TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/28 L512 2145494-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2019
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Entscheidungsdatum

28.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L512 2145495-1/34E

L512 2145494-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Franz Karl JURACZKA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, gesetzlich vertreten durch XXXX , dieser vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Karl Franz JURACZKA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge entsprechend der Reihenfolge im Spruch als BF1 und BF2 bezeichnet), Staatsangehörige der islamischen Republik Iran, reisten illegal ins österreichische Bundesgebiet ein. Der BF 1 stellte am 20.11.2015 für seine Person und für den BF2 Anträge auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF1 am 20.11.2015 zusammengefasst Folgendes vor:

Er sei XXXX geschieden worden, sei Angehöriger der arabischen Volksgruppe und sei Moslem gewesen. Er habe 8 Jahre die Grundschule besucht und hätte den Beruf eines XXXX erlernt und habe zuletzt als XXXX gearbeitet.

Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, er habe im Iran einen XXXX gehabt. Eines Tages habe ein Mann XXXX beim BF1 kaufen wollen. Als dieser weggegangen sei, seien zwei Männer mit einem Motorrad gekommen und hätten diesem Kunden den Turban vom Kopf gerissen, woraufhin sie weggelaufen seien. Eine halbe Stunde später seien Zivilpolizisten gekommen und hätten den BF1 mitgenommen. Der BF1 habe gesagt, er habe nichts gemacht, aber sie hätten ihm nicht zugehört. Dem BF1 seien die Augen verbunden worden und sei er an einem unbekannten Ort gewesen, als ihm die Augenbinde abgenommen worden sei. Der BF1 sei festgebunden, aufgehängt und geschlagen worden. Er hätte die Namen der Männer, die auf dem Motorrad waren, preisgeben sollen, woraufhin der BF1 erwidert habe, dass er diese nicht kenne. Der BF1 sei deswegen ein Jahr ins Gefängnis gesperrt worden. Der BF1 habe gedacht, was sei das für eine Religion, wenn er grundlos ins Gefängnis komme. Seit er aus dem Gefängnis raus sei, hasse er die Religion "Islam". Der BF1 habe auch öfter Kontakt zu seinen Schwestern gehabt, die gesehen hätten, dass es ihm nicht gut gehe. Sie hätten ihn getröstet und ihm die christliche Religion vorgestellt. Deswegen sei er auch geschieden, zumal seine Ex-Ehegattin sehr religiös (islamisch) gewesen sei. Sie habe den BF1 bei der Polizei angezeigt, weil er vorgehabt habe, die Religion zu wechseln. Im Iran verliere man den Wert, wenn man konvertiere.

Für den BF2 wurden keine eigenen Fluchtgründe dargelegt.

Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF1 am 24.11.2016 im Wesentlichen Folgendes vor:

Der BF1 führte zusammengefasst aus, dass er seit ca. zweieinhalb Jahren Interesse am Christentum habe. Er habe im Iran einen XXXX betrieben und über einen Kunden das Christentum kennengelernt. Dieser Kunde habe ein Kreuz getragen und sei auffallend positiv gewesen. Irgendwann habe ihn der BF1 gefragt, ob er Christ sei. Mit der Zeit habe der BF1 immer mehr gefragt und sei sein Interesse über das Christentum größer geworden. Der BF1 habe erfahren, dass einige Bürger der Stadt zum Christentum gewechselt seien und hätten diese gemerkt, dass sich der BF1 wirklich dafür interessiere, weshalb er zu wöchentlichen Hauskirchenzusammenkünften eingeladen worden sei und diese drei Monate lang auch besucht habe. Der eigentliche Glaubenswechsel habe dann in Österreich stattgefunden, wo er über eine XXXX zu einer XXXX Kirche gekommen sei. Seit neun oder zehn Wochen gehe er in Österreich einmal in der Woche in die Kirche und besuche auch einen Taufvorbereitungskurs.

Als Grund für seine Ausreise gab der BF1 im Wesentlichen an, dass er drei Monate eine Hauskirche besucht habe. Als er eines Tages wieder dort anläutete, hätten ihm Zivilbeamte der Basiji die Tür aufgemacht, weshalb er große Angst bekommen habe. Sie hätten ihn gefragt, ob er etwas Bestimmtes suche oder zu einer Hauskirche wolle. Der BF1 habe gesagt, dass er sich in der Adresse geirrt habe. Danach sei der BF1 wieder zur Arbeit gegangen und habe gemerkt, dass er verfolgt worden sei. Ein paar Tage danach habe ein islamischer Geistlicher erstmals Spieße beim BF1 gekauft. Als dieser ein paar Schritte weitergegangen sei, seien ein paar Männer auf einem Motorrad an diesem vorbeigefahren und hätten dessen Turban geschnappt. Plötzlich seien Basiji gekommen und hätten alles abgeriegelt. Menschen seien verhört und auch viele mitgenommen worden. Auch der BF1 sei mitgenommen worden. Es seien ihm die Augen verbunden worden und sei er an einen unbekannten Ort gebracht worden, wo er ein Jahr lang festgehalten, geschlagen und gefoltert worden sei. Es sei ihm immer wieder vorgehalten worden, dass er ein Ungläubiger sei und sich dem Christentum zugewandt habe. Der BF1 habe dies immer geleugnet, bis er eines Tages mit zugebundenen Augen von dort weggebracht worden sei. Er sei irgendwo außerhalb der Stadt freigelassen und ihm gedroht worden, dass er hingerichtet werde, sollte er sich wieder mit dem Christentum befassen bzw. einen Fehler begehen. Der BF1 habe es irgendwie nach Hause geschafft und von seinem Vater erfahren, dass seine Ehegattin und deren Familie sowie die Familie des BF1 von seinen Problemen betroffen waren, zumal es zu Hausdurchsuchungen und Verhören gekommen sei. Der Vater des BF1 habe die Ehegattin des BF1 bereits gebeten die Scheidung einzureichen, damit diese in Ruhe gelassen werde. Der BF1 sei nach XXXX gegangen, wo er sich fünf Monate aufgehalten habe und mit seiner Ehegattin einen Plan ausgeheckt habe, wonach die Ehegattin des BF1 zu den Basiji gehen und erklären solle, das der BF1 vom Islam abgefallen sei, um zum Christentum zu konvertieren. Sie solle sagen, dass könne sie als gläubige Muslimin nicht akzeptieren und wäre ihr in der Abwesenheit des BF1 sofort die Scheidung zugesprochen worden. Weiter hätten sie vereinbart, dass der Sohn des BF1 in die Obhut des Vaters des BF1 komme. Die Ehegattin des BF1 hätte sich auf diese Art scheiden lassen und dem BF1 sei so die Obsorge des gemeinsamen Kindes übertragen worden. Während dieser Zeit sei der BF1 mit seiner in Österreich aufhältigen Schwester in Kontakt gewesen und habe ihm diese geraten, den Iran zu verlassen.

Im Falle einer Rückkehr in den Iran befürchte der BF1 festgenommen und hingerichtet zu werden. Die Behörden hätten mittlerweile erfahren, dass er illegal ausgereist und zum Christentum konvertiert sei.

Letztlich erklärte der BF1 noch, dass der BF2 keine eigenen Fluchtgründe habe.

I.2. Die Anträge der BF1-2 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF 1-2 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF1-2 als unglaubwürdig. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass die BF1 aufgrund mehrerer Widersprüche und Unplausibilitäten die Ausreisegründe nicht glaubwürdig darlegen hätten können und, dass ihre Hinwendung zum christlichen Glauben nicht auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel, sondern auf Opportunitätserwägungen beruhe.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

I.2.4. Die Zustellung der Bescheide erfolgte am 04.01.2017.

I.3. Gegen diese Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz wegen inhaltlicher Fehler, Verfahrensmängel und falscher rechtlicher Beurteilung innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

I.3.1. In der Beschwerde wurde eingangs im Wesentlichen das Vorbringen des BF1 vor dem BFA wiederholt und im Weiteren darauf verwiesen, dass seitens des BFA nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht entsprochen worden sei. Der BF1 habe seine Konversion zum Christentum glaubhaft vorgebracht. Aufgrund von mangelnden Sprachkenntnissen, habe der BF1 aber bestimmte Fragen nicht beantworten können bzw. sei das Verständnis bestimmter Sachverhalte durch die sprachliche Diskrepanz erschwert gewesen. Der BF1 habe aber ausdrücklich angegeben, regelmäßig den Bibelkurs sowie die Messe besucht zu haben, um am Ende getauft zu werden. Der BF1 habe jedenfalls das erforderliche zur Wahrheitsfindung beigetragen und werde ersucht, den Fall noch einmal eingehend zu prüfen.

I.4. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am XXXX erklärte der BF1, dass er an Depressionen leide und Medikamente einnehme. Er vergesse oft viele Sachen. Die mündliche Verhandlung wurde zur Einholung eines neurologischen psychiatrischen Gutachtens vertagt.

