TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/7 L518 2219244-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2019
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Entscheidungsdatum

07.08.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §34 Abs3 Z3
BFA-VG §40 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwG-AufwErsV §1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch

L518 2219245-1/21E

L518 2219243-1/14E

L518 2219244-1/14E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 15.07.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger als Einzelrichter in der Beschwerdesache von XXXX , geb. am XXXX , XXXX , geb. am XXXX und XXXX , geb. am XXXX , alle türkische StA., vertreten durch Asyl in Not, gegen den Festnahmeauftrag, vom 13.05.2019 und der Festnahme, am 22.05.2019, die Verbringung in die Familienunterkunft Zinnergasse in Wien, sowie die Effektuierung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme vom 24.05.2019, 06.30 Uhr, sowie über die Kostenanträge nach am 15.07.2019 erfolgter öffentlich mündlicher Beschwerdeverhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden gegen den Festnahmeauftrag, die Festnahmen, die Verbringung zur Familienunterkunft und die Effektuierung der Abschiebung, insbesondere die dabei erfolgte Familientrennung werden als unbegründet abgewiesen.

II. Dem Antrag der Beschwerdeführer auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGVG nicht stattgegeben.

Die Beschwerdeführer haben für jeden Beschwerdepunkt (Festnahme, Verbringung in die Familienunterkunft und Effektuierung der Abschiebung) jeweils gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG in Verbindung mit § 1 VwG-Aufwandersatzverordnung dem Bund Aufwendungen in Höhe von ? 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der maßgebliche Sachverhalt steht aufgrund des Ergebnisses der Beschwerdeverhandlung fest und deckt sich im Wesentlichen mit den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Wie das belangte BFA zutreffend ausführte und in der Beschwerdeverhandlung dem Grunde nach unbestritten blieb, war der nachstehende Sachverhalt als erwiesen anzusehen:

- Die BF reisten am 11.6.2018 legal im Besitz eines Visums in das österreichische Bundesgebiet ein und brachten am 26.6.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

- Die Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Linz vom 12.11.2018, Zlen: 1191255905 - 180597648, 1191256107 - 180597656, 1191256009 - 180597664 und 1191256608 - 180597630 gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen gem. § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist.

Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben.

Mit ho. Erkenntnissen des BVwG (GZ L524 2210838-1/6E, L524 2210836-1/5E, L524 2210837-1/5E, L524 2210839-1/5E) v. 04.04.2019 wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidungen erwuchsen mit 05.04.2019 in Rechtskraft.

- Am 13.05.2019 wurden die erforderlichen Unterlagen zur Abschiebung der gesamten Familie, samt Festnahmeauftrag gem. §34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG durch die Außenstelle Linz erstellt und an die Regionaldirektion Oberösterreich übermittelt.

- Die gesamte Familie sollte am 22.05.2019 um 05.00 Uhr zur Abschiebung festgenommen und in die Familienunterkunft in die Zinnergasse, Wien verbracht werden. Der Vater und die beiden Kinder konnten angetroffen werden, jedoch nicht die Mutter bzw. Ehefrau.

- Im Zuge der Festnahme konnte die bP1 seine Gattin telefonisch erreichen und sie von seiner Festnahme bzw. Verbringung in die Familienunterkunft in 1110 Wien, Zinnergasse 29a in Kenntnis setzen. Die beiden Söhne wurden gemeinsam mit dem Vater im Rahmen seiner Obsorgeverpflichtung in die Familienunterkunft 1110 Wien, Zinnergasse 29a verbracht.

- Die bP1 teilte mehrfach mit, dass seine Gattin bereits in Wien aufhältig sei und sich selbständig in die Familienunterkunft 1110 Wien, Zinnergasse 29a begeben werde.

- Der Aufenthaltsort von Frau C. war der belangten Behörde (BFA) nicht bekannt.

- Am 22.05.2019 um 15.08 Uhr langte beim BFA, RD O, Einlaufstelle ein Schreiben des Vereines Asyl in Not, - Unterstützungskomitee für politisch verfolgte Ausländer, 1090 Wien, Währingerstraße 59/2 ein. Mit dem Schreiben wurde eine Vollmacht zur Vertretung übermittelt. Gleichzeitig erging das Ersuchen um Übermittlung des Festnahmeauftrages.

- Im Zuge des Kontaktgespräches am 23.05.2019, 18.00 Uhr wurde der bP1 abermals die Möglichkeit gegeben seine Gattin telefonisch zu erreichen, um sie von der bevorstehenden Abschiebung noch einmal in Kenntnis zu setzen. Frau C. war telefonisch nicht mehr erreichbar.

- Der für Frau C. gebuchte Flug wurde am 24.05.2019 storniert.

- Am 24.05.2019 wurde seitens des BVwG die gegenständliche Beschwerde an das BFA mit der Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt.

- Die Außerlandesbringung von P1 - P3 erfolgte am 24.05.2019 um 06:30 Uhr.

- Erhebungen ergaben, dass Ende April 2019 eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben wurde. Eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte bislang nicht.

Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. Beschwerde gegen den Festnahmeauftrag, die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme sowie die Effektuierung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

1. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a leg.cit. die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Behörde im Inland nach diesem Bundesgesetz ist gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG das Bundesamt mit bundesweiter Zuständigkeit. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben das Bundesamt gemäß § 6 BFA-VG bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere durch Wahrnehmung der ihnen gemäß §§ 36 bis 47 leg.cit. eingeräumten Aufgaben und Befugnisse, zu unterstützen.

Das Bundesamt ist daher betreffend die Festnahmeanordnung, die Festnahme und Anhaltung sowie die Effektuierung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 40 BFA-VG die belangte Behörde (vgl. VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0335).

2. Gemäß § 40 Abs. 1 BFA-VG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, gegen den ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 besteht (Z 1), wenn dieser Auflagen gemäß § 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt (Z 2) oder der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt (Z 3).

Gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn gegen ihn ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll. Gemäß Abs. 5 leg cit. ergeht ein Festnahmeauftrag in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zur verhalten (Abschiebung), wenn die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint (Z 1), sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind (Z 2), aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen (Z 3) oder sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind (Z 4).

Mit oben bezeichneten erstinstanzlichen Bescheiden wurden die Anträge auf internationalen Schutz abgewiesen und fand diese Entscheidungsfindung in den ho. Erkenntnissen vom 4.4.2019 ihre Bestätigung. Insoweit in der Beschwerde vorgebracht wurde, dass dagegen Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erhoben wurde, so war festzustellen, dass diesem Rechtsmittel seitens des VfGH keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde und die oben bezeichnete ho. Entscheidungen in Rechtskraft erwuchsen.

Die Beschwerdeführer kamen folglich der sie treffenden Ausreiseverpflichtung nicht nach, weshalb seitens des belangten BFA der Festnahmeauftrag rechtskonform erging.

Ebenso erwies sich das durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorgenommene Festnahme, Verbringung in die Familienunterkunft sowie die am 24.5.2019, 06.30 Uhr erfolgte Effektuierung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme als verhältnismäßig und notwendig.

Insoweit in der Beschwerde die erfolgte Familientrennung gerügt wird, war in Ansehung der höchstrichterlichen Judikatur festzustellen, dass abweichend vom Grundsatz der Wahrung der Familieneinheit dann eine Trennung zulässig ist, wenn eine gemeinsame Abschiebung der Familienmitglieder aus in der Sphäre der Fremden liegenden Gründen nicht möglich ist.

Die Familientrennung ist zulässig, wenn ein Verhalten eines Familienmitgliedes für die Trennung kausal ist und auf eine Trennung gerichtet ist, was in der Regel bei Untertauchen eines Familienmitgliedes zwecks Vereitelung der Abschiebung zu bejahen ist. IdS hat der EGMR in einem Fall, in dem Familienmitglieder untertauchten und ein anderes Familienmitglied abgeschoben wurde, erkannt, dass unter diesen Umständen der Staat nicht die Verantwortung für die Trennung trägt (EGMR 20.3.1991, 15576/89, "Cruz Varas", Rn 88).

Ist ein Familienmitglied bei der Festnahme nicht anwesend, ist den festgenommenen Familienmitgliedern die Möglichkeit einzuräumen, die nicht anwesenden Angehörigen zu kontaktieren bzw. für eine Aufklärung über den Verbleib des nicht anwesenden Angehörigen zu sogen.

Wie aus der vorliegenden Aktenlage und dem öffentlich mündlichen Beschwerdeverfahren glaubwürdig zu ersehen ist, wurde dem Erstbeschwerdeführer mehrmals die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit der untergetauchten Ehegattin bzw. Mutter der mj. Zweit- und Drittbeschwerdeführer eingeräumt. Diese Möglichkeit wurde wiederholt in der Familienunterkunft eingeräumt.

Im Ergebnis lag die Familientrennung ausschließlich in der Sphäre der Beschwerdeführer bzw. von Fr. C. und fiel diese nicht in die Obliegenheit der belangten Behörde, weshalb insgesamt die Beschwerde (in allen Beschwerdepunkten) als unbegründet abzuweisen war.

Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):

Die Beschwerdeführerin hatte einen Antrag auf Ersatz der Aufwendungen gemäß § 35 VwGVG gestellt. Da sie im konkreten Fall unterlegene Partei ist, war ihr Antrag dementsprechend abzuweisen.

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG (Festnahmeauftrag, Festnahme und Effektuierung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme insbesondere der Verletzung der Familieneinheit) Beschwerde erhoben. Die bP stellten einen Antrag auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG.

Es gebührt ihnen gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG als unterlegene Parteien kein Kostenersatz.

Ein Anspruch auf Kostenersatz im Verfahren vor dem VwG besteht unter anderem dann, wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet und mit der Bekämpfung eines davon erfolgreich ist. Nach der - zu § 79a Abs. 7 AVG iVm § 52 Abs. 1 (und § 53 Abs. 1) VwGG idF vor Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 33/2013 ergangenen - hg. Judikatur (vgl. E 12. April 2005, 2004/01/0277) kommt es für den Ersatzanspruch des BF darauf an, wie viele Verwaltungsakte er mit einer Maßnahmenbeschwerde erfolgreich angefochten hat. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte kann allerdings nicht allein darauf abgestellt werden, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Wesentlich sind vielmehr die behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen, anhand derer zu beurteilen ist, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen. Diese Judikatur wurde auf den Anwendungsbereich des § 35 VwGVG 2014 übertragen (vgl. B 4. Mai 2015, Ra 2015/02/0070; E 16. März 2016, Ra 2015/05/0090).

Im Rahmen der letztgenannten Entscheidungsfindung (E 16. März 2016, Ra 2015/05/0090) hält der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen nachstehendes fest:

§ 52 VwGG idF BGBl. I Nr. 33/2013 regelt Fälle, in denen sich eine (in einem einzigen Schriftsatz erhobene) Revision gegen mehrere Erkenntnisse oder Beschlüsse richtet. In solchen Fällen besteht Anspruch auf mehrfachen Schriftsatzaufwand. Dies gilt nach § 35 Abs. 6 VwGVG 2014 sinngemäß, wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet (Hinweis E vom 7. Oktober 2010, 2010/17/0143, mwN).

Im konkreten Fall waren die Festnahme, die Verbringung in die Familienunterkunft sowie die Abschiebung, unter Verletzung der Familieneinheit zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind.

Die belangte Behörde ist auf Grund der Beschwerdeabweisungen (vollständig) obsiegende Partei, weshalb ihr die Kosten im entsprechenden Ausmaß zuzusprechen waren.

Hinsichtlich des von der RV eingebrachten Beweisantrages auf Einvernahme der Freundinnen der P2 waren folgenden Erwägungen maßgeblich:

Ein tauglicher Beweisantrag liegt nach der Rsp des VwGH nur dann vor, wenn darin sowohl das Beweisthema wie auch das Beweismittel genannt sind und wenn das Beweisthema sachverhaltserhelbich ist (VwGH 24.01.1996, 94/13/0125); Thienel Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174)

Die zitierte Entscheidung (Rechtssatz) lautet:

Aus sachlicher Sicht setzt ein Beweisantrag voraus, dass er "prozessual ordnungsgemäß" gestellt wird, denn nur dann ist er als solcher beachtlich. Entscheidend für einen Beweisantrag ist vor allem die Angabe des Beweismittels und des Beweisthema, also der Punkt und Tatsachen, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen. Erheblich ist ein Beweisantrag jedoch in der Folge nur dann, wenn Beweisthema eine Tatsache ist, deren Klärung, wenn diese schon nicht selbst erheblich (sachverhaltserheblich) ist, zumindest mittelbar beitragen kann Klarheit über eine erhebliche (sachverhaltserhebliche) Tatsache zu gewinnen (Hinweis, Stoll, BAO-Handbuch, 1891). Beweise bei einem nur unbestimmten Vorbringen müssen nicht aufgenommen werden (Hinweis E 20.1.1988, 87/13/0022, 0023).

Im konkreten Fall erweist sich der Beweisantrag als nicht sachverhaltserheblich, ist doch der Sachverhalt als geklärt anzusehen.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen, widerspruchsfreien und diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt sowie der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung.

3. gekürzte Ausfertigung:

Gemäß § 29 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Diese gekürzte Ausfertigung der nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 15.7.2019 verkündeten Erkenntnisse ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hierzu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.

Schlagworte

Abschiebung Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses aufenthaltsbeendende Maßnahme aufschiebende Wirkung - Entfall Aufwandersatz Befehls- und Zwangsgewalt Familieneinheit Familienverband Familienverfahren Festnahme Festnahmeauftrag Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz Kostenersatz - Antrag Maßnahmenbeschwerde mündliche Verhandlung mündliche Verkündung Obsiegen schriftliche Ausfertigung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L518.2219244.1.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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