Entscheidungsdatum
18.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
L504 2120838-1/45E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb., StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Günter SCHMID, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2016, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird in allen Spruchpunkten stattgegeben und über Antrag gem. § 55 Abs 1 Z 1 u. Abs 2 iVm § 54 Abs 1 Z 2 u. Abs 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" aus Gründen des Art 8 EMRK erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
Mit Bescheid vom 12. Jänner 2016 hat das Bundesamt den Antrag des türkischen Staatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 17. März 2015 gemäß § 55 AsylG abgewiesen, gemäß § 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 Bfa-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei, gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt, gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Z. 1 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von drei Jahren erlassen.
Dagegen hat die beschwerdeführende Partei [bP] durch ihren Rechtsfreund innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Am 5. Juni 2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei sowie ihres gewillkürten Vertreters eine Beschwerdeverhandlung durch. Das Bundesamt blieb entschuldigt fern. In der Verhandlung wurde die Ehegattin der bP als Zeugin einvernommen.
Mit Erkenntnis vom 15. November 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen.
Mit Erkenntnis vom 22. August 2019, Ra 2019/21/0128-6, hat der Verwaltungsgerichtshof einer dagegen erhobenen Revision stattgegeben und das angefochtene Erkenntnis aufgehoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, dem Inhalt der Beschwerde, dem Ergebnis des vom BVwG durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie durch oa. Judikat des Verwaltungsgerichtshofes Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Die 1975 in Linz geborene bP ist türkische Staatsangehörige und ist in Österreich aufgewachsen. Die Identität steht fest. Sie ist im Besitz eines türkischen Reisepasses, ausgestellt 2015, gültig bis 2023. In der Zeit ihres legalen Aufenthaltes in Österreich verbrachte die bP auch Urlaube in der Türkei. Die bP beherrscht Deutsch und Türkisch. Relevante gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden seitens der bP nicht vorgebracht bzw. bescheinigt.
Ihr Vater lebt als Pensionist sowohl in Österreich als auch in der Türkei. Dieser verfügt in der Türkei über ein Haus in seinem Eigentum. In Österreich leben Verwandte bzw. Familienangehörige.
Aufgrund mehrerer rechtskräftiger gerichtlicher Verurteilungen und zahlreicher Verwaltungsübertretungen wurde über die bP von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land 1995 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt und in die Türkei abgeschoben.
Nach der Abschiebung in die Türkei hat die bP dort den Wehrdienst abgeleistet und anschließend im Bankenbereich und als Reiseführer gearbeitet. Dies in Istanbul und Antalya.
Im November 2002 stellte der rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Partei einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Mit Bescheid der BH Linz-Land vom Jänner 2003 wurde das verhängte Aufenthaltsverbot von Amts wegen aufgehoben.
Die beschwerdeführende Partei war nach Aufhebung ihres unbefristeten Aufenthaltsverbotes am 7. August 2003 rechtmäßig in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist und wurde ihr ein Aufenthaltstitel bewilligt. Nach Auskunft vom Magistrat der Stadt Linz vom 04.06.2018 wurde zuletzt eine Niederlassungsbewilligung für den Zeitraum 30.12.2008 bis 30.12.2009 erteilt. Lt. IZF stellte die bP vor Ablauf am 25.03.2009 einen Verlängerungsantrag, welcher am 27.07.2009 abgewiesen wurde. Ein weiterer Antrag ist dem Magistrat der Stadt Linz nicht bekannt und ist auch dem IZF nicht zu entnehmen.
Seit Ablauf des Aufenthaltstitels gem. NAG am 30.12.2009 ist die bP nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig, war jedoch seither immer in Oberösterreich angemeldet.
