TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/4 L521 2187048-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2019
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Entscheidungsdatum

04.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L521 2187048-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 02.09.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.01.2018, Zl. 1068769309-150518975, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 02.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 18.05.2015 nach seiner Betretung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der österreichisch-ungarischen Staatsgrenze einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am Tag der Antragstellung legte der Beschwerdeführer dar, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in Bagdad geboren und habe dort zuletzt auch im Bezirk XXXX gelebt, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, bekenne sich zum Islam und sei ledig.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak am 21.07.2014 illegal von Bagdad ausgehend auf dem Landweg in die Türkei verlassen zu haben. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in XXXX sei er schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland gelangt und dort nach erkennungsdienstlicher Behandlung des Landes verwiesen worden. In der Folge sei er auf das Festland gefahren und anschließend mit verschiedenen Verkehrsmitteln und teilweise schlepperunterstützt nach Österreich verbracht worden.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er den Irak aufgrund des dort herrschenden Krieges und des schwierigen Lebens verlassen habe. Er habe einen Brief mit einer Morddrohung erhalten. Unbekannte Personen hätten mit der Polizei gekämpft, wo sich sein Supermarkt befunden habe, wahrscheinlich habe eine dieser Personen den Brief geschrieben. Es gebe noch weitere Gründe, er könne nicht alle aufzählen.

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 01.12.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs bestätigte der Beschwerdeführer, die arabische Sprache zu verstehen und der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können. Zur Person befragt legte der Beschwerdeführer insbesondere dar, er bekenne sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung und sei am XXXX geboren. Aus seinem Personalausweis, den er ebenso wie die weiteren Beweismittel nur in Kopie vorliegen könne, gehe aber der XXXX als Geburtsdatum hervor.

Im Irak habe er die Grundschule im Ausmaß von sechs besucht und anschließend in einem Informationsbüro und als Security in Nachtklubs gearbeitet. Nebenbei habe er einen Supermarkt betrieben. Im Irak habe er gemeinsam mit seiner Mutter und den Geschwistern im Bezirk XXXX in einem Haus gelebt, nunmehr sei seine Mutter mit den Geschwistern zu seinem Großvater in den Bezirk XXXX gezogen und er habe nur sehr wenig Kontakt mit seinen Angehörigen.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates führte der Beschwerdeführer aus, er habe am 14.07.2014 als Security im Stadtteil XXXX gearbeitet und habe "jede Person" kontrollieren müssen. Bei einem Mann habe er Waffen aufgefunden und deren Herausgabe verlangt. Der Mann habe abgelehnt, ihn beleidigt und versucht, ihn mit dem Knauf seiner Waffe niederzuschlagen. Er habe ihm die Waffe abgenommen und es sei in der Folge zu einer Schlägerei gekommen. Nachdem der Besitzer des Nachtklubs dazugekommen sei, habe ihn der Widersacher mit den Worten bedroht, dass er nun ein Problem mit Asa'ib Ahl al-Haqq habe und er den Beschwerdeführer "umbringen und .. begraben" werde. In der nächsten Nacht habe ihm sein Bruder Ahmed einen Drohbrief präsentiert, der an ihn adressiert gewesen sei. Am nächsten Morgen wären zeitig in der Früh sechs Personen angerückt, die er durchs Fenster erkannt habe. Während seiner Flucht über die Dächer habe er Schüsse gehört. Im Nachhinein habe ihm seine Mutter erzählt, dass sein Bruder Ahmed erschossen worden sei. Daraufhin habe er den Irak verlassen.

Auf Nachfrage legte der Beschwerdeführer dar, die Angreifer hätten auch seinen Supermarkt in Brand gesetzt. Anderweitige Schwierigkeiten habe er im Irak nicht gehabt. Originale Dokumente könne er nicht vorlegen, da er seine Familie keinem neuen Risiko aussetzen wolle. Die Angreifer hätten der Familie auch das Haus und zwei Geschäfte seines Bruders abgenommen.

3. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.01.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 (Spruchpunkt IV.) erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers werde im Hinblick auf den Ausreisegrund als nicht glaubhaft erachtet. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Erstbefragung nicht erwähnt, dass sein Bruder Ahmed verstorben sei, sehr wohl aber das Ableben seines Vaters erwähnt. Der auf dem Drohbrief angeführte Name weiche außerdem vom Namen des Beschwerdeführers ab, die vorgelegte Sterbeurkunde enthalte ebenfalls abweichende Schreibweisen im Hinblick auf die Namen. Darüber hinaus spreche der weitere Aufenthalt von Verwandten des Beschwerdeführers im Irak gegen eine aktuelle Bedrohung des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer verfüge in Bagdad nach wie vor über nahe Verwandte, sodass ihm eine Rückkehr möglich und zumutbar wäre.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 22.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Gegen den dem Beschwerdeführer am 25.01.2018 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der dem Beschwerdeführer beigegebenen und von ihm bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise die Rückkehrentscheidung aufzuheben. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer nach neuerlicher Darlegung des aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhaltes vor, in seinem Herkunftsstaat einer massiven Bedrohung seitens der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq ausgesetzt zu sein. Ausweisliche der Berichte zur Lage im Herkunftsstaat sei der Irak ein Staat ohne Gewaltmonopol und würden schiitische Milizen eigenmächtig und außerhalb jeder Kontrolle agieren.

Das belangte Bundesamt stützte die angefochtene Entscheidung auf unzureichende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat im Hinblick auf die Aktivitäten schiitischer Milizen und zur Sicherheitslage, wobei in der Beschwerde in der Folge Berichte zur Lage im Herkunftsstaat auszugsweise zitiert werden. Im Hinblick auf die Beweiswürdigung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Verwertung von Angaben bei der Erstbefragung nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte nicht zulässig sei, da sich die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe beziehen würde.

6. Die Beschwerdevorlage langte am 23.02.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

7. Zur Vorbereitung der für den 02.09.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.08.2019 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist schriftlich Stellung zu nehmen.

8. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.08.2019 wurde der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung aufgefordert, anlässlich der mündlichen Verhandlung (zumindest) ein irakisches Identitätsdokument im Original vorzulegen

9. Am 22.08.2019 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung auf elektronischem Weg eine Videodatei und brachte dazu vor, dass die Aufnahme sein ausgebranntes Geschäft zeigen würden.

10. Am 02.09.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der dem Beschwerdeführer im Vorfeld übermittelnden Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Darüber hinaus wurde die vom Beschwerdeführer auf elektronischem Weg in Vorlage gebrachte Videoaufnahme in Augenschein genommen.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet und seitens des Beschwerdeführers mit Eingabe vom 06.09.2019 die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Bagdad geboren und lebte dort bis zur Ausreise in einem Haus seines Vaters im Bezirk XXXX . Der Beschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer ist - von nicht näher konkretisierten psychischen Beschwerden abgesehen - gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.

Der Beschwerdeführer besuchte in Bagdad die Grundschule im Ausmaß von sechs Jahren und trat anschließend zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt in das Berufsleben ein. Zunächst arbeitete er im Informationsbüro eines Bauunternehmens. Vom Jahr 2007 an betrieb der Beschwerdeführer einen Supermarkt. Zuletzt war der Beschwerdeführer eigenen, vom Bundesverwaltungsgericht nicht überprüften Angaben zufolge neben seiner Tätigkeit in seinem Supermarkt abends als Security und Türsteher für Nachtlokale in Bagdad.

Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Seine Mutter und seine neun Brüder leben im Haus des verstorbenen Großvaters des Beschwerdeführers in Bagdad im Bezirk XXXX . Die Brüder des Beschwerdeführers sind als Geschäftsleute selbständig erwerbstätig. Nicht festgestellt werden kann, dass sein Bruder Ahmed von Kämpfern schiitischer Milizen vor der Ausreise des Beschwerdeführers erschossen wurde. Die vier Schwestern des Beschwerdeführers sind bereits verheiratet und leben in Bagdad bei ihren Ehemännern.

Der Beschwerdeführer hat eigenen Angaben zufolge den Kontakt mit seinen Angehörigen abgebrochen, da er befürchtet, von seinen Verfolgern auf diesem Weg aufgespürt zu werden.

Am 21.07.2014 verließ der Beschwerdeführer den Irak mit seinem Personenkraftwagen auf dem Landweg in die Türkei und gelangte in der Folge schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo er am 18.05.2015 nach seiner Betretung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit und seines sunnitischen Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Der Beschwerdeführer hatte außerdem vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 14.07.2014 von einem Mitglied der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq angegriffen oder bedroht wurde. Außerdem kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Folge einen Drohbrief der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq erhielt und auf ihn ein versuchter Mordanschlag unternommen wurde, bei dem sein Bruder Ahmed ums Leben kam.

Es kann abseits davon nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat dort einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seines Bekenntnisses zum sunnitischen Islam ausgesetzt.

1.3. Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

1.4. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit im Herkunftsstaat erworbener grundlegender Schulbildung und Berufserfahrung in der Bauwirtschaft und als selbständiger Unternehmer. Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat, eine Wohnmöglichkeit im Elternhaus oder im Haus seines Großvaters in Bagdad sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsregion in Gestalt seiner dort lebenden Mutter und seinen neun Brüdern und vier Schwestern. Dem Beschwerdeführer ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.

1.5. Der Beschwerdeführer verfügt über kein irakisches Ausweisdokument im Original. Seine Angaben zur Identität können nicht aufgrund unbedenklicher, im Original vorhandener Ausweisdokumente verifiziert werden.

1.6. Der Beschwerdeführer hält sich seit dem 18.05.2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, ist seither durchgehend im Bundesgebiet als Asylwerber aufhältig und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und war in Unterkünften für Asylwerber in den Bezirken XXXX in Tirol untergebracht. Seit dem 26.03.2019 lebt der Beschwerdeführer in einer Unterkunft für Asylwerber in der Gemeinde XXXX .

Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet bislang nicht legal erwerbstätig. Er hat auch gegenwärtig keine bestimmte Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt in Aussicht, geht jedoch davon aus, im Reinigungsunternehmen einer ihm bekannten rumänischen Staatsangehörigen arbeiten zu können. Der Beschwerdeführer verrichtete im Jahr 2017 unterstützende Tätigkeiten in seiner Unterkunft und gemeinnützigen Tätigkeiten an seinem Unterbringungsort im Jahr 2017 im Ausmaß von drei Arbeitstagen für die Gemeinde XXXX , in einem nicht feststellbaren Ausmaß im Jahr 2017 für die Gemeinde XXXX und im Ausmaß von 13 Stunden für die Agrargemeinschaft XXXX (wofür ihm eine Entlohnung von EUR 39,00 ausbezahlt wurde). Er absolvierte ferner am 29.03.2017 einen Werte- und Orientierungskurs und am 14.11.2016 eine Kompetenzanalyse.

Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse auf dem Niveau A1 im Umfang von 20 (von 40 möglichen) Einheiten im Jahr 2017. Prüfungen über Kenntnisse der deutschen Sprache legte er nicht ab. Der Beschwerdeführer verfügt dessen ungeachtet über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache, die für eine Konversation auf einfachem Niveau ausreichen.

Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und hat in Österreich keine Verwandten. Er pflegt normale soziale Kontakte zu seinem Freundeskreis und ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. Ein Unterstützer attestierte dem Beschwerdeführer im Jahr 2017 eine gewissenhafte Verrichtung der ihm übertragenen Tätigkeiten, den Willen zur Integration und Bemühen beim Erlernen der deutschen Sprache. Ein vereinsmäßiges Engagement des Beschwerdeführers ist nicht feststellbar.

1.7. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.8. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Bagdad werden folgende Feststellungen getroffen:

Das Gouvernement Bagdad ist das mit ca. 4.555 km² flächenmäßig kleinste Gouvernement des Landes und beherbergt die gleichnamige irakische Hauptstadt Bagdad. In Bagdad lebten 2018 offiziell schätzungsweise 8,1 Millionen Menschen. Obwohl Bagdad das kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Einwohnerzahl von allen Gouvernements. 87% der Bevölkerung des Gouvernements leben in der Stadt Bagdad selbst. Die Hauptstadt ist das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes und beherbergt die stark geschützte grüne Zone.

Die Stadt Bagdad ist in neun Verwaltungsbezirke gegliedert: Adhamiyah, Karkh, Karada, Khadimiyah, Mansour, Sadr City, Al Rashid, Rasafa und 9 Nissan ('new Baghdad'). Die restliche Fläche des Gouvernements beherbergt die Verwaltungsbezirke Al Madain, Taji, Tarmiyah, Mahmudiyah und Abu Ghraib, die den sogenannten "Bagdad Belt" bilden und die Vororte beherbergen.

Gouvernement und Stadt Bagdad weisen eine gemischte Bevölkerung aus Schiiten und Sunniten mit einer geringeren Anzahl christlicher Gemeinschaften auf. Während die meisten Stadtteile in Bagdad in der Vergangenheit von einer Mischung aus Sunniten und Schiiten bewohnt waren, führte die gewaltsame Säuberung im Zuge der konfessionellen Konflikte insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 dazu, dass die Stadt viel stärker religiös geteilt und von den Schiiten dominiert zu sein scheint (siehe dazu im Detail unten 1.10 "Lage von sunnitischen Arabern in Bagdad").

Die Einheiten der irakischen Armee in Bagdad unterstehen Führung des Baghdad Operations Command (BOC), das in zwei Gebiete unterteilt ist, das Karkh Area Command und das Rusafa Area Command. Die Special Forces Division (SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der grünen Zone und den Schutz des Premierministers verantwortlich und kann vom Verteidigungsministerium, dem BOC, dem Joint Operations Command (JOC) sowie dem Premierminister selbst eingesetzt werden. Die SDF wird auch für Sicherungsaufgaben in Bagdad herangezogen, insbesondere während der schiitischen Pilgerreisen.

