TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/14 W282 2225830-1

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Veröffentlicht am 14.05.2020
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Entscheidungsdatum

14.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W282 2225830-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Gegenüber der Beschwerdeführerin (BF), einer Staatsangehörigen Serbiens, wurden mit

Bescheid der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35 vom XXXX .07.2019 mehre Verfahren über Anträge zur Erteilung von Aufenthaltstiteln "Rot-Weiss-Rot plus" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wiederaufgenommen und unter einem diese Anträge nachträglich abgewiesen. Grund für die Wiederaufnahme dieser Verfahren und die gleichzeitige Abweisung der Anträge der BF war, dass die MA 35 über Hinweise dem Verdacht nachging, dass es sich bei der 2014 geschlossenen Ehe der BF mit einem serbischen Staatsangehörigen, auf die sich die BF zur Erlangung ihres Aufenthaltstitels im Wege der Familienzusammenführung berufen hatte, um eine Schein- bzw. Aufenthaltsehe handelt, bei der nie ein tatsächliches Eheleben iSd Art. 8 EMRK geführt wurde (§ 30 NAG). Im Rahmen einer Überprüfung durch Beamte der Landespolizeidirektion Wien im März 2018 gab dieser (von der BF im Jahr 2016 wieder geschiedene) ehemalige Ehemann ausdrücklich zu, dass es sich bei der Ehe mit der BF um eine Aufenthaltsehe gehandelt hat und niemals ein gemeinsames Eheleben geführt wurde. Daher wurden mit der Wiederaufnahme der Verfahren gleichzeitig auch die jeweiligen Anträge der BF auf die hierdurch erschlichenen Aufenthaltstitel abgewiesen.

2. Am 02.10.2018 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (Bundesamt oder belangte Behörde), nachdem es bereits zu diesem Zeitpunkt von der MA 35 über den Verdacht einer Aufenthaltsehe in Kenntnis gesetzt war, der BF ein schriftliches Parteiengehör, in dem dieser die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbots mitgeteilt wurde.

3. Die mittlerweile mit einem anderen serbischen Staatsbürger verheirate BF erhob gegen den Wiederaufnahmebescheid der MA 35 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Wien, das die Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 13.12.2019 mit geringfügigen Korrekturen des Bescheidspruchs als unbegründet abwies. Das LVwG Wien stellte dabei ebenfalls eine Aufenthaltsehe der BF mit ihrem ersten Gatten fest.

4. Mit Bescheid vom XXXX 2019 erließ das Bundesamt zur im Spruch angegeben GZ den angefochtenen Bescheid, mit welchem gemäß § 67 Abs. 1 u 2 FPG ein auf Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde (Spruchpunkt 1.) und der BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt wurde (Spruchpunkt 2.). Dabei stützte sich das Bundesamt auf die eingegangene Aufenthaltsehe, wodurch die BF eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle.

5. Die BF erhob durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter am 24.10.2019 fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid und beantragte darin den bekämpften Bescheid zu beheben und eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in eventu den Bescheid aufzuheben und an die belangte Behörde zurückzuverweisen. In der Beschwerde wird hierzu va. ausgeführt, das Bundesamt habe sich in der Verfahrensform vergriffen, da die BF keine EWR- oder Schweizer Bürgerin ist und auch niemals begünstigte Drittstaatsangehörige war. Ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG könne aber nur gegenüber Schweizer oder EWR Bürgern oder eben begünstigten Drittstaatsangehörigen erlassen werden. Schon aus diesem Grund sei der Bescheid zu beheben.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.11.2019 vom Bundesamt vorgelegt. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G 302 abgenommen und der Gerichtabteilung W 282 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Serbiens. Ihre Identität steht fest. Die BF heiratete im Jahr 2014 einen im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigten serbischen Staatsbürger, wobei ein echtes Eheleben iSd Art. 8 EMRK niemals bestand und es sich um eine Aufenthaltsehe handelte. Die BF wurde zwischenzeitig im Jahr 2016 von dieser Person wieder geschieden, und heiratete am XXXX 2017 einen anderen serbischen Staatsbürger.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF jemals Ehegattin oder eingetragene Partnerin eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers war oder sie auf sonstigem Wege jemals begünstigte Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG war.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde (insbesondere in den Bescheid der MA 35 vom XXXX .07.2019 und das Erkenntnis des LVwG Wien vom 13.12.2019), in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie aus dem "Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister" wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der BF gründen sich auf den diesbezüglich undenklichen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den Eheschließungen der BF mit serbischen Staatsangehörigen und das Bestehen einer Aufenthaltsehe mit ihrem ersten Ehemann gründen sich auf den Bescheid der MA 35 (AS 3f) und das Erkenntnis des LVwG Wien vom 13.12.2019 (AS 11f).

