TE Bvwg Beschluss 2020/4/30 W136 2227484-1

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Veröffentlicht am 30.04.2020
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Entscheidungsdatum

30.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs9
B-VG Art135 Abs4
B-VG Art139 Abs1 Z1
B-VG Art89 Abs2
VwGG §25a Abs3
VwGVG §34 Abs2 Z2

Spruch

W136 2227484-1/7Z

A N T R A G

gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Bgdr Mag. Norbert HUBER und MinR Mag. Christoph Proksch als Beisitzer gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG beschlossen, in der Beschwerdesache des XXXX gegen das Erkenntnis der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 15.11.2019, Zl. 1050-09-DKS/19, nachfolgend zu stellen den

ANTRAG

folgende Bestimmungen der "Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2019 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2019", Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr. 20/2019 als gesetzwidrig aufzuheben:

1. die Wortfolge "mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2019" im Titel der Verordnung

2. Punkt I. im Umfang des Einleitungssatzes "Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2019 wird verfügt:" sowie der Festlegung der Zuständigkeit und Zusammensetzung des Senates 7

3. Punkt II. über die Verhinderung des Senatsvorsitzenden zur Gänze.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Sachverhalt:

Über den Beschwerdeführer, einen Beamten der Verwendungsgruppe M ZUO, der den Dienstgrad XXXX führt, wurde mit Erkenntnis der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 15.11.2019 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht mit Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze angefochten. Vorgebracht wurde ua., dass der Beschwerdeführer in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei, weil die bekämpfte Entscheidung auf einer gesetzwidrigen Verordnung fuße.

Die Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 08.01.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2020, die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsakts vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zum vorliegenden Fall:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Das Heeresdisziplinargesetz 2014 (HDG 2014), BGBl I Nr. 2/2014 (WV) sieht gemäß § 75 Abs. 1 Z 2 Senatsentscheidungen des BVwG für Beschwerden gegen ein Erkenntnisse der DKS, mit dem die Disziplinarstrafe Entlassung oder Unfähigkeit der Beförderung oder Degradierung oder Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte verhängt wurde, vor. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass zur Antragstellung gemäß Art. 139 und 140 B-VG nur jener Spruchkörper eines Gerichtes berechtigt ist, der die anzufechtende Norm bei der Entscheidung in der Sache anzuwenden hat (vgl. zB VfGH 14.10.2016, G 45/2016 mwN).

Aus diesem Grund ist der vorliegende Beschluss durch den Senat zu fassen.

2. Präjudizialität:

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes umfasst der Prüfungsmaßstab der "Gesetzwidrigkeit" nach Art. 139 Abs. 1 B-VG auch die Verfassungsmäßigkeit einer Verordnung (siehe VfSlg. 16.242/2001; VfGH 10.12.2012, V 22/12 ua.). Ebenso darf nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein Antrag im Sinne des Art. 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - Verordnungsbestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichts im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).

Gemäß § 27 1. Fall des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. § 27 VwGVG ist daher zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht - hier das Bundesverwaltungsgericht - immer zu überprüfen hat, ob die zuständige Behörde entschieden hat.

Aus den angefochtenen Bestimmungen der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2019 ergibt sich die Zuständigkeit (jeweils eines Senates) der Behörde, die den bekämpften Bescheid erlassen hat, weshalb im gegenständlichen Verfahren diese Normen für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts präjudiziell iSd Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG sind.

3. Verfassungsrechtliche Bedenken:

Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass eines bei ihm anhängigen Beschwerdefalls mit Beschluss vom 24.02.2020, E 3606/2019, beschlossen, gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 2 B-VG die Gesetzmäßigkeit dreier näher genannter Wortfolgen der "Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2019 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2019" von Amts wegen zu prüfen. In der Begründung dieses Beschlusses legt der Verfassungsgerichtshof seine Bedenken wie folgt näher dar:

"4.1. Gemäß der gesetzlichen Bestimmung des § 18 Abs. 2 HDG 2014 obliegt dem Vorsitzenden der Disziplinarkommission der Erlass der Geschäftseinteilung. Im Falle seiner Verhinderung kommen seine Aufgaben dem in Betracht kommenden Stellvertreter zu (§ 17 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 2 iVm § 18 Abs. 2 HDG 2014 idF BGBl. I 61/2018).

