TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/11 W114 2174297-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.05.2020
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Entscheidungsdatum

11.05.2020

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W114 2174297-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 30.09.2017, Zl. 1089102003/151450775/BMI-BFA_STM_AST, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.12.2019 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.05.2021 erteilt.

III. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX , geb. XXXX (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. Sadat und schiitischer Moslem, stellte am 28.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei der am 29.09.2015 erfolgten Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST, gab der Beschwerdeführer an, dass er im Iran geboren und aufgewachsen sei. In Afghanistan sei er noch nie gewesen. Er habe im Iran neun Jahre lang eine staatliche Schule besucht und als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester würden immer noch im Iran leben.

Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass er im Iran eine Beziehung zu einem iranischen Mädchen gehabt habe. Als ihre Familie von der Beziehung erfahren habe, sei der BF verfolgt und verprügelt worden. Aus Angst vor dieser Familie sei der BF geflüchtet.

3. In einem Gutachten zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers vom 06.01.2016 führte XXXX . aus, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Mindestalter von 16 Jahren gehabt habe.

4. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 06.07.2017 wiederholte der Beschwerdeführer, dass er noch nie in Afghanistan gewesen sei und nur im Iran gelebt habe. Sein Vater sei im Iran Hauswart einer Parkanlage, in welcher seine Familie in einem kleinen Haus leben würde. Seine Eltern würden ursprünglich aus dem Distrikt Sancharak in der Provinz Sar-e Pul in Afghanistan stammen. Er selbst sei ledig und habe keine Kinder. Er stehe mit seiner Familie im Iran in Kontakt. Sein Vater sei krank und nicht mehr arbeitsfähig.

Bei der Einvernahme vor dem BFA wurde dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 02.03.2017, aktualisiert am 27.06.2017, überreicht und mit ihm erörtert. Dazu führte er aus, dass er nicht in Afghanistan leben könne, da er dort keine Angehörigen habe und niemanden kenne. Er sei mit der Kultur und der Sprache nicht vertraut, da er kein Dari spreche und verstehe. Er sei Schiit und würde deswegen in Afghanistan verfolgt werden.

5. Mit Bescheid des BFA vom 30.06.2017, Zl. 1089102003/151450775/BMI-BFA_STM_AST, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der BF bezüglich seines Heimatlandes Afghanistan keine asylrelevanten Fluchtgründe vorgebracht habe. Sein Fluchtvorbringen habe sich fast zur Gänze auf die Situation im Iran bezogen. Zu einer generellen Diskriminierung von Schiiten komme es gemäß den Informationen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan nicht. Der Beschwerdeführer beherrsche Farsi, eine in Afghanistan landesübliche Sprache, er könne sich auch in Dari verständigen, zumal es zwischen Farsi und Dari nur geringe Unterschiede im Wortschatz und der Aussprache gebe und er in einer afghanischen Familie aufgewachsen sei. Er sei jung, gesund und arbeitsfähig, verfüge über Schulbildung und habe bereits im Iran seine Familie durch diverse Tätigkeiten unterstützt, sodass er in der Lage wäre, sich in Afghanistan eine Existenz aufzubauen. Zudem könnten ihn auch Familienmitglieder, die im Iran leben würden und zu welchen er auch in Kontakt stehe, unterstützen. Er würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine Situation kommen, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK nach sich ziehen würde. Es würden auch keine Gründe vorliegen, die gem. § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würden.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 04.10.2017 durch persönliche Übernahme zugestellt.

6. Gegen diese Entscheidung erhob der BF, vertreten durch die XXXX , mit Schriftsatz vom 17.10.2017 Beschwerde.

Begründend führte er aus, dass er in Afghanistan einer individuellen, konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung unter anderem aus Gründen der gesellschaftlich-politischen Gesinnung bzw. westlichen Einstellung und Religion sowie der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, ausgesetzt wäre. Sein Fluchtvorbringen sei von der Behörde mangelhaft ermittelt worden. Die Familie seiner ehemaligen Freundin verfüge auch über Kontakte in Afghanistan und hätte dort aufgrund ihrer finanziellen Mittel, großen Einfluss. Weiters habe der Beschwerdeführer eine westliche Einstellung und eine entsprechende politische Gesinnung, was durch seinen Kleidungsstil und die Tatsache, dass er eine voreheliche Beziehung im Iran eingegangen sei, ersichtlich sei. Der Beschwerdeführer spreche nicht Dari und sei mit der Kultur in Afghanistan nicht vertraut, weshalb er diesbezüglich in Afghanistan Verfolgung zu befürchten hätte. Als Hazara und schiitischer Moslem, welcher sein gesamtes Leben im Iran verbracht hätte, sei der Beschwerdeführer besonders gefährdet. Die Feststellungen der Behörde betreffend die Situation für Rückkehrer aus dem Iran, wären überdies zu kurz und allgemein gehalten.

7. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 23.10.2017 mit Schreiben des BFA vom 19.10.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

8. In einer Stellungnahme vom 27.11.2019 führte der BF aus, dass er als Iran-Rückkehrer ohne familiären oder sozialen Anschluss nicht nach Afghanistan zurückkehren könne.

9. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 03.12.2019 wurde der Beschwerdeführer zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt. Das BFA verzichtete mit Schreiben vom 03.12.2019 auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Der Beschwerdeführer legte eine Bestätigung des Allgemeinmediziners XXXX vor. Darin wurde bestätigt, dass dem BF die Einnahme eines Drittels einer Tablette des Medikamentes Trittico retard 150 mg, verschrieben wurde. Die Frage, ob der BF gesund sei, bejahte er. Er gab jedoch an, die letzten Nächte vor der mündlichen Verhandlung kaum geschlafen zu haben. Befunde bzw. Arztbriefe, die eine psychologische bzw. psychische Krankheit bescheinigten, legte der BF nicht vor.

In der mündlichen Verhandlung behauptete der BF, dass er kein Dari verstehe, da seine Eltern, deren gemeinsame Muttersprache zwar Dari gewesen sei, mit ihm nur Farsi gesprochen hätten. Seine Eltern wären alt und krank und könnten ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht unterstützen. In Afghanistan selbst habe er weder familiäre noch soziale Anknüpfungspunkte. Er führte aus, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf der Straße leben müsste und anschließend von terroristischen Gruppierungen "für ihre Zwecke missbraucht werden würde".

Der Beschwerdeführer wies darauf hin, dass er nicht als Hazara wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht in Afghanistan leben könnte, sondern weil er dort nie gelebt habe und niemanden kenne.

Vom Beschwerdeführer wurde ausdrücklich auf seine deutlich sichtbare Tätowierung am Halsbereich hingewiesen. Diese sei ein starkes Indiz für die westliche Einstellung des BF.

10. Bei der mündlichen Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer bzw. seiner Vertretung die Ausfolgung einer Kopie des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019 angeboten und ihm die Möglichkeit gegeben, dazu innerhalb einer Frist von 2 Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Der BF verzichtete, nach Absprache mit seiner Vertreterin, auf eine Ausfolgung und die Möglichkeit dazu innerhalb angemessener Frist eine Stellungnahme abzugeben.

11. Mit Erkenntnis des BVwG vom 17.12.2019, Zl. W114 2174297-1/19E, wurde die Beschwerde hinsichtlich sämtlicher Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte das BVwG aus, dass bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine asylrelevante Bedrohung durch die Familie seiner ehemaligen Freundin aus dem Iran nicht habe festgestellt werden können. Der BF habe bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine andere asylrelevante ihm drohende Verfolgungsgefahr glaubhaft machen können. Er sei weder aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara bzw. Sadat noch aufgrund seiner Religion als schiitischer Moslem, mit einer erforderlichen Wahrscheinlichkeit einem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. Gefährdung des Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch einen konkreten Akteur ausgesetzt. Der BF würde, unter Berücksichtigung von Art. 2 und 3 EMRK, bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten. Er verfüge in Afghanistan zwar über keine familiären oder sonstigen Anknüpfungspunkte, er sei jedoch jung, gesund und arbeitsfähig und verfüge über Schulbildung, einen Pflichtschulabschluss und Arbeitserfahrung, sodass dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif, zumutbar sei. Spezielle, den Beschwerdeführer konkret betreffende persönliche Umstände, die eine besondere Schutzwürdigkeit auslösen würden, seien weder vom BF angeführt worden noch vom BVwG erkennbar gewesen. Ein schützenswertes Familien- und Privatleben gemäß Art. 8 EMRK oder eine "außergewöhnliche Integration" wären vom BF nicht vorgebracht worden noch hätten solche festgestellt werden können.

12. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH).

Der BF brachte vor, vom BVwG in seinem verfassungsgesetzlich durch das BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassistischer Diskriminierung gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, in seinem verfassungsgesetzlich durch Art. 2 EMRK gewährleisteten Recht auf Leben und in seinem verfassungsgesetzlich durch Art. 3 EMRK gewährleiteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, verletzt worden zu sein.

Begründend führte er diesbezüglich aus, dass sich das BVwG hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten, nicht inhaltlich mit den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und dem Country-Guidance des EASO aus Juni 2019 auseinandergesetzt habe. Im Zusammenhang mit der Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative sei das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, seiner Entscheidung im asylrechtlichen Beschwerdeverfahren zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Herkunftsländerberichte zugrunde zu legen, wie insbesondere die Informationen des UNHCR und von EASO zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei diesen Berichten besondere Bedeutung zu schenken. Das BVwG habe unterlassen, Feststellungen zu dem konkret für den BF unter Berücksichtigung seiner individuellen Umstände bestehenden Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung, sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Erwerbsmöglichkeiten in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, zu treffen. Gemäß dem Bericht des EASO komme eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht, wenn für die konkrete Person kein Unterstützungsnetzwerk vorhanden sei. Der BF sei weder gesund noch habe er Arbeits- und Berufserfahrung noch könne mit Unterstützung seiner im Iran lebenden Familie rechnen.

13. Mit Erkenntnis des VfGH vom 26.02.2020, Zl. E 350/2020-10, wurde festgestellt, dass der BF durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise, abgewiesen wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art I Abs. 1 BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973) verletzt worden wäre. Das Erkenntnis des BVwG wurde diesbezüglich aufgehoben. Im Übrigen, soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Beschwerde an das BVwG gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten richtet, wurde die Behandlung der Beschwerde vom VfGH abgelehnt.

In seiner Begründung führte der VfGH aus, dass sich das BVwG in seinem Erkenntnis nicht auf Länderberichte des EASO (Country Guidance des EASO für Afghanistan aus Juni 2018 [vgl. S 109] bzw. die aktuellere Fassung aus Juni 2019 [vgl. S 139]) bezogen habe bzw. sich nicht ausreichen damit auseinandergesetzt habe, warum vor dem Hintergrund dieser Länderinformationsquellen dem Beschwerdeführer auf Basis individueller Umstände trotzdem die Ansiedlung in Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Vorweg wird auf das Erkenntnis des BVwG vom 17.12.2019, GZ W114 2174297-1/19E, hingewiesen und dazu ausgeführt, dass auch die dort getroffenen Feststelllungen zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erklärt werden. Insbesondere wird festgestellt, dass durch das Erkenntnis des VfGH vom 26.02.2020, E 350/2020-10 nur die Spruchpunkte A II. bis IV. des Erkenntnisses des BVwG vom 17.12.2019, GZ W114 2174297-1/19E, aufgehoben wurden und damit die Entscheidung hinsichtlich der Bestätigung des Nichtzuerkennens des Status eines Asylberechtigten weiterhin rechtsgültig ist.

