TE OGH 2020/8/18 11Os63/20d

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.08.2020
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2020 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl und Dr. Setz-Hummel als weitere Richter in der Strafsache gegen Philipp S***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten S*****, Bilal M***** und Josef Sh*****, weiters über die Berufung der Angeklagten Sandra So***** wegen des Ausspruchs über die Schuld und wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 9. März 2020, GZ 16 Hv 11/20w-196, sowie über Beschwerden der Angeklagten S***** und Sh***** gegen Beschlüsse gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

         Die Berufung der Angeklagten So***** wegen des Ausspruchs über die Schuld wird zurückgewiesen.

         Zur Entscheidung über die (verbleibenden) Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

         Den Angeklagten S*****, M***** und Sh***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch Schuldsprüche der weiteren Angeklagten Stipo L*****, Safaa A***** und Kristina Ma***** enthält, wurden – soweit hier von Bedeutung – Philipp S***** und Bilal M***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./1./), Josef Sh***** je eines Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./3./) und nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, 12 dritter Fall, 15 StGB (B./) und Sandra So***** der Vergehen der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

         Danach haben – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden relevant und verkürzt wiedergegeben – am 18. Juli 2019 in G***** S***** und M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter gemeinsam mit A***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und unter Verwendung einer Waffe Sabine Li***** fremde bewegliche Sachen weggenommen, indem A***** diese – während S***** und M***** Aufpasserdienste leisteten – unter Vorhalt eines Messers mit den Worten „Kasse öffnen“ bzw „Kassa aufmachen“ zur Herausgabe von Bargeld aufforderte, sie dann auf die Seite schob und aus der von ihm aufgeschlossenen Kasse 160 Euro entnahm.

Rechtliche Beurteilung

         Gegen dieses Urteil richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** und jene auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gegründete des Angeklagten M*****. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sh***** blieb unausgeführt.

         Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:

         Der Vorwurf (Z 5 vierter Fall), die tatrichterliche Entscheidung, den Angaben der – grundsätzlich als glaubhaft bezeichneten – Zeugin Ines Le***** gerade in Bezug auf die potentielle Wahrnehmbarkeit dritter Personen nicht zu folgen (US 21), stelle eine abstrakt gehaltene und jeglicher sachbezogenen und aus dem Beweisverfahren abgeleiteten Begründung ermangelnde Vermutung dar, ist angesichts der Tatsache, dass sich das Erstgericht hiebei ausdrücklich auf in der Hauptverhandlung vorgeführte Videoaufzeichnungen stützte (US 21; vgl ON 195 S 29) unberechtigt. Im Übrigen dient dieses Vorbringen allein der – im kollegialgerichtlichen Verfahren in dieser Form jedoch stets unzulässigen (RIS-Justiz RS0098471 [T1]) – Beweiswürdigungskritik.

         Letzteres gilt im Ergebnis auch für die Argumentation der Tatsachenrüge (Z 5a), aus der Beschreibung an der Tat nicht beteiligter dritter Personen durch die Zeugin Le***** sei ersichtlich, dass diese die nähere Umgebung der betreffenden Tankstelle ganz bewusst wahrgenommen habe, weshalb die damit in Widerspruch stehenden Schlüsse des Erstgerichts „lebensfremd und mit einer rationalen Würdigung der Beweisergebnisse nicht in Einklang zu bringen“ seien. Damit werden keine erheblichen Bedenken im Sinn des angesprochenen – lediglich auf geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung bezogenen – Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt (RIS-Justiz RS0118780, RS0100555).

         Mit der Behauptung, der Umstand, dass die genannte Zeugin keine ihr verdächtig vorkommenden Personen wahrgenommen habe, obwohl ihr auf den Stufen neben dem Tankstellenbereich sitzende Personen schon vor ihren Aufräumarbeiten hätten auffallen können (vgl US 21), sei ein „klarer Beweis“ dafür, dass sich die betreffenden Angeklagten nicht bei der Tankstelle aufgehalten hätten, stellt auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den Urteilserwägungen lediglich eigenständige Schlussfolgerungen entgegen. Sie verfehlt damit die gesetzlichen Anfechtungskategorien des stets auf Basis des festgestellten Urteilssachverhalts darzulegenden materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810).

         Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****:

         Der Einwand einer unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Urteilsannahmen zur zwischen den Angeklagten vereinbarten Aufgabenteilung und zu deren Umsetzung (US 11) lässt die vom Erstgericht hiezu dargelegten Erwägungen (US 18 f) außer Acht.

         Zu welchem Zeitpunkt die Angeklagten S*****, A***** und M***** diesbezüglich eine Einigung erzielten (US 10), ist in Ansehung des konstatierten Überfallgeschehens selbst und der unmittelbar davor getroffenen Absprache zwischen den Genannten (US 10 f) nicht von Belang. Soweit sich die Rüge wiederholt damit auseinandersetzt, spricht sie keine entscheidende Tatsache an und geht daher ins Leere (RIS-Justiz RS0106268, RS0117499).

         Gleiches gilt für die Frage, ob die Angeklagten S***** und M***** während der von ihnen gesetzten Tathandlungen vermummt waren.

         Indem sich die Rüge weiters mit der tatrichterlichen Beurteilung des Angeklagten A***** und seiner Angaben – insbesondere zum Alkoholkonsum – auseinandersetzt und dabei die unterschiedliche Würdigung einzelner Passagen dessen Aussage kritisiert, sie weiters die erstgerichtliche Würdigung der Beweisergebnisse sowohl allgemein als auch in Bezug auf die Beurteilung der Aussagen der Zeugin Le***** als „nicht nachvollziehbar“, „äußerst dürftig“, unlogisch und lebensfremd bezeichnet und schließlich den Urteilskonstatierungen zur Involvierung des Angeklagten M***** in die Planung und Umsetzung des Überfalls eigene Sachverhaltsannahmen entgegenstellt und hiezu auf einzelne Verfahrensergebnisse verweist, übt auch sie lediglich eine – im schöffengerichtlichen Verfahren in dieser Form unzulässige – Beweiswürdigungskritik und verfehlt damit ihren Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0098471 [T1]).

         Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sh*****:

         Der Angeklagte Sh***** hat die Nichtigkeitsbeschwerde (und Berufung) zwar rechtzeitig angemeldet (ON 207), nach Zustellung der Urteilsausfertigung an den Verteidiger aber nicht ausgeführt (vgl ON 221, wonach das „Rechtsmittel nicht ausgeführt werden wird“) und auch bei der Anmeldung keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet (§ 285 Abs 1 letzter Satz StPO).

         In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur waren die Nichtigkeitsbeschwerden daher – ebenso wie die Berufung der Angeklagten So***** wegen des Ausspruchs über die Schuld (RIS-Justiz RS0098904; §§ 296 Abs 2, 294 Abs 4 StPO; Ratz, WK-StPO § 280 Rz 3) – bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

         Über die – jeweils gegen den Ausspruch über die Strafe erhobenen – Berufungen der eben genannten Angeklagten sowie über die Beschwerden der Angeklagten S***** und Sh***** wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

         Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E129120

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00063.20D.0818.000

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten