des Beschwerdeführers, der ebenfalls Asylwerber sei. Mittlerweile lebe er in Österreich mit seiner Freundin in einer Lebensgemeinschaft und pflege Kontakt zu ihrer Familie, zu seinen Arbeitskollegen und zu österreichischen Freunden. Derzeit sei er auch als selbständiger IT-Techniker berufstätig und erhalte sich selbst.
Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er aufgrund seiner Glaubensänderung nicht mehr in seiner Heimat hätte bleiben können. Sein bester Freund sei festgenommen worden und daher habe er sich nicht mehr sicher gefühlt. Aus diesem Grund hätte er seine Heimat verlassen. Ergänzend zu seiner Einvernahme bei der belangten Behörde gab er noch an, dass er sich nicht erinnern könne, warum er beim BFA gesagt habe, dass nur XXXX festgenommen worden sei. Er wisse nicht, ob auch weitere Personen von der Festnahme betroffen seien. Die Mutter von XXXX habe ihm erzählt, dass sein Freund zuhause verhaftet und samt seinen Habseligkeiten mitgenommen worden sei. Zur Frage, warum er sich dem christlichen Glauben zugewendet habe, gab er an, dass ihn XXXX nach langen Gesprächen missioniert hätte und er das Gefühl gehabt habe, dass es der richtige und wahre Weg sei.
In Österreich gehe der Beschwerdeführer seit Ende 2015 jeden Sonntag in die Kirche und bete jeden Tag in der Früh zu Hause. Nach seiner Ankunft in Österreich habe er die Gemeinde XXXX gefunden und sei dessen Mitglied geworden. Dort habe er die Taufkurse besucht und sei auch getauft worden. In der Kirche führe er Filmaufnahmen von Gottesdiensten durch, früher sei er auch als Dolmetscher, als Security-Mitarbeiter und organisatorisch tätig gewesen. Des Weiteren gab er an, mehrere Menschen missioniert zu haben. Im Falle einer Rückkehr würde er auch im Iran seinen Glauben praktizieren und in die Kirche gehen, auch wenn es gefährlich sein sollte, denn sein Glaube sei ihm am Wichtigsten.
In der mündlichen Verhandlung wurde ein Pastor des XXXX , XXXX , als Zeuge einvernommen. Er gab an, den Beschwerdeführer im Januar 2016 kennengelernt zu haben. Dieser habe regelmäßig die Kirche besucht, und in den ersten Jahren sei er bei der iranischen Gruppierung gewesen, für die der Zeuge zuständig sei. Im März 2018 sei der Beschwerdeführer auf Empfehlung des Zeugen zur internationalen Gruppierung gewechselt, um sich besser integrieren zu können. Bei der Gruppierung des Zeugen sei der Beschwerdeführer sehr engagiert gewesen, denn er habe als Übersetzer gearbeitet, habe für den Zeugen auch Übersetzungen in den sozialen Netzwerken durchgeführt und darüber hinaus habe er bei der Organisation von speziellen Events geholfen. Weiters gab der Zeuge an, dass der Beschwerdeführer das Christentum und die Bibel besser als die meisten anderen verstehen würde. Außerdem teile der Beschwerdeführer seinen Glauben auch mit anderen. Der Zeuge habe den Beschwerdeführer, nachdem sich dieser etwa sieben Monate lang in einem sogenannten "8-Schritte-Programm" befunden habe, am XXXX getauft. In einer Zeitspanne von ca. ein bis eineinhalb Jahren würden die Teilnehmer diese acht Schritte durchlaufen, wobei die Taufe den vierten Schritt darstellen würde. Wenn eine Person für die Taufe nicht bereit wäre, würde der Zeuge sie natürlich nicht taufen.
6. Mit Schreiben vom XXXX 02.2020 legte der Beschwerdeführer eine Kopie seines Scheidungsurteils vor, welches einer Übersetzung zugeführt wurde.
Zum Inhalt der Urkunde und der Übersetzung gab der Beschwerdeführer (seine Rechtsvertretung) mit Schreiben vom 16.04.2020 eine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang wird als maßgeblich festgestellt.
