TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 W264 1432176-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2020
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Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W264 1432176-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein

St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 18.12.2018, Zahl 820362908/181207619, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch als "BF" bezeichnet) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet 27.3.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in der Folge wurde er am 11.10.2012 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (damals: Bundesasylamt; in weiterer Folge auch als "belangte Behörde" bezeichnet) einvernommen.

1.2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde mit Bescheid vom 9.1.2013 sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

1.3. Der dagegen erhobenen Beschwerde im vollen Umfang gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 25.9.2015, W202 1432176-1, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insofern statt, als dass dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 25.9.2016 erteilt wurde (Spruchpunkt II.). Das Verfahren gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides wurde infolge Beschwerdezurückziehung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eingestellt.

Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei und der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft angehöre. Zuletzt habe der Beschwerdeführer in der Provinz Ghazni gemeinsam mit seiner Mutter und seinem verheirateten älteren Bruder gelebt. Zwei verheiratete Schwestern würden in Kabul leben. Ein Bruder halte sich im Iran auf. Zwischenzeitig seien seine Mutter und der ältere Bruder nach Pakistan ausgereist. Im Falle einer Rückkehr wäre es dem BF nicht möglich langfristig bei einem seiner Schwager unterzukommen. Er wäre mit finanziellen Schwierigkeiten bzw. Versorgungsschwierigkeiten konfrontiert. Die Schwestern des BF würden nicht selbständig, das heißt nicht ohne Erlaubnis ihrer Männer, entscheiden können, ihre Brüder bei sich aufzunehmen.

Rechtlich folgerte das Bundesverwaltungsgericht, dass es sich bei der Provinz Ghazni um eine der unsichersten Provinzen Afghanistans handle und der BF nur noch geringfügig familiäre Anknüpfungspunkte dort habe, weshalb es ihm nicht zumutbar wäre, dorthin zurückzukehren. Eine Niederlassung in Kabul oder einer anderen größeren Stadt sei dem BF ebenfalls nicht zumutbar, da angesichts der schwierigen Versorgungs- und Sicherheitslage in Kabul nicht davon ausgegangen werden könne, dass der BF dort oder in einer anderen größeren Stadt in Afghanistan in der Lage wäre, Fuß zu fassen und seine existenziellen Grundbedürfnisse zu decken, zumal er nicht von vornherein über die nötigen finanziellen Mittel für eine Ansiedlung in einer Stadt verfüge. Zwar verfüge er über zwei Schwestern, doch ergebe sich aus den Feststellungen, dass der BF dort nicht bleiben könne, so dass er in der Folge von der schwierigen Versorgungslage betroffen wäre. Hinzu komme die nach den Feststellungen angespannte Sicherheitslage in Kabul, sodass insgesamt betrachtet dem BF ein Ausweichen von Ghazni nach Kabul nicht zugemutet werden könne. Insgesamt betrachtet sei zu erkennen, dass der BF im Fall seiner Abschiebung - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

1.4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.9.2016 wurde die Aufenthaltsberechtigung des BF aufgrund seines Antrages bis zum 25.9.2018 verlängert.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 10.9.2018 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

2.2. Am 14.12.2018 erfolgte daraufhin eine mündliche Einvernahme des BF vor der belangten Behörde, im Zuge derer er zu seinem Gesundheitszustand angab, gesund zu sein, keine Medikamente zu nehmen und derzeit als Bauarbeiter zu arbeiten. Vor zwei Wochen seien sie in Winterpause gegangen. Seine Mutter lebe mit seinem älteren Bruder in Ghani, ein weiterer Bruder lebe im Iran. Seine beiden Schwestern würden mit ihren Ehemännern nach wie vor in Kabul leben. Zu seiner Mutter habe er hin und wieder Kontakt. Sie sei schon alt. Sie berichte, dass sie in Ghazni sei, wenn es dort sicher sei, aber in letzter Zeit sei sie öfter in Kabul. Der BF habe vor sechs Monaten in Pakistan geheiratet. Seine Frau sei aber in Kanada. Sie habe eine Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung. Sie sei die Nichte seiner Tante in Amerika. Sie würden sie vier Jahren miteinander Schreiben und komme sie im Jänner 2019 nach Österreich auf Besuch. Er könne nicht zurück nach Afghanistan, da die Sicherheitslage überall schlecht sei.

In der Folge wurde das Länderinformationsblatt Afghanistan vom 29.06.2018 mit letzter Kurzinformation vom 23.11.2018 erörtert. Ferner wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass sich seine subjektive Lage im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, geändert habe. Es sei nicht festzustellen, dass eine Rückkehr die reale Gefahr für sein Leben oder seine Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Weder bestehe eine solche Gefahr aufgrund der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat noch leide er an einer lebensbedrohlichen und in seinem Herkunftsstaat nicht ausreichend behandelbaren Erkrankung. Eine Rückkehr sei ihm zuzumuten, da er insbesondere in Herat oder Mazar-e Sharif und auch in Kabul, wo er über private Anknüpfungspunkte verfüge, Sicherheit erlangen könne und auch eine zumutbare Lebenssituation vorfinden würde. Es sei ihm zuzumuten, sich auch unter schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, umso mehr er auch auf die Unterstützung seiner in Afghanistan und im Iranlebenden Familie zurückgreifen könne. In Anbetracht der Kürze seines Aufenthaltes sowie auch fehlender (enger) familiärer oder privater Bindungen in Österreich sei nicht ersichtlich, dass eine Rückkehrentscheidung einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens darstellen würde.

