TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/31 LVwG-2020/41/1424-5, LVwG-2020/41/1531-5, LVwG-2020/41/1532-5

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Veröffentlicht am 31.08.2020
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Entscheidungsdatum

31.08.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze

Norm

VVG §5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Riedler über die Beschwerden der AA eG, nunmehr vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z, gegen

I.     den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Q vom 04.06.2020, Zl *** (LVwG-2020/41/1424),

II.    den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Q vom 22.06.2020, Zl *** (LVwG-2020/41/1531), und

III.   den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Q vom 06.07.2020, Zl *** (LVwG-2020/41/1532),

betreffend Angelegenheiten nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz,

zu Recht:

A:

1.       Die Beschwerde zu I. wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

B:

1.       Den Beschwerden zu II. und III. wird Folge gegeben und werden die angefochtenen Bescheide behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang, Sachverhalt:

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28.06.2019 wurde der CC GmbH, Adresse 2, Y, gemäß § 14 Abs 4 Tiroler Heimgesetz 2005 der Betrieb des Heimes am Standort Adresse 2 in Y zur Gänze untersagt (Spruchpunkt I.). Gemäß Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass auch im Falle der Gründung einer Genossenschaft durch die Einhebung von „Unkostenbeiträgen“ für die Betreuung und Pflege der Heimbewohner von einer Entgeltlichkeit auszugehen sei. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der HeimbewohnerInnen vorliege sowie, dass die gesetzlich geschützten Interessen der HeimbewohnerInnen erheblich beeinträchtigt werden. Aufträge über Mängelbehebung seien aufgrund der Schwere und der Anzahl der festgestellten Mängel und auch aufgrund der Tatsache, dass seitens der Baubehörde die Benützungsbewilligung entzogen worden sei, nicht zielführend. Der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides sei wegen Gefahr in Verzug dringend geboten, weshalb die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen werde.

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 27.01.2020, Zl LVwG-2019/41/1610-20, wurde die Beschwerde der CC GmbH gegen den angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28.06.2019 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die sofortige gänzliche Untersagung des Betriebes des Heimes am Standort Adresse 2 in Y gemäß § 14 Abs 4 Tiroler Heimgesetz 2005 auch die Tätigkeit der AA eG umfasst. Begründend wurde ausgeführt, dass die AA eG (in weiterer Folge kurz: DD) nach Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 28.06.2019 mit der Rechtsform als Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft und mit der Geschäftsanschrift Adresse 2, Y, sowie mit dem Geschäftszweig Begleitung alter und insbesondere dementer Personen im Firmenbuch eingetragen worden sei, wobei als Vorstand Frau EE als Obfrau und Frau FF als Obmannstellvertreterin firmiere. Die DD sei seit dem 05.08.2019 auch Inhaberin des freien Gewerbes Personenbetreuung, weshalb die Teilung von Vermietung und Betreuung von Personen vom Landesverwaltungsgericht als untrennbare Einheit beurteilt werde.

Die gegen das zit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 27.01.2020 erhobene außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 02.04.2020, Zl Ra 2020/10/0038-4, zurückgewiesen.

Mit Schreiben der Tiroler Landesregierung, Abteilung Soziales, vom 18.02.2020, wurde die Bezirkshauptmannschaft Q ersucht, ihren Bescheid vom 28.06.2019, Zl ***, bestätigt durch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 27.01.2020, Zl LVwG-2019/41/1610-20, zu vollstrecken.

Bei einem Lokalaugenschein durch die belangte Behörde am 11.02.2020 wurden Sicherheitsprobleme evident und wurde festgestellt, dass der Heimbetrieb aller Wahrscheinlichkeit noch aufrecht ist (vgl AV vom 19.02.2020).

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Q vom 20.02.2020, Zl ***, das mit „Androhung einer Strafe“ überschrieben ist, wurde die DD, unter Hinweis auf den Vollstreckungsauftrag der Tiroler Landesregierung, aufgefordert, den Betrieb des Heimes am Standort Adresse 2 in Y binnen einer Woche ab Zugang dieses Schreibens zu unterlassen. Im Falle des Zuwiderhandelns wurde der DD eine Geldstrafe in Höhe von Euro 500,00 angedroht. Dieses Schreiben wurde der DD am 27.02.2020 nachweislich zugestellt.

In Reaktion darauf teilte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 03.03.2020 mit, dass grundsätzlich festzuhalten sei, dass kein Heimbetrieb vorliege und insofern die Androhung der Strafbeträge irritierend sei.

Nachdem die DD dem behördlichen Auftrag, den weiteren Heimbetrieb am Standort Adresse 2, Y zu unterlassen, nicht nachgekommen war, erging in weiterer Folge die Vollstreckungsverfügung der belangten Behörde als Vollstreckungsbehörde erster Instanz vom 04.06.2020, Zl ***, mit welcher diese gegenüber der DD im Wege der Zwangsvollstreckung eine Zwangsstrafe in der Höhe von Euro 500,00 verhängte. Gleichzeitig wurde für den Fall des weiteren Zuwiderhandelns, ohne Setzung einer neuen Paritionsfrist, eine weitere Zwangsstrafe im Ausmaß von Euro 700,00 angedroht.

Gegen diesen Bescheid wurde von der DD, vertreten durch RA GG, mit Schriftsatz vom 03.07.2020 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und darauf hingewiesen, dass dieser insofern mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet sei, als bereits vor Erlassung desselben sämtliche Aktivitäten der Betroffenen eingestellt wurden. Es handle sich am Standort Adresse 2, Y, lediglich um ein Vermietungsobjekt, eine Personenbetreuung von dritter Seite werde längst, jedenfalls längst vor Erlassung der beschwerdegegenständlichen Verfügung, nicht mehr durchgeführt. Es wurde der Antrag gestellt, die bekämpfte Vollstreckungsverfügung ersatzlos zu beheben.

Diese Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Tirol mit Schreiben der belangten Behörde vom 09.07.2020 zur Entscheidung vorgelegt.

Ohne der Beschwerdeführerin neuerlich eine Frist zu setzen, den Betrieb des Heimes am Standort Adresse 2 in Y zu unterlassen, ergingen in weiterer Folge zwei weitere Vollstreckungsverfügungen vom 20.06.2020, Zl ***, und vom 01.07.2020, Zl ***, mit welchen gegenüber der DD im Wege der Zwangsvollstreckung jeweils Zwangsstrafen in der Höhe von Euro 700,00 verhängt wurden und gleichzeitig für den Fall des weiteren Zuwiderhandelns jeweils eine weitere Zwangsstrafe im Ausmaß von Euro 700,00 angedroht wurde.

Mit Schriftsätzen jeweils vom 24.07.2020 wurden die Vollstreckungsverfügungen vom 22.06.2020 und vom 06.07.2020 ebenfalls in Beschwerde gezogen und wurde darauf hingewiesen, dass der Betrieb hinsichtlich der Tätigkeit der DD längst geschlossen sei und es sich beim Standort Adresse 2, Y, lediglich um ein Vermietungsobjekt handle, dass als Hotel geführt werde, in welchem die derzeit dort befindlichen Personen den Wohnsitz hätten. Diese Personen würden im Hinblick auf COVID-19 nicht ausziehen. Eine Personenbetreuung von dritter Seite werde längst, jedenfalls längst vor Erlassung gegenständlichen Falls bekämpfter Verfügungen, nicht mehr durchgeführt. Für die Eigenpflege der dort ansässigen Personen sei es so, dass diese sich selbst darum kümmern, sie hätten selbstständige Personenbetreuer auf Dienstverhältnisbasis. Hiefür werde keinerlei Verantwortung übernommen, weshalb die Vollstreckungsverfügungen inhaltlich rechtswidrig seien und die Vollstreckung unzulässig sei. Es wurde der Antrag gestellt, die bekämpften Vollstreckungsverfügungen ersatzlos zu beheben.

Der aktenkundige Auszug der Meldebestätigung für die Adresse Adresse 2, Y vom 09.07.2020 zeigt auf, dass nach wie vor mit JJ, KK, LL, MM, NN und OO sechs Personen, die bereits im „Pflegefachlichen Gutachten zur Einrichtung CC GmbH“ vom 04.11.2019 in diesem Heim in der Adresse 2, Y betreut wurden, aufrecht an dieser Adresse gemeldet waren.

Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 10.08.2020, Zl LVwG-2020/41/1424-4, 1531-24 und 1532-4, wurden der Beschwerdeführerin die aktenkundigen Meldebestätigungen vom 26.02.2020 und vom 09.07.2020 übermittelt und wurde ihr gemäß § 45 Abs 3 AVG Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen.

Mit Schriftsatz vom 25.08.2020 teilte die Beschwerdeführerin zunächst einen Vollmachtswechsel mit und nahm im Übrigen wie folgt Stellung: Die DD gemeinnützige Genossenschaft eG habe ihre Tätigkeit faktisch eingestellt. Sämtliche Mitarbeiter seien gekündigt worden, sodass eine Betreuung nicht mehr durchführbar sei. Die DD erziele kein Einkommen mehr und sei daher vollkommen mittellos. Aufgrund der Ruhendmeldung bei der Wirtschaftskammer Tirol vom 30.07.2020 sei die DD auch rechtlich nicht mehr berechtigt, das Gewerbe der Personenbetreuung und der Hausbetreuung auszuüben. Weder die CC GmbH noch die DD übernehme die Personenbetreuung von betreuungsbedürftigen Personen, die an der Adresse Adresse 2, Y, wohnhaft seien. Weder die CC GmbH noch die DD beziehe ein Entgelt für die Betreuung von Personen. Unstrittig sei, dass die CC GmbH Räumlichkeiten an der Adresse Adresse 2, Y an die in den eingeholten Meldeauskünften genannten Personen vermiete. Sollte es sich hierbei um pflegebedürftige Personen handeln, so werde die Betreuung durch eigens von den pflegebedürftigen Personen bzw deren Vertretern beauftragten Pflegedienste oder Pfleger verrichtet. Weder die CC GmbH noch die Beschwerdeführerin seien hierbei organisatorisch oder finanziell beteiligt. Die Pflegedienste bzw Pfleger würden dabei auf eigenes wirtschaftliches Risiko handeln und in keinem organisatorischen Naheverhältnis mit den CC stehen. Kein Pflegedienst oder Pfleger betreue mehr als drei hilfs-, betreuungs- oder pflegebedürftige, insbesondere ältere Menschen an der Adresse Adresse 2, Y. Das bloße Anbieten von Wohnmöglichkeiten durch die CC falle jedenfalls nicht unter § 2 Abs 1 des Tiroler Heimgesetzes 2005, sondern diese ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen (§ 2 Abs 2 Tiroler Heimgesetz 2005). Die CC GmbH verfüge über eine aufrechte Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart Hotel. Die Tätigkeit sei von der Untersagung des Heimbetriebes durch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes nicht umfasst und sei die CC GmbH nach wie vor berechtigt, dieses Gewerbe auszuführen. Eine behördlich angeordnete Einstellung des Hotelbetriebes sei vom Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes nicht gedeckt und rechtswidrig. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes stütze sich auf einen Homepageauszug der Homepage der CC GmbH, auf welcher das Begleitangebot der DD zu finden sei. Der festgestellte Passus sei nicht mehr im Internet abrufbar. Richtig sei aber, dass die Homepage bis zum heutigen Tag nicht vollkommen aktualisiert worden sei. Die DD habe ihre Tätigkeit ruhend gestellt und sei rechtlich nicht mehr berechtigt, die Personenbetreuung und Hausbetreuung auszuüben. Auch faktisch führe die DD keine Tätigkeit mehr aus. Auch von der CC GmbH seien niemals Personen betreut worden und würden auch keine Personen betreut. Als Beilagen zum Beweis wurde eine Ruhendmeldung an die Wirtschaftskammer Tirol vom 30.07.2020, Personenbetreuungsverträge sowie Hauptmietverträge vorgelegt. Abschließend wurde der Antrag gestellt, die bekämpften Vollstreckungsverfügungen ersatzlos zu beheben.

