TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/25 LVwG-2020/29/1681-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.08.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §34 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Kantner über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 03.07.2020, Zl ***, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid wird über den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs 3 AVG wegen seiner schriftlichen Eingabe vom 15.06.2020 eine Ordnungsstrafe in Höhe von € 500,00 verhängt, zumal 1. der Beschwerdeführer in beleidigender Schreibweise feststellt, dass Brigadier BB trotz Unfähigkeit einen beruflichen Aufstieg vollzogen hat und 2. der Beschwerdeführer den genannten Beamten durch die Aussage „Und zu Schluss möchte ich Ihnen noch sagen, der Haarschnitt aus dem zweiten Weltkrieg passt hervorragend zu Ihnen“ eine Nähe zum Nationalsozialismus unterstellt.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und zusammengefasst ausgeführt, dass die Behörde mit keiner Zeile begründet habe, warum das Schreiben durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzt haben solle. In Österreich gelte die Meinungsfreiheit, sofern dies gegenüber der Staatsdienerschaft aufgehoben sei, solle man dies doch bitte über eine Pressemitteilung dem gemeinen Volke mitteilen. Er habe hunderte Fotos, wo Staatsdiener ohne Maske im Einsatz waren in der Zeit, wo es auch für Staatsdiener Pflicht gewesen sei im Einsatzwagen eine Maske zu tragen. Zudem sei es in Österreich allgemein bekannt, dass man nach oben geschmissen werde und nicht nach unten. Auch hier beziehe er sich auf die Meinungsfreiheit und auf den Erfahrungswert. Wenn er den Haarschnitt von BB als hervorragend bezeichnet habe, so sei dies ein Zeichen seiner modernen Einstellung zu einem Haarschnitt, der jetzt wieder allseits beliebt sei, aber hauptsächlich im zweiten Weltkrieg es gewesen sei. Es werde nochmals betont, dass der Beschwerdeführer begeistert sei, dass Herr Brigadier BB so eine moderne Einstellung habe, er behaupte nicht, dass Brigadier BB eine NS Gesinnung habe und mit dem SS Kommando Heinrich Himmler gleichzusetzen sei. BB habe es als Stadtkommandant über 5 Jahre nicht geschafft, die Radfahrer vom Gehsteig zu verbannen, dies sei eine Qualifikationsansicht seiner Person und nicht ein ungeziemes Benehmen seiner Meinungsfreiheit.

Das Recht auf Meinungsfreiheit sei im Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention geregelt, in Österreich sei die Menschenrechtskonvention Teil der Bundesverfassung. Dort werde garantiert, dass jeder Mensch Anspruch auf freie Meinungsäußerung habe.

Zum Schluss werde ausgeführt, dass die Innsbrucker Polizei seit Jahren ein feindliches Verhalten gegenüber dem Beschwerdeführer habe und man versuche, den Beschwerdeführer durch Strafen klein und geringfügig und gefügig zu machen. Nachdem sich die Polizei aufgrund der Verhängung der Ordnungsstrafe nicht mehr an die Abmachung mit Oberst CC halte, fühle er auch nicht an diese gebunden und werde weiterhin jedes Fehlverhalten der Polizei Innsbruck zur Anzeige beim Bundesministerium in Wien bringen. Ergänzend werde festgehalten, dass das Schreiben privat an Herrn Brigadier BB und persönlich gerichtet sei und keine Eingabe im Sinne einer polizeilichen Bearbeitung darstelle. Deshalb könne es auch nicht Gegenstand einer polizeilichen Ordnungsstrafe sein.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der Behörde und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol.

II.      Nachstehender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

Der Beschwerdeführer richtete mit E-Mail an die E-Mailadresse Adresse 2 nachstehendes Schreiben an die Landespolizeidirektion Tirol, wobei im Betreff der E-Mail „Brigardier BB“ angeführt ist:

„Sehr geehrter Herr Brigadier BB,

ich freue mich, dass auch unfähige Beamten aufsteigen können.

1. Sie haben es nicht geschafft, die Radfahrer von den Gehsteigen in Z verbannen. Großartige Leistung.

2. Sie haben 1062 Organmandate ausgestellt und kassiert.

3. Aber Sie sagen nicht wie viele Organmandate an die Polizei gingen die zu 90 % ohne Maske im Einsatzwagen sitzen und sich schön brav gegenseitig anpusten.

4. Es ist eine alte österreichische Tradition, nicht rausgeschmissen, sondern nach Oben geschmissen zu werden.

5. Und zu Schluss möchte ich Ihnen noch sagen, der Haarschnitt aus dem Zeiten Weltkrieg passt hervorragend zu Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen und keine Polizeigewalt sowie Scheinhinrichtungen in Österreich.

Ihr freundlicher Staatsbürger AA“

III.     Beweiswürdigung:

Vorgeführter Sachverhalt ergibt sich aus dem Behördenakt und wird seitens des Beschwerdeführers nicht bestritten, die Eingabe getätigt zu haben. Dass das Schreiben an die allgemeine E-Mail-Adresse der LPD Tirol gerichtet war, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Übermittlungsnachweis.

IV.      Rechtsgrundlagen:

Die verfahrensrelevanten Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG 1991), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 137/2001 lauten wie folgt:

㤠34

Ordnungsstrafen

(1)  Das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.

(2)  Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, sind zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.

(3)  Die gleichen Ordnungsstrafen können von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

(4)  Gegen öffentliche Organe und gegen Bevollmächtigte, die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt sind, ist, wenn sie einem Disziplinarrecht unterstehen, keine Ordnungsstrafe zu verhängen, sondern lediglich die Anzeige an die Disziplinarbehörde zu erstatten.

(5)  Die Verhängung einer Ordnungsstrafe schließt die strafgerichtliche Verfolgung wegen derselben Handlung nicht aus.“

V.       Erwägungen:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben war.

Im Gegensatz zu § 34 Abs 1 und 2 AVG bezieht sich § 34 Abs 3 AVG nicht auf den mündlichen („persönlichen“), sondern auf den schriftlichen Verkehr mit den Behörden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 34 Rz. 14 [Stand 1.1.2014, rdb.at]). Danach kann die Behörde auch gegen Personen Ordnungsstrafen bis € 726,00 verhängen, die sich in „schriftlichen“ Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

Unter einer solchen schriftlichen „Eingabe“ iSd § 34 Abs 3 AVG ist ein schriftliches Anbringen iSd § 13 AVG zu verstehen (VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344), mithin auch ein Anbringen per E-Mail (vgl. § 13 Abs 2 AVG). Die Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 34 Abs 3 AVG setzt voraus, dass das AVG auf die betreffende Eingabe überhaupt Anwendung findet (VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344; vgl. auch VwGH 19.12.1996, 96/11/0211). Dies ist gemäß Art I Abs 1 EGVG nur dann der Fall, wenn sich die Eingabe auf eine mit Bescheid iSd §§ 56 ff. AVG zu erledigende Angelegenheit bezieht (VwSlg. 6111 A/1963 bzw 4156 A/1956; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 34 Rz. 15 [Stand 01.01.2014, rdb.at]). Dabei muss das bescheidmäßig zu erledigende Verwaltungsverfahren, auf das die Eingabe Bezug nimmt, aber nicht mehr anhängig sein, sondern es reicht aus, dass die Eingabe einem Verwaltungsverfahren zuzurechnen ist, das „vor der Behörde, die Adressat der Eingabe ist, anhängig war, anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll“ (VwGH 19.12.1996, 96/11/0211).

Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt ist in rechtlicher Hinsicht auszuführen, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer über die offizielle E-Mail-Adresse der LPD-Tirol an Brigardier BB gerichteten Schreiben um keine Eingabe im Sinne des § 34 Abs 3 AVG handelt. Dem Behördenakt ist nicht zu entnehmen, dass sich das Schreiben auf ein aktuell anhängiges oder anhängig gewesenes Verwaltungsverfahren bezieht und geht dies auch aus dem Schreiben selbst oder der E-Mail hervor. Mit dem Schreiben vom 15.06.2020 wurde auch kein Antrag gestellt oder ein Sachverhalt angezeigt, welcher mit Bescheid zu erledigen wäre.

Das Schreiben bezieht sich sohin auf keine mit Bescheid zu erledigende Angelegenheit, weshalb es nicht als Eingabe iSd § 34 Abs 3 AVG zu werten war, was wiederum zur Folge hat, dass – auch bei beleidigender Schreibweise – eine Ordnungsstrafe im Sinne der zitierten Bestimmungen nicht verhängt werden kann.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Kantner

(Richterin)

Schlagworte

Behebung;
Eingabe;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.29.1681.1

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten