TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/4 W102 2134327-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W102 2134327-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 08.08.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.11.2019 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall AsylG 2005 stattgegeben und die Spruchpunkte I. und III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben

II. In Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter um zwei weitere Jahre gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verlängert.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 03.01.2016 stellte der damals minderjährige Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach niederschriftlicher Einvernahme am 17.03.2016 mit Bescheid vom 26.07.2016 (in der Folge Zuerkennungsbescheid), zugestellt am 01.08.2016, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abwies, dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannte (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 29.07.2017 erteilte. Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt II. aus, dem Beschwerdeführer sei im Herkunftsstaat die Lebensgrundlage gänzlich entzogen, er habe keinerlei sozialen Netzwerke in Afghanistan, seine Verwandten würden in Pakistan leben, seine Eltern seien verstorben. Er verfüge nicht über Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten.

Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.03.2017 als unbegründet abgewiesen.

Auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 08.06.2017 hin wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2017 (in der Folge Verlängerungsbescheid), zugestellt am 11.07.2017, eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 29.07.2019 erteilt. Begründend führte die Behörde aus, die Voraussetzungen würden vorliegen und könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG eine nähere Begründung entfallen.

Am 17.06.2019 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.08.2019 (in der Folge Aberkennungsbescheid), zugestellt am 13.08.2019, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer - nach niederschriftlicher Einvernahme am 08.08.2019 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 17.06.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 5 FPG mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nicht mehr vorliegen, die subjektive Lage habe sich geändert. Es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative, der Beschwerdeführer habe familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan und in Österreich Arbeitserfahrung gesammelt. Den Länderberichten sei zu entnehmen, dass man in einigen Gebieten des Herkunftsstaates leben könne, in Mazar-e Sharif und Herat sei eine Ansiedelung zuzumuten. Auch ein fehlender sozialer Background bzw. fehlende Unterstützung führe nicht zur Unzumutbarkeit einer Neuansiedelung. Die subjektive Lage habe sich dahingehend geändert, als der Beschwerdeführer aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes in Europa einen massiven Zuwachs an Lebenserfahrung und Berufserfahrung gesammelt habe. Seine Familie könne ihn unterstützen, zumal es in Afghanistan ein funktionierendes Bankenwesen gebe. Der Beschwerdeführer könne auf Rückkehrhilfe zurückgreifen. Etwaige Ortsunkenntnisse würden nicht mehr zur Feststellung führen, dass Mazar-e Sharif oder Herat nicht als taugliche Fluchtalternative in Frage kämen. Der Beschwerdeführer könne im "Auffangbecken" der Volksgruppe landen und dürfe entsprechende Unterstützung erwarten.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2019 richtet sich die am 22.08.2019 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die Behörde habe nicht ermittelt, ob der Onkel willens und in der Lage sei, den Beschwerdeführer zu unterstützen. Die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage habe sich nicht verbessert. Die Umstände hätten sich im Wesentlichen nicht geändert.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 04.11.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin, ein Vertreter der belangten Behörde und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seiner Rückkehrsituation und zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt.

Am 06.11.2019 langte eine Stellungnahme der belangten Behörde am Bundesverwaltungsgericht ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, aus Sicht der belangten Behörde liege § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 vor, die Voraussetzungen hätten im Zeitpunkt der Zuerkennung nicht vorgelegen und würden auch aktuell nicht vorliegen. Die Entscheidung der Behörde sei keineswegs von einer Änderung der Rechtsprechung allein getragen, sondern von einer Aktualisierung des Kenntnisstandes zur allgemeinen Situation im Heimatland.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Teilnahmebestätigungen für Deutsch- und andere Kurse

* Teilnahmebestätigung für Werte- und Orientierungskurs

* Empfehlungsschreiben des Arbeitgebers

* Dienstzettel

* Sozialversicherungsauszüge

* Lohn/Gehaltsabrechnungen

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX in Pakistan und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Die Eltern des Beschwerdeführers stammen aus der Provinz Logar. Sie reisten bereits vor der Geburt des Beschwerdeführers aus dem Herkunftsstaat nach Pakistan aus, wo der Beschwerdeführer geboren wurde. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitete in Pakistan als Schafhirte.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind bei einem Autounfall in Pakistan verstorben, als der Beschwerdeführer etwa sechs Jahre alt war. Ab diesem Zeitpunkt lebte er im Haushalt seines Onkels väterlicherseits in Pakistan, bis er nach Europa ausreiste. Ein weiterer Onkel lebte ebenso in Pakistan.

In Pakistan hat der Beschwerdeführer keine Schule besucht und arbeitete nach dem Tod seiner Eltern gemeinsam mit seinen Onkeln als Müllsammler.