Im Zuge der Einvernahme legte der BF eine Wiedereinstellungsbestätigung der Firma Wolfthaler Aluschalung vom 3.12.2018, seine Heiratsurkunde und eine Kopie des kanadischen Passes seiner Frau vor.

2.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.9.2015 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und sein Antrag vom 10.9.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Festgestellt wurde im Wesentlichen, dass der BF gesund und arbeitsfähig sei, Dari, Paschtu, Urdu und ein wenig Deutsch sowie ein wenig Englisch spreche. Er habe Schulbildung und Arbeitserfahrung und familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nicht mehr vorliegen, da sich seine subjektive Lage im Vergleich zum Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt wurde, geändert hätte. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan habe er nicht vorgebracht. In seinem Fall bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative. Er würde seinen Lebensunterhalt in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif bestreiten können und dort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. In Österreich habe er keine Verwandten, gehe keiner Arbeit nach und spreche wenig Deutsch.

Im Zuge der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass seine Mutter und sein älterer Bruder in seiner Heimatprovinz Ghazni und seine beiden Schwestern mit ihren Ehemännern in Kabul leben würden. Diese könne er um Unterstützung bitte und da der Stellenwert der Familie in Afghanistan sehr hoch sei, sei davon auszugehen, dass ihm die Unterstützung nicht verwehrt werden würde. Ein großer Unterschied zur damaligen Gewährung des subsidiären Schutzes sei, abgesehen von der allgemeinen Lebenserfahrung, dass er schon weitere Erfahrungen gesammelt hätte und wie beschrieben über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge. Des Weiteren könne er auf seine Volksgruppenzugehörigkeit der Tadschiken und auf internationalen sowie nationale Unterstützungsmöglichkeiten für Rückkehrer zurückgreifen. Seine subjektive Lage habe sich insofern geändert, als ihm nun eine IFA (innerstaatliche Fluchtalternative) mit Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe und er demnach auch auf sich alleine gesellt seinen Lebensunterhalt bestreiten könne.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde im Wesentlichen, dass im Fall des BF die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorlägen, weshalb der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen abzuerkennen sei. Aus der aktuellen Lage ergebe sich keine Gefährdungslage im Sinne des § 8 AsylG 2005.

2.4. Mit Verfahrensanordnung vom 18.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

2.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, am 18.01.2019 Beschwerde. Begründend wurde nach Darstellung des Sachverhalts zusammengefasst ausgeführt, dass sich seine persönliche Situation nicht geändert habe. Seine Familienangehörigen seien damals schon dort aufhältig gewesen. Dass ihn seine Familie - im Gegensatz zur Lage im Jahr 2015, 2016 - nunmehr finanziell unterstützen könne, sei nicht verständlich, da diesbezüglich weder Nachforschungen angestellt worden seien, noch sei der BF im Rahmen der Einvernahme dazu befragt worden. Was die Lebenserfahrung betreffe, so treffe auf jeden Menschen zu, dass sich das Alter und die damit verbundene Lebenserfahrung verändere. Er sei jedoch schon zum Zuerkennungszeitpunkt bereits volljährig gewesen. Auch sei nicht erkennbar, wie sich die Lage hinsichtlich der Unterstützung durch seine Volksgruppe im Vergleich zum Zeitpunkt 2015/2016 geändert habe. Die allgemeine Sicherheitslage im gesamten Land habe sich ebenfalls nicht verbessert, sondern eher verschlechtert.

2.6. Mit Beschwerdevorlageschreiben vom 21.1.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und langte diese am 24.1.2019 hg. ein.

2.7. Am 23.10.2019 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt, in welcher der BF in Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie eines Vertreters der belangten Behörde erklärte, aus eigenen Stücken ohne Rechtsvertretung gekommen zu sein und nach Hinweis auf die Wahrheitspflicht befragt wurde.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung legte der BF ein ÖSD Zertifikat A1 Deutsch vom 12.5.2016, Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen, Einkommenssteuerbescheide aus den Jahren 2016 und 2017, eine Bestätigung des gemeinnützigen Vereins für Arbeit, Beratung und Bildung vom 9.11.2018 sowie eine Bescheinigung der Teilnahme an einem 16-stündigen Erste-Hilfe-Grundkurs vom 10.1.2018 vor.

2.8. Am 28.10.2019 langte eine Stellungnahme des Rechtsberaters ein, worin auf die Lage im Herkunftsstaat mit dem Hinweis auf die Lage des ggst. Einzelfalls eingegangen wird.