Mit Stichtag 27.08.2020 ist die DD nach wie vor unter der Firmennummer *** mit der Zustelladresse Adresse 2, Y, im Firmenbuch eingetragen.

Dieser Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der dem Landesverwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage. Von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden. Laut dieser Bestimmung kann, soweit durch Bundes- und Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6 Abs 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, noch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Keine Partei hat einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Die Beschwerdeführerin wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides darauf hingewiesen, dass er in der Beschwerde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragen kann; sie hat keinen derartigen Antrag gestellt. Für das Landesverwaltungsgericht steht der Sachverhalt aufgrund der vorliegenden Aktenlage fest. Im Übrigen hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2006, Nr. 4533/02 (Freilinger u.a. gg Österreich) mwN, klargestellt, dass Annexverfahren, die keine Entscheidung in der Hauptsache enthalten, grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 MRK fallen. Das gilt auch für ein Vollstreckungsverfahren, das allein der Durchsetzung einer bereits im Titelverfahren getroffenen Entscheidung über ein civil right dient (Hinweis E vom 15. Dezember 2008, 2003/10/0276; dazu, dass es sich bei einer Zwangsstrafe grundsätzlich auch nicht um eine strafrechtliche Angelegenheit im Sinne des Art. 6 MRK handelt, vgl. das E des VfGH vom 20. März 1986, VfSlg 10840; vgl ua VwGH vom 28.05.2013, 2011/05/0139).

II.      Rechtslage:

Die gegenständlich relevante Bestimmung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG 1991), BGBl Nr 53/1991 idF BGBl I Nr 33/2013 lautet wie folgt:

„Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen

[…]

b) Zwangsstrafen§ 5

(1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen läßt, wird dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

(3) Die Zwangsmittel dürfen in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von 726 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen.

(4) Die Vollstreckung durch Geldstrafen als Zwangsmittel ist auch gegen juristische Personen mit Ausnahme der Körperschaften des öffentlichen Rechts und eingetragene Personengesellschaften zulässig.“

III.     Erwägungen:

Zu Spruchpunkt A:

Bei dem im Beschwerdefall in Vollstreckung gezogenen Auftrag handelt es sich um den Auftrag zur Unterlassung des Betriebes eines Heimes nach dem Tiroler Heimgesetz 2005 am Standort Adresse 2 in Y. Zutreffend haben daher die Vollstreckungsbehörden die Androhung und Anordnung von Zwangsstrafen gemäß § 5 VVG als dem Gesetz entsprechendes Zwangsmittel angewendet (vgl das hg Erkenntnis vom 27. Juni 1991, Zl. 91/06/0035).

Die Beschwerdeführerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine Zwangsstrafe nicht verhängt werden darf, wenn die Leistung von der Partei aus tatsächlichen Gründen nicht erbracht werden kann. Es obliegt jedoch dem Verpflichteten, die tatsächliche Undurchführbarkeit einer Leistung darzutun, um die Verhängung einer Zwangsstrafe zu verhindern (vgl hiezu das hg Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 99/05/0270, mwN; der bloße Hinweis auf ein Mietverhältnis ist nicht geeignet, die tatsächliche Undurchführbarkeit darzutun, s abermals das oben zitierte Erkenntnis vom 27. Juni 1991).

Die Beschwerdeführerin wendet zunächst ein, dass niemals ein Heimbetrieb vorgelegen sei bzw von ihr eine Personenbetreuung längst, jedenfalls längst vor Erlassung der in Beschwerde gezogenen Vollstreckungsverfügung, nicht mehr durchgeführt werde. Diesem Vorbringen ist die rechtskräftige Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes vom 27.01.2020 entgegen zu halten, in dessen Verfahren eben gerade festgestellt wurde, dass die CC GmbH entgegen ihren Behauptungen sehr wohl ein Heim gemäß § 2 Abs 1 Tiroler Heimgesetz 2005 betreibt und ihr dieser Betrieb untersagt worden war, wodurch auch ausdrücklich die Tätigkeit der DD umfasst war. Auch das nunmehrige Vorbringen, dass die CC GmbH bloß Wohnmöglichkeiten anbiete und die Betreuung der pflegebedürftigen Personen durch eigens von den pflegebedürftigen Personen bzw deren Vertretern beauftragte Pflegedienste oder Pfleger verrichtet werde und dass weder die Beschwerdeführerin noch die CC GmbH hiebei organisatorisch oder finanziell beteiligt sind, war bereits Gegenstand des Titelverfahrens bzw -bescheides.

Im Titelverfahren wurde ein „Pflegefachliches Gutachten“ eingeholt. In diesem Gutachten wurden sämtliche zum Zeitpunkt der Visitation (15.10.2019) der Einrichtung der CC GmbH untergebrachten Personen (konkret 12) angeführt. Bei diesen Personen handelte es sich um solche mit Pflegestufe 0 (1 Person), 1 (1 Person), 3 (2 Personen), 5 (1 Person) sowie 6 (7 Personen). Über Vorhalt von Meldebestätigungen vom 26.02.2020 sowie 09.07.2020 hat die Beschwerdeführerin außer Streit gestellt, dass sämtliche dort aufscheinende Personen an der Adresse Adresse 2, Y wohnhaft sind. Für das Landesverwaltungsgericht steht somit fest, dass nach wie vor mit Stand 09.07.2020 sechs jener Personen dort betreut werden, die bereits im pflegefachlichen Gutachten aufgenommen waren. Darunter befanden sich weiterhin drei Personen mit Pflegestufe 6 sowie eine Person mit Pflegestufe 5. Eine reine Vermietung an diese Personen kann angesichts der bestehenden Pflegestufen ausgeschlossen werden.