Lediglich zum besseren Verständnis der gegenständlichen Entscheidung werden einzelne Feststellungen aus dem Erkenntnis des BVwG vom 17.12.2019, GZ W114 2174297-1/19E, in dieser Entscheidung neuerlich getroffen.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der vorgelegten Stellungnahme vom 27.11.2019, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019, den EASO-Länderleitfaden und EASO-Berichte betreffend Afghanistan, EASO Country Guidance: Afghanistan; Guidance note and common analysis vom Juni 2019, einen Bericht des Generalsekretariats der UNO zur Situation in Afghanistan und deren Auswirkungen auf den internationalen Frieden und die Sicherheitslage vom 14.06.2019, einen UNAMA-Bericht über den Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten vom Juli 2019, einen Amnesty International-Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2019) vom 30.01.2020, einer ACCORD Anfragebeantwortung zur Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif und Kabul, in die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, einer ACCORD Anfragebeantwortung zur Behandelbarkeit und Therapien nach Schlaganfällen, Behandelbarkeit v. Morbus Binswanger, Demenz u. Bluthochdruck, Verfügbarkeit von Medikamenten vom 13.08.2018, einem Auszug aus dem OCHA Artikel "Daily Brief Afghanistan COVID 19 No. 37" vom 19.04.2020, einem Auszug aus dem UNHCR Artikel "Coronavirus - Now is not the time to forget Afghanistan and its neighbours" vom 14.04.2020, einem Auszug aus dem The New Humanitarian Artikel "Food prices soar under coronavirus threat in Afghanistan" vom 07.04.2020 und der Kurzinformation der Staatendokumentation über COVID-19 Afghanistan; Stand 09.04.2020, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara/Sadat und schiitischer Moslem. Die Eltern des Beschwerdeführers stammen aus Afghanistan. Der Beschwerdeführer wurde im Iran geboren und ist dort auch aufgewachsen. Er ist mit den Gepflogenheiten in einem afghanischen Haushalt vertraut. Er besuchte im Iran eine Schule und spricht Farsi, eine auch in Afghanistan gebräuchliche Sprache.

Der Beschwerdeführer hat bereits im Iran als Hilfsarbeiter gearbeitet und seinen Vater bei dessen Arbeit als Gärtner unterstützt. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

1.1.2. Am 28.09.2015 hat der BF in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.1.3. Der BF geht in Österreich derzeit keiner Erwerbstätigkeit nach, lebt von der Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten.

1.1.4. Der Beschwerdeführer verfügt weder in Österreich noch in Afghanistan über familiäre oder sonstige Anknüpfungspunkte. Seine Familie im Iran könnte den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht finanziell unterstützen.

1.1.5. Der Beschwerdeführer ist gesund. Bei ihm wurde keine körperliche oder psychische Krankheit diagnostiziert. Der Beschwerdeführer nimmt täglich abends eine Drittel Tablette des Medikamentes Trittico retard, 150 mg. Das Medikament Trittico retard, 150 mg ist in Afghanistan erhältlich. Bei diesem Medikament handelt es sich um eine Durchschlafhilfe. Dessen Einnahme in der niedrigsten möglichen Dossierung unterstützt den BF, damit er leichter einen erholsamen Schlaf finden kann. Dieses Medikament ist auch bei gesunden, jedoch mit Schlafschwierigkeiten konfrontierten Personen in Österreich weit verbreitet und bekannt.

1.1.6. Ausgehend von den Länderfeststellungen zu Afghanistan vom 13.11.2019, den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den Berichten des EASO aus Juni 2019 sowie die aktuelle Berichterstattung zur Covid-19 Pandemie in Afghanistan berücksichtigend, ist dem Beschwerdeführer derzeit - zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das BVwG eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar. Es ist dem Beschwerdeführer nicht möglich in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif, Kabul oder an einem anderen Ort in Afghanistan Fuß zu fassen und sich dort eine Existenz aufzubauen.

Die angeführten Städte verfügen zwar jeweils über einen international erreichbaren Flughafen, sodass die Anreise in diese Städte weitgehend gefahrfrei erfolgen könnte, jedoch ist die Reisefreiheit bzw. Reisemöglichkeit durch die Covid-19 Pandemie auf unbestimmte Zeit stark eingeschränkt. Ein Trend zur Normalisierung der globalen Reisefreiheit ist derzeit nicht erkennbar.

Der BF hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Möglichkeit seine Existenz - auch mit entsprechenden Anstrengungen - in Afghanistan durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten zu sichern. Er wäre auch vermutlich derzeit nicht in der Lage in Afghanistan eine einfache Unterkunft zu finden. Die ohnehin schwierige Situation am Arbeitsmarkt wird durch die Covid-19 Pandemie verschärft und führt dazu, dass er derzeit keine Möglichkeit hätte, Arbeit zu finden, um dadurch seinen Unterhalt zu sichern. Durch bereits bestehende Ausgangsbeschränkungen, in Herat, Mazar-e Sharif und Kabul sowie durch mögliche bzw. wahrscheinliche zukünftige Ausgangsbeschränkungen in weiteren Städten oder Orten in Afghanistan, wäre die Suche nach einer Arbeit so gut wie unmöglich. Unter Berücksichtigung der aktuellen Situation hinsichtlich einer großen Anzahl afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan, welche Großteiles in den afghanischen Städten siedeln werden, wäre die Versorgung des Beschwerdeführers derzeit überall in Afghanistan, insbesondere ohne familiäre oder sonstige Unterstützung, nicht gewährleistet, sodass eine Rückkehr nach Afghanistan aktuell nicht zumutbar ist.

Der BF zählt nicht zur Risikogruppe der Covid-19 gefährdeten Personen (ältere Menschen bzw. Menschen mit Vorerkrankungen), sodass für den Beschwerdeführer Lebensgefahr zwar nicht ausgeschlossen werden kann, zumal auch junge, gesunde Menschen aufgrund einer Infektion mit dem Covid-19 Virus sterben könnten. Die gesundheitlichen Folgen bei einer Rückkehr nach Afghanistan, sind insbesondere hinsichtlich einer möglichen Mangelernährung, aufgrund der nunmehr angespannten Situation und der steigenden Preise von Lebensmittel nicht absehbar, sodass nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet werden kann, dass der Beschwerdeführer in keine besorgniserregende bzw. lebensbedrohliche Situation geraten würde.

Die weltweit bestehende Covid-19-Pandemie gestaltet sich zum Entscheidungszeitpunkt so, dass in Österreich sowohl die Zahl der Infizierten, die Zahl der Erkrankten als auch die Zahl der daran Verstorbenen sowohl in absoluten Zahlen als auch in Relation zur Gesamtbevölkerung in Afghanistan wesentlich höher ist. Afghanistan befindet sich jedoch - nach Auffassung des erkennenden Gerichtes erst am Anfang der Ausbreitung der Covid-19 Pandemie. Durch die Rückkehr von zigtausenden Afghanen aus dem von der Covid-19 Pandemie besonders stark betroffenen Iran, ist der weitere Verlauf der Pandemie nicht vorhersehbar.

