Entscheidungsdatum
03.12.2019Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
L524 1421079-6/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch die Unabhängige Rechtsberatung Innsbruck, Bürgerstraße 21, 6020 Innsbruck, gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2019, Zl. 810545507-14421162/BMI-EAST_WEST, betreffend Entzug der Grundversorgung und Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, den Beschluss:
A) Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der seit 2011 im Bundesgebiet aufhältige Beschwerdeführer stellte bereits zwei Anträge auf internationalen Schutz, welche jeweils rechtskräftig abgewiesen wurden. Zuletzt stellte er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.07.2019 abgewiesen wurde.
2. Infolge mehrerer Vorfallsmeldungen und Ermahnungen auf Grund von Verstößen gegen die Hausordnung in der Unterkunft des Beschwerdeführers fand am 03.04.2019 im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Belehrung des Beschwerdeführers statt.
3. Nach weiteren Vorfallsmeldungen wegen Verstößen gegen die Hausordnung in seiner Unterkunft für Asylwerber wurde dem Beschwerdeführer mit Mandatsbescheid des BFA vom 27.05.2019, ZI. 810545507-14421162/BMI-EAST_WEST, die Grundversorgung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 iVm § 57 Abs. 1 AVG mit Wirksamkeit des Tages der Zustellung dieses Bescheides entzogen.
4. Gegen den am 27.05.2019 zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer über seinen Vertreter am 11.06.2019 "Beschwerde bzw. Vorstellung" an das Bundesverwaltungsgericht.
5. Am 19.06.2019 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.
6. Mit der als Bescheid bezeichneten Erledigung des BFA vom 11.11.2019, ZI. 810545507-14421162/BMI-EAST_WEST, wurde dem Beschwerdeführer die Grundversorgung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 mit 27.05.2019 entzogen (Spruchpunkt I). Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen (Spruchpunkt II).
7. Gegen diese Erledigung richtet sich die Beschwerde vom 25.11.2019.
II. Feststellungen:
Die Zustellverfügung betreffend die Erledigung des BFA vom 11.11.2019, ZI. 810545507-14421162/BMI-EAST_WEST, bezeichnet den Beschwerdeführer als Empfänger und führt als Andresse die Anschrift XXXX . Der Beschwerdeführer ist an dieser Adresse seit 05.06.2019 als obdachlos gemeldet. Die Erledigung des BFA vom 11.11.2019, ZI. 810545507-14421162/BMI-EAST_WEST, wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung bei der Post am 14.11.2019 übermittelt.
Die Zustellverfügung betreffend die Erledigung des BFA vom 11.11.2019, ZI. 810545507-14421162/BMI-EAST_WEST, bezeichnet außerdem den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers als Empfänger. Der Vertreter des Beschwerdeführers verfügt über keine Zustellvollmacht. Das BFA sendete die Erledigung vom 11.11.2019 per e-mail an den bevollmächtigten Vertreter und ersuchte diesen um Ausfolgung der Erledigung an den Beschwerdeführer. Der Vertreter des Beschwerdeführers folgte dem Beschwerdeführer die Erledigung des BFA am 19.11.2019 aus.
Am 25.11.2019 erhob der Beschwerdeführer über seinen bevollmächtigten Vertreter Beschwerde.
Seit 29.11.2019 befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den Angaben in der Zustellverfügung ergeben sich aus ebendieser (AS 183).
Die Feststellungen zur Obdachlosigkeit und der Meldeadresse des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem eingeholten ZMR-Auszug vom 29.11.2019.
Die Feststellung, dass die Erledigung des BFA an den Beschwerdeführer durch Hinterlegung übermittelt wurde, ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Rückschein.
Die Feststellung, dass die Erledigung zudem seinem Vertreter übermittelt wurde und dieser die Erledigung dem Beschwerdeführer ausfolgte, ergibt sich aus der entsprechenden im Verwaltungsakt einliegenden Bestätigung (AS 195) und dem daran anknüpfenden elektronischen Nachrichtenverkehr zwischen dem Vertreter des Beschwerdeführers und der belangten Behörde (AS 197 ff).