Beweismittel - etwa über nachfolgende Integrationsschritte, bestandene Deutschprüfungen und / oder den Gesundheitszustand betreffende - langten beim Bundesverwaltungsgericht bis dato nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein afghanischer Staatsangehöriger aus der zweitgrößten Volksgruppe, den Tadschiken, und bekennt sich zur Staatsreligion Islam, sunnitische Glaubensrichtung. Er stammt ursprünglich aus der Provinz Ghazni und besuchte dort neun Jahre lang die Schule und arbeitete dann bis zu seiner Ausreise als Dekorateur für Hochzeiten und diverse Veranstaltungen. Wegen der Arbeit war der Beschwerdeführer auch zwischenzeitig in Kabul aufhältig. Er kaufte dort auch ein und besuchte seine Eltern. Seine Mutter und sein älterer Bruder leben nach wie vor in ihrem Haus in Ghazni und wechseln den Wohnort nach Kabul, wenn die Sicherheitslage schlecht wird. Die finanzielle Situation ist schwierig. Der Beschwerdeführer steht in telefonischem Kontakt zu seiner Mutter und unterstützt sie, indem er Geld nach Hause schickt. Je nachdem wie viel er übrig hat, sind das EUR 200,-- bis EUR 300,--. Der BF ist nicht lebensbedrohlich krank.

Einer seiner Brüder lebt im Iran und hält der Beschwerdeführer zu diesem keinen Kontakt.

Seine beiden Schwestern sind verheiratet und leben in Kabul. Der Beschwerdeführer hat ein bis zwei Mal im Jahr Kontakt zu ihnen.

Des Weiteren leben ein Onkel (väterlicherseits) sowie eine Tante (mütterlicherseits) des BF in Ghazni.

Der Beschwerdeführer ist seit Juni 2018 mit einer afghanischen Staatsangehörigen verheiratet, welche in Kanada lebt, deren Onkel bereits dort lebte und sie offiziell nachholte. Seine Frau hat eine Aufenthaltsberechtigung und eine Arbeitserlaubnis, eine Wohnung und ein Auto in Kanada. Er steht mit ihr in regelmäßigen Kontakt und wollen sich die beiden eine Zukunft in Österreich oder Kanada aufbauen. Wenn der Beschwerdeführer Geld benötigen würde, könnte ihn seine Frau unterstützen, indem sie ihm Geld schickt.

1.1.2. Zu seinem Leben in Österreich:

Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte der BF am 11.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher infolge Beschwerdeerhebung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.9.2015, W202 1432176-1, dahingehend bewilligt wurde, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 25.9.2016 erteilt wurde. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des seinen Antrag auf internationalen Schutz abweisenden Bescheides der belangten Behörde zog der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zurück. Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist damit rechtskräftig.

Das Bundesverwaltungsgericht ging in seinem Erkenntnis vom 25.9.2015 von folgendem Sachverhalt aus:

"Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitischen Bekenntnisses.

Zuletzt lebte der Beschwerdeführer in der Provinz Ghazni, Stadt Ghazni, Stadtteil Planeseh, Straße Hendoha, gemeinsam mit seiner Mutter und seinem verheirateten älteren Bruder. Zwei verheiratete Schwestern des Beschwerdeführers leben in Kabul, ein Bruder hält sich im Iran auf. Ende 2011 verließ der Beschwerdeführer Afghanistan und gelangte Ende März 2012 in das Bundesgebiet. Am 26.03.2012 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Zwischenzeitig sind die Mutter und der ältere Bruder samt Familie nach Pakistan ausgereist. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wäre es dem Beschwerdeführer nicht möglich, langfristig bei einem seiner Schwager unterzukommen und wäre mit finanziellen bzw. Versorgungsschwierigkeiten konfrontiert. Die Schwestern des Beschwerdeführers können nicht selbständig, das heißt nicht ohne Erlaubnis ihrer Männer, entscheiden, ihre Brüder bei sich aufzunehmen."

Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich bei der Begründung für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf die Umstände, dass es sich bei seiner Herkunftsprovinz Ghazni um eine der unsichersten Provinzen Afghanistans handle und der BF nur noch geringfügige familiäre Anknüpfungspunkte dort habe. Eine Niederlassung des BF in Kabul oder einer anderen größeren Stadt wäre ihm nicht zumutbar, da er zwar über zwei Schwestern verfüge, jedoch sich aus den Feststellungen ergebe, dass er dort langfristig nicht bleiben könne.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.9.2016 wurde die Aufenthaltsberechtigung des BF aufgrund seines Antrages bis zum 25.9.2018 verlängert.

In Österreich ist der BF strafgerichtlich unbescholten. Er ist gesund und arbeitsfähig und lebt mit einem Freund in einer Wohngemeinschaft. Er kann den Anteil seiner Miete bei einem Nettoverdienst von EUR 1.200,-- aus eigener Kraft bestreiten.

Er war im Zeitraum 25.7.2016 bis 30.12.2016 als Arbeiter bei der Firma Nihat Sen beschäftigt, arbeitete von 3.4.2017 bis 2.4.2018 als Bauhilfsarbeiter über den Verein für Arbeit, Beratung & Bildung beim Beschäftigungsprojekt "Spectrum Bau". Von 28.8.2018 bis 30.11.2018 und von 18.3.2019 bis 3.5.2019 war er bei der Firma Wolfthaler Aluschalung, von 24.6.2019 bis 14.7.2019 bei Said Ali Ahmad Sadat und von 15.7.2019 bis 29.10.2019 bei Sadat Gastro OG jeweils als Arbeiter beschäftigt. Im Zeitraum von 5.11.2019 bis 20.12.2019, 7.1.2020 bis 3.4.2020 und seit 20.4.2020 ist der Beschwerdeführer bei der Firma AdH Bau & Handels GmbH als Arbeiter beschäftigt.

Zwischenzeitlich - beginnend im Jahr 2017 - bezog der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.

Der BF besuchte in Österreich mehrere Deutschkurse und legte die Deutschprüfung auf dem Niveau A1 am 12.5.2016 ab.

Am 10.1.2018 besuchte der BF einen Erste-Hilfe-Grundkurs beim österreichischen Roten Kreuz.

1.1.3. Die subjektive Lage des BF hat sich seit dem Zuerkennungszeitpunkt des Status des subsidiär Schutzberechtigten und seit dem Zeitpunkt der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 insofern geändert, als dass der Beschwerdeführer in Österreich einige Jahre Berufserfahrung gesammelt hat. Zum Zeitpunkt der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung im September 2016 war er erst zwei Monate vollversicherungspflichtig beschäftigt und hat seither seine Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis gestellt und ist durch die in Österreich erlangte Berufserfahrung reifer und erfahrener geworden.

Des Weiteren ist der BF seit Juni 2018 verheiratet, wobei seine Ehefrau in Kanada lebt und arbeitet. Sie kann den BF finanziell unterstützen.

1.2. Zur potentiellen Gefährdungslage im Rückkehrfall

Im Fall einer Rückkehr an den Ort seiner Geburt und Herkunft, Ghazni, wäre der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der ernsthaften Gefahr durch den Eintritt eines ernsthaften Schadens im Sinne entweder der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder einer Behandlung wie Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt, die auf Faktoren beruht, die den afghanischen Behörden direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst sind (sei es der Art, dass die Behörden Afghanistan ihn persönlich bedrohen oder diese Bedrohung tolerieren würden, oder der Art, dass diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückginge, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen könnten).

Dem Beschwerdeführer steht jedoch der Weg einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif offen. Er kann sich dort niederlassen und mittelfristig eine Existenz aufbauen.

Der BF verfügt über Verwandte in der Stadt Kabul und hat dort Ortskenntnisse. In den Städten Herat und Mazar-e Sharif hat er hingegen keine Ortskenntnisse, jedoch ist er anpassungsfähig und kann auch dort einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Der BF kann Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif von Österreich aus gefahrlos über den Luftweg erreichen. Sowohl Kabul als auch Herat und auch Mazar-e Sharif verfügen jeweils über einen Internationalen Flughafen. Von Kabul aus sind sowohl Herat als auch Mazar-e Sharif über den Landweg erreichbar. Somit ist eine sichere und legale Erreichbarkeit des Herkunftsstaates für den BF gewährleistet (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, mwN).

Es besteht für den BF keine reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr einer Tötung (einschließlich der Verhängung und/oder Vollstreckung der Todesstrafe) durch den Staat oder tödlicher Übergriffe durch Dritte.

Eine mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr, der Folter ausgesetzt zu sein oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu sein, besteht nicht, insbesondere nicht im Hinblick auf eine drohende Kettenabschiebung, im Hinblick auf eine drohende Todesstrafe, im Hinblick auf den Gesundheitszustand in Verbindung mit einer Unzulänglichkeit der medizinischen Bedingungen im Herkunftsstaat, im Hinblick auf die allgemeinen humanitären Bedingungen im Herkunftsstaat in Verbindung mit der persönlichen Lage des Beschwerdeführers (etwa im Sinne einer existenzgefährdenden Notlage oder des Entzugs der notdürftigsten Lebensgrundlage) oder im Hinblick auf psychische Faktoren, auf Haftbedingungen oder aus anderen Gründen.

Dem BF droht auch insbesondere nicht eine Verfolgungsgefahr aufgrund westlicher Gesinnung: Der BF ist nicht als "westernized man" anzusehen und droht ihm daher bei Rückkehr keine Verfolgung aus einem solchen Grunde. Er gehört einer Volksgruppe Afghanistans an, bekennt sich zur Staatsreligion Afghanistans und lebte in Afghanistan und ist einer in Afghanistan von der Verfassung anerkannten Sprache mächtig (Dari). Der BF wurde in einem islamischen Land im von islamischen Werten getragenen Familienverband sozialisiert, besuchte vor der Einreise nach Österreich die Schule und hat - ebenso vor der Einreise - in Afghanistan Berufserfahrung in einem Blumengeschäft erlangt. Der XXXX geborene BF hat bloß seit März 2012 Zeit in einem westlichen Land verbracht.

