TE Vfgh Beschluss 2020/6/9 V98/2019

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Index

L8500 Straßen

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
Oö StraßenG1991 §5, §11
V des Gemeindesrats der Stadtgemeinde Ansfelden v 26.09.2019 über die Widmung von öffentlichen Verkehrsflächen für den Gemeingebrauch im Bereich der Brücke Fellbachschleuse
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnungsbestimmung betreffend die Widmung eines Grundstücks zum Gemeingebrauch und Einreihung als Fußgängerweg wegen Bestehen eines zumutbaren anderen Weges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B-VG, begehrt der Antragsteller, die Verordnung des Gemeinderats der Stadtgemeinde Ansfelden vom 26. September 2019 "über die Widmung von öffentlichen Verkehrsflächen für den Gemeingebrauch im Bereich der Brücke Feilbachschleuse", kundgemacht durch Anschlag an den Amtstafeln Haid und Freindorf vom 3. bis zum 18. Oktober 2019, als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die Verordnung des Gemeinderats der Stadtgemeinde Ansfelden vom 26. September 2019 "über die Widmung von öffentlichen Verkehrsflächen für den Gemeingebrauch im Bereich der Brücke Feilbachschleuse" lautet:

"Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ansfelden hat am 26.09.2019 gemäß §11 OÖ. Straßengesetz 1991 idgF., in Verbindung mit den §§40 Abs2. Z4 und 43 der OÖ. Gemeindeordnung 1990 idgF., beschlossen:

§1

Dieser Verordnung liegt der Lageplan der Stadtgemeinde Ansfelden vom 14.08.2018 im Maßstab 1:1000 zu Grunde.

§2

Die im Lageplan des §1 rot dargestellten Flächen in der KG Ansfelden werden dem Gemeingebrauch gewidmet und als Fußgängerweg eingereiht.

§3

Die genaue Lage der Teilflächen ist aus dem im §1 zitierten Lageplan im Maßstab 1:1000 ersichtlich, der beim Stadtamt Ansfelden während der Amtsstunden von jedermann eingesehen werden kann und auch vor Erlassung dieser Verordnung durch 4 Wochen im Stadtamt Ansfelden zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegen ist.

§4

Diese Verordnung wird gemäß §94 Abs1 OÖ. GemO idgF. 1990 durch 2 Wochen kundgemacht und wird mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam. Hinsichtlich Privatstraßen wird auf §11 Abs2 Oö. Straßengesetz 1991 idgF. verwiesen.

[...]"

2. §§5 und 11 des Landesgesetzes vom 24. Mai 1991 über die öffentlichen Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen (Oö. Straßengesetz 1991), LGBl 84/1991 idF LGBl 61/2008, lauten auszugsweise:

"§5

Öffentliches Gut

(1) Die öffentlichen Straßen sind als öffentliches Gut von jener Gebietskörperschaft, die gemäß §12 Abs2 zur Straßenverwaltung berufen ist, in ihr Eigentum zu übernehmen. Ist die Übernahme in das Eigentum ausnahmsweise, wie etwa bei Brücken oder Tunnels, nicht zweckmäßig, so ist durch die Einverleibung der erforderlichen Dienstbarkeiten der Gemeingebrauch sicherzustellen.

(2) […]"

"§11

Widmung, Einreihung und Auflassung von öffentlichen Straßen

(1) – (1a) [...]

(2) Eine Verordnung für die Widmung einer Verkehrsfläche der Gemeinde, die über eine bestehende Privatstraße führt, wird erst wirksam, wenn dafür die allenfalls erforderliche straßenrechtliche Bewilligung (§32) rechtskräftig erteilt wurde und die Gemeinde Eigentümer des Straßengrundes geworden ist.

(3) – (8) [...]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller ist Eigentümer des in der EZ 1165 KG Ansfelden vorgetragenen Grundstücks 2832/1 , von dem ein Teilstück mit der angefochtenen Verordnung dem Gemeingebrauch gewidmet und als Fußgängerweg eingereiht wurde. Er bringt im Wesentlichen vor, dass die verordnungserlassende Behörde weder ein hinreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, noch die straßenrechtlichen Voraussetzungen für die Erklärung zur Gemeindestraße gegeben seien. Die Verordnung greife aktuell und unmittelbar in seine Rechtssphäre ein und mache die Ausübung seines Eigentumsrechtes weitgehend unmöglich.

2. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den Bedenken des Antragstellers entgegengetreten wird. Vorgebracht wird im Wesentlichen, dass der Antragsteller nicht aktuell von der Verordnung betroffen sei, zumal eine Wirksamkeit der Verordnung gegenüber dem Antragsteller erst entfaltet werden könne, wenn die Gemeinde Eigentümerin des Straßengrundes geworden sei. Die Stadtgemeinde Ansfelden sei jedoch weder Eigentümerin des Grundstücks, noch verfüge sie über ein sonstiges dingliches Nutzungsrecht. In einem allfälligen Enteignungsverfahren habe der Antragsteller schließlich die Möglichkeit, die betreffende Verordnung durch ein Normprüfungsverfahren der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofs zu unterziehen.

3. Die Oberösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Äußerungen des Antragstellers entgegentritt und die Zulässigkeit der Antragstellung bestreitet.

IV. Erwägungen

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

2. Dem Antragsteller steht ein zumutbarer anderer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung zur Verfügung: Gemäß §11 Abs2 Oö. StraßenG wird die Widmung einer Verkehrsfläche, die über eine bestehende Privatstraße führt, erst ab dem Erwerb des Eigentums am Straßengrund durch die Gemeinde wirksam. Ist die Übernahme in das Eigentum ausnahmsweise, wie etwa bei Brücken oder Tunnel, nicht zweckmäßig, so ist gemäß §5 Abs1 leg.cit. durch die Einverleibung der erforderlichen Dienstbarkeiten der Gemeingebrauch sicherzustellen. Sollte hierüber keine Einigung mit dem Grundstückseigentümer erzielt werden, kann ein Enteignungsverfahren nach §35 ff. leg.cit. durchgeführt werden, welches mit einem Enteignungsbescheid abgeschlossen wird. Es steht dem Antragsteller frei, gegen einen allfälligen Enteignungsbescheid ein Rechtsmittel zu erheben und aus Anlass dieses Verfahrens seine Bedenken gegen die Verordnung mittels Beschwerde gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung geltend zu machen und auf diese Weise eine gegebenenfalls von Amts wegen zu veranlassende Überprüfung der Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu erwirken (vgl VfSlg 19.238/2010 mwN). Besondere Umsta?nde, die das Abwarten eines Enteignungsverfahrens unzumutbar machen würden (vgl etwa VfSlg 9823/1983, 15.098/1998 und 16.031/2000), liegen nicht vor.

3. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenverwaltung, Widmung, VfGH / Weg zumutbarer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:V98.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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