1.1.7. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet weder Familienangehörige noch Verwandte. Der Beschwerdeführer führt in Österreich eine Beziehung mit einer rumänischen Staatsbürgerin; sie leben jedoch in getrennten Haushalten. Er lebt auch sonst mit keiner nahestehenden Person zusammen. Abhängigkeitsverhältnisse bestehen in Österreich nicht.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.2.1. Auszüge aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zur Behandelbarkeit und Therapien nach Schlaganfällen, Behandelbarkeit v. Morbus Binswanger, Demenz u. Bluthochdruck, Verfügbarkeit von Medikamenten vom 13.08.2018:

1.1. Sind die nachfolgende aufgelistete Medikamente Thrombo (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure), Atorvastatin (Wirkstoff: Atorvastatin), Trittico (Wirkstoff: Trazodone), Rampiril (Wirkstoff: Rampiril), Amlodipin (Wirkstoff: Amlodipine), Seroxat (Wirkstoff: Paroxetine), Zoldem (Wirkstoff: Zolpidem), Quetialam (Wirkstoff: Quetiapin) und Pantoprazol (Wirkstoff: Pantoprazole) insbesondere Clopidogrel (Wirkstoff: Clopidogrel) zur Blutverdünner und Vorbeugung eines Herzinfarkts, bzw. solche mit gleichem Wirkstoff in Afghanistan erhältlich?

Die Medikamente Atorvastatin (Wirkstoff: Atorvastatin), Trittico (Wirkstoff: Trazodone), Rampiril (Wirkstoff: Rampiril), Amlodipin (Wirkstoff: Amlodipine), Seroxat (Wirkstoff: Paroxetine), Quetialam (Wirkstoff: Quetiapin) und Pantoprazol (Wirkstoff: Pantoprazole) insbesondere Clopidogrel (Wirkstoff: Clopidogrel) sind in Afghanistan und insbesondere in den Städten Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat verfügbar.

[...]

Eine Behandlung von Patienten sollte in öffentlichen Krankenhäusern, in welchen die Kosten der stationären Behandlung vom Staat übernommen werden, kostenlos sein. Es kann jedoch sein, dass Patienten gebeten werden, inoffizielle Zahlungen an das medizinische Personal zu richten, um bessere und/oder schnellere Leistungen zu erhalten.

In privaten Krankenhäusern beträgt die ärztliche Visitengebühr 300 Afghani (AFN) (3,53 EUR) pro Behandlung. Die Aufnahmegebühren betragen 2.000 AFA (23,59 EUR) für ein Mehrbettzimmer, bei Aufnahme in ein Einzelzimmer oder auf die Intensivstation sind bis zu 10.000 AFA (117,96 EUR) zu bezahlen.

Kosten für Medikamente, Nachbehandlungen und Kontrolluntersuchungen müssen vom Patienten getragen werden. Jede Nachkontrolle kostet durchschnittlich 300 AFN (3,53 EUR), jeder Besuch eines Facharztes 300 AFN (3,53 EUR) bis 500 AFN (5,87 EUR).

Nachfolgende Medikamente sind in Afghanistan und insbesondere in den Städten Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat verfügbar:

Der folgenden Tabelle sind zusammenfassend die Ergebnisse der Einzelquellen zu entnehmen:

Wirkstoff

Verfügbarkeit

Alternative

Verfügbarkeit

Preis

Quelle

Atorvastatin 80 mg (Wirkstoff: Atorvastatin),

Ja

 

 

Pkg. 10 Tbl. 150 AFN (1,76 EUR)

IOM Kabul 10.8.2018

Trittico 150 mg (Wirkstoff: Trazodone)

Ja

 

 

Pkg. 10 Tbl. 120 AFN (1,41 EUR)

IOM Kabul 10.8.2018

Amlodipin 5 mg (Wirkstoff: Amlodipin)

Ja

 

 

Pkg. 10 Tbl. 100 AFN (1,17 EUR)

IOM Kabul 10.8.2018

Seroxat 20 mg (Wirkstoff: Paroxetin)

Ja

 

 

Pkg. 14 Tbl. 400 AFN (4,71 EUR)

IOM Kabul 10.8.2018

Zoldem 10 mg (Wirkstoff: Zolpidem)

Nein

Nein

Nein

 

IOM Kabul 10.8.2018

Quetialam 25 mg (Wirkstoff: Quetiapin)

Ja

 

 

Pkg. 10 Tbl. 150AFN (1,76 EUR)

IOM Kabul 10.8.2018

Zum Erhalt dieser Medikamente ist die Ausstellung eines Rezepts durch einen Spezialisten erforderlich.

Es gibt keine Unterstützung durch die Regierung oder NGOs, wenn der Patient die Kosten für Medikamente, Arztbesuche Labortests, etc. und Nachkontrollen nicht übernehmen kann.

1.2.2. Kurzinformation der Staatendokumentation COVID-19 Afghanistan; Stand: 09.04.2020:

Mit Stand 09.04.2020 wurden in Afghanistan 484 COVID-19 Fälle bestätigt (15 Tote, 32 Genesene) (TN 09.04.2020). Für die relativ geringe Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle werden von afghanisches Seite Kapazitätsprobleme bei COVID-19 Verdachtsfällen eingeräumt, die nicht getestet werden können, was die relativ niedrige Anzahl bestätigter Fälle erklärt (VoA 04.04.2020).

Aller Voraussicht nach, wird COVID-19 Afghanistan aufgrund mehrerer Faktoren besonders hart treffen: einerseits die schlechte Gesundheit, unter der viele Afghanen auch zu normalen Zeiten leiden - ansteckende Krankheiten wie Typhus oder Tuberkulose sind virulent; die Kinder- und Müttersterblichkeit ist eine der höchsten der Welt; auch sind viele Kinder in den Provinzen unterernährt, was sie anfällig für Infekte macht. Nach jahrzehntelangem Krieg gibt es Hunderttausende, die durch Verletzungen dauerhafte Schäden davongetragen haben (NZZ 07.04.2020; vgl. BBC 09.04.2020). Unter Berufung auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostiziert das afghanische Gesundheitsministerium: 16 Millionen von mehr als 30 Millionen Einwohnern könnten an COVID-19 erkranken. Im schlimmsten Fall müssten 700.000 Menschen ins Krankenhaus eingeliefert werden; 220.000 davon müssten möglicherweise auf Intensivstationen behandelt werden - von diesen könnten 110.000 Menschen an den Folgen von COVID-19 sterben. Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 09.04.2020) und 300 Beatmungsgeräte (TN 08.04.2020) zur Verfügung. In der Provinz Herat, die die höchste Anzahl an bestätigten COVID-19-Fällen zu verzeichnen hat (TN 07.04.2020b), wird die Zahl der Beatmungsgeräte auf nur 12 Stück geschätzt (BBC 09.04.2020). Einer weiteren Quelle zufolge stehen in Herat sogar nur 10 dieser Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 08.04.2020).