Dem BF droht nicht eine Verfolgungsgefahr aufgrund westlicher Gesinnung (westernized man): Soweit man eine Veränderung als "Verwestlichung" werten kann, ist anzuführen, dass es aus dem notorischen Amtswissen nicht ableitbar ist, dass alleine ein Aufenthalt in Europa und eine westliche Geisteshaltung bei Männern bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würden; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so zB VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Der BF gab nicht bloß in der Erstbefragung "Dari" als Muttersprache an (NS EB S. 1), sondern auch im August 2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht bezeichnete er Dari als "meine Muttersprache" (VP S. 2). Es ist also daher davon auszugehen, dass er sich in Österreich weiterhin in seiner Muttersprache unterhält, sodass bei Rückkehr des BF etwa nicht schon anhand seiner Sprache auffallen wird, dass er im Ausland war.

Aber selbst bei nunmehr der deutschen Sprache mächtigen Afghanen ist weder der höchstgerichtlichen Judikatur, noch den Länderberichten zu entnehmen ist, dass Afghanen bloß aufgrund der Tatsache, dass sie einer in westlichen Ländern verbreiteten Sprache kundig sind, in einem gewissen Focus regierungsfeindlicher Kräfte stehen.

Eine solche mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene Gefahr besteht auch nicht im Hinblick auf eine etwaige ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 18.5.2020

Ghazni

Die Provinz Ghazni liegt im Südosten Afghanistans und grenzt an die Provinzen Bamyan und Wardak im Norden, Logar, Paktya und Paktika im Osten, Zabul im Süden und Uruzgan und Daykundi im Westen. Ghazni liegt an keiner internationalen Grenze (UNOCHA 4.2014).

Die Stadt Ghazni liegt an der Ring Road, welche die Hauptstadt Kabul mit dem großen Ballungszentrum Kandahar im Süden verbindet und auch die Straße zu Paktikas Hauptstadt Sharan zweigt in der Stadt Ghazni von der Ring Road ab, die Straße nach Paktyas Hauptstadt Gardez dagegen etwas nördlich der Stadt. Die Kontrolle über Ghazni ist daher von strategischer Bedeutung (CJ 13.8.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben (KP 27.5.2019).

Aufgrund der Präsenz von Taliban-Aufständischen in manchen Regionen der Provinz, gilt Ghazni als relativ unruhig (XI 22.9.2019), so standen beispielsweise Ende 2018, einem Bericht zufolge, acht Distrikte der Provinz unter Kontrolle der Taliban gestanden haben, fünf weitere Distrikte waren stark umkämpft (AAN 30.12.2018). Im Jänner 2019 wurde berichtet, dass die administrativen Angelegenheiten der Distrikte Andar, Deh Yak, Zanakhan, Khwaja Omari, Rashidan, Jaghatu, Waghaz und Khugyani aufgrund der Sicherheitslage bzw. Präsenz der Taliban nach Ghazni-Stadt oder in die Nähe der Provinzhauptstadt verlegt wurden. Aufgrund der Sicherheitslage sei es für die Bewohner schwierig, zu den neuen administrativen Zentren zu gelangen (PAJ 27.1.2019). Dem Verteidigungsminister zufolge, sind in der Provinz mehr Taliban und Al-Qaida-Kämpfer aktiv, als in anderen Provinzen. Dem Innenminister zufolge, hat sich die Sicherheitslage in der Provinz verschlechtert und die Taliban erlitten bei jüngsten Zusammenstößen schwere Verluste (PAJ 19.4.2019).

In Ergänzung zur Afghan National Police (ANP), der Afghan Local Police (ALP) und der paramilitärischen Kräfte des National Directorate of Security (NDS) entsteht im Distrikt Jaghuri im Rahmen eines Pilotprojekts eine neu eingerichtete Afghan National Army Territorial Force (ANA TF). Diese lokale Einheit soll die Bevölkerung schützen und Territorium halten, ohne von lokalen Machthabern oder Gruppeninteressen vereinnahmt zu werden (AAN 15.1.2019). Während des Angriffs auf Ghazni-Stadt im August 2018 wurden die afghanischen Regierungskräfte von US-amerikanischen Streitkräften unterstützt - laut einer Quelle nicht nur durch Luftangriffe, sondern auch von US-Spezialeinheiten am Boden (TM 23.8.2018). Ghazni liegt im Verantwortungsbereich des 203. ANA Tandar Corps (USDOD 6.2019; vgl. AAN 25.7.2018) das der Task Force Southeast untersteht, die von US-amerikanischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 673 zivile Opfer (213 Tote und 460 Verletzte) in der Provinz Ghazni. Dies entspricht einer Steigerung von 3% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmordattentate, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und Kämpfen am Boden (UNAMA 2.2020).

Einem UN-Bericht zufolge, war Ghazni neben Helmand und Farah zwischen Februar und Juni 2019 eines der aktivsten Konfliktgebiete Afghanistans. Mehr als die Hälfte aller Luftangriffe fanden in diesem Zeitraum in den Provinzen Helmand und Ghazni statt. Anfang April 2019 beschloss die Regierung die "Operation Khalid", welche unter anderem auf Ghazni fokussiert (UNGASC 14.6.2019). Auch die Winteroperationen 2018/2019 der ANDSF konzentrierten sich unter anderem auf diese Provinz (UNGASC 28.2.2019). In der Provinz kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (z.B. KP 27.7.2019; KP 25.7.2019; KP 22.7.2019, MENAFN 22.7.2019); ebenso werden Luftangriffe in der Provinz durchgeführt (PAJ 17.3.2019). Bei manchen militärischen Operationen werden beispielsweise Taliban getötet (KP 25.7.2019; vgl. KP 22.7.2019). Außerdem kommt es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (PAJ 30.3.2019; vgl. PAJ 16.2.2019, SP 15.8.2018). Auch verlautbarte die Regierung im September 2019 nach wie vor Offensiven gegen die Aufständischen in der Provinz zu führen, um das Territorium der Taliban zu verkleinern (XI 22.9.2019).

Mitte August 2018 eroberten die Taliban große Teile der Stadt Ghazni, was zu heftigen Kämpfen zwischen den Aufständischen und den Regierungskräften führte (SP 15.8.2018). Nach fünf Tagen erlangte die Regierung wieder die Kontrolle über die Provinzhauptstadt (AAN 16.12.2018). Die dabei durchgeführten Luftangriffe führten zu zivilen Opfern und zerstörten Häuser von Zivilisten (AAN 16.12.2018; vgl. UNAMA 24.2.2019). UNAMA verzeichnete 262 zivile Opfer (79 Tote, 183 Verletzte) im Zusammenhang mit dem Talibanangriff im August 2018 (UNAMA 24.2.2019). Zeitgleich mit dem Angriff auf die Stadt Ghazni eroberten die Taliban den Distrikt Ajristan westlich der Provinzhauptstadt (NYT 12.8.2018; vgl. TN 13.8.2018). Im November 2018 starteten die Taliban eine Großoffensive gegen die von Hazara dominierten Distrikte Jaghuri und Malistan, nachdem die Aufständischen bereits Ende Oktober das benachbarte Khas Uruzgan in der Provinz Uruzgan angegriffen hatten (RFE/RL 13.11.2018; vgl. AAN 29.11.2018). Bis Ende November 2018 wurden die Taliban aus Jaghuri und Malistan vertrieben (AAN 29.11.2018).

Die Parlamentswahlen, die im Oktober 2018 hätten stattfinden sollen, wurden in Ghazni aufgrund der volatilen Sicherheitslage zunächst auf April 2019 verschoben (AAN 16.8.2018). Ende Dezember 2018 kündigte die Unabhängige Wahlkommission (independent election commission, IEC) an, dass die Parlamentswahlen in Ghazni sowie die Präsidentschaftswahlen in ganz Afghanistan im Juli 2019 mit dreimonatiger Verspätung stattfinden würden (F24 30.12.2018). Neben der Sicherheitslage nannte ein Bericht des UN-Generalsekretärs auch Proteste, welche die Provinzzentrale der IEC blockierten, als einen Grund für die Verschiebung der Wahl in Ghazni (UNGASC 28.2.2019).

Balkh mit der Hauptstadt Mazar-e Sharif

Letzte Änderung: 22.4.2020

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure in Balkh

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung in Balkh

Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 277 zivile Opfer (108 Tote und 169 Verletzte) in der Provinz Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 22% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe am Boden, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. (UNAMA 2.2020).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).

Herat

Letzte Änderung: 22.4.2020

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte - Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) -, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).

Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure in Herat

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vgl. RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).

Auf Seiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vgl. KP 16.12.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung in Herat

Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 400 zivile Opfer (144 Tote und 256 Verletzte) in der Provinz Herat. Dies entspricht einer Steigerung von 54% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierte Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 2.2020).

In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vgl. KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vgl. AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vgl. KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vgl. PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vgl. PAJ 30.6.2019) wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).

Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (PAJ 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Folgende internationale Airline fliegt nach Maza-e Sharif: Turkish Airlines aus Istanbul (Flightradar 4.11.10.2019).

Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Mazar-e Sharif international aus Moskau, Jeddah und Medina an (Flightradar 4.11.10.2019).

Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kabul und Maimana (Flightradar 4.11.10.2019).

Internationaler Flughafen Herat

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.; ACAA o.D).

Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Herat international aus Medina und Delhi an (Flightradar 4.11.10.2019).

Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen nach Kabul, Farah und Chighcheran (Flightradar 4.11.10.2019).

Rekrutierung durch regierungsfeindliche Gruppierungen

UNAMA dokumentierte glaubwürdige Vorwürfe über die Rekrutierung von 23 Buben durch regierungsfeindliche Gruppen (darunter pakistanische Taliban, afghanische Taliban und IS) im ersten Halbjahr 2018. In einzelnen Fällen wurden Kinder insbesondere in den südlichen Provinzen als Selbstmordattentäter, menschliche Schutzschilde oder Bombenleger eingesetzt (USDOS 13.3.2019) Obwohl die Taliban eine interne Richtlinie haben, keine Kinder zu rekrutieren, gibt es Hinweise auf Kinderrekrutierungen, insbesondere postpubertärer Buben (EASO 6.2018). Die Taliban wenden, laut Berichten von NGOs und UN, Täuschung, Geldzusagen, falsche religio¿se Zusammenhänge oder Zwang an, um Kinder zu Selbstmordattentaten zu bewegen (USDOS 13.3.2019; vgl. EASO 6.2018, DAI/CNRR 10.2016), teilweise werden die Kinder zum Training nach Pakistan gebracht (EASO 6.2018).

Taliban

Es besteht relativer Konsens darüber, wie die Rekrutierung für die Streitkräfte der Taliban erfolgt: sie läuft hauptsächlich über bestehende traditionelle Netzwerke und organisierte Aktivitäten im Zusammenhang mit religio¿sen Institutionen. Layha, der Verhaltenskodex der Taliban enthält einige Bestimmungen über verschiedene Formen der Einladung sowie Bestimmungen, wie sich die Kader verhalten sollen, um Menschen zu gewinnen und Sympathien aufzubauen. Eines der Sonderkomitees der Quetta Schura ist für die Rekrutierung verantwortlich (LI 29.6.2017).

In Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen Kontrolle ausüben, gibt es eine Vielzahl an Methoden, um Kämpfer zu rekrutieren, darunter auch solche, die auf Zwang basieren (DAI/CNRR 10.2016), wobei der Begriff Zwangsrekrutierung von Quellen unterschiedlich interpretiert und Informationen zur Rekrutierung unterschiedlich kategorisiert werden (LI 29.6.2017). Landinfo versteht Zwang im Zusammenhang mit Rekrutierung dahingehend, dass jemand, der sich einer Mobilisierung widersetzt, speziellen Zwangsmaßnahmen und Übergriffen (zumeist ko¿rperlicher Bestrafung) durch den Rekrutierer ausgesetzt ist. Die Zwangsmaßnahmen ko¿nnen auch andere schwerwiegende Maßnahmen beinhalten und gegen Dritte, beispielsweise Familienmitglieder, gerichtet sein. Auch wenn jemand keinen Drohungen oder ko¿rperlichen Übergriffen ausgesetzt ist, ko¿nnen Faktoren wie Armut, kulturelle Gegebenheiten und Ausgrenzung die Unterscheidung zwischen freiwilliger und zwangsweiser Beteiligung zum Verschwimmen bringen (LI 29.6.2017). Die Taliban haben keinen Mangel an freiwilligen Rekruten und machen nur in Ausnahmefällen von Zwangsrekrutierung Gebrauch. Druck und Zwang, den Taliban beizutreten, sind jedoch nicht immer gewalttätig (EASO 6.2018).

Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junge, desillusionierte Männer, deren Motive der Wunsch nach Rache und Heldentum gepaart mit religio¿sen und wirtschaftlichen Gründen sind. Sie fühlen sich nicht zwingend den zentralen Werten der Taliban verpflichtet. Die meisten haben das Vertrauen in das Staatsbildungsprojekt verloren und glauben nicht länger, dass es mo¿glich ist, ein sicheres und stabiles Afghanistan zu schaffen. Viele schließen sich den Aufständischen aus Angst oder Frustration über die Übergriffe auf die Zivilbevo¿lkerung an. Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlende Zukunftsperspektiven sind die wesentlichen Erklärungsgründe (LI 29.6.2017).

Vor einigen Jahren waren Mittel wie Pamphlete, DVDs und Zeitschriften bis hin zu Radio, Telefon und web-basierter Verbreitung wichtige Instrumente des Propagandaapparats. Internet und soziale Medien wie Twitter, Blogs und Facebook haben sich in den letzten Jahren zu sehr wichtigen Foren und Kanälen für die Verbreitung der Botschaft dieser Bewegung entwickelt, sie dienen auch als Instrument für die Anwerbung. Über die sozialen Medien ko¿nnen die Taliban mit Sympathisanten und potentiellen Rekruten Kontakt aufnehmen. Die Taliban haben verstanden, dass ohne soziale Medien kein Krieg gewonnen werden kann. Sie haben ein umfangreiches Kommunikations-und Mediennetzwerk für Propaganda und Rekrutierung aufgebaut. Zusätzlich unternehmen die Taliban perso¿nlich und direkt Versuche, die Menschen von ihrer Ideologie und Weltanschauung zu überzeugen, damit sie die Bewegung unterstützen. Ein Gutteil dieser Aktivitäten läuft über religio¿se Netzwerke (LI 29.6.2017).

Die Entscheidung, Rekruten zu mobilisieren, wird von den Familienoberhäuptern, Stammesältesten und Gemeindevorstehern getroffen. Dadurch wird dies nicht als Zwangsrekrutierung wahrgenommen, da die Entscheidungen der Anführer als legitim und akzeptabel gesehen werden. Personen, die sich dem widersetzen, gehen ein Risiko ein, dass sie oder ihre Familien bestraft oder geto¿tet werden (DAI/CNRR 10.2016; vgl. EASO 6.2018), wenngleich die Taliban nachsichtiger als der ISKP seien und lokale Entscheidungen eher akzeptieren würden (TST 22.8.2019).