4.2. Der Stellvertreter des Vorsitzenden der Disziplinarkommission, der zum Erlass der in Prüfung gezogenen Bestimmungen der Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2019 zuständig ist, dürfte sich aus der Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2018 (siehe Punkt II.2.) ergeben. Als Stellvertreter des Vorsitzenden sind in der Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2018 in absteigender Reihenfolge "Bgdr XXXX ", "Obst XXXX " und "Obst XXXX " angeführt. Mangels näherer Konkretisierung bzw. anderer Regelungen geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die genannten Mitglieder in der angeführten Reihenfolge den stellvertretenden Vorsitz übernehmen. Demnach würden die Aufgaben des Vorsitzenden im Falle seiner Verhinderung an den erstgenannten Stellvertreter übergehen; ist dieser ebenfalls verhindert, hat der Zweitgenannte die Aufgaben des Vorsitzenden wahrzunehmen; bei Verhinderung des Zweitgenannten käme dem drittgenannten Stellvertreter diese Aufgabe zu. Dieser Ansicht folgend wäre Brigadier XXXX zur Stellvertretung des Vorsitzenden berufen. Aus den Verordnungsakten geht nun hervor, dass dieser am 31. Juli 2018 in den Ruhestand versetzt wurde und demgemäß - der Reihenfolge der Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2018 entsprechend - Oberst XXXX zur Stellvertretung des Vorsitzenden berufen wäre. Die Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2019 wurde jedoch von Oberst XXXX als stellvertretenden Vorsitzenden erlassen. Dass dieser zum Erlass der in Prüfung gezogenen Geschäftseinteilung zuständig war, ist für den Verfassungsgerichtshof weder aus der Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2018 noch aus dem Bezug habenden Verordnungsakt ersichtlich. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass die in Prüfung gezogene Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2019 mangels Zuständigkeit des verordnungserlassenden Organs gesetzwidrig ist (vgl. VfSlg. 14.985/1997).

5. Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2019 sind beim Verfassungsgerichtshof auch wegen ihres rückwirkenden Inkrafttretens entstanden:

5.1. In der Einleitung als auch unter Punkt I. der Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2019 wird das Inkrafttreten mit "Wirksamkeit vom 1. Jänner 2019" angeordnet. Die Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2019 dürfte durch Anschlag an der Amtstafel am 12. Februar 2019 kundgemacht worden sein (vgl. Punkt III.3.3.); der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass mit den in Prüfung gezogenen Wortfolgen ein rückwirkendes Inkrafttreten angeordnet wurde.

5.2. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Rückwirkung von Verordnungen - von hier nicht in Betracht kommenden Sonderfällen (vgl. VfSlg. 20.232/2017) abgesehen - nur zulässig, wenn das Gesetz ausdrücklich dazu ermächtigt (vgl. zB VfSlg. 12.943/1991, 13.370/1993, 15.675/1999, 17.773/2006, 18.037/2006, 20.127/2016, 20.211/2017). Die Anordnung einer Rückwirkung muss sohin von der Ermächtigungsgrundlage umfasst sein.

5.3. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass weder § 18 Abs. 2 HDG 2014 noch eine andere Bestimmung des HDG 2014 eine solche Ermächtigung für die Erlassung der Geschäftseinteilung der DKS für das Kalenderjahr 2019 erteilt. Aus den dargelegten Gründen scheint die Verordnung - zumindest für den Zeitraum vom 1. Jänner 2019 bis zum Ablauf des 12. Februar 2019 - auch aus diesem Grund gesetzwidrig zu sein."

Das Bundesverwaltungsgericht teilt diese Bedenken, weshalb der aus dem Spruch ersichtliche Aufhebungsantrag zu stellen ist.

Dass die Mitgliedschaft des Vorsitzende der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung zum Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Geschäftseinteilung ruhend gestellt war, sowie dass der unter Punkt 4.2 (E 3606/2019) genannten Brigadier XXXX am 31. Juli 2018 in den Ruhestand versetzt wurde, ist den beiden fachkundigen Laienrichtern des BVwG im gegenständlichen Verfahren - und somit diesem Senat - aufgrund deren Zugehörigkeit bzw. Tätigkeit im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport bekannt.

Im gegenständlichen Beschwerdefall hat jedoch der gemäß der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung zuständige Senat 7 die bekämpfte Entscheidung erlassen, weshalb gegen die Festlegung der Zuständigkeit und Zusammensetzung des Senates 7 seitens des Bundesverwaltungsgerichtes die oben dargestellten Bedenken bestehen.

III. Aussetzung des Verfahrens

Gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 VwGVG wird das gegenständliche Verfahren ausgesetzt. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 VwGG die Revision nicht zulässig.

Schlagworte

Disziplinarkommission für Soldaten Disziplinarstrafe Disziplinarverfahren Entlassung Geschäftseinteilung Disziplinarkommission BMLV Gesetzesprüfung gesetzlicher Richter Gesetzprüfungsantrag gesetzwidrige Zusammensetzung Verordnungsprüfung VfGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2227484.1.00

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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