I.5. Für den XXXX lud das erkennende Gericht den BF1 erneut zu einer mündlichen Verhandlung. Dem BF1 wurden mit der Ladung vom 15.02.2019 die Länderberichte zur Lage im Iran (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Iran, 03.07.2018 samt eingefügter Kurzinformationen, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 26.01.2011 zum Thema Anpassungsstörung) sowie das mittlerweile eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

1.6. Mit Schriftsatz vom 13.03.2019 erstattete der Vertreter der BF1 und BF2 eine Beschwerdeergänzung sowie eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme. Eingangs wurden Probleme mit dem Dolmetscher in der Erstbefragung dargelegt sowie auf nicht nachvollziehbare Ausführungen im bekämpften Bescheid zu einem "armenischen Freund", welcher offenkundig Christ sei, zumal "doch Armenier bekanntermaßen Christen" seien, verwiesen. Im Weiteren folgen Ausführungen zu religiösen Aktivitäten der BF1 und BF2 in Österreich und wurde erörtert, warum die vom BFA dargelegten Widersprüche haltlos seien. Den BF1-2 sei der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen und sei eine unzureichende Abwägung im Hinblick auf das Privat- und Familienleben der BF1-2 vorgenommen worden. Zum eingeholten neurologisch-medizinischen Gutachten wurde ausgeführt, dass eine adäquate medizinische Versorgung des BF1 im Iran fraglich sei und eine Abschiebung sohin gegen Art. 3 EMRK verstoße.

I.7. In der mündlichen Verhandlung am XXXX wurde der BF1 zunächst zu seinem Gesundheitszustand befragt und der BF1 um eine Stellungnahme zu dem ihm mit der Ladung übermittelten neurologisch-psychiatrischen Gutachten gebeten. Der BF1 schloss sich der Stellungnahme vom 13.03.2019 an, nachdem er diese mit seinem Vertreter erörtert hat. Der BF1 hatte zudem die Möglichkeit zur Integration, zur Konversion, seinen Ausreisegründen sowie der Rückkehrsituation Stellung zu nehmen. Zum BF2 führte der BF1 aus, dass dieser in Österreich glücklich sei, perfekt Deutsch spreche, ein guter Schüler sei und viel Freunde habe. Er gehe in die XXXX Volksschule und habe gute Noten.

Weiters wurde Prof. Mag. XXXX , Mitglied der Leitung der Kirchengemeinde XXXX , als Zeuge befragt, welcher Aussagen zum ersten Treffen mit dem BF1, zum Kontakt sowie zum Ablauf eines Online Glaubensgrundkurs in Form von Videos tätigte.

I.8. Mit Schriftsatz vom 19.03.2019 erstattete der Vertreter der BF1 und BF2 eine Stellungnahme zu den in der mündlichen Verhandlung ausgehändigten Länderfeststellungen sowie zur Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 26.01.2011. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass den Länderfeststellungen nichts hinzuzufügen sei, die Feststellungen zu Behandlungsmöglichkeiten psychischer Erkrankungen aber möglicherweise nicht mehr aktuell sei. Zudem sei der Zugriff auf eine zitierte Internetseite eingeschränkt gewesen und könne nicht überprüft werden, ob einkommensschwachen Staatsbürgern der Zugang zu entsprechenden Therapieeinrichtungen im Iran tatsächlich offenstehe.

I.9. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Die Beschwerdeführer

Bei den BF1 und BF 2 handelt es sich um iranische Staatsbürger und Angehörige der Volksgruppe der Araber, welche die Sprache Farsi sprechen.

BF1:

Der BF1 besuchte im Iran acht Jahr lang die Schule, wobei er die XXXX Klasse sowie die XXXX Klasse wiederholte. Nach der Schule absolvierte der BF1 keine Ausbildung arbeitete bei einem XXXX mit, welchen er ca. XXXX Jahre vor der Ausreise selbst übernahm. Von ca. XXXX bis XXXX war der BF1 als XXXX tätig.

Am XXXX hat der BF1 geheiratet und entstammt dieser Ehe ein gemeinsamer Sohn (BF2). Die Ehe wurde am XXXX geschieden und die Obsorge für den BF2 auf den BF1 übertragen.

Im Iran leben nach wie vor der Vater, drei Brüder sowie die Ex-Ehegattin des BF1. Die Mutter sowie eine Schwester des BF1 sind bereits verstorben.

Im November 2015 reiste der BF1 mit dem BF2 aus dem Iran aus und illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Seither halten sich die BF1 und 2 durchgehend im Bundesgebiet auf.

In Österreich leben eine Schwester (samt Familie) sowie ein Cousin des BF1. Von XXXX bis XXXX bestand ein gemeinsamer Wohnsitz mit der Schwester des BF1 bzw. Tante des BF2. Mit dem Cousin des BF1 wohnten die BF1-2 nie an einem gemeinsamen Wohnsitz. Zu der Schwester des BF1 bzw. Tante des BF2 besteht regelmäßiger Kontakt. Mit dem Cousin des BF1 haben weder der BF1, noch der BF2 regelmäßig Kontakt.

Der BF1 leidet an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion und wird medikamentös behandelt (Antidepressiva). Er ist in der Lage, widerspruchsfreie und schlüssige Angaben zu geben.

Ansonsten ist der BF1 gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach, bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber und verfügt in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel.

Ab XXXX besuchte der BF1 Gottesdienste der XXXX und nahm wöchentlich an Bibelabenden (Lesen des Johannes-Evangeliums) teil.

Von XXXX bis XXXX nahm der BF1 an einem 18-teiligen Online-Glaubensgrundkurs in Farsi teil. Am XXXX besuchte der BF1 ein Tagessseminar mit XXXX , (Studium des 1. Petrusbriefes).

Zur Vorbereitung auf die Taufe, nahm der BF1 XXXX an einem zweisprachigen Online Glaubens- und Taufkurs teil. Am XXXX wurde der BF1 in XXXX getauft.

Der B1 besuchte nach der Taufe regelmäßig die Sonntagsgottesdienste und beteiligte sich am kirchlichen Gemeindeleben. Er nahm an einer Bibelgruppe teil, wo das neutestamentliche Buch der Apostelgeschichte durchgenommen wurde.

Von XXXX bis XXXX hat der BF1 beim XXXX als Helfer in der Küche teilgenommen. In der Flüchtlingsunterkunft half der BF1 bei Reinigungsarbeiten mit und war im Jahr 2017 in der Stadtgemeinde XXXX gemeinnützig tätig (Flurreinigungsaktion). In der Flüchtlingsunterkunft half der BF1 auch Mitarbeitern der XXXX bei der Kommunikation (Übersetzung) mit anderen Bewohnern.

Am XXXX hat der BF1 an einem Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationskurs teilgenommen. Am XXXX hat der BF1 an einer Informationsveranstaltung es Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen.

Am XXXX übersiedelte der BF1 mit seinem Sohn (BF2) zu seiner Schwester nach XXXX und wurde am XXXX in der XXXX , eine XXXX in XXXX , aufgenommen.

Seit XXXX besucht der BF1 regelmäßig (ca. dreimal im Monat) den Sonntagsgottesdienst und vierzehntägig einen Lobpreisabend der XXXX XXXX . Der BF1 ist Teil des ehrenamtlichen Technikerteams der XXXX und ist im Rahmen dessen für die Vorbereitung sowie für den Ablauf der Gottesdienste betraut (Beamer, Powerpoint, abmischen, Mikrofone einstellen usw.). Darüber hinaus hat der BF1 an diversen Aktivitäten der XXXX (zB einzelne Glaubenskurse, einstündige Anbetung in einer Kapelle, Teilnahme an einer Tauffeier von Flüchtlingen, zweimalige Mithilfe beim Verkaufsstand von iranischen Produkten) teilgenommen.

Vom XXXX bis zum XXXX half der BF1 ehrenamtlich beim Müllaufsammeln neben stark frequentierten Straßen in XXXX .

Von XXXX bis XXXX hat der BF1 bei Instandhaltungsarbeiten im Freibadareal XXXX mitgeholfen.

Im Jahr 2019 verrichtet der BF1 auch Hilfsarbeiten für XXXX und für die Gemeindegutsagrargemeinschaft XXXX .

Der BF1 hat Deutschqualifizierungsmaßnahmen besucht und am XXXX die Integrationsprüfung A1 absolviert.

BF2:

Der BF2 wurde im Iran geboren und reiste im Alter von XXXX Jahren gemeinsam mit dem BF1 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Seither lebt er ununterbrochen in Österreich. Der BF2 besuchte ab dem Schuljahr XXXX in Österreich die Volksschule und spricht auf einem guten Niveau die Deutsche Sprache.

Der BF2 besucht regelmäßig die Sonntagsschule und den Kindergottesdienst. In der Volksschule in XXXX hat der BF2 von XXXX bis XXXX den römisch-katholischen Religionsunterricht besucht. Getauft ist der BF2 nicht.

Die BF 2 ist gesund und pflegt soziale Kontakte zu Personen aus der Pfarre.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 6.2018a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 9.2017). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel "Revolutionsführer" (GIZ 3.2018a).

Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: 19.05.2017). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami/ Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar und April 2016 statt. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer [auch Oberster Rechtsgelehrter oder Revolutionsführer], seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 9.2017). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 2.3.2018).

Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein europäisches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. AA 6.2018a, FH 1.2018, BTI 2018).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln. Zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2018a).

Parteien nach westlichem Verständnis gibt es nicht, auch wenn zahlreiche Gruppierungen nach dem iranischen Verfahren als "Partei" registriert sind. Bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen werden keine Parteien, sondern Personen gewählt (AA 6.2018a, vgl. GIZ 3.2018a). Zahlreiche reformorientierte Gruppierungen wurden seit den Präsidentschaftswahlen 2009 verboten oder anderweitigen Repressionen ausgesetzt. Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA 6.2018a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 1.2018, vgl. AA 2.3.2018).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft: Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte in Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher noch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt war die Publikation der Bürgerrechtscharta im Dezember 2016. Die rechtlich nicht bindende Charta beschreibt in 120 Artikeln die Freiheiten, die ein iranischer Bürger haben sollte (ÖB Teheran 9.2017).

Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, dass sich die USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran zurückziehen werde, stieß international auf Kritik. Zudem will Trump die in der Folge des Wiener Abkommens von Juli 2015 ausgesetzten Finanz- und Handelssanktionen wiedereinsetzen (Kurier 9.5.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.2018a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 20.6.2018

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426304.html, Zugriff 21.3.2018

- Kurier (9.5.2018): Trump kündigt Iran-Abkommen: So reagiert die Weltgemeinschaft, https://kurier.at/politik/ausland/trump-kuendigt-iran-abkommen-so-reagiert-die-weltgemeinschaft/400033003, Zugriff 25.6.2018

- GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 25.4.2018

- ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b, vgl. BMeiA 20.6.2018).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am 6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben (AA 20.6.2018b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (20.6.2018b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 20.6.2018

- BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 20.6.2018

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.6.2018): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 20.6.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 9.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 2.3.2018).

Obwohl das Beschwerderecht garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 20.4.2018). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die unter Anwendung von Folter gemacht wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 18.1.2018). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 18.1.2018).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 15.8.2017).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

- Spionage für fremde Mächte;

- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor auf der Tagesordnung (ÖB Teheran 9.2017). Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:

* "Hudud" (Verstoß gegen das Recht Gottes) enthält Straftatbestände, die im Koran und in der Sunna genauer beschrieben sind, wie z.B. Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten inkl. Homosexualität und Unzucht, sowie Verbrechen gegen Gott. Zu all diesen Tatbeständen enthält das Gesetz detaillierte Beweisregelungen, nach denen der Täter jeweils nur bei Geständnis oder ihn belastenden Aussagen mehrerer Zeugen verurteilt werden soll.

* "Qesas"(Vergeltung) ist gekennzeichnet durch das Prinzip der körperlichen Vergeltung für die Tatbestände Mord und Körperverletzung mit Folge des Verlustes von Gliedmaßen. Hierbei können Geschädigte oder deren Familie selbst bestimmen, ob sie auf Vergeltung bestehen oder sich mit einer Schadensersatzzahlung zufrieden geben ("Diyeh" oder "Dyat", sog. Blutgeld; Minimalsatz rund 31.500 ?). Für die in Art. 13 der Verfassung genannten religiösen Minderheiten ist Blutgeld in gleicher Höhe zu zahlen wie für die Tötung von Muslimen (AA 9.12.2015).

Die "Taazirat"-Vorschriften (vom Richter verhängte Strafen), Strafnormen, die nicht auf religiösen Quellen beruhen, bezwecken in erster Linie den Schutz des Staates und seiner Institutionen. Während für Hudud- und Qesas-Straftaten das Strafmaß vorgeschrieben ist, hat der Richter bei Taazirat-Vorschriften einen gewissen Ermessensspielraum (AA 9.12.2015).

Entgegen anfänglicher Erwartungen ist in der Strafrechtsnovelle die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 2.3.2018).