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und zum Fluchtvorbringen
Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der persischen Volksgruppe. Er trägt den im Spruch angeführten Namen und ist am XXXX geboren. Der Beschwerdeführer ist geschieden, hat ein Kind und war im Iran zuletzt in der Stadt XXXX wohnhaft. Er hat 12 Jahre lang die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Danach hat der Beschwerdeführer das Studium "Software-Engineering" an einer iranischen Universität absolviert und hat in diesem Bereich zehn Jahre Arbeitserfahrung gesammelt. Im Herkunftsstaat leben noch seine Eltern, seine Ex-Frau, sein Kind sowie Onkeln und Tanten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seinen Eltern. Ein Onkel des Beschwerdeführers lebt seit Jahren in England, eine Cousine und ein Cousin sind ebenfalls schon länger in Deutschland.
In Österreich lebt ein Bruder des Beschwerdeführers, der gleichzeitig mit ihm nach Österreich eingereist ist und dem inzwischen der Status eines Asylberechtigten zugesprochen wurde.
Der Beschwerdeführer hat eine österreichische Freundin, mit welcher er zusammenlebt. Er verfügt zudem über einen österreichischen Freundes- und Bekanntenkreis.
Der Beschwerdeführer kümmert sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um seine schwerkranke Freundin und seinen Bruder, der psychische Probleme hat.
Der Beschwerdeführer reiste legal aus dem Iran aus und illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX 10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seit der Antragstellung befand sich der Beschwerdeführer lediglich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz durchgängig rechtmäßig im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer bezog seit der Einreise in das Bundesgebiet Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist derzeit als selbständiger IT-Techniker berufstätig und nach seinen Angaben selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise aus Iran keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer ist im Iran weder vorbestraft noch wurde er dort jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme. Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.
Als maßgeblich wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer spätestens in Österreich im Jahr 2016 zum Christentum konvertiert ist. Er hat im XXXX Taufkurse absolviert und wurde am XXXX getauft. Am XXXX2017 ist der Beschwerdeführer aus XXXX ausgetreten. Seit Ende 2015 nimmt der Beschwerdeführer regelmäßig am Gottesdienst teil, er liest die Bibel und betet. Der Beschwerdeführer ist in der Kirche ehrenamtlich tätig und hat zeitweise auch bei diversen Tätigkeiten wie z.B. bei Übersetzungsarbeiten oder bei der Organisation von Events mitgeholfen.
Der Beschwerdeführer ist vom christlichen Glauben überzeugt. Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben hingewendet. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben in seinem Herkunftsstaat Iran verleugnen würde.
Der Beschwerdeführer hätte das Bedürfnis, den christlichen Glauben auch bei seiner Rückkehr in den Iran innerlich und äußerlich auszuleben. Die Konversion des Beschwerdeführers ist im Iran jedenfalls einigen Familienmitgliedern und seiner Ex-Frau bekannt, wobei anzunehmen ist, dass die Ex-Frau dieses Wissen auch an andere Personen in ihrer Familie weitergegeben hat, die dem Beschwerdeführer nicht wohlgesonnen sind.
Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für konvertierte Christen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran auf Grund seiner nunmehr christlichen Religion keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegt.
Dem Beschwerdeführer steht als vom Islam zum Christentum Konvertierten keine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Es liegt kein Asylausschlussgrund vor.
1.2 Zur hier relevanten Situation im Iran
Rechtsschutz / Justizwesen
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewaltenbei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahestehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)
Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).
In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte: Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden"; Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen; Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers; Spionage für fremde Mächte; Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel; Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).
Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen
auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden (AA 12.1.2019). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen ("Qisas"), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes ("Diya") kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten (ÖB Teheran 12.2018).
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).
Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei
Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA
Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 12.1.2019).
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse.
Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 12.1.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Islamischen Republik Iran,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt-
bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-
november-2015-09-12-2015.pdf. Zugriff 24.5.2019
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asvl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-
01-2019.pdf, Zugriff 24.5.2019
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html. Zugriff 24.5.2019
- BTI -Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf. Zugriff 24.5.2019
- FH -Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 Iran. https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html. Zugriff 31.5.2019
- HRW- Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 --Iran.
https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html. Zugriff 24.5.2019
- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran. https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll %C3%A4nderbericht+2018.pdf. Zugriff 24.5.2019
- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran. https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html. Zugriff 24.5.2019
- US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom
- Iran. https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html. Zugriff 24.5.2019
Sicherheitsbehörden
Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium. die Ordnungskräfte des Innenministeriums. die dem Präsidenten berichten. und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC). welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte. eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern. sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten. die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 13.3.2019). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen und Kinder an (AA 12.1.2019). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung. die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten. wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 12.2018).
Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei. Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei). Internetpolizei. Drogenpolizei. Grenzschutzpolizei. Küstenwache. Militärpolizei. Luftfahrtpolizei. eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein. deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut. haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft. Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 12.1.2019). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.2.2019). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).
Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela'at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Basij und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 12.1.2019).
Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und im Falle von Protesten oder Aufständen. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2018). Der Oberste Führer hat höchste Autorität unter allen Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der Fall des früheren Teheraner Staatsanwaltes dar, der im November 2017 für seine mutmaßliche Verantwortung für Folter und Todesfälle unter Demonstranten im Jahr 2009, zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (US DOS 13.3.2019).
Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelungen durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 12.2018).
In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-
01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019
- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf. Zugriff 27.5.2019
- DW - Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft. http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802. Zugriff 27.5.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran. https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html. Zugriff 31.5.2019
- DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran. Iran. Ankara. Turkey and London. United Kingdom. 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017.
https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf. Zugriff 27.5.2019
- Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden. https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/. Zugriff
27.5.2019
- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran. https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asvll %C3%A4nderbericht+2018.pdf. Zugriff 27.5.2019
- Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben. https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-so-
viel-macht-haben/19907934.html. Zugriff 27.5.2019
- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran. https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html. Zugriff 27.5.2019
Folter und unmenschliche Behandlung
Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nicht registrierten Gefängnissen. aber auch aus offiziellen Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet. insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis. welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht. Foltervorwürfen von Inhaftierten gehen die Behörden grundsätzlich nicht nach (AA 12.1.2019. vgl. US DOS 13.3.2019). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen. die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen. unter ihnen auch Minderjährige. erhalten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben (AI 22.2.2018. vgl. US DOS 13.3.2019). Sie wurden wegen Diebstahls oder tätlichen Angriffen verurteilt. aber auch wegen Taten. die laut Völkerrecht nicht strafbar sind. wie z. B. außereheliche Beziehungen. Anwesenheit bei Feiern. an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen. Essen in der Öffentlichkeit während des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verhängten Amputationsstrafen. die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Die Behörden vollstrecken auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).
Bei Delikten. die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen. können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, unter Umständen ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 12.2018). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018).
Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase, um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidiger und jugendlichen Straftätern. Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen. Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019, vgl. HRW 17.1.2019).
Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.2.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598 1548938794 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html. Zugriff 28.5.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html. Zugriff 31.5.2019
- HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/ HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a hrc 40 24 E.pdf, Zugriff 28.5.2019
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 28.5.2019
- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll %C3%A4nderbericht+2018.pdf. Zugriff 28.5.2019
- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html. Zugriff 28.5.2019
Korruption
Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Die meisten Beamten betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte "bonyads", leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahestehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen. Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten, Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister-, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (US DOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019).
Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption; nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).
Transparency International führt Iran in seinem Korruptionsindex von 2018 mit 28 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 138 von 180 untersuchten Ländern (TI 30.1.2019). Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 3.2019b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Islamischen Republik Iran,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-
asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-
01-2019.pdf, Zugriff 30.4.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.4.2019
- GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412, Zugriff 30.4.2019
- Transparency International (30.1.2019): Corruption Perspective Index 2018 - Iran, https://www.transparency.org/whatwedo/publication/corruption_perceptions_index_2018. Zugriff 30.4.2019
- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html, Zugriff 30.4.2019
Allgemeine Menschenrechtslage
Die iranische Verfassung vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene "Hohe Rat für Menschenrechte" untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten "Pariser Prinzipien" (AA 12.1.2019).
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:
- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
- Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischen Recht)
- Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
- UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen
- Konvention über die Rechte behinderter Menschen
- UN-Apartheit-Konvention
- Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 12.1.2019)
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:
- Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
- Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
- Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 12.1.2019).
Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 12.2018). Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 13.3.2019).
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch F