Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §356 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des J in D, vertreten durch Dr. K, Dr. H und Dr. R, Rechtsanwälte in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 5. September 1996, Zl. VIb-221/535-1996, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: U-Aktiengesellschaft, Zweigniederlassung D, in D), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 5. September 1996, wurden die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 17. Mai 1996, betreffend die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei (Lagerplatz samt Lagerhalle und Dieseltankanlage), und die in der Berufung erhobenen Einwendungen gegen dieses Vorhaben als unzulässig zurückgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die Erstbehörde habe aufgrund des Genehmigungsansuchens der mitbeteiligten Partei mit Kundmachung vom 16. April 1996 eine Augenscheinsverhandlung für den 8. Mai 1996 anberaumt. Die Kundmachung sei in der Zeit vom 23. April bis 8. Mai 1996 an der Amtstafel der Stadt Dornbirn angeschlagen gewesen und u.a. dem Beschwerdeführer mit RSb-Brief zugestellt worden. Der Rückscheinbrief sei nach erfolglosem Zustellversuch und anschließender Hinterlegung beim Postamt von der Ehegattin des Beschwerdeführers am 22. April 1996 übernommen worden. Zur Augenscheinsverhandlung am 8. Mai 1996 sei für den Beschwerdeführer seine Ehegattin erschienen; sie habe dem Vorhaben der mitbeteiligten Partei ausdrücklich ihre Zustimmung gegeben. Der erstbehördliche Genehmigungsbescheid vom 17. Mai 1996 sei den im einzelnen genannten Parteien des Verfahrens am 21. Mai 1996 nachweislich zugestellt, dem Beschwerdeführer (und anderen Personen) nachrichtlich übermittelt worden. Der Beschwerdeführer habe gegen diesen Bescheid mit dem am 7. Juni 1996 zur Post gegebenen Schriftsatz Berufung und in dieser Einwendungen gegen das Vorhaben der mitbeteiligten Partei erhoben. Er habe in seiner Berufung u.a. ausgeführt, er sei im Verfahren übergangen worden. Er sei Eigentümer eines an das Betriebsgrundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücks; dennoch sei er nicht persönlich geladen worden. Seine Ehegattin sei nicht bevollmächtigt gewesen, in der mündlichen Verhandlung für ihn einzuschreiten. Er habe sich seit Jänner 1996 im Landeskrankenhaus S. in stationärer Behandlung befunden und er habe von der Berührung seiner Interessen durch das Vorhaben der mitbeteiligten Partei erst am 24. Mai 1996 erfahren. Er erhebe daher innerhalb offener Frist - näher dargestellte - Einwendungen gegen das Vorhaben der mitbeteiligten Partei. Da der erstbehördliche Genehmigungsbescheid jedoch mit Ablauf des 4. Juni 1996 rechtskräftig (durch die Parteien des Verfahrens "unanfechtbar") geworden sei und der Beschwerdeführer erst am 7. Juni 1996 erstmals Einwendungen gegen das Vorhaben der mitbeteiligten Partei erhoben habe, sei er mit seinen Einwendungen präkludiert. Diese hätten ihm daher nicht Parteistellung und damit auch nicht das Recht zur Berufung vermitteln können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht, "auf Einräumung von Parteistellung, auf Erhebung von Einwendungen als übergangene Partei und auf meritorische Erledigung der Berufung" verletzt. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, die Ladung zur Augenscheinsverhandlung sei ihm nicht gesetzmäßig, weil nicht persönlich zugestellt worden; persönlich werde eine Ladung nur mittels RSa-Brief zugestellt. Die Ladung sei weiters nicht gesetzmäßig zugestellt worden, weil sich der Beschwerdeführer seit Jänner 1996 im Landeskrankenhaus S. befinde und daher eine Zustellung an einen Ersatzempfänger nicht hätte vorgenommen werden dürfen. In der Augenscheinsverhandlung sei er von seiner Ehegattin nicht rechtsgültig vertreten worden, "weil es an sämtlichen in § 10 Abs. 4 AVG normierten Tatbestandsvoraussetzungen" gefehlt habe. Als somit übergangene Partei sei der Beschwerdeführer zur Erhebung nachträglicher Einwendungen berechtigt gewesen. Unzutreffend sei auch die Auffassung der belangten Behörde, er sei mit seinen Einwendungen deshalb präkludiert, weil er diese erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gegenüber den Verfahrensparteien erhoben habe. Er habe seine Einwendungen binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu ihrer Erhebung vorgebracht. Er sei erst nach Erhalt des erstinstanzlichen Bescheides am 24. Mai 1996 durch seinen Rechtsvertreter belehrt und damit von der Berührung seiner Interessen durch das gegenständliche Vorhaben in Kenntnis gesetzt worden. Seine mit Berufungsschriftsatz vom 7. Juni 1996 erhobenen Einwendungen seien daher innerhalb der zwei-Wochenfrist des § 356 Abs. 3 GewO 1994 vorgebracht worden. Aber auch die Annahme einer Verspätung seiner Einwendungen, weil der erstbehördliche Genehmigungsbescheid den Verfahrensparteien am 21. Mai 1996 zugestellt und diesen gegenüber am 4. Juni 1996 bereits rechtskräftig gewesen sei, sei unzutreffend. Zum einen sei dieser Bescheid nämlich nicht allen am Verfahren beteiligten Parteien am 21. Mai 1996 zugestellt worden; der Bescheid sei daher nicht gegenüber allen beigezogenen Parteien in formelle Rechtskraft erwachsen, bevor der Beschwerdeführer am 7. Juni 1996 Einwendungen erhoben habe. Zum anderen könne angesichts der immensen Betroffenheit des Beschwerdeführers seine Parteistellung nicht davon abhängen, wann den nicht übergangenen Verfahrensparteien die erstbehördliche Entscheidung zugestellt worden sei.
Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind im Verfahren betreffend die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage oder die Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage - unbeschadet des folgenden Satzes - nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.
Im Grunde dieser Bestimmung konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Genehmigungsverfahren Parteistellung nur durch die Erhebung von Einwendungen erlangen, wobei seine Möglichkeit zur Erhebung solcher (die Parteistellung bewirkender) Einwendungen - selbst dann, wenn diese Möglichkeit vom Beschwerdeführer in der Augenscheinsverhandlung ohne sein Verschulden oder aufgrund eines Verfahrensverstoßes der Behörde nicht wahrgenommen werden konnte - jedenfalls mit der rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit endete. Erst nach rechtskräftiger Entscheidung der Angelegenheit erhobene Einwendungen sind daher in keinem Fall geeignet, Parteistellung im Genehmigungsverfahren zu vermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 97/04/0030, und die hier zitierte Vorjudikatur). Als in diesem Sinne rechtskräftig entschieden ist eine Angelegenheit anzusehen, wenn gegen den über das Genehmigungsansuchen absprechenden Bescheid dem Genehmigungswerber, (allenfalls) dem Arbeitsinspektorat und jenen Nachbarn, die durch fristgerechte Erhebung von Einwendungen (sei es im Sinne des ersten Satzes des § 356 Abs. 3 GewO 1994 oder dessen Satzes) Parteistellung erlangt haben, ein weiteres Rechtsmittel nicht mehr offensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1997, Zlen. 97/04/0011, 0012, und die hier zitierte Vorjudikatur).
Von dieser Rechtslage ausgehend kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer
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wie er behauptet - aufgrund von Verfahrensverstößen der Behörde daran gehindert war, in der Augenscheinsverhandlung Einwendungen zu erheben und solcherart Parteistellung zu erlangen. Zu fragen ist vielmehr zunächst, ob der Beschwerdeführer bei zutreffen dieser Behauptung durch die Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 Parteistellung erlangen hätte können.
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten erhoben die zur Augenscheinsverhandlung am 8. Mai 1996 erschienenen Nachbarn keine Einwendungen und erlangten daher keine Parteistellung. Der mitbeteiligten Partei wie auch dem Arbeitsinspektorat wurde der Genehmigungsbescheid am 21. Mai 1996 zugestellt; die diesen Parteien offenstehende Rechtsmittelfrist endete demnach am 4. Juni 1996. Für die
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nicht näher dargelegte - Auffassung des Beschwerdeführers, der Genehmigungsbescheid sei "nicht allen am Verfahren beteiligten Parteien" am 21. Mai 1996 zugestellt worden, besteht nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten kein Anhaltspunkt; mit Ablauf des 4. Juni 1996 lag daher eine im Sinne des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 rechtskräftige Entscheidung der Angelegenheit vor.
Die vom Beschwerdeführer unbestrittenermaßen erst nach diesem Zeitpunkt, am 7. Juni 1996 erhobenen Einwendungen waren also ungeeignet, ihm Parteistellung im Genehmigungsverfahren zu vermitteln; damit stand ihm gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 auch nicht das Recht der Berufung zu.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996040233.X00Im RIS seit
20.11.2000