TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/28 W184 2184209-1

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Entscheidungsdatum

28.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W184 2184209-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2017, Zl. 1112009900/160557528, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005, §§ 52, 55 FPG und § 9 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 19.04.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde folgende Entscheidung über diesen Antrag getroffen:

"I. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.

II. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.

Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

IV. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst (gekürzt und teilweise anonymisiert durch das Bundesverwaltungsgericht):

"A) Verfahrensgang

...

Anlässlich der niederschriftlichen Erstbefragung am 03.08.2017 [richtig: 19.04.2016] ... gaben Sie zu Ihrem Fluchtgrund Folgendes an:

Ich habe aus Angst um mein Leben meine Heimat verlassen, da dort mein Leben in Gefahr war. Die Taliban haben mich aufgefordert, mich ihnen anzuschließen und gegen die Ungläubigen zu kämpfen. Deshalb bin ich auch geflüchtet.

Nach Zulassung Ihres Verfahrens wurden Sie am 08.09.2016 [richtig: 03.08.2017] vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ... zu Ihrem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt (LA = Leiter der Amtshandlung, VP = Verfahrenspartei):

...

LA: Sind Sie verheiratet, haben Sie Kinder?

VP: Ich bin verheiratet und habe ein Kind. Gattin: ... ca. 20 Jahre alt; Sohn: ... ca. 3 Jahre alt.

...

LA: Möchten Sie irgendwelche Papiere, Dokumente, ärztliche Befunde, etc. vorlegen? ...

VP: legt Tazkira ..., Deutschkursbestätigung und Bestätigung über gemeinnützige Arbeit vor ...

LA: Haben Sie sonst noch Dokumente in Ihrem Heimatland besessen?

VP: Ich hatte noch einen Drohbrief der Taliban. Mein Onkel mütterlicherseits versucht, mir diesen zu schicken.

LA: Wann haben Sie diesen Drohbrief erhalten?

VP: Von heute zurückgerechnet vor ca. 17 Monaten. Da habe ich mich bereits bei meinem Onkel mütterlicherseits aufgehalten. Nachdem mein Vater entführt wurde, kam dieses Schreiben.

LA: Wann wurde Ihr Vater entführt?

VP: Vor ca. 17 Monaten.

LA: Waren oder sind Sie im Heimatland Mitglied einer politischen Organisation oder eines politischen Vereins?

VP: Nein, mein Vater war Militärangehöriger.

LA: Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?

VP: Ich bin moslemischen Glaubens, Sunnit und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an.

...

LA: An welchen Adressen waren Sie im Heimatland aufhältig und mit wem haben Sie dort zusammengelebt? ...

VP: Ich bin im Dorf XXXX geboren. Ich war ein Kleinkind laut Erzählungen, als meine Eltern in die Provinz Laghman in den Distrikt XXXX ins Dorf XXXX gezogen sind. Ich habe bis zuletzt in meinem Heimatdorf gelebt. Nach meiner Flucht habe ich ca. zwei Tage in der Provinz Nangarhar verbracht.

LA: Wo genau haben Sie bis zu Ihrer Ausreise gelebt?

VP: In der Provinz Nangarhar in einer Gegend von XXXX .

LA: Bei wem haben Sie dort gelebt?

VP: Dort lebt mein Schwiegervater, also mein Onkel mütterlicherseits.

LA: Haben Sie bis zu Ihrer Flucht nach Nangarhar immer im selben Haus gelebt?

VP: Ja, im Heimatdorf im selben Haus.

LA: Mit wem haben Sie da in einem Haus gelebt?

VP: Mit meinen Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester und meiner Ehefrau und meinem Sohn.

LA: Waren Sie jede Nacht bis zu Ihrer Flucht nach Nangarhar in diesem Haus?

VP: Eine Nacht haben mich die Taliban eingesperrt. In derselben Nacht haben sie mich dann freigelassen. In den Morgenstunden habe ich dann die Flucht ergriffen. Ich habe mich mit meinen Eltern beraten und bin dann weg.

LA: Wer von Ihrer Familie lebt noch im Heimatland?

VP: Meine Ehefrau, mein Sohn, meine Mutter, meine zwei Brüder und meine Schwester. Sie sind nach Nangarhar geflüchtet.

LA: Was ist mit Ihrem Vater passiert?

VP: Sie haben meinen Vater getötet.

LA: Wer sind "sie"?

VP: Die Taliban.

LA: Wann haben die Taliban Ihren Vater getötet?

VP: Sie haben mich freigelassen. In der nächsten Nacht sind sie wiedergekommen. Nachdem sie mich nicht vorgefunden haben, haben sie meinen Vater mitgenommen.

Frage wird wiederholt.