In der an den Iran angrenzenden Provinz Herat hat sich die Anzahl positiver Fälle des COVID-19 unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung - die Provinzdirektion bestätigte dieses Vorbringen und erklärte dies mit langwierigen Beschaffungsprozessen. Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 07.04.2020).

Nach dem Tod eines Arztes aus dem "Amiri Medical Complex" in Kabul aufgrund von COVID-19, wurde die Klinik geschlossen. Neben diesem Arzt wurde eine Reihe von Angestellten desselben Krankenhauses positiv auf COVID-19 getestet. Auch in einem anderen Krankenhaus in Kabul "Rabia Balkhi Maternity Hospital" hat sich ein Arzt mit COVID-19 angesteckt; 15 weitere Beschäftigte befinden sich in Quarantäne (TN 08.04.2020).

Am 07.04.2020 wurde in Kandahar ein weiteres Labor eröffnet, um Verdachtsfälle des COVID-19 zu testen. In diesem Labor sollen täglich bis zu 100 Verdachtsfälle innerhalb von 24 Stunden getestet werden. Außerdem sollen auch Verdachtsfälle aus den angrenzenden Provinzen Helmand, Uruzgan und Zabul in dieser Einrichtung getestet werden (TN 07.04.2020).

In den letzten Tagen wurde im Westen Kabuls, nach Herat, die höchste Anzahl COVID-19-Infizierter verzeichnet (TN 07.04.2020). Sowohl in Kabul als auch in der nah der iranischen Grenze gelegenen Stadt Herat gelten inzwischen Ausgangssperren, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen (NZZ 07.04.2020; vgl. BBC 09.04.2020). In der Stadt Kabul dürfen sich nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler-Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 09.04.2020).

Situation in den Grenzregionen und Rückkehrern aus dem Iran und Pakistan:

Die afghanischen Behörden kämpfen um die Kontrolle über diese beispiellosen Rückkehrbewegungen an den seit jeher durchlässigen und oft chaotischen Grenzübergängen (zu den beiden Ländern Pakistan und Iran) zu gewinnen (BBC 09.04.2020).

Bild kann nicht dargestellt werden

(BBC 09.04.2020)

Iran:

An dem Islam Qala Grenzübergang gibt es auf beiden Seiten keine Quarantänestation. Zwar führen die Provinzbehörden von Herat grundlegende Gesundheitskontrollen durch, jedoch sind sie von der Anzahl an Rückkehrer/innen überfordert. Auch existiert in Herat ein Mangel an COVID-19-Testskits; Ergebnisse dauern für diejenigen, die sich testen lassen, vier oder fünf Tage, bis dahin sind die meisten schon in ihre Dörfer zurückgekehrt (BBC 09.04.2020). Wie viele Rückkehrer/innen sich mit dem Virus infiziert haben, ist völlig unklar, da sie weder untersucht noch isoliert wurden (NZZ 07.04.2020). Die Internationale Organisation für Migration (IOM), hat Zentren errichtet, um besonders vulnerablen Rückkehrer/innen, humanitäre Hilfe zu gewähren. Personen mit COVID-19-Symptomen werden an die örtlichen Krankenhäuser überstellt - bisher sind zehn bis 15 Personen positiv getestet worden (BBC 09.04.2020).

Pakistan:

Die afghanische Regierung ersuchte die pakistanischen Behörden auf, die Grenzübergänge zu öffnen, um afghanischen Rückkehrer/innen, die von der Schließung der pakistanischen Grenzen betroffen waren, eine Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen (BBC 09.04.2020). Die pakistanische Regierung verlautbarte die beiden Hauptgrenzübergänge Torkham und Chaman vier Tage lang (ab Montag 06.04.2020) zu öffnen, um den Menschen eine Rückkehr nach Afghanistan zu ermöglichen (VoA 04.04.2020). Geplant war außerdem von pakistanischer Seite 1.000 Personen pro Tag nach Afghanistan zulassen. Jedoch sollen in den letzten zwei Tagen 20.000 Personen die Grenze zu Chaman überschritten haben, was die Behörden veranlasst hat, die Bestimmung aufzugeben, nur Personen mit gültigen Papieren die Grenze passieren zu lassen (BBC 09.04.2020).

Auf afghanischer Seite hatten die Behörden Vorkehrungen getroffen, um 4.000 Afghanen für 14 Tage beim Grenzübergang Torkham unter Quarantäne zu stellen, dort wurden sie aber schnell von der Anzahl an Rückkehrer/innen überwältigt. IOM zufolge, sind in drei Tagen 60.000 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Dies ist die registrierte Anzahl an Menschen, die offizielle Kontrollpunkte passieren - illegale grenzüberschreitende Bewegungen zwischen Afghanistan und Pakistan existieren seit vielen Jahren; diese Anzahl zu verfolgen ist schwierig (BBC 09.04.2020).

1.2.3. Auszug aus dem OCHA Artikel "Daily Brief Afghanistan COVID 19 No. 37" vom 19.04.2020 (https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-flash-update-daily-brief-covid-19-no-37-19-april-2020):

? People confirmed to have COVID-19: 996 (Source: Afghanistan Ministry of Public Health - MoPH)

? Deaths from COVID-19: 33

Key concerns: Border crossing areas, in-country testing capacity, protective equipment for frontline workers, commodity prices, floods, messaging and rumour management, international air services

MoPH data shows that 996 people across 30 provinces in Afghanistan are now confirmed to have COVID-19. Some 133 people have recovered and 33 people have died. Of the 33 people who have died from COVID-19, 30 had at least one underlying disease, the most common of which are diabetes and cardio-vascular disease. The majority were between ages of 40-69; men between the ages of 40-69 represent 60 per cent of all COVID-19 related deaths.