Im Frühling 2016 wurde ein Gesetz zu politischen Verbrechen erlassen, welches zwar eine Sonderbehandlung für politische Häftlinge einführt (eigene Gefängnisse, keine Gefängniskleidung), den Begriff "politisches Vergehen" aber sehr offen definiert, weshalb weiter willkürliche Verfolgung zu befürchten ist. Statistiken zur Zahl der politischen Gefangenen sind nicht verfügbar. Es wird aber von mehr als 1.000 politischen Gefangenen ausgegangen, wobei diese Zahl auch Menschen, die wegen ihrer religiösen Überzeugung festgehalten werden, beinhaltet (ÖB Teheran 9.2017).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 2.3.2018).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 2.3.2018).

Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, islamische Quellen und Fatwas zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt (DIS 6.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 21.3.2018

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018

- DIS - Danish Immigration Service (6.2014): Update on the Situation for Christian Converts in Iran. Report from the Danish Immigration Service's fact-finding mission to Istanbul and Ankara, Turkey and London, United Kingdom, https://www.ecoi.net/en/file/local/1038385/1226_1403600474_rapportiranffm10062014ii.pdf, Zugriff 21.3.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424270.html, Zugriff 21.3.2018

- ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

- US DOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices 2016 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430093.html, Zugriff 23.4.2018

- US DOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1406998.html, Zugriff 28.5.2018

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 20.4.2018). Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer. Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela'at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 2.3.2018).

Der Oberste Rechtsgelehrte hat höchste Autorität unter allen Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit bleibt weiterhin ein Problem innerhalb des Sicherheitsapparates. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der Fall des früheren Teheraner Staatsanwaltes dar, der im November 2017 für seine mutmaßliche Verantwortung für Folter und Todesfälle unter Demonstranten im Jahr 2009 zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (US DOS 20.4.2018).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und im Falle von Protesten oder Aufständen. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, sind aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2018).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis in Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügeln durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/enger Mantel oder das Hervortreten von Haarsträhnen unter dem Kopftuch, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt für eine Verhaftung reichen (ÖB Teheran 9.2017).

Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 1.2018). Die Elitetruppe der Islamischen Republik betreibt den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügt damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der 'Sepah Pasdaran' Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die gesammelten Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018).

Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Es gelingt ihm nur kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor je nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).

Berichten zufolge, versucht die Regierung die wirtschaftliche Dominanz der Revolutionsgarden (IRGC), die zu Korruption führte, einzudämmen. Es sollen zumindest ein Dutzend Mitglieder der IRGC und den IRGC nahestehende Geschäftsleute inhaftiert worden sein, und andere sollen gezwungen worden sein, Einkünfte aus verdächtigen Geschäftsvereinbarungen zurückzuzahlen (FH 1.2018).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung ist zu sagen, dass nicht bekannt ist, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist, jeden zu überwachen. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018

- DW - Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802, Zugriff 22.3.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426304.html, Zugriff 22.3.2018

- DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 24.4.2018

- Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/, Zugriff 22.3.2018

- ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

- Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-so-viel-macht-haben/19907934.html, Zugriff 22.3.2018

- US DOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices 2016 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430093.html, Zugriff 23.4.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nichtregistrierten Gefängnissen, aber auch aus "offiziellen" Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet, insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 2.3.2018).

Die Justizbehörden verhängten und vollstreckten auch 2017 weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkamen. In einigen Fällen wurden die Strafen öffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen, unter ihnen auch Minderjährige, erhielten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben. Sie wurden wegen Diebstahls oder tätlichen Angriffen verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. außereheliche Beziehungen, Anwesenheit bei Feiern, an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen, Essen in der Öffentlichkeit während des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verhängten in zahlreichen Fällen Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Die Behörden vollstreckten auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auspeitschungen werden zum Teil auch öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt - auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines "Abstandsgeldes" verzichten (ÖB Teheran 9.2017).

Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 9.2017, vgl. HRC 5.3.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 24.4.2018

- HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (5.3.2018): Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/37/68], https://www.ecoi.net/en/file/local/1426273/1930_1520515641_a-hrc-37-68.doc, Zugriff 25.4.2018

- ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

Korruption

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz willkürlich, und so bleibt Korruption ein ernstes und allgegenwärtiges Problem in allen Bereichen des Beamtenapparates. Die meisten Beamten betätigten sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte "bonyads", leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahe stehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen. Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten, Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister-, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (US DOS 20.4.2018, vgl. FH 1.2018). Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption; nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit (AA 2.3.2018).

Transparency International führt Iran in seinem Korruptionsindex von 2017 auf Platz 130 (2016: 131) von 180 untersuchten Ländern (

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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