Der Beschwerdeführer war noch nie in Afghanistan. Er hat keine Angehörigen in Mazar-e Sharif oder Herat.

Die Onkel des Beschwerdeführers sind im Jahr 2016 nach der Ausreise des Beschwerdeführers nach Afghanistan zurückgekehrt und leben in Khost. Die Onkel sammeln Altmetall, das sie verkaufen. Der Beschwerdeführer steht zu ihnen in Kontakt

Ob sich die Onkel des Beschwerdeführers vor oder nach der Zustellung des Zuerkennungsbescheides in Khost niedergelassen haben, kann nicht festgestellt werden. Den Kontakt konnte der Beschwerdeführer erst nach der Rückkehr der Onkel wiederherstellen.

Dass der Beschwerdeführer finanziell von seinen Onkeln unterstützt werden kann bzw. im Jahr 2016 hätte unterstützt werden können, ist nicht ersichtlich.

Im Bundesgebiet lebte der Beschwerdeführer zunächst von der Grundversorgung. Ansonsten bezog er Arbeitslosengeld und war im Jahr 2019 bei verschiedenen Dienstgebern einige Monate als Arbeiter beschäftigt. Zudem hat er Deutschkurse besucht und begonnen, Lesen und Schreiben in deutscher Sprache zu lernen zu lernen.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen.

Die Provinz Logar zählt zu den relativ instabilen Provinzen Afghanistans mit aktiven aufständischen Kämpfern, die Sicherheitslage destabilisiert sich seit 2011 und hat sich zuletzt weiter verschlechtert. Es kommt regelmäßig zu Sicherheitsoperationen und Luftangriffen. Die Taliban errichten temporären Kontrollpunkten an den Straßen. Aufständische sind in allen Distrikten der Provinz aktiv, weite Teile der Provinz sind umkämpft oder stehen unter Talibankontrolle.

Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten deutlich erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.

In Balkh hat sich die Sicherheitslage - nachdem die Provinz lange zu den relativ ruhigen Provinzen gezählt wurde - verschlechtert. In Mazar-e-Sharif ist es zu einem Anstieg krimineller Aktivitäten wie Raub, Mord, Entführung etc. gekommen. Im Jahr 2018 ist die Anzahl ziviler Opfer in Balkh im Vergleich zu 2017 um 76 % angestiegen. Hauptursachen sind Bodenkämpfe, Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielte Tötungen. Insbesondere sind die Todesfälle infolge von Bodenoffensiven um 296 % angestiegen. UNOCHA stuft Mazar-e-Sharif hinsichtlich der Schwere des Konfliktes in der zweithöchsten Kategorie ein.

Die Sicherheitslage im Distrikt Herat und in Herat (Stadt) hat sich nicht verbessert.

In Khost sind Aufständische (Taliban, Haqqani-Netzwerk) aktiv, die jedoch durch starke Stammeszugehörigkeiten und kohäsive lokale Gemeinschaften etwas eingeschränkt sind. Es werden Sicherheitsoperationen und auch Luftangriffe durchgeführt. Zuletzt hat sich 2019 die Sicherheitslage wieder destabilisiert. Die Taliban greifen unter anderem immer wieder Posten der afghanischen Sicherheitskräfte an. Die Provinzhauptstadt Khost steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung, die Taliban sind allerdings in der Stadt offen präsent, die Stadt ist stark vom Konflikt betroffen. Khost verfügt seit 2019 über einen Inlandsflughafen mit Linienbetrieb. Bis dahin war sie lediglich über den Landweg über die Autobahn Kabul-Gardez-Khost erreichbar, die durch die Provinzen Logar und Paktya (Distrikte Gardez, Shawak und Zadran) führt.

Die Provinz Paktya zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans, gilt als Talibanhochburg und stand seit 2001 nie unter vollständiger Kontrolle der Regierung. In der Provinz Paktya begann das Haqqani-Netzwerk bereits vor 2011 zu expandieren und hat dort eine starke Präsenz. In der Provinz kam und kommt es zu Luftangriffen und Bodenkämpfen.

Im Jahr 2016 bestand für den Beschwerdeführer im Fall einer Anreise von Kabul nach Khost die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Aktuell ist eine gefahrlose Anreise nach Khost über den Flughafen Khost - allenfalls nach Umstieg an einem der internationalen Flughäfen Afghanistans - möglich.

Im Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Khost droht ihm jedoch die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Versorgungslage und Lebensbedingungen im Herkunftsstaat haben sich in den letzten Jahren nicht verbessert. Rückkehrhilfe wurde bereits im Jahr 2017 gewährt

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus den gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.11.2019. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihren Entscheidungen zugrunde.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, hat er selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.11.2019 bestätigt (Verhandlungsprotokoll, S. 2-3). Anderslautendes Vorbringen wurde seither nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zur Herkunft der Eltern des Beschwerdeführers und deren Ausreise vor der Geburt des Beschwerdeführers beruhen auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.03.2016, die auch von der Behörde nicht in Zweifel gezogen wurden. Dies gilt auch für die frühere berufliche Tätigkeit des Vaters.