Cases are expected to increase rapidly over the weeks ahead as community transmission escalates, creating grave implications for Afghanistan's economy and people's well-being. Herat is still the most affected part of the country, followed by Kabul.

There are currently eight laboratories in the country. Each lab is able to process an average of 100-150 tests per lab, per day. Additional labs in Bamyan and Badakhshan are being established and the Government hopes to have a total of 15 labs operating within the month. Currently laboratory reagents and RNA Extraction Kits are in short supply; WHO is working to source additional supplies this week but is limited by a global shortage. The Ministry of Public Health has also recently established a 20-bed ward in Surobi district to provide care for COVID-19 patients and prevent further spread of the disease.

[...]

Cross Border Concerns:

Borders with Tajikistan, Uzbekistan and Turkmenistan remain open only for commercial traffic and crossings of passport holders back to Afghanistan.

As of 19 April, Johns Hopkins University reports that there are 80.868 confirmed cases of COVID-19 in Iran. The Milak crossing (Nimroz) is formally open only to commercial traffic and documented citizens of Afghanistan; 788 individuals used this border crossing to return to Afghanistan over the weekend. The Islam Qala-Dogharoon land border crossings (Herat) remain open on both sides for both individuals and commercial traffic. 2.461 people used this border crossing to return to Afghanistan over the weekend.

As of 19 April, according to Johns Hopkins University there are 7,993 people confirmed to have COVID-19 in Pakistan.

On Friday, Pakistan temporarily opened its border at Torkham. 518 Pakistani nationals were facilitated to return to Pakistan; 256 citizens of Afghanistan were facilitated to return home. Following regular health screening processes, those who crossed returned to their homes. Pakistan's border is now closed to all except commercial vehicles. Pakistan is facilitating the movement of cargo trucks and containers into Afghanistan through the Torkham and Chaman border crossing points three days per week (on Monday, Wednesday and Friday). Five food trucks that had been waiting to cross from Pakistan have been cleared to cross into Afghanistan. It is hoped that the three remaining trucks will cross through on this week. Facilitation of these trucks to cross the border has mitigated potential pipeline breaks thus far. Humanitarians remain hopeful that border crossing for commercial traffic will be maintained according to the announced schedule to ensure the flow of humanitarian food and relief items from storage sites in Karachi.

Operational Issues:

A number of provinces have instituted measures to limit the exposure of residents to COVID-19. Throughout the country, these 'measured lockdowns' have resulted in closures of sections of each city and/or movement limitations. These include limits on the number of people travelling together and the imposition of curfews. Limitations on inter-city travel have also been implemented.

Reports indicate that despite assurances by the Government that these would not limit critical program movements of NGOs and the UN, newly introduced lockdown measures continue to impact on the mobility of some staff members. Humanitarian partners continue to urge the Government to employ a national approach to these issues so that individual negotiations are not required on a case-by-case basis. The closure of government institutions due to movement restrictions may create new coordination challenges for humanitarian agencies.

[...]

1.2.4. Auszug aus dem UNHCR Artikel "Coronavirus - Now is not the time to forget Afghanistan and its neighbours" vom 14.04.2020 (https://www.unhcr.org/news/briefing/2020/4/5e9567114/coronavirus-time-forget-afgha nistan-its-neighbours.html):

[...]

Despite persistent risks and insecurity, Afghans continue to return from both Iran and Pakistan. Tens of thousands of Afghan citizens have crossed over from Pakistan to Afghanistan since the temporary re-opening of the border last week. From Iran, while the number of Afghans nationals returning peaked at some 60.000 in March, around 1.500 individuals are currently returning every day.

Afghanistan faces the prospect of overwhelmed medical and social services, with a dramatic increase in Afghans returning home, hundreds of thousands of people living in displacement sites and rising poverty levels.

Pakistan and Iran, which host some 90 per cent of the world's 2.7 million Afghan refugees are experiencing immense strain on their health systems and economies. Lockdown measures and a sharp downturn in economic activity have left many Afghan refugees confronted with an inability to meet even their most basic needs.

For Afghan refugees in Iran and Pakistan, the impacts of COVID-19 go far beyond health. In both countries, those who are employed are commonly hired as daily labourers.

Amidst various levels of lockdown across the region, such work has abruptly ceased and refugees with no income and their hosts are now faced with economic threats to their survival.

[...]

1.2.5. Auszug aus dem The New Humanitarian Artikel "Food prices soar under coronavirus threat in Afghanistan" vom 07.04.2020 (https://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/04/07/afghanistan-food-insecurity-coronavirus)

Food prices soar under coronavirus threat in Afghanistan:

Kabul:

At Mahmod Azizi's shop in Afghanistan's capital, a kilo of lemons now sells for 400 Afghani - more than $5. Low supplies fuelled by coronavirus fears, he said, have pushed him to double his prices.

[...]

Border closures and export restrictions are squeezing supply lines and pushing food prices upward in Afghanistan, raising fears that millions already facing emergency levels of food insecurity will be even more at risk as the coronavirus spreads.

During the last two weeks of March, as COVID-19 cases increased in Afghanistan, the price of wheat flour also surged across the country - including a 20 percent rise in the northeast city of Faizabad.

The increases are caused in part by regional border restrictions as Afghanistan and its neighbours - particularly Pakistan to the south - try to contain a pandemic that has now infected more than 1.3 million people worldwide.

"We have good prospects for this year's harvest due to start in May," Rajendra Aryal, country representative with the UN's Food and Agriculture Organization (FAO), told The New Humanitarian. "But a protracted pandemic crisis could quickly put a strain on the food supply chain."

The situation mirrors broader worries about COVID-19's spillover effects on economies and food security around the world. But there's particular concern for countries already facing crises like Afghanistan, which has been at war for the past four decades.

[...]

Herat, a northwestern province that borders Iran and is the country's food production hub, has become Afghanistan's epicentre for the pandemic. Since the start of the year, more than 210.000 Afghans - many of them undocumented - have returned home from Iran, which is one of the countries hardest hit by the coronavirus, with more than 3.730 deaths and tens of thousands of confirmed cases.

Interrupted supply chains and price hikes:

Border crossings with Pakistan - one of the main export and import routes for aid supplies and food to Afghanistan - have been closed to most traffic since mid-March. There have been brief openings for commercial trucks carrying goods and humanitarian supplies. But at least 577 metric tons of food were stuck at one main crossing until at least 6 April, when Pakistan agreed to open its borders for four days, according to a UN situation report.