VP: Von heute zurückgerechnet vor ca. 17 Monaten.

LA: Woher haben Sie das erfahren?

VP: Als ich hier angekommen bin und Kontakt aufgenommen habe, hat mir meine Mutter diese traurige Nachricht erzählt.

...

LA: Von wann bis wann waren Sie in der Schule?

VP: Mit sieben wurde ich eingeschult. Ich habe nur sieben Jahre die Schule besucht.

LA: Was haben Sie beruflich gemacht und wovon haben Sie gelebt?

VP: Vor der Distriktverwaltung hatte ich einen kleinen Stand, eigentlich eine Schubkarre. Ich habe Suppe verkauft.

LA: Wie lange gingen Sie dieser Tätigkeit nach?

VP: Etwa drei Jahre habe ich diese Arbeit gemacht.

LA: Was haben Sie davor getan?

VP: Davor habe ich als Gelegenheitsarbeiter gearbeitet. Ich habe auch als Maler gearbeitet.

LA: Haben Sie noch Kontakt ins Heimatland (telefonisch, E-mail, postalisch, etc.)?

VP: Ja, ich habe telefonischen Kontakt.

LA: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt nach Afghanistan und mit wem?

VP: Ich habe gestern mit meinem Onkel mütterlicherseits gesprochen.

LA: Was wurde da besprochen?

VP: Ich habe ihm gesagt, dass ich heute einvernommen werde. Nachdem ich belehrt wurde, dass ich Dokumente vorzulegen habe, habe ich ihn darum gebeten, mich dabei zu unterstützen.

LA: Lebt Ihre Familie bei Ihrem Onkel mütterlicherseits?

VP: Ja, er hat sie aufgenommen.

LA: Wie geht es Ihrer Familie bei Ihrem Onkel mütterlicherseits?

VP: Den Umständen entsprechend gut. Sie sind jetzt keiner direkten Gefahr mehr ausgesetzt.

LA: Hatte Ihre Familie nochmals Kontakt zu den Taliban?

VP: Nein, bislang nicht.

LA: Wann haben Sie den Entschluss gefasst, Afghanistan zu verlassen?

VP: Bei meinem Onkel mütterlicherseits habe ich entschieden, die Heimat zu verlassen. Ich habe keinen anderen Ausweg gesehen. Damals wusste ich nicht, dass mein Vater entführt und dann getötet wurde.

LA: Wann genau war das?

VP: Vor 17 Monaten.

LA: Wie lange hat Ihre Reise nach Österreich gedauert?

VP: Circa zwei Monate.

LA: Wann verließen Sie das Heimatland?

VP: Vor 17 Monaten.

LA: Was hat Sie Ihre Flucht insgesamt gekostet (Schlepperkosten)?

VP: Ich weiß nur, dass mein Onkel sein Haus mit Garten verkauft hat. Wie viel er für die Schleppung bezahlt hat, weiß ich nicht.

LA: Welches Haus hat Ihr Onkel verkauft?

VP: Mein Onkel hat insgesamt zwei Häuser besessen. Eines davon hat er verkauft.

LA: Wie hat Ihr Onkel dieses Haus so schnell verkaufen können?

VP: Er hatte mit dem Schlepper, mit dem er meine Ausreise geplant hat, ausgemacht, dass dieser das Haus bekommen würde. Der Schlepper hat jetzt das Haus.

LA: Haben Sie sonst noch Verwandte in Afghanistan?

VP: Nein, andere Verwandte habe ich nicht.

LA: Können Sie nochmals schildern, was die ausschlaggebenden Gründe für Ihre jetzige Ausreise waren? Was ist in Ihrer Heimat passiert, dass Sie sich zur Flucht entschlossen haben? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild Ihrer Situation machen kann.

VP: Ich bin meiner Arbeit nachgegangen. Ich habe vor der Distriktverwaltung meine Suppe verkauft. Gegen Nachmittag habe ich dann meinen Stand geschlossen. Mit meinem Fahrrad bin ich dann nach Hause gefahren. Als ich am Heimweg war und die Kreuzung genommen habe Richtung Heimatdorf, haben Männer auf mich gewartet. Sie haben mich angeschrien und gesagt "Stehen bleiben". Sie haben Waffen gezogen. Aus Angst bin ich von meinem Fahrrad gestürzt. Ich habe aufgeschrien. Zwei der Männer sind zu mir gelaufen, haben mich an Händen und Füßen festgehalten. Insgesamt waren dort vier Männer. Sie haben mich in ein Auto gezerrt. Ich habe geschrien. Zuerst haben sie mit der Hand meine Augen zugehalten, danach haben sie mir die Augen und die Füße und die Hände zugebunden. Sie sind dann losgefahren. Am Anfang haben sie meinen Mund zusammengedrückt, damit ich nicht mehr schreie. Obwohl sie mich fest angebunden hatten, haben sie mich festgehalten. Dann haben sie mich aus dem Auto herausgezerrt. Eine kurze Strecke musste ich zu Fuß gehen. Danach haben sie mir die Augenbinde abgenommen und die Hände entfesselt. Ich war in einem Raum. Dann haben sie mich hingesetzt und mich komplett entfesselt. Abgesehen von mir waren vier Personen im Zimmer. Ich habe gefragt, warum sie mich hergebracht haben, da ich nichts gemacht habe. Sie sagten, ich solle keine Angst haben, sie wären die Taliban. Sie haben immer wieder gesagt: "Habe keine Angst, setze Dich hin und ruhe Dich aus, wir haben nichts Schlimmes mit Dir vor." Sie haben sich zu mir gesetzt und einer hat mir Wasser gebracht. Einer der Männer stand bei der Türe. Sie haben dann angefangen, über die Religion zu sprechen. Einige Minuten nur, welche Pflichten wir haben. Sie haben dann im Gespräch gesagt: "Unser Land ist von den Ungläubigen besetzt worden, es ist unsere Pflicht, jetzt aufzustehen und Dschihad zu machen." Einer sagte zu mir, dass in unserem eigenen Land der Koran angezündet wurde. Unsere Frauen wurden vergewaltigt. Sie haben irgendwelche Worte gesprochen und sagten, dies seien Hadithe. Schlussendlich haben sie mir gesagt: "Wir brauchen Deine Unterstützung, Du musst Deine Heimat und Deine Religion und den Koran verteidigen." Ich habe daraufhin gesagt: "Ich bin ein armer Mann und kann nicht viel ausrichten. Ich verrichte das Gebet und damit erfülle ich meinen Anteil." Sie meinten, ich soll das machen, was sie mir empfehlen. Sie haben gemeint, es sei auch meine Pflicht, mich für die Religion aufzuopfern. Ich habe gesagt, dass ich nicht verstehen würde, worauf sie hinauswollen. Sie haben mir gesagt, vor der Distriktverwaltung, genau dort, solle ich mich aufopfern und einen Selbstmordanschlag verüben. Mich hat der Schlag getroffen. Ich wusste nicht, wie ich reagieren soll. Ich habe gesagt, dass ich das nicht machen kann. Ich habe so argumentieret, dass vor der Distriktverwaltung auch Muslime gehen. Das sind alles Menschen. Der eine hat dann gemeint: "Ich ermahne Dich, das sind jene, die die Ungläubigen unterstützen. Das sind auch Ungläubige, die darf man nicht zu den Moslems zählen." Ich habe gesagt, dass ich dort jeden Tag stehe und sehe, wie sie das Gebet verrichten. Der eine wurde sehr aggressiv, schrie mich an und sagte, das sind keine Moslems. Er sagte mir, in einem Hadith würde stehen, jene, die die Ungläubigen unterstützen, sind auch Ungläubige. Ich habe gesagt, dass ich das nicht machen kann, was sie von mir verlangten, und dass ich Angehörige habe. Einer der Männer sagte: "Wir sprechen friedlich mit dir und wollen deine Zustimmung." Dann sind sie aufgestanden. Man sagte zu mir: "Du bleibst vorerst hier." Sie haben mir wieder die Augen, die Hände und die Füße zugebunden. Die Türe haben sie zugesperrt. Aus Verzweiflung habe ich geweint. Dem Gefühl nach war ich ca. 20 Minuten im Zimmer. Dann wurde die Türe aufgesperrt. Es waren die vier Männer wie zuvor und diese haben mich wieder entfesselt. Einer fragte mich, ob ich mich schon entschieden hätte. Ich habe gesagt, dass ich das nicht machen kann, weil ich eine Familie haben und auch meine Eltern versorgen würde. Mir wurde gesagt, dass ich mir keine Sorgen um meine Familie machen muss und dass sie alle Kosten übernehmen werden. Ich solle mir keine Sorgen um sie machen. Ich habe versucht, sie irgendwie davon zu überzeugen. Einer der Männer, der mir gegenüber aggressiv geworden ist, sagte, dass ich sie dazu zwingen würde, mit Gewalt vorzugehen. Er meinte: "Schlag ihn." Und der Mann, der in meiner Nähe war, hat auf mich geschlagen. Ich habe geschrien und geweint und dieser Mann sagte: "Mund zuhalten." Zwei haben mich geschlagen. Dann haben sie ein Kabel geholt und haben mich am Rücken, am Kopf und überall, wo sie mich getroffen haben, geschlagen. Sie haben nicht aufgehört. Sie haben mir befohlen, keinen Laut mehr von mir zu geben. Sie sagten, wenn ich nicht gehorchen würde, würden sie meine Familie auf der Stelle töten, und wenn ich möchte, dass mein Kind und meine Familie am Leben bleiben, dann solle ich mich für sie aufopfern. Sie sagten, dass ich für sie wertvoll wäre und niemand würde vermuten, dass ich vor der Distriktverwaltung etwas vorhabe, da die Leute mich täglich dort kennen würden. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Zustimmung zu geben. Sie haben mich mit meiner Familie eingeschüchtert. Der Ton änderte sich auf einmal. Sie meinten, dass ich ihnen nichts übel nehmen solle. Sie brauchten mich, da ich dort jeden kenne. Sie haben gesagt, sie würden mir eine unauffällige Weste anbringen. Ich soll versuchen, so weit wie möglich in die Distriktverwaltung einzudringen. Einer der Männer sagte: "Keine Angst, wenn mich einer dort anhält, soll ich nicht nervös werden, wir haben unsere Männer schon eingeschleust." Ich habe dann gesagt, dass ich meine Eltern, mein Kind und meine Ehefrau noch einmal sehen will. Etwas anderes ist mir nicht eingefallen. Mir wurde dann gesagt, dass ich warten soll, da sie Rücksprache halten müssen, ob dies möglich ist. Sie haben sich dann in einem Eck miteinander beraten. Einer sagte zu mir: "Wir lassen Dich unter einer Bedingung nach Hause. Wenn Du keinen Blödsinn anstellt und zurückkommst. Wir kennen Dich und wissen, aus welchem Dorf Du bist. Wir vertrauen Dir jetzt, enttäusche uns nicht. Du kannst nicht untertauen, da wir Dich überall finden werden." Mir wurde auch gesagt, dass ich mich auch nicht an die Polizei wenden soll. Sie hätten alles erfahren, da sie auch dort ihre Männer sitzen haben. Ich habe darauf nur gesagt, dass ich alles akzeptiere, was sie sagen. Sie sagten, dass ich warten solle, und dann, wann sie wollen, ich die Gelegenheit bekommen würde, mich zu verabschieden. Sie haben mir wieder die Hände, Augen und Füße verbunden und sind aus dem Raum gegangen. Es kam mir sehr lange vor, als die Türe wieder aufgesperrt wurde. Sie sagten, dass sie mich hier wegbringen würden. Meine Füße haben sie entfesselt. Sie sagten nur, dass wir losfahren würden. Ich wurde in ein Auto gesetzt. Im Auto haben Sie mir meine Füße wieder zugebunden. Dann ist das Auto stehen geblieben. Während der Fahrt haben sie mir gesagt, dass sie mir ein Telefon mitgeben werden und ich es nicht ausschalten solle. Sie haben das Handy in meine Tasche gegeben. Sie meinten, dass sie mir über das Telefon eine Adresse nennen werden, zu der ich kommen muss. Das Fahrzeug ist dann stehen geblieben. Ich wurde dann entfesselt. Es ist eigentlich eine schmale Straße, aber die Hauptstraße zu meinem Dorf. Es war schon spät und dunkel. Ich habe die Strecke wiedererkannt und bin zu Fuß nach Hause gelaufen. Als ich nach Hause angekommen bin, habe ich gesehen, dass die Nachbarn sich versammelt haben. Sie sind auf mich zugelaufen und haben mich umarmt. Mein Bruder ist nach Hause gelaufen und hat meine Eltern gerufen. Sie haben mich gefragt, wo ich geblieben bin, und ich habe gesagt, dass ich bei einem Freund war. Meine Mutter war sehr wütend und hat zugleich auch geweint. Sie hat mich auch gefragt, wo ich geblieben bin. Ich wollte meinen Bruder nicht beunruhigen. Meine Frau war auch sehr beunruhigt. Mein Vater war herzkrank. Er meinte, dass er wegen mir einen Anfall hatte. Ich habe ihn dann umarmt. Meine Mutter hat mir vorgeworfen, dass es meinem Vater wegen meiner Nachsicht schlecht gehen würde. Ich habe meiner Mutter gesagt, dass ich mit ihr sprechen soll. Meine Mutter hat gefragt, was passiert ist. Als es meinem Vater besser gegangen ist, habe ich meinen Eltern erzählt, was vorgefallen ist. Meine Eltern waren überfragt und verzweifelt. Ich habe dann gesagt, dass ich mich verabschieden muss. Die Taliban würden mich morgen anrufen. Ich muss das machen, was sie mir sagen, um meine Familie zu beschützten. Meine Mutter hat mir das Telefon weggenommen. Meine Eltern haben dann gesagt, dass ich zu meinem Schwiegervater gehen soll. Ich soll mit meiner Frau und meinem Kind in den Morgenstunden weggehen. Ich sagte, dass ich ohne meine Familie nicht weggehen kann. Meine Eltern meinten, dass sie ältere Menschen sind und die Taliban ihnen nichts antun würden. Ich bin dann mit meinem Sohn und meiner Gattin geflüchtet. Als wir angekommen sind, hat mein Onkel gewartet und gesagt, dass er wissen würde, was passiert ist. Mein Onkel wollte genau wissen, was sie mit mir gemacht haben. Ich habe ihm alles erzählt. Ich habe ihn darum gebeten, sein Telefon zu benutzen, um meine Mutter anzurufen. Sie hat mir zugesichert, dass alles in Ordnung ist und ich mir keine Sorgen machen soll. Sie hat sich auch gut angehört. Mein Onkel hat mir angeraten, das Haus nicht zu verlassen. Es war noch nicht die Rede davon, Afghanistan zu verlassen. Er ist dann Richtung Jalalabad gefahren. Erst am Nachmittag ist mein Onkel zurückgekommen. Ich habe dann wieder meine Mutter angerufen. Sie sagte mir, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Am nächsten Morgen habe ich meine Mutter nochmals angerufen. Meine Mutter hat mir gesagt, dass alles in Ordnung ist. Das hat aber nicht gestimmt. In der Nacht waren sie da und haben meinen Vater mitgenommen. Meine Mutter meinte, dass ich einfach das machen soll, was mein Onkel sagt, und dass sie mit meinem Onkel gesprochen hat. Mein Onkel meinte, dass ich unter diesen Umständen das Land verlassen muss. Ich habe dann nochmals mit meiner Mutter telefoniert, und auch diese sagte, dass ich ausreisen soll. Mein Onkel hat dann meine Ausreise organisiert. So habe ich alle zurücklassen müssen. Das sind meine Fluchtgründe, weitere habe ich nicht.

LA: Warum haben Sie in Ihrer gesamten Geschichte keinen Drohbrief erwähnt?

VP: Als ich hier angekommen bin, habe ich erfahren, dass ein Drohbrief angekommen ist. Davor hatte ich keinen Kontakt.

LA: Wann ist dieser Drohbrief gekommen?

VP: Nachdem mein Vater entführt wurde, die Nacht darauf, lag im Garten meiner Eltern dieses Schreiben.

LA: Warum ist Ihre Gattin nicht auch mitgereist?

VP: Wie bitte?

Frage wird wiederholt.

VP: Mein Schwiegervater hat mir gesagt, dass meine Ehefrau, seine Tochter und unser Kind bei ihm sicher sind. Ich hätte die Heimat verlassen müssen und es ging sich finanziell auch nur aus, damit ich weg bin.

LA: Hätten Sie nicht bei Ihrem Onkel bleiben können?

VP: Es ist sehr unsicher gewesen, wenn ich dort bei meinem Onkel geblieben wäre. Ich hatte auch Angst, weil viele aus meinem Dorf verschollen sind.

LA: Wie lange lebt nun Ihre Familie bereits bei Ihrem Onkel?

VP: Nachdem mein Vater getötet wurde. In dem Drohbrief stand, dass ich mich sofort stellen muss. Nachdem ich weg war, haben sie ihn getötet.

Frage wird wiederholt.

VP: Seit ca. 17 Monaten sind sie dort. Meine Geschwister und meine Mutter leben gemeinsam mit der Familie meines Onkels und mit meiner Ehefrau und meinem Sohn.

LA: Wie weit ist Ihr Heimatdorf vom Haus Ihres Onkels entfernt?

VP: Circa eine Stunde mit dem Auto.

LA: Könnten Sie nun wieder zurück ins Haus zu Ihrem Onkel gehen?

VP: Ich kann dort nicht zurückgehen, über kurz oder lang werden sie mich auch dort töten. In dem Drohbrief stand, dass die Taliban mich überall finden können.

LA: Wie sollten die Taliban Sie dort finden?

VP: Sie haben Möglichkeiten, Leute ausfindig zu machen. Wie sie das machen, weiß ich nicht.

LA: Suchen die Taliban auch nach Ihrer Familie?

VP: Ob sie tatsächlich auch meine Familie suchen, weiß ich nicht, aber ich vermute doch. Sie werden sich an uns rächen wollen.

LA: Warum reist dann Ihre Familie nicht aus Afghanistan aus?

VP: In erster Linie hat mir die Gefahr gedroht. Das Geld hat nur für mich gereicht.

LA: Hätten Sie nicht nach Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif gehen können?

VP: Woanders hätte mir genauso die Gefahr gedroht. Es wurden viele junge Männer aus meinem Dorf verschleppt oder getötet. Mein Onkel hat mich gerettet.

LA: Könnten Sie jetzt zurück nach Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif gehen?

VP: Ich habe Angstzustände. Ich kann weder in Kabul noch woanders in der Heimat leben. Wie soll ich dort überleben?

LA: Warum können Sie nicht in Kabul oder woanders leben?

VP: Vielleicht haben sie mitbekommen, wie schlecht die Sicherheitslage in Kabul ist. Im Fernsehen sieht man, wie viele jeden Tag getötet werden. Ich möchte einfach in Frieden leben. Ich hatte dieses Problem. Ich kann einfach nicht in meiner Heimat leben.

LA: Was war das für ein Kabel, mit dem Sie in Gefangenschaft geschlagen wurden?

VP: Es war ein etwas dickeres Kabel.

LA: Wo wurden Sie da geschlagen?

VP: Der erste Schlag hat mich im Gesicht getroffen und dann haben sie mich überall geschlagen, am Rücken und an den Beinen.

LA: Haben Sie von diesen Schlägen irgendwelche Narben davongetragen?

VP: Es sind keine sichtbaren Narben übergeblieben. Ich kann keine Narbe spüren.

LA: Warum sind Sie bei Ihrem Onkel nicht zur Polizei gegangen?

VP: Ich habe mit meinem Onkel gesprochen. Mir wurde auch angedroht, nicht zur Polizei zu gehen. Die Wahrheit ist die, die Polizisten können sich selbst auch nicht beschützten. Ich hatte Angst, dass sie mich über die Polizei finden können.

LA: Möchten Sie etwas zu Ihrem Vorbringen ergänzen?

VP: Nein.

LA: Waren Sie im Heimatland oder anderswo in Strafhaft? Wenn ja, weshalb?

VP: Nein.

LA: Besteht gegen Sie ein offizieller Haftbefehl im Heimatland?

VP: Nein.

LA: Was würde bei aktueller (fiktiver) Heimkehr ins Heimatland passieren? Was würde Sie dort erwarten?

VP: Es ist ungewiss, wenn die Taliban mich dort finden, ob sie mich vor Ort töten, oder was genau sie mit mir machen, kann ich nicht vorhersehen.

LA: Suchen die Taliban noch nach Ihnen?

VP: Ich kann Ihnen (LA) das nicht genau sagen, außer dass sie rachsüchtig sind.

LA: Woher sollten die Taliban wissen, dass Sie wieder in Afghanistan sind?

VP: Sie haben ihre Wege und Leute, die sie informieren. Sie haben meinen Vater getötet. Das wird ihnen nicht reichen. Um zu überleben, muss ich zu meinen Angehörigen.

LA: Könnten Ihre Angehörigen nicht auch nach Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif gehen?

VP: Ich bin wegen meinen Problemen geflüchtet. Im Fall einer Rückkehr setzte ich meine Familie einer noch größeren Gefahr aus.

LA: Was meinen Sie damit?

VP: Ich kann mir ein Leben dort nicht mehr vorstellen. Ich bin hier in Sicherheit. Natürlich mache ich mir Sorgen um meine Familien. Hier tötet mich niemand.

LA: Was müsste passieren, damit Sie wieder in Ihr Heimatland zurückkehren können?

VP: Dass diese Barbaren verschwinden, Sicherheit einkehrt. Jeder möchte in Frieden und in Sicherheit leben, und das wünsche ich meiner Heimat auch.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die vom Bundesamt zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen ...

VP: Ich möchte keine schriftliche Stellungnahme einbringen.

LA: Sind Sie in Österreich wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden? Wenn ja, wann? Und wo?

VP: Nein.

LA: Haben Sie Bindungen an Österreich? Haben Sie hier Verwandte oder sonstige Beziehungen?

VP: Ich habe keine Verwandten hier, ich habe hier sehr gute Freunde als Familienersatz gefunden, aber auch Burschen aus meiner Unterkunft. Die Bekannten erleichtern mir einiges. Sie unterstützen mich.

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit, mit wem verbringen Sie diese?

VP: Ich versuche auch in meiner Freizeit, die Sprache zu lernen. Ich spiele auch Fußball.

LA: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder anderen Organisationen?

VP: Nein.

LA: Wovon leben Sie hier in Österreich? Grundversorgung? Arbeiten Sie hier?

VP: Ich werde vom Staat versorgt.

LA: Haben Sie schon einen Deutschkurs oder sonstige Kurse besucht?

VP: Ja, ich besuche jeden Tag einen Deutschkurs.

...

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift, wurde diese richtig und vollständig protokolliert?

VP: Auf Seite 7 möchte ich richtigstellen, dass ich gegen Abend meinen Stand geschlossen habe.

LA: Wann haben Sie immer Ihren Stand geschlossen?

VP: Immer am Abend.

LA: Wann war das am Abend?

VP: Gegen 18 Uhr, zum Zeitpunkt, als man das Abendgebet verrichten konnte.

...

B) Beweismittel

Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:

Von Ihnen wurden folgende Beweismittel vorgelegt: Tazkira, Bestätigung über gemeinnützige Arbeit, Deutschkursbestätigungen.

...

C) Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

... Sie sind afghanischer Staatsbürger, gehören der Volksgruppe der Paschtunen an und sind moslemischen Glaubens ... Sie lebten bis zwei Tage vor Ihrer Ausreise in der Provinz Laghman im Distrikt XXXX im Dorf XXXX und bis zu Ihrer Ausreise bei Ihrem Onkel in der Provinz Nangarhar. Sie besuchten sieben Jahre eine Schule. Sie gaben an, bis zu Ihrer Ausreise als Suppenverkäufer gearbeitet zu haben.

Sie leiden an keiner lebensbedrohenden Erkrankung. Sie sind gesund, stehen nicht in ärztlicher Behandlung und nehmen keine Medikamente ein. Sie sind strafrechtlich unbescholten. Sie sind illegal in das Bundesgebiet eingereist.

Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in Afghanistan bedroht oder verfolgt werden. Insgesamt war Ihr Vorbringen, vor den Taliban geflüchtet zu sein, nicht glaubhaft und haben Sie in Bezug auf Ihre behaupteten Fluchtgründe und hinsichtlich der Rückkehrsituation (insbesondere bezüglich der Stadt Kabul) keinen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.

Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würden Sie nicht bedroht oder verfolgt werden. Es kann keine (wie auch immer geartete) sonstige besondere Gefährdung für Ihre Person im Falle der Rückkehr nach Afghanistan festgestellt werden. Es kann keine allgemeine, exzeptionelle Gefährdungslage in Afghanistan, die praktisch jeden betreffen würde, festgestellt werden.

Sie sind in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten Verfolgung ausgesetzt. Sie konnten keine asylrechtlich relevante Verfolgung glaubhaft machen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie Afghanistan aufgrund einer konkret gegen Sie gerichteten Bedrohung verlassen haben bzw. sich aufgrund einer solchen Bedrohung außerhalb Afghanistans aufhalten.

Sie verfügen im Heimatland über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und würden deshalb nach Ihrer Rückkehr auch Unterstützungs- und Unterkunftsmöglichkeiten vorfinden. Sie können in Afghanistan bei Ihren Familienangehörigen wohnen. Sie hätten eine Chance auf eine Arbeit. Sie sind wirtschaftlich genügend abgesichert und würden somit nicht in eine wirtschaftlich oder finanziell ausweglose Lage geraten. Auch können Ihre Familienangehörigen, insbesondere Ihre Mutter, aber auch Ihr Onkel, welcher auch Ihr Schwiegervater ist, Sie aus der Provinz Nangarhar unterstützen. Weiters gaben Sie auch an, dass diese zurzeit keine Probleme mehr mit den Taliban hätten. Sie sind im arbeitsfähigen Alter und können in Afghanistan einer Arbeit nachgehen. Sie können die Städte Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat erreichen, ohne einer besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein.

...

Aus den vom BFA herangezogenen herkunftsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zudem, dass die Städte Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat - im Vergleich zu anderen Provinzen - nicht als derart unsicher qualifiziert werden können, dass es einem Asylwerber von vornherein verunmöglicht würde, dorthin zurückzugelangen. Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat verfügen über eine vergleichsweise gute Infrastruktur mit dem Bestehen eines Flughafens, der für den zivilen Flugverkehr geeignet ist. Auch aus den (aktuellen) Gutachten des länderkundigen Sachverständigen Dr. Rasuly geht hervor, dass die Städte Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat derzeit zu relativ sicheren Städten Afghanistans gezählt werden können (vgl. BVwG-Erkenntnis vom 09.05.2017, Zl. W123 2141505/1/9E).

Es konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wären oder dies für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen könnte.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie haben in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht. Sie haben im Heimatland familiäre Anknüpfungspunkte. Sie reisten illegal in das Bundesgebiet ein. Sie regeln Ihren Aufenthalt auf asylrechtlicher Basis. Sie haben Deutschkurse besucht. Sie sind in keinem Verein engagiert.

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

Kurzinformation vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 ...