Dem Karkh Area Command untersteht die 6. irakische Armeedivision mit verschiedenen Brigaden, die in und außerhalb der Stadt stationiert sind. Die dem Rusafa Area Command unterstehende 9. Irakische Armeedivision ist derzeit nicht in Bagdad stationiert. Die Bundespolizei des irakischen Innenministeriums ist in Bagdad durch drei Bundespolizeidivisionen vertreten. Die 1. Federal Police Division sichert die südwestliche, westliche und südöstliche Kanalzone von Bagdad. Die 2. Federal Police Division, die einzige mechanisierte Division der Bundespolizei in Bagdad, wird hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung in Bagdad und den Bagdad-Belts, zur Sicherung von Pilgerwegen und zu Aufgaben in Zusammenhang mit der Strafverfolgung herangezogen. Die 4. Federal Police Division deckte das südliche Bagdad und Gebiete südlich der Hauptstadt ab und betreibt das Gefängnis in Karkh. Ergänzend steht westlich von Bagdad die 3. Brigade der Emergency Response Division (ERD) zur Verfügung. Die Stadt Bagdad und die Vororte werden grundsätzlich von den irakischen Behörden kontrolliert. In der Praxis teilen sich die Behörden jedoch die Verteidigungs- und Strafverfolgungsaufgaben mit den schiitisch dominierten Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), was zu einer "unvollständigen" oder überlappenden Kontrolle mit diesen Milizen führt. Für die Jahre 2014 und 2015 liegen Berichte vor, wonach Einheiten der PMF an Misshandlungen und Morden an Zivilisten und Sunniten im Zusammenhang mit Operationen gegen den Islamischen Staat in den Bagdad-Belts beteiligt waren.

Seit dem Eintritt der militärischen Niederlage des Islamischen Staates im Dezember 2017 gibt es in Bagdad und anderen Landesteilen weniger Angriffe des Islamischen Staates mit großer Breitenwirkung. Der Islamische Staat verfügt weiterhin über aktive Zellen im nördlichen und westlichen Bagdad-Belt, diese befinden sich jedoch erheblichen Verlusten im Jahr 2017 in einem inaktiven Zustand. Seit dem Jahr 2018 sind Bagdad und die Bagdad-Belts kein prioritäres Operationsgebiet des Islamischen Staates mehr und ist der Islamische Staat nicht mehr für den überwiegenden Teil der Gewalttätigkeiten in der irakischen Hauptstadt verantwortlich. Die Möglichkeit, Anschläge auch im Zentrum der irakischen Hauptstadt zu verüben, dürfte nach wie vor gegeben sein, allerdings befindet sich die verbliebenen Anhänger des Islamischen Staates in einer Phase der Neuaufstellung.

Wenn der Islamische Staat die Verantwortung für Angriffe übernimmt, werden die Opfer entweder als "Abtrünnige" oder "Rafida" (eine abfällige Bezeichnung für schiitische Muslime) oder als bewaffnete Akteure bezeichnet, obwohl die Opfer möglicherweise Zivilisten sind. Der Islamische Staat übertreibt das häufig die Verluste, die seine Anschläge nach sich ziehen.

Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten in Bagdad in den Jahren 2017 und 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist und wieder das Niveau vor dem Erstarkten des Islamischen Staates erreicht hat (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).

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Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Bagdad und Anzahl der Opfer nach der Datenbank Iraq Body Count, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst.

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Die Verwaltungsbezirke mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu zivilen Todesfällen führten, waren im Jahr 2018 Adhamiya mit 78 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 94 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von Resafa (einschließlich Thawra 1 & 2) mit 77 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 161 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von und Mada'In mit 63 sicherheitsrelevanten Vorfällen, bei denen 69 Zivilisten ums Leben kamen. Die höchste Rate an Todesfällen pro 100.000 Einwohner) wurden im Vorort Tarmia (35,80) verzeichnet, gefolgt von Mada'in (15,91) und Adhamiya (8,25). Die meisten von der Iraq Body Count im Jahr 2018 im Gouvernement Bagdad erfassten Vorfälle betrafen Schießereien (46,4%), gefolgt von Morden ("executions") (30,6%) und die Verwendung improvisierter Sprengsätze (20,7%).

Dem Experten Michael Knights zufolge ereigneten sich in Bagdad 2018 die wenigsten Terroranschläge von -Jihadisten seit dem Jahr 2003. Anschläge des Islamischen Staates sind in der Stadt selbst "mehr oder weniger verschwunden", in den Bagdad-Belts sind die Anschläge des islamischen Staates zurückgegangen. Derzeit verhält sich der Islamische Staate in Bagdad und den Bagdad-Belts unauffällig und hat 2018 nicht viele Operationen durchgeführt. Wenn Angriffe verübt werden, handelt es sich meistens um Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen. Der Islamische Staat ist wahrscheinlich nicht für den Großteil der Gewalt in Bagdad verantwortlich. Das Institute for the Study of War geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die derzeit registrierten Gewaltakte in Bagdad im Zusammenhang mit kriminellen und politischen Auseinandersetzungen (unter letztes fallen politische Einschüchterung, gezielte Attentate usw.) und nicht mit dem Islamischen Staat stehen. Auch der Experte Michael Knights geht davon aus, dass meisten Gewalttaten in Bagdad nicht dem Islamischen Staat zuzuschreiben sind. Quellen besagen, dass der Islamische Staat seine Aktivitäten derzeit nur im Bagdad-Belt und in den Randgebieten der angrenzenden Gouvernements entfaltet, anstatt in der Stadt selbst. Der Experte Joel Wing gab an, dass die gewalttätigsten Vorfälle mit improvisierten Sprengsätzen und Schießereien, die er aufzeichnete, Medienberichten zufolge im äußersten Norden und Süden von Bagdad und in geringerem Maße im Westen vorkommen. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass die intensiveren Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen im nördlichen und nordwestlichen Teil der Stadt Bagdad (Kadhimiyah, Adahamyah) und im Vorort Tarmia (nördlich von Bagdad) verübt werden. Nur einige Vorfälle ereigneten sich in Bagdad westlich des Tigris - Karadah und Neu-Bagdad / al-Nissan und östlich des Tigris (Rusafa, Karkh, Rasheed und Mansour) sowie in Doura, jedoch in geringerer Intensität.

Das Institute for the Study of War kommt in seiner Analyse zum Ergebnis, dass "überwiegende Mehrheit" der Gewaltakte in Bagdad im Jahr 2018 "politische Gewalt" darstellte, die im Allgemeinen politische Einschüchterungen, bewaffnete Scharmützel und gezielte Morde unter Schiiten vor dem Hintergrund des anhaltenden politischen Wettbewerbs und der Regierungsbildung nach den Wahlen im Mai 2018 umfasste. In ähnlicher Weise erklärt der Experte Michael Knights, dass der Haupttrend bei der Gewalt in Bagdad darin besteht, dass es sich fast ausschließlich um persönliche, gezielte oder kriminelle Gewalt handelt, die in erster Linie den Einsatz von Kleinwaffen, Erpressung, Einschüchterung, improvisierte Sprengsätze oder Granaten, Schießereien, Raubüberfälle und andere Erscheinungsformen organisierter Kriminalität umfasst. Diese Aktivitäten dienen dem Experten zufolge in erster Linie der Einschüchterung und Gewalt gegen Zivilisten, um Geld zu verdienen, Zivilisten zu vertreiben, die als Außenseiter angesehen werden, oder um politische Gegner oder Menschen mit einer anderen ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit zu vertreiben oder ist gegen Personen gerichtet, die aufgrund ihres Lebensstils oder ihrer vorherigen Beteiligung an Verbrechen oder bewaffneten Konflikten exponiert sind. Er erwähnte auch, dass die politischen Spaltungen unter den Schiiten derzeit einen Großteil der Gewalt in den schiitischen Gebieten von Bagdad und Basrah ausmachen.

Die Expertin Geraldine Chatelard hebt hervor, dass Milizen in Bagdad häufig von Sunniten und Minderheiten der Gewalt beschuldigt werden, Morddrohungen, Entführungen, gezielte Attentate oder die Übernahme von Gebäuden von rechtmäßigen Eigentümern verübt zu haben, dies unter Hinweis darauf, dass sogar Schiiten Opfer von Erpressung und Tötung geworden sind. Der Expterte Michael Knights weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Sunniten und Christen in erster Linie befürchten, von schiitischen Milizen in Bagdad erpresst oder entführt zu werden, jedoch Quellen davon berichteten, dass die Zuweisung der Verantwortung für bestimmte Angriffe zu bestimmten Täter in Bagdad schwierig ist und insbesondere Sprengstoff sowohl zu politischen als auch zu kriminellen Zwecken eingesetzt wird, um Ziele anzugreifen und einzuschüchtern. Den PMF-Milizen werden dabei "enge Verbindungen zu kriminellen Banden" zugeschrieben, die Unterscheidung zwischen beiden ist nicht immer klar.

Der Experte Michael Knights vertritt zur Sicherheitslage allgemein die Ansicht, dass in der Stadt Bagdad die Gebiete sicherer sind und weniger Raum für offene Gewalt wie z.B. improvisierte Sprengsätze oder Raubüberfälle bieten, in denen sich die irakischen Streitkräfte auf die Bewachung wichtiger Standorte konzentrieren - etwa die Verwaltungsbezirke Karkh, Doura und Mansour. Dort wo die irakischen Streitkräfte weniger dominant ist und bewaffnete Akteure wie kriminelle Banden und Milizen Revierkämpfe führen und um Einfluss konkrurrieren, ist die Sicherheitslage entsprechend angespannter, wie in Kadhimiyah, Jihad, Bayaa und Karadah. Er vertrat die Ansicht, dass die "schlimmsten Sicherheitsbereiche" in der Stadt Adhamiyah, New Bagdad und Sadr City seien.

Milizen sind auch in bewaffnete Zusammenstöße zwischen ihnen selbst und den regulären Sicherheitskräften verwickelt, die laut Michael Knights im Jahr 2018 im Zentrum der Hauptstadt und in östlich gelegenen Gebieten mehrmals stattfanden. Ein Vorfall zog mediale Aufmerksamkeit nach sich: Am 20. Juni 2018 stoppte die irakische Polizei ein Auto in der Innenstadt von Bagdad, das Angehörigen der von Iran unterstützten Miliz Kataib Hezbollah ("Hisbollah-Brigaden") gehörte. Ein Hisbollah-Konvoi mit fünf Fahrzeugen traf ein und begann auf die Polizei zu schießen, was zu einem Feuergefecht führte, bei dem zwei Offiziere und ein Milizionär verletzt wurden. Die Polizei umzingelte daraufhin das Hauptquartier der Kataib Hezbollah, bis der Schütze der Polizei übergeben wurde. Der Vorfall spiegelt den möglichen Machtkampf zwischen irakischen Sicherheitskräften (Armee, Bundespolizei, örtliche Polizei) und PMF-Milizen wider.

EASO hat die folgenden sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2018 exemplarisch identifiziert:

Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Bomben

Bagdad wurde in der Vergangenheit vom Islamischen Staat wegen der Bevölkerungskonzentration bevorzugt angegriffen, da die großen Menschenansammlungen die Möglichkeit geboten haben, mit einem Bombenanschlag eine große Anzahl von Opfern zu treffen. 2018 sind solche Anschläge jedoch zurückgegangen. Noch im Jahr 2017 verfolgte der Experte Michael Knights eine hohe Anzahl von Angriffen mit Hilfe von improvisierten Sprengsätzen auf Märkte und Geschäfte in Bagdad. Die Anzahl der Angriffe dieser Art ging jedoch im weiteren Verlauf des Jahres 2018 zurück. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass ein in Bagdad im Jahr 2018 festgestellter charakteristischer Angriff des Islamischen Staates darin bestand, Sprengsätze gegen kleine Personenbusse einzusetzen, die jeweils etwa zehn Personen befördern und die in ganz Bagdad zum Straßenbild gehören. Diese Busse wurden im Islamischen Staat im Jahr 2018 mehrmals mit improvisierten Sprengsätzen angegriffen, was zwar nur minimale Verluste, aber Einschüchterungen der Zivilbevölkerung zur Folge hatte.

Noch im Januar 2018 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter auf dem überfüllten Tayran-Markt in Bagdad und töteten dabei mindestens 38 Menschen und verletzten bis zu 90 Menschen. Der Angriff schockierte die Bevölkerung von Bagdad, da er nach einem signifikanten Rückgang solcher Angriffe in Bagdad. Er wurde vom Guardian als der schwerste Angriff auf Bagdad seit der Erklärung des Sieges über den Islamischen Staat beschrieben. Beispiele für andere explosive Angriffe im Jahr 2018 sind die folgenden:

- In Rashidiya explodierte im Januar 2018 eine Bombe, ein Milizionär der PFM wurde getötet und zwei weitere wurden verletzt wurden.

- Am 23. Januar 2018 wurde ein Soldat getötet und zwei weitere verletzt, als eine irakische Militärpatrouille in Tarmiya nördlich von Bagdad von einer Straßenbombe getroffen wurde.

- Am 16. Mai 2018 wurden 5 Menschen getötet und 10 verletzt, als ein Selbstmordattentäter ein schiitisches Begräbnis in Tarmiya angriff.

- Am 23. Mai 2018 verübte der Islamische Staat einen Selbstmordanschlag in der Shula-Region, bei dem Angaben des Islamischen Staates zufolge 33 Menschen getötet und verletzt wurden. Die irakischen Medien berichteten demgegeneüber, dass vier Menschen getötet und 15 verletzt wurden.

- Der Islamische Staat meldete im August 2018 5 Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen auf Kleinbusse in Bagdad in den Distrikten Amil, Shula, Turath und Baladiyat. 669 Zwei dieser Angriffe töteten und verletzten 12 schiitische Muslime.

- Im Juni 2018 wurden 17 Menschen bei einer Explosion eines Waffenlagers der Miliz von Muqtada al Sadr getötet und 80 verletzt. Berichten zufolge wurden die Waffen in einer Moschee aufbewahrt, die von Sadr-Anhängern benutzt wurde.

- Eine Explosion auf einem Markt in Sadr City am 14. August 2018 wurde von einer Quelle im Sicherheitsapparat auf kriminelle Gründe zurückgeführt. Dabei wurden drei Menschen getötet und vier verletzt.

- Ein improvisierter Sprengsatz, der auf Schiiten im Bezirk Jihad (West-Bagdad) abzielt, tötete Berichten zufolge im September 2018 vier Menschen in der Nähe eines Einkaufszentrums.

- Am 25. September 2018 wurde in den folgenden Bezirken eine Reihe von Explosionen gemeldet, die zu Opfern führten: Al Jadid (New Bagdad) östlich von Bagdad (1 Tote, 2 Verletzte), al Shaab nördlich von Bagdad (2 Tote) und al-Baayaa westlich von Bagdad (2 Tote) .Der Islamische Staat übernahm am 25. September 2018 die Verantwortung für fünf improvisierte Sprengsätze gegen Shula, Kadhimiyah (Nord-Bagdad), Shaab und Bataween (Rusafa), und den Bezirk Bayaa (Zentral-Bagdad), dabei wurden 3 Zivilisten getötet.

- Am 1. und 2. Oktober 2018 forderten zwei improvisierte Sprengsätze in Shaab und Al Jadid einen Toten und mehrere Verwundete. Dem Islamischen Staat zufolge sei die Zahl der Opfer bei diesen beiden Angriffen viel höher gewesen und habe mehr als 50 Tote und Verwundete betragen.

- Am 7. Oktober 2018 wurden bei einer Reihe von Angriffen auf verschiedene Vororte in Bagdad (Abu Dshir, 17 km südlich von Bagdad, Abu Ghraib, 44 km westlich von Bagdad und im Norden von Bagdad) vier Personen getötet und fünf verletzt.

- Am 4. November 2018 wurden bei einer Serie von fünf improvisiertem Sprengsätzen in verschiedenen Gebieten des Gouvernements 8 Personen getötet und 14 verletzt. Eine andere Quelle berichtete von 7 Toten und 16 Verletzten. Der Islamische Staat behauptete jedoch, es seien bei den von ihm verübten Anschlägen mehr als 50 Opfer zu beklagen gewesen.

Beispiele für bewaffnete Zusammenstöße im Jahr 2018 sind die folgenden:

- Unbekannte bewaffnete Personen eröffneten das Feuer im Stadtteil Jihad im Westen von Bagdad und töteten im Januar 2018 einen lokalen Bürgermeister.

- Der Islamische Staat ermordete 8 Zivilisten bei einem Angriff auf den Vorort Tarmia im Mai 2018; die Opfer stellten Werbung für die Parlamentswahl auf; der Islamische Staat bezeichnete sie als Mitglieder einer Stammesmiliz.

- Bei einem weiteren, nächtlichen Angriff des Islamischen Staates auf den Vorort Tarmia Anfang Mai 2018 wurden 21 Mitglieder eines lokalen Stammes (18 Männer, 2 Frauen und ein Kind) getötet. Sämtliche Opfer waren Mitglieder des Albu-Faraj-Stammes, der ein überzeugter Gegner des Islamische Staates in der Region ist. Die Mitglieder sind Teil der lokalen sunnitischen Miliz und der PMF, die zur Verteidigung gegen des Islamischen Staat gegründet wurden. Die Angreifer des Islamischen Staates trugen Armeeuniformen und gingen zunächst gegen einen Anwalt vor, von dem bekannt war, dass er Opfern des Islamischen Staates half, und töteten ihn in seinem Haus. Als andere Dorfbewohner kamen, um zu helfen, eröffneten sie das Feuer, töteten und verletzten sie und zogen sich zurück, bevor die Armee eintraf, um sie zu fassen.

In Bagdad gab es mehrere Morde an Persönlichkeiten, die in sozialen Medien bekannt geworden waren, ohne dass die Täter identifiziert und einer bestimmten Gruppierung zugeordnet werden konnten.

- Tara Fares, bekannt aus Instagram, die in den sozialen Medien über persönliche Freiheit berichtet, wurde am 27. September 2018. in Bagdad erschossen, als sie in ihrem Porsche fuhr.

- Im Jahr 2017 wurde Karar Nushi, ein männliches Model, das Morddrohungen wegen seiner langen Haare und seiner engen Kleidung erhalten hatte, in der Palästina-Straße erstochen aufgefunden, wobei sein Körper Anzeichen von Folter zeigte.

- Hammoudi al-Meteiry, ein 15-jähriger und als "König von Instagram" bezeichneter Jugendlicher, der Berichten zufolge wegen seiner Homosexualität von unbekannten Tätern getötet wurde.

Der Islamische Staat gab bekannt, Scheichs und Stammesführer angegriffen zu haben, die die Parlamentswahlen im Mai 2018 unterstützten. Im Mai 2018 behauptete der Islamische Staat, er habe das Haus eines wahlfördernden Stammesführers mit einer Bombe angegriffen zu haben; es ist unklar, ob diese dabei getötet wurde. Folgende weiteren Angriffe wurden dem Islamischen Staat zugeschrieben:

- Am 27. Februar 2018 wurden vier Mitglieder der Sahwa-Bewegung von unbekannten Tätern im Norden Bagdads erschossen. Einer wurde getötet, die anderen drei verwundet.

- Am 1. März 2018 wurde ein ehemaliger Beamter der Sahwa-Bewegung durch eine Bombe in Bagdad getötet.

- Am 29. April 2018 wurde ein Führer der PMF, Qassim Al-Zubaidi, bei einem Attentat in der Innenstadt von Bagdad verletzt. Stunden zuvor wurde ein Wahlkandidat der Rechtsstaat-Koalition nördlich von Bagdad getötet.

- Am 22. Juni 2018 gab der Islamische Staat bekannt, einen Stammesführer in al-Zour in der Nähe von Tarmia nördlich der Hauptstadt getötet zu haben, weil er die Parlamentswahlen unterstützt hatte.

- Am 8. Juli 2018 wurden ein Kommandeur der Stammesmiliz und einer seiner Begleiter bei einem Bombenangriff in Nordbagdad verwundet.

- Am 19. Juli 2018 wurde ein Angehöriger der Sicherheitskräfte bei einem Angriff mit einer auf der Straße platzierten Bombe auf ihn in Tarmia im Norden von Bagdad verwundet.

- Am 2. August 2018 wurde mit einer am Straßenrand platzierten Bombe ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte in der Region Sabaa al-Bour nördlich von Bagdad angegriffen. Eine Person wurde getötet, eine andere verletzt.

Im Januar 2018 erklärte der Direktor des Medienbüros des BOC, dass die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Fortschritte in Bezug auf das Sammeln von Informationen über den Islamischen Staat gemacht hätten und dass sich Militäreinsätze im Bagdader Gürtel positiv auf die Sicherheitslage ausgewirkt hätten. Der Direktor kündigte ferner den Bau eines Sicherheitszauns um Bagdad mit Sicherheitstoren an, um Aufständische daran zu hindern, in die Stadt einzusickern.

Dem Institute für the Study of War zufolge hat sich BOC im vergangenen Jahr auf die Bagdad-Belts konzentriert, was zu dem Rückgang der Angriffe in Bagdad beigetragen hat. Im Allgemeinen sei es den Sicherheitskräften gelungen, die Rückkehr weitverbreiteter Gewalt nach Bagdad im Jahr 2018 zu verhindern. Dieser Erfolg zeigt sich in der allgemeinen Abnahme von Gewaltereignissen im vergangenen Jahr. Politische Gewalt stelle nach wie vor die größte Herausforderung dar, dazu komme Destabilisierung angesichts der anhaltenden Blockade der neuen irakischen Regierung unter dem irakischen Premierminister Adel Abdul-Mahdi. Die PMF und andere lokale Sicherheitskräfte in Bagdad würden häufig eher auf politische Akteure reagieren, als auf den institutionellen staatlichen Sicherheitsapparat.