Während des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes hat die bP 2013 eine 1974 in der Türkei geborene und aufgewachsene österreichische Staatsangehörige geheiratet. Nach ihrer ersten Eheschließung reiste die Ehegattin ca. 1992 im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Österreich. Ihre erste Ehe wurde 2009 geschieden. Ihren Angaben nach ist sie seit 2003 oder 2004 österreichische Staatsangehörige. Sie spricht die Sprachen Türkisch und Deutsch. Aus der Ehe mit der bP resultieren zwei minderjährige Kinder, welche 2012 bzw. 2016 geboren wurden. Die Kinder werden in Deutsch und Türkisch aufgezogen. Der Ehegattin war zum Zeitpunkt der Familiengründung bzw. Eheschließung bewusst, dass die bP nicht rechtmäßig in Österreich aufhältig war. Im Falle einer Aufenthaltsbeendigung der bP möchte die Ehegattin nicht in die Türkei mitreisen, sie würde versuchen der bP die Einreise wieder zu ermöglichen. Eltern und Geschwister der Ehegattin leben in der Türkei. Die bP lebt mit der Ehegattin und den gemeinsamen Kindern in einem Haushalt zusammen. Die bP wird finanziell von ihrer Ehegattin sowie Geschwistern unterstützt.
Die bP legte eine Arbeitsplatzzusage dar, für den Fall, dass sie einen Aufenthaltstitel erlangt.
Am 17.03.2015 stellte die bP beim Bundesamt den gegenständlichen Antrag.
Im Strafregister der Republik Österreich scheinen aktuell folgende 4 Verurteilungen auf:
01) BG LINZ vom 16.11.2004 RK 20.11.2004
PAR 83/1 StGB
Geldstrafe von 50 Tags zu je 8,00 EUR (400,00 EUR) im NEF 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Vollzugsdatum 20.11.2004
zu BG LINZ 18 U 120/2001X RK 20.11.2004
(Teil der) Geldstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 20.11.2004
02) LG LINZ vom 10.01.2008 RK 15.01.2008
PAR 83/1 PAR 15 269/1 PAR 107/1 107/2 StGB
Datum der (letzten) Tat 10.03.1995
Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf BG LINZ 20.11.2004
Junge(r) Erwachsene(r)
Vollzugsdatum 15.01.2008
zu LG LINZ RK 15.01.2008
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG LINZ vom 16.06.2009
zu LG LINZ RK 15.01.2008
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 15.01.2008
LG LINZ vom 07.02.2013
03) LG LINZ vom 16.06.2009 RK 20.06.2009
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PAR 133/1 133/2 (1. FALL) PAR 15/1 109/1 PAR 15/1 269/1 (3. FALL) PAR 83/1 84/1 84 ABS 2/4 StGB
Datum der (letzten) Tat 12.04.2009
Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Geldstrafe von 300 Tags zu je 2,00 EUR (600,00 EUR) im NEF 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe
Vollzugsdatum 27.09.2012
zu LG LINZ RK 20.06.2009
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
BG LINZ vom 14.05.2010
zu LG LINZ RK 20.06.2009
Unbedingter Teil der Geldstrafe vollzogen am 27.09.2012
LG LINZ vom 01.10.2012
zu LG LINZ RK 20.06.2009
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 27.09.2012
LG LINZ vom 03.09.2014
04) BG LINZ vom 14.05.2010 RK 18.05.2010
PAR 83/1 StGB
Datum der (letzten) Tat 21.11.2009
Geldstrafe von 300 Tags zu je 8,00 EUR (2.400,00 EUR) im NEF 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe
Vollzugsdatum 19.07.2012
Nach dem derzeitigen Stand der Strafregistereintragung(en) wird die Tilgung voraussichtlich mit 27.09.2022 eintreten.
Mit Straferkenntnis vom 29.11.2012 wurde über die bP von der BH Wels-Land rechtskräftig wegen nicht rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 120 Abs 1a FPG eine Geldstrafe verhängt.
Im Jänner 2013 wurde die bP von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes neuerlich wegen nicht rechtmäßigen Aufenthalt angezeigt. Der Ausgang des Verfahrens ist ho. nicht bekannt.
Beim Magistrat der Stadt Linz scheinen im Zeitraum 22.08.2008 bis 20.08.2009 5 Vormerkungen über rechtskräftige Strafen wegen Übertretung des § 368 GewO auf.
Von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wurden auf Anfrage des BVwG, den Zeitraum Februar 2014 bis Juni 2017 betreffend, 15 rechtskräftige Bestrafungen wegen Übertretungen der StVO und des KFG bekannt gegeben. Diese Übertretungen hat die bP während des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet begangen.