Dass seine Eltern bei einem Autounfall verstorben sind und er dann beim Onkel väterlicherseits lebte und mit seinen Onkeln als Müllsammler arbeitete, hat der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren gleichbleibend angegeben und wurde dies auch von der Behörde nicht in Zweifel gezogen. Gleiches gilt für die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine Schule besucht hat.

Dass der Beschwerdeführer noch nie in Afghanistan war und keine Angehörigen in Mazar-e Sharif oder Herat hat, ist aus seiner Lebensgeschichte und dem Aufenthalt seiner Angehörigen ersichtlich und hat der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.08.2019 angegeben, er habe keine Verwandten bzw. keine Familie in Afghanistan (Einvernahmeprotokoll vom 08.08.2019, S. 3, AS 3; S. 5, AS 5). Zur ebenso angegebenen "Schwiegerfamilie" des Onkels ist auszuführen, ist auszuführen, dass eine Verwandtschaft dieser Personen zum Beschwerdeführer nicht ersichtlich ist. Zudem sind diese Personen dem Beschwerdeführer nicht bekannt.

Zur Rückkehr der Onkel nach Afghanistan ist auszuführen, dass die Behörde diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde legte. Der Beschwerdeführer gab bereits in der niederschriftlichen Einvernahme am 08.08.2019 an, sein Onkel habe sich in Khost niedergelassen sowie, die Rückkehr sei drei oder vier Jahre zuvor erfolgt. Den Aufenthalt der Onkel in Khost hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.11.2019 auch nochmals bestätigt (Verhandlungsprotokoll, OZ 9, S. 3). Dass die Onkel auch in Khost weiterhin als Müllsammler arbeiten, ist unstrittig und plausibel. Dass Kontakt besteht, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.11.2019 bestätigt (Verhandlungsprotokoll, OZ 9, S. 3).

Dazu, dass nicht festgestellt werden konnte, ob die Onkel vor oder nach der Zustellung des Zuerkennungsbescheides am 01.08.2016 nach Afghanistan zurückgekehrt sind, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer die Rückkehr zeitlich nicht genau einzugrenzen vermag, jedoch angibt, sie seien nach seiner Ausreise zurückgekehrt und habe er am Beginn seines Aufenthaltes im Bundesgebiet keinen Kontakt zu ihnen gehabt (Verhandlungsprotokoll, OZ 9, S. 4). Damit übereinstimmend gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.03.2016 an, er habe seit seiner Ausreise keinen Kontakt zu seinen Onkeln (Einvernahmeprotokoll vom 17.03.2016, AS 59, S. 5), wobei die Antragstellung am 03.01.2016 aktenkundig ist. Auch ist ein EURODAC-Treffer vom 27.12.2015 in Griechenland aktenkundig. Die Rückkehr der Onkel grenzt er in der niederschriftlichen Einvernahme am 08.08.2019 mit ungefähr drei oder vier Jahren vorher ein (Einvernahmeprotokoll vom 08.08.2019, S. 4, AS 4). Damit erscheinen die Angaben des Beschwerdeführers zu diesem Themenkreis insgesamt konsistent. Allerdings sind zwischen Einvernahme des Beschwerdeführers am 17.03.2016 und Zustellung des Zuerkennungsbescheides an den Beschwerdeführer am 01.08.2016 viereinhalb Monate vergangen, weswegen sich nicht eingrenzen lässt, ob die Rückkehr (und Kontaktaufnahme) vor oder nach Zustellung des Zuerkennungsbescheides erfolgte.

Zur Feststellung, dass nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2016 finanziell von seinen Onkeln unterstützt hätte werden können bzw. aktuell unterstützt werden könnte, ist auszuführen, dass diese aktuell bzw. auch bereits im Jahr 2016 als Müllsammler arbeiten bzw. gearbeitet haben. Zudem musste der Beschwerdeführer bereits als Kind dabei helfen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich bereits daraus, dass finanzielle Unterstützung durch die Onkel weder 2016 möglich war, noch aktuell möglich ist. So ist darin, ob die Onkel des Beschwerdeführers nun in Afghanistan oder in Pakistan Müll sammeln, auch kein Unterschied in deren finanzieller Leistungsfähigkeit ersichtlich und ging die Behörde bei Zuerkennung (und Verlängerung) in der Annahme, die Onkel seien in Pakistan aufhältig, nicht von einer ausreichenden Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine Onkel aus.