Die Expertin Geraldine Chatelard erklärt, dass die Wirksamkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung vor verschiedenen Formen von Gewalt vom politischen Willen der beteiligten Akteure abhängen kann. Schutzbemühungen werden durch die Situation vor Ort untergraben, in der PMF-Milizen auf Befehl ihrer eigenen Kommandos handeln und nicht der irakischen Regierung, weil sie verschiedenen politischen Anwärtern oder iranischen Gönnern gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Die Regierung könne Erscheinungen von "Gesetzlosigkeit und Kriminalität" seitens der Milizen derzeit nicht wirksam begegnen. Der Experte Michael Knights geht davon aus, dass Gesetzesverstöße von Milizen auch derzeit folgenlos bleiben. Landinfo schätzt die Lage in Bagdad so ein, dass Milizen weiterhin Bewegungsfreiheit zukommt und sie über Verbindungen zur Polizei verfügen und an Kontrolle, Verhaftung, Bestrafung bzw. Entführung von Personen ebenso beteiligt sind, wie an anderweitigen an kriminellen Aktivitäten. In den Bagdad-Belts haben die Milizen mehr Handlungsspielraum, dort können sie den Einheimischen das Recht verweigern, in ihre Häuser zurückzukehren. Die PMF-Milizen sind dessen ungeachtet populär und haben sowohl formelle als auch informelle Macht. Sie konzentrieren sich auch auf den Wiederaufbau. In Bagdad wurde etwa ihre Rolle beim Wiederaufbau einer medizinischen Klinik beworben. Manchmal wenden sich die Einheimischen, auch in Bagdad, an die Milizen der Nachbarschaft, anstatt an die Polizei, um Gerechtigkeit zu suchen.

Michael Knights zufolge gibt es eine große Konzentration von Sicherheitskräften, einschließlich der in Bagdad stationierten Armee, die seiner Ansicht nach angemessen und aktiv geführt werden und über adäquate Beratung und nachrichtendienstliche Unterstützung verfügen. Die Androhung bzw. Zufügung von Gewalt in Bagdad erfolge derzeit eher "persönlich und gezielt" und weniger "situativ" (Anwesenheit am falschen Ort / zum falschen Zeitpunkt). Das Institute for the Study of War erklärte, dass Milizen in Bagdad in einem gewaltsamen Wettbewerb um territoriale Präsenz und Territorium, Bevölkerung und politischen Einfluss stehen. Viele ihrer politischen Machthaber wurden im Mai 2018 in das irakische Parlament bzw. die Regierung gewählt.

Checkpoints in Bagdad werden dazu verwendet, um sicherzustellen, dass Autobomben und Selbstmordattentäter nicht in die Stadt eindringen. Dem Experten Fanar Haddad zufolge betreiben PMF-Milizen keine regulären Checkpoints in der Stadt Bagdad, richten solche bei Zwischenfällen aber ad hoc ein. In den Bagdad-Belts gibt es demgegenüber sichtbare PMF-Präsenz und PMF-Kontrollpunkte Eine ähnliche Ansicht vertrat ein im Irak ansässiger Sicherheitsanalytiker, der erklärte, dass sich die von PMF-Milizen betriebenen Kontrollpunkte hauptsächlich am Stadtrand von Bagdad befinden und nicht in der Stadt selbst, wobei an Kontrollpunkten im Osten der Stadt PMF-Elemente gemeldet wurden. Es sei für die PMF-Milizen möglich, temporäre Kontrollpunkte einzurichten, um auf bestimmte Probleme in den Stadtteilen von Bagdad zu reagieren. Im Januar 2018 teilte der Mediendirektor der BOC der Zeitung Asharq Al-Awsat mit, dass 281 Kontrollpunkte in Bagdad aufgehoben wurden, mindestens 600 Hauptstraßen und Ausgänge und ihre Vororte wiedereröffnet und am 10. Dezember 2018 Tausende Betonblöcke entfernt wurden. Im Jahr 2018 wurde außerdem die befestigte Internationale Zone (grüne Zone) in der Innenstadt für die Öffentlichkeit geöffnet. Dies ist die erste Wiedereröffnung nach Jahren. Im Jahr 2015 hatte die Regierung die grüne Zone für ein paar Tage geöffnet, aber nach Widerstand von US-Beamten wieder geschlossen.

1.9. Zu den Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der angeführten Quelle getroffen:

Die Liga der Rechtschaffenen (Asa'ib Ahl al-Haqq) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte in erster Linie die US-Truppen im Irak. Nach dem Abzug der US-Truppen im Dezember 2011 fand die Miliz im Kampf gegen den Islamischen Staat eine neue Raison d'être. Unter den Milizen gilt die Asa'ib Ahl al- Haqq als besonders gewalttätig und teils kriminell motiviert. Qais al-Khaz'ali ist einer der prominentesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten und für seine Brutalität berüchtigt. Er und seine Organisation berufen sich zwar immer noch auf Muhammad Sadiq as-Sadr, den Begründer der Sadr-Bewegung, doch ist Khaz'alis Nationalismus einer starken Abhängigkeit von den iranischen Revolutionsgarden gewichen, ohne die er den bewaffneten Kampf gegen die USA nicht hätte führen können. Darum bekennt sich die Asa'ib Ahl al-Haqq neben Sadr auch zu Khomeini, Khamenei und der Herrschaft des Rechtsgelehrten. Die iranische Führung dankt es mit großzügiger Unterstützung.

Nach dem amerikanischen Abzug versuchte sich die Organisation als politische Kraft in Konkurrenz zur Sadr-Bewegung zu etablieren, gewann bei den Parlamentswahlen 2014 aber nur ein einziges Mandat und blieb eine Splittergruppe. Trotzdem wuchs ihre Miliz bis 2015 auf mindestens 3000 Mann an. Sie hat ihre politischen Aktivitäten ausgeweitet und eine Reihe von politischen Büros in Bagdad, Basra, Nadschaf, Hilla, al-Chalis und Tal Afar eröffnet habe. Darüber hinaus habe die Organisation politische Vertreter in die südlichen Provinzen Dhi Qar, al-Muthanna und Maysan gesandt, um Vertreter von Minderheiten und Stammesführer zu treffen. Trotz Berichten über religiös motivierte Verbrechen und Kriegsverbrechen wurde Asa'ib Ahl al-Haqq im November 2016 formell vom irakischen Parlament als Teil der Volksmobilisierungseinheiten anerkannt.

Das Institute for the Study of War (ISW), veröffentlicht im Dezember 2012 einen Bericht über das Wiedererstarken der Gruppe Asa'ib Ahl al-Haqq nach dem Abzug der US-Truppen 2003, sowohl als militärische, als auch als politische und religiöse Organisation. Laut dem Bericht habe die Miliz seit 2010 in Bagdad eine große politische Präsenz aufgebaut. Derzeit unterhalte die Organisation zwei politische Büros in der Hauptstadt, eines in Kadhimiya und eines in Rusafa. Asa'ib Ahl al-Haqq habe eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen organisiert, an denen die zentralen Führungspersönlichkeiten der Organisation sowie Vertreter der irakischen Regierung teilgenommen hätten. Die Miliz nutze die politischen Aktivitäten in Bagdad, um ihr neues öffentliches Erscheinungsbild einer nationalistischen, islamischen Widerstandsgruppe zu fördern. Darüber hinaus seien politische Delegationen zu Treffen mit Anführen von Stämmen und Minderheiten in die Provinzen Dhi Qar, Muthanna und Maysan entsandt worden. Die politische Expansion der Organisation in ganz Irak verdeutliche die Fähigkeit von Asa'ib Ahl al-Haqq, in Gebiete, in der die Sadr-Bewegung Rückhalt habe, vorzudringen.

In Hinblick auf den bewaffneten Arm der Organisation erwähnt der Bericht, dass Asa'ib Ahl al-Haqq während des Irakkriegs [gegen die USA] die Miliz in Bataillone eingeteilt habe, von denen jedes einer bestimmten Region zugeteilt worden sei, das Imam Askari-Bataillon in Samarra, das Musa al-Kazim-Battaillon in Bagdad, das Imam Ali-Bataillon in Nadschaf und das Abu Fadl Abbas-Bataillon in Maysan. Im Dezember 2011 habe sich Qais al-Khazali mit den mutmaßlichen Anführern der Kata'ib Hezbollah (KH), der am besten ausgebildeten und geheimsten der vom Iran unterstützen Milizen, getroffen. Trotz der Verschwiegenheit der Miliz würden die Verbindungen zwischen führenden Mitgliedern von Asa'ib Ahl al-Haqq und Kata'ib Hezbollah darauf hindeuten, dass die Organisation Asa'ib Ahl al-Haqq ihren bewaffneten Arm neu geordnet und ihre Macht als Schirmorganisation für schiitische Milizen im Irak gefestigt habe.

Das britische Innenministerium (UK Home Office) gibt in seinem Bericht zu Herkunftsländerinformationen und Handlungsempfehlungen für britische Asylentscheider vom August 2016 Informationen von Jane-s, einem in den USA ansässigen Unternehmen, das unter anderem Analysen zum Thema Sicherheit erstellt, wieder, dass Asa'ib Ahl al-Haqq an einer Reihe von Angriffen auf die US-Truppen bis zu deren Abzug 2011 beteiligt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe Asa'ib Ahl al-Haqq ihre Absicht bekannt gegeben, dem politischen Prozess beizutreten. Die Miliz unterhalte mehrere politische Büros im Land, sei aber auch bewaffnet und werde verdächtigt, an mehreren Angriffen mit selbstgebauten Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielten Tötungen von Sunniten beteiligt zu sein. Militärische Ausbildung erfolge durch die libanesische Hisbollah und die iranische Quds-Einheit, was Asa'ib Ahl al-Haqq zu einer de facto-Stellvertretermiliz des Iran im Irak mache. Kämpfer der Asa'ib Ahl al-Haqq hätten die irakische Armee in der Provinz al-Anbar beim Kampf gegen den Islamischen Staat unterstützt.

Das an der Stanford University angesiedelte Mapping Militants Project, das die Herausbildung militanter Organisationen und deren Zusammenspiel in Konfliktzonen beobachtet und visuell darstellt, schreibt in einem zuletzt im Jänner 2017 aktualisierten Überblick zur Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq, dass es 2013 Berichte gegeben habe, laut denen die Regierung unter Premierminister al-Maliki statt der irakischen Polizei Kämpfer von Asa'ib Ahl al-Haqq in der Provinz al-Anbar und als Bereitschaftspolizei in Bagdad eingesetzt habe.

Al Araby Al Jadeed, ein 2014 in London gegründetes Medienunternehmen, berichtet in einem Artikel vom Juni 2014 über die Situation in Bagdad, wo Bewaffnete in Zivilkleidung zusammen mit dem Militär das Straßenbild bestimmen würden. Die Regierung habe eine Ausgangssperre verhängt und gleichzeitig die Präsenz der Sicherheitskräfte erhöht. Dabei greife sie auf Milizen zurück, um die eigene mangelnde Truppenstärke zu kompensieren. Das Straßenbild gleiche einer Kaserne. Freiwillige Milizkämpfer von Asa'ib Ahl al-Haqq würden in den Gegenden, die sie beschützen würden, Kontrollen durchführen. Insbesondere in der Nähe sunnitischer Wohngebiete habe Asa'ib Ahl al-Haqq "falsche Checkpoints" eingerichtet und eine Waffenparade in der Palästina-Straße abgehalten.

CEDOCA, die Herkunftsländerinformationsstelle des belgischen Generalkommissariats für Flüchtlinge und Staatenlose (CGRA) schreibt in einem Bericht zur Sicherheitslage in der Provinz Diyala vom Juli 2015, dass Berichten zufolge Mitglieder von Asa'ib Ahl al-Haqq Angriffe auf die Dörfer Bulour, Matar, Aruba, Hurriya, Sudur und Harouniya im Distrikt Muqdadiya durchgeführt hätten, wo ungefähr tausend sunnitische Familien leben würden. Die Miliz habe im Winter bis zu 50 Häuser niedergebrannt und weitere Wohnhäuser mit Mörsern und Raketen beschossen habe. Die lokale Bevölkerung habe berichtet, dass Kämpfer der Asa'ib Ahl al-Haqq zusammen mit freiwilligen schiitischen Milizkämpfern und irakischen Antiterror-Einheiten begonnen hätten, im Juni 2014 die Einwohner von Dörfern nahe Muqdadiya zu schikanieren. Im Oktober 2014 hätten die geflohenen Dorfbewohner gehört, dass die Milizen die Gegend verlassen hätten und seien daraufhin zurückgekehrt. Jedoch hätten sich kurz darauf die Milizen wieder gezeigt und damit begonnen, Personen zu entführen, in den Straßen um sich zu schießen und auf Wohnhäuser zu zielen. In einigen Fällen seien Personen hingerichtet worden. Human Rights Watch berichtet im Juli 2014, dass sie zwischen dem 1. Juni und dem 9. Juli 2014 die Tötung von 61 sunnitischen Männern, sowie im März und April die Tötung von mindestens 48 weiteren sunnitischen Männern in Dörfern und Kleinstädten um Bagdad dokumentiert habe. Laut Angaben von nicht näher genannten Zeugen, medizinischem Personal und Regierungsquellen seien in allen Fällen Milizen für die Tötungen verantwortlich gewesen. In vielen, jedoch von der Quelle nicht exakt quantifizierten Fällen hätten Zeugen Asa'ib Ahl al-Haqq als Täter identifiziert. Zeugen hätten außerdem bemerkt, dass Asa'ib Ahl al-Haqq illegale Festnahmen in vielen Gegenden der Provinzen Bagdad und Diyala vornehme.

Reuters berichtet in einem weiteren Artikel vom Jänner 2016, dass die in diesem Monat vorgefallenen Entführungen und Tötungen zahlreicher sunnitischer Zivilisten im Osten des Irak, sowie Angriffe auf deren Besitztümer durch vom Iran gestützte Milizen Menschenrechtsverletzungen darstellen könnten. Schiitische Milizkämpfer seien diesen Monat nach Muqdadiya entsandt worden, nachdem zwei Bombenexplosionen nahe einem Café, in dem sich oft Milizen aufgehalten hätten, 23 Menschen getötet hätten. Zu dem Anschlag habe sich der Islamische Staat bekannt und erklärt, dass Schiiten das Ziel gewesen seien. Mitglieder der Milizorganisationen Badr und Asa'ib Ahl al-Haqq hätten Vergeltungsangriffe durchgeführt.

Asa'ib Ahl al-Haqq wird außerdem beschuldigt, für ein Massaker in einem mutmaßlichen Bordell in Bagdad im Juli 2014 verantwortlich gewesen sei, bei dem 29 mutmaßliche Prostituierte erschossen wurden.

Die International Crisis Group (ICG) erwähnt in einer Fußnote zu einem Bericht über die konfessionell gespaltene, junge irakische Generation und deren Mobilisierung für Milizen, die Aussage eines Asa'ib Ahl al-Haqq-Mitglieds in Basra aus einem Interview im September 2015 zu den Zielen der Organisation. Das Mitglied erläutert, dass Asa'ib Ahl al-Haqq nicht bloß eine militärische Organisation sei. Sie habe das Ziel, einen Staat aufzubauen. Man plane, die staatlichen Institutionen zu reformieren und die Volksmobilisierungseinheiten in eine zivile Organisation umzuformen. Die Regierungsführung politischer Parteien sei in Basra und im gesamten Irak gescheitert. Asa'ib Ahl al-Haqq habe militärische Siege errungen und in Demonstrationen für Veränderungen eingetreten, nun sei die Organisation bereit, ein Teil der politischen Führung der Provinz und des gesamten Staates zu werden.

Human Rights Watch berichtet im November 2016, dass Mitglieder einer Miliz der von der Regierung gestützten Volksmobilisierungseinheiten in einem Dorf nahe der Stadt Mossul Hirten, darunter einen Jungen, festgenommen und geprügelt hätten, da man ihnen unterstellt habe, Verbindungen zum IS zu haben. Opfer und Zeugen hätten berichtet, dass es Mitglieder von Asa'ib Ahl al-Haqq gewesen seien, die zehn Hirten festgehalten und mindestens fünf von ihnen, darunter auch den Jungen verprügelt hätten. Die Hirten, die aus dem Dorf Aadaya geflohen seien, seien festgenommen und mehrere Stunden lang festgehalten worden. Die Milizkämpfer hätten sie schließlich freigelassen, aber 300 Schafe gestohlen.

Amnesty International schreibt in einem Bericht zur Verbreitung von Waffen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten und deren Menschenrechtsverletzungen vom Jänner 2017, dass es in der Provinz Diyala weiterhin verbreitet zu Vorfällen von Verschwindenlassen, Entführungen, Folter und Tötungen komme, die mit Straflosigkeit auf sunnitische Männer und Jungen abzielen würden. In Diyala würden die von der Regierung gestützten Milizen, darunter insbesondere die Badr-Organisation und Asa'ib Ahl al-Haqq, eine strenge Kontrolle ausüben, es gebe konfessionelle Spannungen und sunnitische Binnenvertriebene würden daran gehindert, in ihre angestammten Gebiete zurückzukehren. Der Bruder eines jungen Mannes, der im Jänner 2016 in Muqdadiya von Milizkämpfern entführt und tot auf der Straße aufgefunden worden sei, habe erwähnt, dass Asa'ib Ahl al-Haqq, die in Muqdadiya aktiv sei, alle Sunniten als Unterstützer des ehemaligen Präsidenten Saddam Hussein ansehe, und viele Sunniten auf der Straße oder in ihren Häusern aufgegriffen und getötet worden seien. In den ersten Wochen dieser Vorfälle seien Milizen mit Lautsprechern herumgefahren und hätten Sunniten dazu aufgefordert, aus ihren Häusern zu kommen. Am 13. Jänner 2016 seien mehr als hundert Männer entführt worden, deren Verbleib seither unbekannt sei.

Das US-Außenministerium schreibt in seinem im März 2017 veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum: 2016), dass ethnisch motivierte Kämpfe in ethnisch gemischten Gebieten nach den Befreiungsoperationen eskaliert seien. Es bestünden viele Berichte darüber, dass schiitische Volksmobilisierungseinheiten Sunniten nach der Befreiung von Gebieten vom Islamischen Staat verhaftet hätten. Milizen, darunter die Asa'ib Ahl al-Haqq, hielten bis zu 3.000 Gefangene illegal fest. Unter den Gefangenen seien Sunniten gewesen sowie weitere Personen, die verdächtigt worden seien, mit dem Islamischen Staat zusammengearbeitet zu haben. Die Gefangenen seien in provisorischen Gefängnissen festgehalten worden, einige wegen Verbrechen, die man ihnen vorgeworfen habe, andere, um Lösegeld zu erhalten, die bei der Finanzierung der Aktivitäten der Milizen helfen sollten.

Laut Angaben des Sprechers der Volksmobilisierungseinheiten habe das Justizministerium einen Richter ernannt, der Ende des Jahres 2016 die 300 Fälle bearbeitet habe, die mit Verstößen von Milizen-Mitgliedern zu tun gehabt hätten, wobei es um mutmaßliche Misshandlungen von Gefangenen bis hin zu summarischen Hinrichtungen gegangen sei. Laut dem Sprecher habe es sich nur bei einem Viertel derer, die beschuldigt worden seien, um "echte" Mitglieder von Milizen gehandelt, bei den anderen habe es sich um Mitglieder von Freiwilligengruppen gehandelt.

Einem Medienbericht vom Mai 2017 zufolge wurde bei Auseinandersetzungen zwischen der nationalen Polizei und Mitgliedern der Asa'ib Ahl al-Haqq in der Palästina-Straße in Bagdad ein Polizist getötet. Die Ursache der Auseinandersetzungen sei nicht bekannt.

Sot al-Iraq, berichtet im Juli 2017, dass laut einer in der Provinz Suleimaniya in der Region Kurdistan ansässigen Organisation der Faili-Kurden Mitglieder ihrer Gemeinschaft in Bagdad schikaniert würden, seitdem der Termin für das Referendum über die Unabhängigkeit Kurdistans angekündigt worden sei. Laut Angaben eines Mitglieds der Organisation seien Faili-Kurden in Bagdad Drohungen und Schikanen ausgesetzt. Asa'ib Ahl al-Haqq sei laut der Organisation für die Tötung von drei Faili-Kurden in der letzten Zeit verantwortlich, weitere seien direkt von der Miliz bedroht worden. Asa'ib Ahl al-Haqq habe auch kurdische Unternehmen in diesem Zusammenhang bedroht.

Quelle:

- ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq, 20.02.2017

- ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Milizen der Asaib Ahl al-Haqq seit 2013 bis heute; Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, 30.11.2017

- ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen, 02.02.2018

1.10. Zur aktuellen Lage im Irak werden schließlich folgende (allgemeinen) Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

1. Aktuelle Ereignisse

19.08.2018: Die irakische Zentralregierung und die kurdische Regionalregierung einigten sich mittels eines Abkommens darauf gemeinsame Checkpoints an der Straße von Erbil nach Kirkuk einzurichten um die Straße öffnen zu können.

20.08.2018: Die Türkei und der Irak unterzeichneten ein Energieabkommen, in dem festgehalten wurde, dass die Türkei dem Irak Elektrizität liefern werde und bei der Entwicklung der lokalen Infrastruktur Unterstützung leisten wird.

20.10.2018/21.10.2018: Die irakischen Streitkräfte setzen ihre Militäroperationen gegen den IS fort. So töteten Sicherheitskräfte am 20.10.18 vier Extremisten in ihrem Versteck in Hit, drei Extremisten in Kirkuk und zwei Extremisten in der Provinz Diyala. Mindestens 23 Menschen wurden bei jüngsten sicherheitsrelevanten Vorfällen getötet. So kamen am 21.10.1

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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