Von der Landespolizeidirektion Linz wurden für den Zeitraum Oktober 2015 bis April 2017 5 rechtskräftige Bestrafungen wegen Übertretung des KFG als Zulassungsbesitzer mitgeteilt. Die Übertretungen wurden während des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes begangen.
Aus der Berichtslage über die Türkei ergibt sich, dass die Sicherheit der Bevölkerung und die Versorgungslage im Allgemeinen als gesichert angesehen werden kann. Die bP hat kein Vorbringen erstattet wonach sie im Falle einer Rückkehr eine entscheidungsrelevante Gefährdung erwarten würde.
Der Verwaltungsgerichtshof gelangt - im Gegensatz zur belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht - auf Grund obiger Umstände zur Ansicht, dass sich dem dargestellten Verhalten keine derart große Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ableiten lässt, dass die bP und ihre Familienangehörigen eine - wenn auch nur vorübergehende - Trennung in Kauf nehmen müssten (VwGH 22. August 2019, Ra 2019/21/0128-6).
Aus am 17.10.2019 durchgeführten Abfragen ergibt sich, dass im Strafregister der Republik Österreich seit der vorangegangenen Entscheidung des BVwG keine neuen Verurteilungen aufscheinen, seit der vorangegangen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes seitens der Verwaltungsstrafbehörden keine rechtskräftigen Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen mitgeteilt wurden, die beschwerdeführende Partei zuletzt im Jahr 2010 mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Datenbank der Sozialversicherung aufscheint und auch seither keine legale Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet hervorkam.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich unstreitig aus dem Akteninhalt sowie den ergänzenden Ermittlungen des BVwG.
3. Rechtliche Beurteilung
Die bP stellte als nicht rechtmäßig aufhältiger türkischer Staatsangehöriger am 17.03.2015 beim Bundesamt einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG. Dieser wurde vom Bundesamt abgewiesen.
(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn
1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder
2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Nunmehr ist gem. § 55 Abs 1 Z1 AsylG zuerst zu prüfen ob die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9 (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Wie in den Feststellungen ausgeführt, gelangte der Verwaltungsgerichtshof zur Ansicht, dass der seit 2009 gegebene nicht rechtmäßige Aufenthaltes und das in dieser Zeit gesetzte Verhalten, angesichts der in der Zeit des illegalen Aufenthaltes in Österreich geknüpften familiären Bindungen, die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung nicht übersteigen und eine - wenn auch nur vorübergehende - Trennung der bP von den österreichischen Familienangehörigen (Ehegattin und Kinder) hier als nicht zulässig erachtet. Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Rechtsansicht des VwGH gebunden.
Zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens in Österreich ist daher gem. § 55 AsylG ein Aufenthaltstitel zu gewähren.
Der Rechtsansicht des VwGH folgend, war somit festzustellen, dass der im Bundesgebiet aufhältigen bP auf Antrag zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK gem. § 55 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 AsylG gem. § 54 Abs 1 Z 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen ist.
Diese berechtigt zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist. Solche Aufenthaltstitel sind gem. § 54 Abs 2 AsylG vom Bundesamt für die Dauer von zwölf Monaten, beginnend mit dem Ausstellungsdatum, auszustellen.
Im Verfahren wurde nicht behauptet bzw. nachgewiesen, dass die bP die für eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gem. § 55 Abs 1 Z2 AsylG zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen erfüllen würde, nämlich die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze erreicht wird, weshalb eine "Aufenthaltsberechtigung plus" nicht in Frage kam.
Der Beschwerde war somit hinsichtlich Spruchpunkt I. stattzugeben, der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen und somit die übrigen Spruchpunkte ersatzlos zu beheben.
Gem. § 21 Abs 7 BFA-VG konnte auf Grund des geklärten Sachverhaltes eine nochmalige Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Ehe Ersatzentscheidung familiäre Situation illegaler Aufenthalt Interessenabwägung Privat- und Familienleben Rechtsanschauung des VwGH Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Straffälligkeit strafgerichtliche VerurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L504.2120838.1.00Im RIS seit
21.09.2020Zuletzt aktualisiert am
21.09.2020