Die Beschwerdeführerin hat im anhängigen Vollstreckungsverfahren neuerlich den Versuch unternommen, vorzubringen, diese Personen seien zwar dort wohnhaft, würden aber weder von ihr noch von der CC GmbH betreut. In diesem Zusammenhang hat sie aktuelle Personenbetreuungsverträge, die als „Werkvertrag/Projektvertrag“ überschrieben sind, zwischen den untergebrachten Personen und einzelnen Pflegekräften vorgelegt, zum Beweis dafür, dass die Betreuung nicht durch sie selbst erfolge. In diesen Verträgen findet sich wiederholt die Klausel, dass die Reduzierung der Arbeitszeit nur möglich ist, wenn dies von einem Angehörigen oder Frau FF (Gesellschafterin und Geschäftsführerin der CC GmbH und Vorstand der DD) mündlich bewilligt wird. Auch findet sich in diesen Werkverträgen wiederholt der Zusatz „1 freier Tag genehmigt“ (vgl etwa der Vertrag zwischen NN und PP vom 31.07.2020) und die Klausel, dass sich der selbständige Personenbetreuer/in damit einverstanden erklärt, dass das korrekte Einhalten aller Tätigkeiten von Angehörigen, FF und EE kontrolliert und eine diesbezügliche Weisungsbefugnis der genannten Personen akzeptiert wird (vgl beispielhaft neben anderen Verträgen der Werkvertrag/Projektvertrag zwischen OO und ´RR vom 25.06.2020). In anderen Verträgen ist etwa die Vergütung auf ein Konto der „DD“ zu überweisen (vgl zB Projektverträge zwischen JJ und FF vom 02.06.2020, zwischen LL und FF vom 02.06.2020 und zwischen QQ und FF vom 03.06.2020). In der Gesamtschau sind diese vorgelegten „Personenbetreuungsverträge“ somit keinesfalls geeignet, darzutun, dass die Betreuung der untergebrachten Personen nicht in Zusammenhang mit der Beschwerdeführerin steht. Vielmehr wird, unterstützt durch eine mitgeteilte Ruhendmeldung der Beschwerdeführerin bei der Wirtschaftskammer Tirol vom 30.07.2020 im Hinblick auf die Ausübung des Gewerbes der Personenbetreuung und der Hausbetreuung, damit der Versuch unternommen, sich mit „Umgehungskonstruktionen“ der Vollstreckung zu entziehen. Die einheitliche Ausgestaltung der vorgelegten Verträge und das gleiche Schriftbild (Handschrift) hinsichtlich der jeweiligen „Auftraggeber“ lassen den berechtigten Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor, trotz bekannt gegebener Ruhendstellung ihres Gewerbes, organisatorisch und auch finanziell in die Personenbetreuung pflegebedürftiger Personen involviert ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass mit der Ruhendmeldung eines Gewerbes keine Beendigung der Gewerbeberechtigung verbunden ist und die Beschwerdeführerin mit Stichtag 27.08.2020 nach wie vor im Firmenbuch eingetragen. Auch das von der Beschwerdeführerin angeführte Vorbringen, das Begleitangebot der DD sei auf der Homepage der CC GmbH nicht mehr abzurufen, trifft nicht zu. Ein im Akt einliegender screenshot mit Datum 27.08.2020 zeigt vielmehr, dass dieses Angebot nach wie vor im Internet aufrufbar ist.

Die belangte Behörde hat damit zu Recht nach Androhung der Strafe mit Schreiben vom 20.02.2020 und fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Paritionsfrist die angedrohte Zwangsstrafe mit dem angefochtenen Bescheid verhängt.

Die Beschwerde war daher zu Spruchpunkt A. als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B:

Nach § 5 Abs 2 zweiter Satz VVG ist bei der Vollstreckung einer Verpflichtung zur Bewirkung einer unvertretbaren Handlung das angedrohte Zwangsmittel nach furchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Aus dieser Bestimmung folgt, dass mit jeder Androhung einer Zwangsstrafe dem Verpflichteten eine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung einzuräumen ist (Paritionsfrist). Die Einräumung dieser Frist zielt darauf ab, dem Verpflichteten die Möglichkeit zu geben, durch Nachholung der versäumten Handlung der Vollstreckung zu entgehen. Das Fehlen einer solchen Fristsetzung zieht die Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsakte nach sich. Dies gilt auch für die gleichzeitig mit der Verhängung der Zwangsstrafe gemäß § 5 Abs 2 dritter Satz VVG erfolgende Androhung einer weiteren Zwangsstrafe. Da eine solche Fristsetzung anlässlich der Androhung beider Zwangsstrafen von jeweils Euro 700,00 mit den angefochtenen Bescheiden vom 22.06.2020 und vom 06.07.2020 nicht erfolgt ist, war die Verhängung der mit diesen Vollstreckungsverfügungen verhängten Zwangsstrafen rechtswidrig (vgl VwGH vom 26.02.2002, Zl 2001/11/0281).

Aus den genannten Gründen war daher zu Spruchpunkt B. wie im Spruch zu entscheiden.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war keine Rechtsfrage zu klären, der erhebliche Bedeutung zukommt. Es war zudem ausschließlich eine einfache Auslegung des Gesetzes vorzunehmen, weshalb die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Riedler

(Richter)

Schlagworte

Nichteinhaltung der Paritionsfrist;
Umgehungskonstruktion;
Verhängung einer Zwangsstrafe;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.41.1424.5

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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