Dass der Beschwerdeführer sonst keine Verwandten in Afghanistan hat, die er kennt, beruht auf seinen gleichbleibenden Angaben (siehe auch bereits oben).

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem, der AJ WEB Auskunft (AS 333 ff.), sowie den vom Beschwerdeführer vorgelegten Loh/Gehaltsabrechnungen und Kursbesuchsbestätigungen.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien).

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Logar beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.21. Logar sowie dem EASO COI Report: Afghanistan Security situation von Juni 2016, Kapitel 2.22. Logar, S. 206 ff., insbesondere Unterkapitel 2.22.2 Conflict background and actors in Logar und 2.22.3 Recent security trends and impact on the civilian population).

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen im Wesentlich auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul, den UNHCR-Richtlinien und dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.1 Kabul city, S. 67 ff. So berichten Länderinformationsblatt und UNHCR-Richtlinien von einer Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul sowie von einer Zunahme der zivilen Opfer. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien berichten von negativen Trends hinsichtlich der Sicherheitslage und bestätigen, dass Kabul wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer verzeichnet und diese insbesondere auf Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe regierungsfeindliche Kräfte zurückgehen, die zahlreiche Zivilisten auf ihren täglichen Wegen das Leben kosten. Die Gefahr, Opfer eines solchen Angriffs zu werden, sei bei sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten allgegenwärtig, etwa auf dem Arbeits- oder Schulweg, auf dem Weg zu medizinischen Behandlungen, beim Einkaufen, auf Märkten, in Moscheen oder an anderen Orten, wo viele Menschen zusammentreffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative, S. 127 f.). Insbesondere ergibt sich aus dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019 auch keine Trendumkehr in Bezug auf die Sicherheitslage in Kabul, weswegen eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul festgestellt wurde.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh und Mazar-e Sharif basieren auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 3.5. Balkh, S. 108 ff.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage im Distrikt Herat und in Herat (Stadt) beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.13. Herat, wo berichtet wird, dass Herat zu den relativ ruhigen Provinzen gehört, obgleich sich die Situation in den abgelegenen Distrikten in den letzten Jahren verschlechtert habe. Es komme zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Ähnlich berichtet auch der EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019 in seinem Kapitel 3.13. Herat (S. 149 ff.), dass es weiterhin Talibanaktivitäten und Kämpfe gibt. Hinsichtlich Herat (Stadt) wird von einem Anstieg der Kriminalität berichtet. Allerdings lässt sich den Berichten ein klarer Trend hinsichtlich der Sicherheitslage weder in Richtung einer Verbesserung noch in Richtung einer Verschlechterung entnehmen.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Khost beruhen auf dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.18 Khost, S. 180 ff., insbesondere Unterkapitel 2.18.2 Conflict background and actors in Khost und 2.18.3 Recent security trends and impact on the civilian population, sowie auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.17. Khost), wobei die Feststellung zur jüngsten Destabilisierung insbesondere auf dem Länderinformationsblatt beruht, demzufolge die Sicherheitslage im Juni 2019 in manchen Distrikten der Provinz Khost angespannt war, während sie im Dezember 2018 als vergleichsweise ruhig galt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.17. Khost, Abschnitt Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung). Dass die Provinzhauptstadt unter Kontrolle der afghanischen Regierung steht, die Taliban dort jedoch präsent sind, basiert auf dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.18.2 Conflict background and actors in Khost, insbesondere Tabelle, S. 183). Dass die Stadt stark vom Konflikt betroffen ist, beruht auf der EASO Country Guidance, der zufolge UNOCHA den Distrikt Khost (Matun) hinsichtlich der schwere des Konfliktes in die zweithöchste Kategorie einordnet, während alle anderen Distrikte in niedrigeren Kategorien eingeordnet sind (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Unterabschnitt Khost, S. 104-105). Auch die Tabelle des Länderinformationsblatt zu Todesopfer und Anzahl der Vorfälle weist die Stadt als relativ stark betroffen aus (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.17. Khost, insbesondere Abschnitt Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung).

Die Feststellung zum Inlandsflughafen in Khost beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Flugverbindungen, Übersichtsdarstellung der Verkehrsflughäfen mit Passagierbetrieb mit Stand 04.11.2019, wobei dieser Flughafen im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, Kapitel 3.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Flugverbindungen, Flughafenkarte mit Stand 04.05.2018) noch als reiner Militärflughafen eingezeichnet ist. Auch im EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 1.6 Mobility, Karte auf S. 66 mit Stand 25.03.2019, ist der Regionalflughafen Khost noch nicht enthalten.

Die Feststellung zur Autobahn Kabul-Gardez-Khost beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Weitere Autobahnen, Unterabschnitt Gardez - Khost-Autobahn (NH08), 3.26. Paktya/Paktia und Kapitel 3.21. Logar. Der Straßenverlauf ist etwa im EASO COI Report Afghanistan Security Situation von Juni 2019, Kapitel 2.27. Paktya, Karte auf S. 238 ersichtlich.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Paktya beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.26. Paktya/Paktia, sowie dem EASO COI Report Afghanistan Security Situation von Dezember 2017, Kapitel 2.27. Paktya, S. 216 ff. Der EASO COI Report Afghanistan Security Situation von Dezember 2017 berichtet, dass die Taliban seit 2013 ihre Auseinandersetzungen mit den Regierungsstreitkräften um die Kontrolle über Hauptverkehrsrouten erhöht haben. Unsicherheit auf den Straßen würde auch aus unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen, Entführungen, Geiselnahmen und "standrechtlichen" Hinrichtungen resultieren (Kapitel 1.9.4 Road security, S. 67 f.) Angesichts der starken Präsenz der Taliban in der Provinz Paktya unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Unsicherheit auf den Straßen Afghanistans wurde folglich festgestellt, dass für den Beschwerdeführer im Jahr 2016 im Fall einer Anreise nach Khost die Gefahr bestand, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Zur Feststellung einer aktuell gefahrlosen Anreise nach Khost ist auszuführen, dass hinsichtlich der Flughäfen Mazar-e Sharif, Herat und Kabul der EASO Country Guidance zu entnehmen ist, dass die drei genannten Städte über ihre jeweiligen Flughäfen grundsätzlich gefahrlos erreicht werden können (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection, Unterkapitel Travel and admittance, S. 130)., weswegen auch von einem allfälligen sicheren Umstieg in einen Linienflug nach Khost auszugehen ist. Das Länderinformationsblatt berichtet hinsichtlich des Flughafens in Khost nicht von spezifischen Vorfällen (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.17. Khost). Das betreffende Kapitel verweist allerdings noch darauf, dass es mit Stand März 2019 kein Linienflugbetrieb nach Khost gab, dies ist - wie bereits oben ausgeführt - allerdings nicht mehr aktuell.

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Niederlassung in Khost die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden, beruht auf der oben bereits dargestellten Sicherheitslage in der Provinz Khost sowie der starken Betroffenheit der Stadt Khost und der dortigen offenen Taliban-Präsenz.

Zur Versorgungslage ist auszuführen, dass in diesem Bereich von einer Verbesserung der Situation nicht berichtet wird. Es wird unverändert von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten, von fortbestehender Abhängigkeit von Hilfsleistungen wegen der unveränderten Konfliktbetroffenheit berichtet (Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft) und lässt sich den Informationen zur allgemeinen Rückkehrsituation ebenso (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr und Kapitel 20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge) nicht entnehmen, dass es zu einer Entspannung der Situation gekommen wäre. Zur medizinischen Versorgungslage ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 22. Medizinische Versorgung) eine noch immer deutlich mangelhafte Gesundheitsversorgung, auch wenn grundsätzlich von Fortschritten in den letzten zehn Jahren berichtet wird. Eine Verbesserung der Versorgungslage im Herkunftsstaat ist jedoch nicht ersichtlich, weswegen eine dementsprechende Feststellung getroffen wurde.

Zur Rückkehrhilfe ist auszuführen, dass schon der Zuerkennungsbescheid beruhend auf dem Länderinformationsblatt Afghanistan mit Stand 21.01.2016 Feststellungen zu nationaler und internationaler Rückkehrhilfe enthält (Zuerkennungsbescheid, S. 47 ff, AS 153 ff.), wobei auch hier schon mangelnder Koordination und Reintegrationsschwierigkeiten und eingeschränktem Zugang zu diversen Leistungen für Rückkehrer berichtet wird. Das Länderinformationsblatt berichtet von ähnlichen Schwierigkeiten (Kapitel 23. Rückkehrer). Eine Verbesserung der Situation von alleinstehenden Rückkehrern ist sohin nicht ersichtlich.

Zudem ist anzumerken, dass auch die belangte Behörde nicht von einer Verbesserung bzw. Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage im Herkunftsstaat ausgeht, sondern ihre Ausführungen im Wesentlichen auf eine Änderung der individuellen Situation des Beschwerdeführers beschränkt.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den "EASO-Richtlinien" verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Parteiengehör bezüglich der in dieser Entscheidung verwendeten Länderberichte konnte entfallen. Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Abfassung von Länderberichten Kenntnisse über ebendiese Länderberichte; weiters wurden diese ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers verwendet, deshalb auch diesbezüglich eine Notwendigkeit zur Gewährung von Parteiengehör nicht gegeben war. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt I. des Aberkennungsbescheides (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten)

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amtswegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.

§ 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, während § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall jene Konstellationen betrifft, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 m.w.N.).

Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides lediglich auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ohne explizit zu erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. Aus der rechtlichen Beurteilung, wo die belangte Behörde ausführt, die "Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten [würden] nicht mehr vorliegen" (Aberkennungsbescheid, S. 95 AS 105), ergibt sich jedoch klar, dass die belangte Behörde sich in ihrer Aberkennungsentscheidung auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stützt. Zudem ergibt sich ebenso klar aus dem Aberkennungsbescheid, dass die Behörde nicht von einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz, sondern vom nunmehrigen Vorliegen einer innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat ausgeht.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte die Behörde sodann erstmals aus, sie sei mittlerweile der Ansicht, dass § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG vorliege (Verhandlungsprotokoll, OZ 9, S. 5).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "die zu entscheidende Angelegenheit" im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht nicht auf den im Aberkennungsbescheid zur Anwendung gebrachten Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG beschränkt, sondern hat viel mehr alle Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG aufzugreifen.

Damit erachtet sich das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, die Voraussetzungen beider Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG zu prüfen.

Aus dem Zuerkennungsbescheid vom 29.07.2016 ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, weil er über keine sozialen oder familiären Netzwerke und nicht über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan verfügt, sowie, weil die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln insbesondere alleinstehender Rückkehrer ohne jeglichen familiären Rückhalt fast nicht möglich sei und keine diesbezügliche staatliche Unterstützung zu erwarten sei.

Aus den Ausführungen der belangten Behörde - sowohl im angefochtenen Bescheid, als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.11.2019 sowie in ihrer Stellungnahme vom 05.11.2019 - geht hervor, dass sie vom nicht (mehr) Vorliegen der Voraussetzungen hinsichtlich der Nichtverfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan ausgeht, nicht jedoch von einer Rückkehr des Beschwerdeführers in die Herkunftsprovinz. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht haben sich zudem Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz ergeben.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bringt § 8 Abs. 3 AsylG unmissverständlich zum Ausdruck, dass die in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht gegeben sind, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG zur Verfügung steht. Damit ist auch das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Aberkennungsverfahren beachtlich (VwGH 29.01.2020, Ro 2019/18/0002).

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Bei der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere im Hinblick auf das ihr innewohnende Zumutbarkeitskalkül auf die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet an (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

3.1.1. Zum Nichtvorliegen des Aberkennungstatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005

Nach Art. 19 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9-26, (in der Folge gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 AsylG "Statusrichtlinie") erkennen die Mitgliedstaaten bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorrübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Der Verwaltungsgerichtshof verweist in seiner Rechtsprechung zur Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG auf die Rechtsprechung des EuGH, der zufolge sich aus Art. 19 Abs. 1 iVm Art. 16 Statusrichtlinie ergibt, dass ein Mitgliedstaat den subsidiären Schutzstatus aberkennen muss, wenn er diesen Status zuerkannt hat, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen sind, indem er sich auf Tatsachen gestützt hat, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen haben und obgleich der betroffenen Person nicht vorgeworfen werden kann, dass sie den betreffenden Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit irregeführt hat (VwGH 14.08.2019, Ra 2016/20/0038; EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17).

Nach der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 1 Statusrichtlinie zudem, dass ein Kausalzusammenhang zwischen einer Änderung der Umstände nach Art. 16 Statusrichtlinie und der Unmöglichkeit für den Betroffenen, seinen Status des subsidiär Schutzberechtigten zu behalten, da seine ursprüngliche Furcht, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden, nicht mehr begründet erscheint. Diese Änderung kann sich jedoch auch aus einer Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaates hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person ergeben, die in gleicher Weise dazu führt, dass die ursprüngliche Befürchtung im Licht der neuen Information nicht mehr begründet erscheint (EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17).

Unter der Annahme der Niederlassung der Onkel des Beschwerdeführers in Khost bereits vor der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer mit Zuerkennungsbescheid vom 26.07.2016, zugestellt am 01.08.2016, ist jedoch für die konkrete Rückkehrsituation des Beschwerdeführers ein maßgeblich anderer Sachverhalt nicht ersichtlich.

So wurde festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, dass im Jahr 2016 bei der Anreise von Kabul nach Khost für den Beschwerdeführer die Gefahr bestand, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Es war daher nicht davon auszugehen, dass für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat in Bezug auf Khost als Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind. Schutz iSd § 11 Abs. 1 AsylG war in Khost daher nicht gewährleistet und kam Khost - ungeachtet einer möglichen dortigen Anwesenheit der Onkel des Beschwerdeführers - als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht.