Weder aus dem Behördenakt noch aufgrund der sonstigen Ermittlungen ergibt sich ein Hinweis darauf, dass die BF iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG jemals die Stellung einer begünstigten Drittstaatsangehörigen innehatte. Es ist für das Bundesverwaltungsgericht faktisch daher in nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zu dem Schluss kam, dass ggü. der BF ein Aufenthaltsverbot verhängt werden könne, welches nur gegenüber EWR Bürgern, Schweizer Bürgern oder begünstigte Drittstaatsangehörigen verhängt werden kann. Auch hat das Bundesamt auch gar nicht festgestellt, dass die BF EWR Bürgerin, Schweizer Bürgerin oder begünstigte Drittstaatsangehörige sei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A):

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Die Beschwerdeführerin ist aufgrund ihrer serbischen Staatsangehörigkeit demnach Fremde iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

§ 2 Abs. 4 Z 11 und § 67 Abs. 1 FPG lauten wie folgt:

"11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;"

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

Aufgrund der klaren und auch unmissverständlichen Rechtslage ergibt sich, dass ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 1 FPG nur gegenüber unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern oder begünstigten Drittstaatsangehörigen erlassen werden kann. Das Aufenthaltsverbot bildet gemeinsam mit der Ausweisung nach § 66 FPG dabei das Pendant zur Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG und Einreiseverboten nach § 53 FPG, die nur gegenüber (nicht iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG begünstigten) Drittstaatsangehörigen verhängt werden können.

Es ist für das Bundesverwaltungsgericht daher in keiner Weise nachvollziehbar, warum bzw. aufgrund welcher Schlüsse oder Feststellungen die belangte Behörde zur Rechtsansicht gelangen konnte, das im gegenständlichen Fall ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG zu erlassen wäre. Im gesamten Behördenakt des Bundesamtes und auch in den darin einliegenden Entscheidungen der MA 35 und des LVwG Wien findet sich kein Hinweis darauf, dass die BF jemals die Stellung einer begünstigten Drittstaatsangehörigen innegehabt hat. Aus dem Bescheid der MA 35 als auch aus der Entscheidung des LVwG Wien geht klar hervor, dass der erste Ehemann der BF serbischer Staatsangehöriger ist. Die BF war und ist somit "gewöhnliche" Drittstaatsangehörige gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG und ist ihr gegenüber daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nach § 67 FPG nicht zulässig. Die belangte Behörde hat sich daher in an Willkür grenzender Art und Weise in der Verfahrensform nach dem FPG vergriffen, da ggü. der BF offenkundig ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG und eines etwaigen Einreiseverbots nach § 53 FPG geführt hätte werden müssen.

Aus den genannten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid schon vor einem weiteren Eingehen auf die Beschwerdegründe als inhaltlich rechtswidrig.

Ein "Umstieg" bzw. eine Umdeutung des verhängten Aufenthaltsverbots in eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot und vice versa kommt - wie die Beschwerde richtig feshält - aufgrund der diesbezüglich klaren Judikatur des VwGH nicht in Frage:

"Die Ansicht, § 69 Abs. 2 FPG sei im vorliegenden Fall maßgeblich, verkennt, dass es sich bei Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot einerseits sowie bei einem Aufenthaltsverbot andererseits um unterschiedliche Maßnahmen handelt. Erstere ergehen gegen Drittstaatsangehörige, verpflichten diese zur Ausreise in deren Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat (Rückkehrentscheidung; siehe § 52 Abs. 8 FPG) und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten (das sind jene Staaten, für die die Richtlinie 2008/115/EG gilt; siehe das Erkenntnis VwGH 22.5.2013, 2013/18/0021) einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten (Einreiseverbot; siehe § 53 Abs. 1 FPG). Ein Aufenthaltsverbot ist dagegen jene aufenthaltsbeendende Maßnahme, die gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige in Betracht kommt und verpflichtet "nur" zum Verlassen und über den festgesetzten Zeitraum zum Verbleib außerhalb des Bundesgebietes. Angesichts des demnach unterschiedlichen normativen Gehalts der erwähnten Maßnahmen, die zudem an unterschiedliche Voraussetzungen anknüpfen, sind sie nicht "austauschbar"; damit kommt aber die vom Revisionswerber und vom BVwG offenbar angedachte Transformation eines Einreiseverbotes in ein Aufenthaltsverbot, wenn der betroffene Fremde EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger wird, nicht in Betracht.[..]" (VwGH 14.11.2017, 2017/21/151)