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen, Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften, kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen, den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann, den strategischen 4-Jahres-Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderem gemeinsame Anti-Terror-Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016 verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

Zivilisten

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilisten zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: Von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte) resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe

Der US-Sonderbeauftragte für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profile Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten, dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet: Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP-Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilisten getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter der ANDSF und afghanische Regierungsbeamte gerichtet; Zivilisten in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird es Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben, ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und private Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut dem amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizisten werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Ein erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone", soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP) sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung, erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen, Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz gelang es den Taliban zumindest temporär, einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Quellen:

BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan ...;

BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack ...;

INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date ...;

INSO - The International NGO Safety Organisation (2017): Afghanistan - Gross Incident Rate ...;

NYT - The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade ...;

NYT - The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan ...;

Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike: U.S. military ...;

Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital ...;

SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE UNITED STATES CONGRESS ...;

SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment ...;

The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan ...;

Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed In Nangarhar Air Strike ...;

UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017 ...;

UN GASC - General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017 ...;

WT - The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces ...

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Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham-Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

...

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

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Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisationen, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban-Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z. B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen gezielt gegen schiitische Muslime in Hauptstädten, wie Kabul und Herat, stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Quellen:

Afghanistan Spirit (18.7.2016): 45 Taliban Commanders Killed In Four Months: MoI ...;

Bakhtar News (29.6.2017): Clearing Operation Begins In Several Districts of Kabul ...;

BBC News (10.1.2017): Afghanistan bombings: Dozens killed across the country ...;

CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (2016): Afghanistan - Estimated Population 2016/2017 ...;

DW - Deutsche Welle (10.1.2017): Multiple casualties reported after explosions in Afghanistan ...;

EASO - European Asylum Support Office (11.2016): EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation ...;

IBT - International Business Times (1.7.2016): Taliban Outguns Afghan, US Troops in Strategic, Opium-Rich Helmand Province ...;

Kabul Tribune (8.2.2017): Taliban leader killed with his fighters in Kabul operation ...;

Khaama Press (13.1.2017): Serious threats exist in Kabul, US Embassy warn citizens ...;

Khaama Press (10.1.2017): 43 militants killed in 17 provinces in past 24 hours, MoI claims ...;

Khaama Press (2.1.2017): Explosion near a mosque in Herat city leaves 6 wounded ...;

Pajhwok (o.D.z): Kabul province background profile ...;

Tolonews (4.1.2017a): Afghan Forces Battle Insurgents On Multiple Fronts: MoD ...;

UNAMA - United Nations Mission in Afghanistan (6.2.2017): Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016 ...;

UN OCHA - United Nation Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.8.2015): Afghanistan: Population Estimate for 2015 ...;

VOA - Voice of America (5.1.2017): Afghan Forces Vow No Break in Fighting During Winter ...

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

...

Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische, die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstöße zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneurs Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder von IS-Kämpfern die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

High-profile Angriff:

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghanen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

Quellen:

CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (2016): Afghanistan - Estimated Population 2016/2017 ...;

EASO - European Asylum Support Office (11.2016): EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation ...;

Die Zeit (20.11.2016): Anschlag auf Deutsches Konsulat vor Monaten in Pakistan geplant ...;

Die Zeit (10.11.2016): Taliban greifen deutsches Konsulat in Afghanistan an ...;

Kabul Tribune (5.1.2017): Clearing Operation Begins In Balkh ...;

Khaama Press (17.1.2017): Taliban's explosives factory discovered in Balkh province ...;

Khaama Press (14.12.2016): Taliban suffer heavy casualties in an airstrike in Balkh province of Afghanistan ...;

Khaama Press (30.3.2016): Policemen and Taliban militants suffer casualties in Balkh clash ...;

Khaama Press (7.3.2016): Operations led by Ata Mohammad Noor launched in Balkh ahead of Nowruz celebrations ...;

Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA (14.11.2014): Sicherheitslage, per Mail;

Lobe Log Foreign Policy (14.9.2016): There Is No Military Path to Victory in Afghanistan ...;

Pajhwok (o.D.y): Background Profile of Balkh ...;

RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Free Liberty (9.2015): Afghanistan's New Northern Flash Points ...;

Tolonews (18.4.2016): 12 Taliban Insurgents Killed in Balkh Clashes ...;

Tolonews (26.5.2016): 45 Insurgents Killed in Balkh Clashes: Officials ...;

UN OCHA - United Nation Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.8.2015): Afghanistan: Population Estimate for 2015 ...;

Xinhua (11.11.2016): 4 Afghans killed, 33 others injured in attack on German consulate: Afghan police ...;

Xinhua (1.10.2016): News Analysis: China's investment in Afghanistan helps stabilize peace, revive economy: Afghan economist ...

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon werden als Bezirke der ersten Stufe a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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