Es ist für die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach der bereits oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118) die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers im in Frage kommenden Gebiet maßgeblich. Der Beschwerdeführer kennt - wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - niemanden in Mazar-e Sharif und hatte im Jahr 2016 entsprechende dem im Zuerkennungsbescheid angenommenem Sachverhalt kein soziales Netzwerk in Mazar-e Sharif oder Herat. Er war noch nie in Afghanistan. An dieser für den Beschwerdeführer konkret zu erwartenden Lage ändert die mögliche Anwesenheit der Onkel des Beschwerdeführers in Khost nichts, stellt sie sich doch nicht anders dar, als jene Lage, von der die Behörde bei der Zuerkennung ausging. So die Onkel des Beschwerdeführers - unabhängig davon, ob sie nunmehr in Pakistan oder Afghanistan ihrer Tätigkeit als Müllsammler nachgehen - für den Beschwerdeführer nicht greifbar. Zudem ist - wie auch festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - mit deren finanzieller Unterstützung nicht zu rechnen. Damit ist ein Kausalzusammenhang zwischen der Anwesenheit der Onkel des Beschwerdeführers in Khost und der konkreten Rückkehrsituation, die der Beschwerdeführer etwa in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) vorgefunden hätte, und damit auch ein anderer Sachverhalt, als jener, von dem die Behörde bei der Zuerkennung ausging, nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen für eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG liegen sohin nicht vor.

Hinsichtlich anderer für die Zuerkennung maßgeblicher Voraussetzungen tut die belangte Behörde nicht dar, dass sie nunmehr von deren ursprünglichen Nichtvorliegen ausgeht und ist dies auch nicht ersichtlich.

3.1.2. Zum Nichtvorliegen des Aberkennungstatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Auch der Verfassungsgerichtshof hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftigen Entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sie die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).

In seiner Judikatur zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zeichnet der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen das Prüfschema vor, dass zunächst zu ermitteln ist, ob, seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist eine erneute Gesamtbeurteilung vorzunehmen, bei der alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, auch wenn sie sich vor der letzten Verlängerung ereignet haben (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Zur unionsrechtskonformen Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zieht der Verwaltungsgerichtshof das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge Statusrichtlinie) heran (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Eine Änderung der Umstände iSd Art. 16 Statusrichtlinie kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat ergeben, aber auch in der persönlichen Situation des Fremden gelegen sein, wobei es regelmäßig nicht auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Dem Beschwerdeführer wurde zuletzt mit Verlängerungsbescheid vom 11.07.2017, zugestellt am selben Tag, eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt, weswegen seither eingetretene Änderungen maßgeblich sind.

Im angefochtenen Aberkennungsbescheid stellt die belangte Behörde auf eine Änderung der subjektiven Lage seit der Gewährung des subsidiären Schutzstatus ab und führt diesbezüglich aus, der Beschwerdeführer habe nun familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, Arbeitserfahrung und Lebenserfahrung gesammelt, könne von seiner Familie finanziell unterstützt werden, auf Rückkehrhilfe zurückgreifen und im Auffangbecken seiner Volksgruppe landen. Ortsunkenntnisse würden nicht mehr zur Feststellung führen, dass Mazar-e Sharif oder Herat nicht als taugliche Fluchtalternative in Frage kämen.

Zur Rückkehr der Onkel des Beschwerdeführers nach Afghanistan und deren Niederlassung ist Khost ist auszuführen, dass hierin eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes nicht ersichtlich ist. So wurde festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer eine gefahrlose Anreise nach Khost über den Flughafen Khost zwar mittlerweile möglich ist. Jedoch droht ihm im Fall der dortigen Niederlassung die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Es ist daher weiterhin nicht davon auszugehen, dass für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat in Bezug auf Khost als Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind. Schutz iSd § 11 Abs. 1 AsylG ist in Khost daher weiterhin nicht gewährleistet und kommt Khost - ungeachtet einer dortigen Anwesenheit der Onkel des Beschwerdeführers - als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht.