Quellen haben bestätigt, dass es in Gebieten, die von den Taliban kontrolliert werden oder in denen die Taliban stark präsent sind, de facto unmo¿glich ist, offenen Widerstand gegen die Bewegung zu leisten. Die o¿rtlichen Gemeinschaften haben sich der Lokalverwaltung durch die Taliban zu fügen. Oppositionelle sehen sich gezwungen, sich äußerst bedeckt zu halten oder das Gebiet zu verlassen. Die Gruppe der Stammesältesten ist gezielten To¿tungen ausgesetzt. Landinfo vermutet, dass dies vor allem regierungsfreundliche Stammesälteste betrifft, die gegen die Taliban oder andere aufständische Gruppen sind (LI 27.6.2017). Eine Quelle verweist hier auf Berichte von Übergriffen auf Stämme oder Gemeinschaften, die den Taliban Unterstützung und die Versorgung mit Kämpfern verweigert haben. Gleichzeitig sind die militärischen Einheiten der Taliban in den Gebieten, in welchen sie operieren, von der Unterstützung durch die Bevo¿lkerung abhängig. Mehrere Gesprächspartner von Landinfo, einschließlich einer NGO, die in Taliban-kontrollierten Gebieten arbeitet, meinen, dass die Taliban im Gegensatz zu früher heute vermehrt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gemeinschaften Rücksicht nehmen. Bei einem Angriff oder drohenden Angriff auf eine o¿rtliche Gemeinschaft müssen Kämpfer vor Ort mobilisiert werden. In einem solchen Fall mag es schwierig sein, sich zu entziehen. Die erweiterte Familie kann einer Quelle zufolge allerdings auch eine Zahlung leisten, anstatt Rekruten zu stellen. Diese Praktiken implizieren, dass es die ärmsten Familien sind, die Kämpfer stellen, da sie keine Mittel haben, um sich freizukaufen. Es ist bekannt, dass - wenn Familienmitglieder in den Sicherheitskräften dienen - die Familie mo¿glicherweise unter Druck steht, die betreffende Person zu einem Seitenwechsel zu bewegen. Der Grund dafür liegt in der Strategie der Taliban, Personen mit militärischem Hintergrund anzuwerben, die Waffen, Uniformen und Wissen über den Feind einbringen. Es kann aber auch Personen treffen, die über Knowhow und Qualifikationen verfügen, die die Taliban im Gefechtsfeld beno¿tigen, etwa für die Reparatur von Waffen (LI 29.6.2017).

Islamischer Staat (IS)

Lokale Ältere, die in den Grenzprovinzen Kunar und Nangarhar leben, berichten von ISKP Kräften, die nach wie vor die Bewohner in Do¿rfern unter ihrer Kontrolle terrorisieren und Buben zwangsrekrutieren, sowie Mädchen vom Schulbesuch abhalten (WP 20.8.2019; vgl. TST 21.8.2019). Von Kunar wurde berichtet, dass auch Männer zwangsrekrutiert und jene geto¿tet wurden, die dies verweigert hätten (TST 22.8.2019).

In Gebieten unter Kontrolle des IS wird Druck auf die Gemeinden ausgeübt, den IS voll zu unterstützen (EASO 6.2018).

Andere Gruppierungen

Auch schiitische Organisationen rekrutieren unter Afghanen, wie z.B. die Fatemiyoun Division,, eine Kampftruppe, die vorwiegend aus afghanischen schiitischen Hazara besteht. Die Rekrutierung erfolgt durch die Iranischen Revolutionsgarden im Iran unter der afghanischen Flüchtlingspopulation; die Rekruten werden nach der Ausbildung zum Kampf nach Syrien geschickt. Es gibt Berichte, dass sich in einem Hazara-Viertel im Westen Kabuls ein Rekrutierungszentrum der Fatemiyoun befindet. Es werden auch Jugendliche ab 14 Jahren rekrutiert (DW 5.5.2018).

Religionsfreiheit

Etwa 99% der afghanischen Bevo¿lkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevo¿lkerung geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevo¿lkerung aus (AA 2.9.2019; vgl. CIA 30.4.2019, USDOS 21.6.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019, MPI 2004). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USODS 21.6.2019; vgl. AA 9.11.2016). Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie (USDOS 21.6.2019). Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (USDOS 29.5.2018).

Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Vero¿ffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 21.6.2019). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 21.6.2019; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und ko¿rperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 21.6.2019).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, ko¿nnen Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Gerechtigkeit zu erlangen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime (USDOS 21.6.2019).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religio¿sen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religio¿se und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.2.2019). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) to¿ten und verfolgen weiterhin Mitglieder religio¿ser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religio¿se Zugeho¿rigkeit zu begründen (USDOS 21.6.2019).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 21.6.2019). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht beno¿tigt. Religio¿se Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 21.6.2019).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Stro¿mungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an o¿ffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 21.6.2019).

Relevante ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 35 Millionen Menschen (CIA 30.4.2019; vgl. CSO 2019). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA 7.2016 ; vgl. CIA 30.4.2019). Schätzungen zufolge, sind: 40

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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