[...]

Hungry and displaced:

Afghanistan's humanitarian community is setting up a coronavirus response, but Farshid Farzam, deputy head of programmes at the German aid agency, Welthungerhilfe, says that food insecurity among returnees and internally displaced people was already rampant before the pandemic.

"The coronavirus outbreak could mean hunger in Afghanistan," he said.

Over the last year, more than one million people were displaced by conflict and disasters or returned from neighbouring countries after years away. Most depend on cash or food aid or for market prices to remain affordably low. At the same time, unhygienic and crowded living spaces increase the threat of the coronavirus spreading, aid groups warn.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt der dem BVwG vom BFA vorgelegten Unterlagen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren.

2.2. Die Feststellungen zum Namen des Beschwerdeführers, zu seiner staatlichen Herkunft, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seinem Religionsbekenntnis als schiitischer Moslem, zu seiner Kernfamilie, zu seinem Geburtsort und Aufenthalt im Iran, zu seiner Schulbildung, zu seinem Pflichtschulabschluss in Österreich, zu seinem Familienstand und dass der BF keine Familienangehörigen im Bundesgebiet hat, stützen sich auf dessen insoweit im Asylverfahren gleichbleibende und glaubhaften Angaben, die im Übrigen auch nicht bestritten wurden.

2.3. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die afghanische Kultur nicht zu kennen, ist unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer hat selbst ausgeführt, dass seine Eltern aus Afghanistan stammen würden. Er hat mit seiner afghanischen Familie zumindest 17 Jahre in einem afghanischen Haushalt zusammengelebt und ist daher mit den Sitten, Gebräuchen und Gepflogenheiten in Afghanistan bestens vertraut.

2.4. Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG unter Beweis gestellt, dass er Farsi, eine auch in Afghanistan gebräuchliche und weit verbreitete Sprache spricht und versteht.

Seiner Behauptung in der zuletzt vorgetragenen Stellungnahme bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie in der Beschwerde an den VfGH, er könne die Sprache Dari nicht verstehen, da seine Eltern nur Farsi gesprochen hätten, wird kein Glaube geschenkt. Er hat selbst angegeben, dass die Muttersprache seiner afghanischen Eltern Dari gewesen sei. Es ist nicht nachvollziehbar, dass seine Eltern, deren gemeinsame Muttersprache Dari ist, miteinander im Iran Farsi sprechen bzw. ihrem Sohn nicht deren gemeinsame Muttersprache beibringen, sondern ihn in einer anderen Sprache erziehen. Der BF versuchte das damit zu erklären, dass seine Eltern im Iran gezwungen gewesen wären, mit Iranern zu kommunizieren, wodurch sie Farsi gelernt hätten. Diese Erklärung ist für das erkennende Gericht nur im Ansatz nachvollziehbar, zumal seine Eltern - so der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG - im Iran nur wenig Kontakt mit anderen Iranern gehabt hätten. Selbst wenn die Eltern des Beschwerdeführers in der Öffentlichkeit, um Problemen mit den iranischen Behörden vorzubeugen, Farsi gesprochen hätten, ist es realitätsfremd, dass in ihrem eigenen Haus nicht mehr Dari, die Muttersprache beider Elternteile, sondern nur Farsi gesprochen worden wäre. Wie die Mutter, die hauptsächlich den Haushalt geführt hat und den Vater bei seinen Arbeiten als Gärtner unterstützt hat, durch wenige bzw. gelegentliche Kontakte zu Iranern, Farsi auf Muttersprachenniveau erlernt haben soll, konnte der Beschwerdeführer nicht erklären. Vom erkennenden Gericht wird darauf hingewiesen, dass es jahrelanger und intensiver Übung, insbesondere im Alltag bedarf, um eine fremde Sprache, selbst wenn diese Sprache der eigenen Muttersprache sehr ähnlich ist, auf Muttersprachenniveau zu erlernen. Es ist nicht glaubwürdig, dass die Eltern des BF mit den eigenen Kindern nur in der neuen Sprache kommuniziert haben und dass folglich diese nur Farsi und kein Dari verstehen würden. Durch den vom Beschwerdeführer geschilderten Tagesablauf insbesondere seiner Mutter, ist es gänzlich unglaubwürdig, dass die Mutter Farsi auf Muttersprachenniveau erlernt haben soll, sodass sie ihren Sohn auch in dieser Sprache hätte erziehen können.

Zur Ähnlichkeit der Sprachen Farsi und Dari wird auf die Diplomarbeit von XXXX mit dem Titel "Persisch als Plurizentrische Sprache?" aus dem Studienfach Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft der Universität Wien, aus dem Jahr 2013, verwiesen. Der Verfasser vergleicht die Sprachen Farsi, Tadschikisch und Dari hinsichtlich ihrer geschichtlichen Entwicklung sowie ihrer grammatischen und lexikalischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten. In der Diplomarbeit gelangt XXXX zum Ergebnis, dass die drei Sprachen Standardvarietäten des Neupersischen wären. Der Verfasser erklärt ausführlich, dass durchaus Unterschiede bestehen würden, der größte Unterschied ergebe sich jedoch aus dem Lexikon, wobei der größere Teil des Wortschatzes in allen drei Varietäten gemein sei und nur durch unterschiedliche Vokalisierung geprägt sei.

XXXX gelangt in seiner Arbeit zur Auffassung, dass Farsi, Tadschikisch und Dari sich so unterscheiden würden, wie Deutsch in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesprochen werden würde.

Das erkennende Gericht gelangt somit zur Auffassung, dass Farsi und Dari derart miteinander verwandt sind, dass jeder, der Farsi spricht, auch Dari zumindest versteht, wenn es langsam gesprochen wird. Die Bestreitung dieser Tatsache durch den BF diente nach Auffassung des erkennenden Gerichtes ausschließlich des Zwecks, seine Chancen im Beschwerdeverfahren zu erhöhen.

Andere aus dem Iran zurückkehrende Beschwerdeführer haben gegenüber dem erkennenden Gericht angegeben, dass sie, wenn sie in Afghanistan Farsi sprechen verstanden werden, jedoch Dari-sprechende Afghanen davon ausgehen würden, dass es sich bei Farsi-sprechenden Afghanen um Iran-Rückkehrer handle. Man werde - wie andere zigtausende Iranrückkehrer auch als Iranrückkehrer erkannt.