Auf die konkrete Lage, die den Beschwerdeführer in Mazar-e Sharif oder Herat erwartet, hat die nunmehrige Anwesenheit der Onkel des Beschwerdeführers in Khost dagegen - wie auch bereits unter 3.1.1. ausgeführt wurde, keinen Einfluss. Der Beschwerdeführer kennt - wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - niemanden in Mazar-e Sharif und hat weiterhin kein soziales Netzwerk in den beiden Städten. Zudem ist mit finanzieller Unterstützung durch die Onkel des Beschwerdeführers bedingt durch deren finanzielle Lage - insbesondere ist eine Änderung ihrer Lebensumstände infolge der Verlegung ihrer Tätigkeit als Müllsammler von Pakistan nach Afghanistan nicht ersichtlich - nicht zu rechnen. Eine maßgebliche Sachverhaltsänderung ist damit in der Rückkehr und Niederlassung der Onkel in Khost nicht ersichtlich. Dazu, dass der Beschwerdeführer Arbeitserfahrung und Lebenserfahrung gesammelt haben soll, ist auszuführen, dass die Zuerkennung und sohin - mangels anderslautender Ausführungen im Verlängerungsbescheid vom 11.07.2017, der lediglich das weitere Vorliegen der Voraussetzungen bejaht - auch die erneute Gewährung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG nicht wegen der mangelnden Arbeits- und Lebenserfahrung des Beschwerdeführers erfolgte. Zudem geht der Verwaltungsgerichthof in seiner Rechtsprechung von einer maßgeblichen Änderung der Umstände im Fall eines um zwei Jahre fortgeschrittenen Lebensalters, selbst wenn hierdurch - wie auch gegenständlich - die Volljährigkeit erlangt wird, für sich betrachtet nicht von einer maßgeblichen Änderung der Umstände aus (VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist auch in der von der Behörde ins Treffen geführt Arbeitserfahrung des Beschwerdeführers, die dem festgestellten Sachverhalt zufolge weniger als ein Jahr beträgt und damit in Anbetracht der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ab seinem sechsten Lebensjahr einen sehr geringen Anteil ausmacht, eine maßgebliche Änderung nicht ersichtlich. Zur Rückkehrhilfe ist auszuführen, dass festgestellt werden konnte, dass es sich hierbei nicht um eine Neuerung handelt. Dies gilt im Übrigen auch für die soweit amtsbekannt unveränderliche Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers, wobei anzumerken ist, dass die Behörde ihre Annahme, der Beschwerdeführer könne "im Auffangbecken seiner Volksgruppe" landen, nicht nachvollziehbar begründet.

Hinsichtlich der Ausführungen der belangten Behörde, dass fehlende Ortskenntnisse nicht mehr zur Feststellung führen würden, dass Mazar-e Sharif oder Herat nicht als taugliche innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kämen, ist die Behörde darauf hinzuweisen, dass eine maßgebliche Änderung der Umstände im Herkunftsstaat nicht per se in neuerer Judikatur zu vergleichbaren Fällen liegt (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011), sondern ausschließlich die Tatsachenebene betrifft. Folglich liegt auch hierin keine maßgebliche Sachverhaltsänderung.

Damit hat die belangte Behörde in der persönlichen Situation des Beschwerdeführers gelegene Sachverhaltsänderungen nicht aufgezeigt und sind solche auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Eine Änderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat im Sinne einer Verbesserung ist jedoch im Verfahren nicht hervorgekommen, wobei anzumerken ist, dass auch die Behörde nicht von einer Änderung der allgemeinen Lage ausgeht.

Mangels hinzutreten neuer Umstände steht sohin einer neuen Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtskraft des Verlängerungsbescheides vom 11.07.2017 entgegen (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005), hat das Bundesverwaltungsgericht Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen hinsichtlich aller Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und 2 AsylG aufzugreifen. Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestände des § 9 Abs. 1 Z 2 und 3, sowie Abs. 2 AsylG sind im Verfahren jedoch nicht hervorgekommen.

Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war damit ersatzlos zu beheben.

3.2. Zur ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte III. bis VI. des Aberkennungsbescheides

Nachdem dem Beschwerdeführer infolge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides mit gegenständlichem Erkenntnis weiterhin der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, war auch die mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Aberkennungsbescheides nach § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassene Rückkehrentscheidung (ein Eingehen auf die Wahl der falschen Rechtsgrundlage erübrigt sich damit) sowie die weiteren damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte III., V. und VI.) ersatzlos zu beheben (Vgl. VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).

3.3. Zur Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005

Nach § 8 Abs. 4 AsylG ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre zu verlängern. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis das weitere Vorliegen der Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bejaht wurden (siehe oben unter 3.1.), war dem Beschwerdeführer die mit Zuerkennungsbescheid erteilte Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG um weitere zwei Jahre zu verlängern.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht nur aus Anlass der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltsberechtigung, sondern auch bei der Verlängerung die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Berechtigung ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt festzulegen (VwGH 27.12.2019, Ra 2019/18/0281). Beim im Aberkennungsverfahren durch Einzelrichter entscheidenden Bundesverwaltungsgericht ist dies der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung erlassen, das heißt, verkündet oder zugestellt wird (VwGH 27.04 2016, Ra 2015/05/0069).

Die befristete Aufenthaltsberechtigung gilt damit zwei Jahre ab Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts an den Beschwerdeführer.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt in seiner Prüfung hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten der vorliegenden jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Themenkomplex der Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, die unter 3. zitiert wird.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung Berufserfahrung ersatzlose Teilbehebung individuelle Verhältnisse Rückkehrentscheidung behoben Rückkehrsituation Sicherheitslage Verlängerung wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W102.2134327.2.00

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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