Die belangte Behörde hat sich daher aus nicht nachvollziehbaren Gründen im fremdenrechtlichen Maßnahmen- bzw. Verfahrenstypus vergriffen. Es ist daher letztlich nur noch die Frage zu klären, wie im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit dem dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasteten Bescheid umzugehen ist.

Eine Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kommt dabei nicht in Frage, weil diese Zurückverweisung nur bei gravierenden Ermittlungslücken der belangten Behörde zur Anwendung gelangen kann, wobei diese jedoch innerhalb der durch den angefochtenen Bescheid und durch die Beschwerde bzw. deren Gründe und Begehren (vgl. §§ 9 Abs. 1 Z 3 u 4, 27 VwGVG) abgesteckten "Sache" des Verfahrens nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, durch zusätzliche Ermittlungen der Behörde sanierbar sein müssen. Diese Vorrausetzungen liegen im ggst. Fall nicht vor, da sich die belangte Behörde schon im Verfahrenstypus selbst vergriffen hat und somit eine Zurückverweisung zur Erlassung eines neuen Bescheides damit die Grenzen der "Sache" des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überschreiten würde. Diese "Sache" des bekämpften Bescheides bildet den äußersten Rahmen für die "Prüfungsbefugnis" des VwG (VwGH 26. 3. 2015, Ra 2014/07/0077; 9. 9. 2015, Ro 2015/03/0032; 27. 1. 2016, 2014/10/0003; 16. 3. 2016, Ra 2015/04/0042; 29. 6. 2016, Ra 2016/05/0052; vgl auch zur Zurückweisung bei einem Begehren außerhalb der Sache Rz 24; ferner AVG § 66 Rz 60). Mit deren Überschreitung nimmt das VwG eine ihm nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch (VwGH 30. 6. 2016, Ra 2016/11/0044; vgl auch VwGH 18. 12. 2014, Ra 2014/07/0002) (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §28 VwGVG, Rz. 37).

Aufgrund dieser Umstände verbleibt daher nur die Möglichkeit den mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belasteten Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.

"Bei der ersatzlosen Behebung gemäß § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz VwGVG (VwGH 4. 8. 2016, Ra 2016/21/0162) um eine - wenn auch "negative" - Entscheidung "in der Sache selbst" (VwGH 25. 3. 2015, Ro 2015/12/0003; 25. 2. 2016, Ra 2015/07/0170; 28. 6. 2016, Ra 2015/17/0082), die erst dann getroffen werden darf, wenn der dafür maßgebende Sachverhalt geklärt ist, dh von vornherein feststeht oder vom VwG festgestellt wurde (vgl auch VwGH 5. 10. 2016, Ra 2016/19/0208). Eine sog "ersatzlose" Behebung hat daher dann zu erfolgen, wenn am Ende des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens feststeht, dass in dieser Sache überhaupt kein förmlicher Abspruch erfolgen darf oder zumindest von der belangten Behörde (vgl Rz 74) kein Bescheid erlassen werden durfte (vgl Leeb, Verfahrensrecht 109 f)." (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §28 VwGVG, Rz. 71).

Im konkreten Fall steht nach Sachverhaltslage zweifelsfrei fest, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid dieses Verfahrenstypus in dieser "Sache" - mangels Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG - überhaupt nicht hätte erlassen dürfen. Die belangte Behörde ist aber, da sich die "Ersatzlosigkeit" auf die ggst. "Sache" des Verwaltungsverfahrens und somit auf die bescheidmäßige Erlassung eines Aufenthaltsverbots nach § 67 Abs. 1 FPG ggü. der Beschwerdeführerin beschränkt, im Weiteren nicht daran gehindert ein Verfahren nach den Bestimmungen der §§ 52, 53 FPG einzuleiten.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall unterbleiben, da gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG schon aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben war.

Zu B)

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (jeweils in der Begründung zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufgehoben Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Rechtsanschauung des VwGH Umdeutung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2225830.1.00

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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