2.5. Die Feststellung zur Unbescholtenheit des BF stützt sich auf die eingeholte Strafregisterauskunft.

2.6. Die Feststellungen, dass der BF in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und von der Grundversorgung lebt, stützen sich auf seine glaubhafte Aussage sowie den eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährung der vorübergehenden Grundversorgung.

2.7. Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung. In dieser Verhandlung präsentierte er auch seine vorhandenen Deutsch-Sprachkenntnisse.

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er seit ca. 7 bis 8 Monaten eine Beziehung zu einer rumänischen Staatsbürgerin führt. Bis auf ihr Alter, wollte bzw. konnte der BF dem Gericht betreffend seine Beziehung, keine weiteren Informationen geben. Er führte aus, nicht in gemeinsamen Haushalt mit ihr zu wohnen und nicht von ihr abhängig zu sein. Ein entsprechend intensives und damit schützenswertes Privat- bzw. Familienleben in Österreich lässt sich mangels Abhängigkeit sowie Erreichen der notwendigen Intensität, wie im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausführlich dargelegt, nicht ableiten.

2.8. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF stützen sich auf die vom BF vorgelegte Bestätigung eines Allgemeinmediziners, auf den persönlichen Eindruck des erkennenden Gerichtes in der mündlichen Verhandlung sowie auf die persönlichen Angaben des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer gab selbst an, gesund zu sein. Er führte in der mündlichen Verhandlung aus, die letzten Nächte vor der Verhandlung kaum geschlafen zu haben und ein hohes Stresslevel zu verspüren. In Anbetracht der Bedeutung des Asylverfahrens insbesondere der mündlichen Verhandlung für den Beschwerdeführer ist ein hohes Stresslevel in Verbindung mit Schlafproblemen unmittelbar vor der Verhandlung nachvollziehbar und verständlich. Dem BF wurde das Medikament Trittico retard, 150mg, in einer Dosierung von einem Drittel einer Tablette abends verschrieben. Bei diesem Medikament handelt es sich im Allgemeinen um eine gut verträgliche Durchschlafhilfe, wobei sich keine Abhängigkeit zu diesem Medikament einstellt. Ausdrücklich wird festgehalten, dass dieses Medikament ebenfalls vielen, sich selbst als gesund bezeichnenden ÖsterreicherInnen verschrieben wird, die - falls auch nur gelegentlich - an Ein- oder Durchschlafstörungen leiden. Die dem BF verschriebene Dosis des Medikamentes ist die geringstmögliche, sodass aufgrund der Einnahme von Trittico retard, nicht auf eine psychologische oder psychische Erkrankung geschlossen werden kann. Der Beschwerdeführer legte insbesondere keine Befunde vor, die eine körperliche oder psychische Krankheit diagnostizieren würden.

2.9. Die Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung der aktuellen weltweiten Covid-19 Pandemie.

Da der Beschwerdeführer im Iran geboren wurde, hat er keine Heimatprovinz in Afghanistan, in die er zurückkehren könnte. Auch eine innerstaatliche Fluchtalternative in afghanische Städte, die im Besonderen von der Covid-19 Pandemie und einem damit verordneten Ausgangsverbot betroffen sind, kommt damit auch nicht in Frage.

Der erkennende Richter kommt unter Berücksichtigung der aktuellsten Covid-19 Informationen zu Afghanistan zu dem Ergebnis, dass es dem Beschwerdeführer derzeit nicht möglich ist, nach Afghanistan zurückzukehren.

Gemäß den zitierten EASO Leitlinien vom Juni 2018 ist in Herat als auch in Mazar-e Sharif die Lebensmittelsicherheit gewährleistet, jedoch gibt es bis jetzt von EASO keine neuen, die Covid-19 Pandemie berücksichtigenden Leitlinien oder Berichte. Wie den oben näher zitierten Auszügen aus diversen Artikeln zu entnehmen ist, ist die Situation insbesondere in Herat durch die zigtausenden Rückkehrer aus dem von der Covid-19 Pandemie besonders stark betroffenen Iran, sehr angespannt. Die afghanischen Grenzen zum Iran wurden nach Ausbruch des Corona-Virus im Iran regelrecht von Rückkehrern überrannt. Die Rückkehrer verteilten sich ohne vorherige Isolation in Quarantänestationen im gesamten Staatsgebiet. Durch die wenigen Labore, die Testungen durchführen können sowie die wenigen Testkits, kann davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer der Infizierten und auch jene der Todesopfer in Afghanistan um ein Vielfaches höher ist, als die offiziell bestätigten Zahlen. Die Städte Herat, Mazar-e Sharif und Kabul haben zur Eindämmung der Verbreitung des Virus bereits Ausgangsbeschränkungen bzw. Ausgangssperren erlassen.

Es kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass durch die Covid-19 Pandemie in ganz Afghanistan aktuell exzeptionellen Umstände gegeben sind, die annehmen lassen, dass der Beschwerdeführer dort keine Lebensgrundlage vorfindet, und derzeit von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

Die Grundversorgung vor der Covid-19 Pandemie war in Afghanistan generell - und so auch in den Städten Mazar-e Sharif und Herat - grundlegend gesichert. Wie in den oben angeführten Artikeln zu entnehmen, steigen aufgrund der erschwerten Importsituation und der höheren Nachfrage die Lebensmittelpreise. Insbesondere steigen die Kosten der Grundnahrungsmittel um einen hohen Prozentsatz, sodass die Grundversorgung der Bevölkerung in ganz Afghanistan generell nicht mehr gewährleistet ist.

Die Wohnraum-, Arbeitsmarkt- und Versorgungslage in Herat und Mazar-e Sharif war bereits vor der Covid-19 Pandemie angespannt. Aus den in den Feststellungen zitierten Länderberichten, insbesondere aus dem EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018 geht hervor, dass es auf Grund der Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt zwar schwierig, aber insbesondere im Bereich der Gelegenheitsarbeiten ohne besondere Vorkenntnisse möglich ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und auf diese Weise ein Einkommen auf dem dort üblichen Niveau zu erzielen. Durch die hohe Anzahl an Rückkehrern, die eb

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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