Aus der Vollmacht vom 07.11.2019 (AS 157) ergibt sich, dass diese keine Zustellvollmacht umfasst.
Die Feststellung der Beschwerdeerhebung ergibt sich aus der e-Mail vom 25.11.2019, mit der die Beschwerde an das BFA übermittelt wurde.
Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer in Schubhaft befindet, ergibt sich aus einem Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:
1. Die Erlassung eines Bescheides setzt voraus, dass die betreffende Erledigung der Partei entweder mündlich verkündet oder zugestellt (ausgefolgt) wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 62, Rz 3). Wird ein "Bescheid" im Einparteienverfahren nicht ordnungsgemäß erlassen, dann wird er als Rechtsnorm nicht existent und ist daher auch nicht (dh von niemandem) anfechtbar (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 62, Rz 8, mwN).
Nach Vorlage der Beschwerde durch die belangte Behörde hat das Verwaltungsgericht eine unzulässige Beschwerde mit Beschluss gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG zurückzuweisen, wenn es an einer Prozessvoraussetzung mangelt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG, Rz 23, mwN). Dies ist der Fall, wenn sich die Beschwerde nicht gegen einen Bescheid richtet, weil der betreffende Akt keine Bescheidqualität aufweist, nicht rechtswirksam erlassen oder wieder aufgehoben wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG, Rz 24).
2. Gemäß § 13 Abs. 1 Zustellgesetz ist das Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.
Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
Gemäß § 19a Abs. 1 Meldegesetz hat die Meldebehörde einem Obdachlosen auf Antrag zu bestätigen, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde hat (Hauptwohnsitzbestätigung), wenn er glaubhaft macht, dass er seit mindestens einem Monat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen ausschließlich im Gebiet dieser Gemeinde hat, und im Gebiet dieser Gemeinde eine Stelle bezeichnen kann, die er regelmäßig aufsucht (Kontaktstelle). Nach § 19a Abs. 2 Meldegesetz gilt die Kontaktstelle als Abgabenstelle im Sinne des Zustellgesetzes, sofern der Obdachlose hiezu die Zustimmung des für diese Stelle Verfügungsberechtigten nachweist.
Gemäß § 11 Abs. 1 BFA-VG ist eine Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 2 Meldegesetzt im Verfahren vor dem BFA keine Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes.
Im gegenständlichen Fall wurde das zuzustellende Dokument, die Erledigung des BFA vom 11.11.2019, dem Beschwerdeführer an der Anschrift XXXX , durch Hinterlegung beim Postamt übermittelt. Der Beschwerdeführer ist an dieser Anschrift als obdachlos gemeldet. Es handelt sich dabei um eine Kontaktstelle iSd § 19a Meldegesetz (vgl. VwGH 11.09.2008, 2007/08/0049; 23.11.2006, 2003/20/0519). Da gemäß § 11 Abs. 1 BFA-VG eine Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 2 Meldegesetzt im Verfahren vor dem BFA keine Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes ist, konnte durch Übermittlung des Bescheides an diese Adresse keine rechtswirksame Zustellung erfolgen.
3. Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
Ab dem Wirksamwerden einer Zustellungsvollmacht (Zugang an die Behörde) kann nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten zugestellt werden. Er ist als Empfänger zu bezeichnen. Zustellungen an den Vollmachtgeber selbst sind unwirksam (vgl. Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 9, K23).
Im vorliegenden Fall bezeichnete die belangte Behörde in ihrer Zustellverfügung vom 11.11.2019 (auch) den Vertreter des Beschwerdeführers als Empfänger.
Gemäß § 7 Zustellgesetz gilt - wenn im Verfahren der Zustellung Fehler unterlaufen - die Zustellung in dem Zeitpunkt als bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. "Empfänger" im Sinne dieser Bestimmung ist nicht die Person, für die das Dokument inhaltlich bestimmt ist, die es betrifft, sondern die Person, an die es die Behörde gerichtet hat, die in der Zustellverfügung von ihr als Empfänger angegeben worden ist. Die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung kann nicht heilen (vgl. VwGH 25.02.2019, Ra 2017/19/0361).
Für wen nach dem - allein maßgebenden - Willen der Behörde das Schriftstück bestimmt ist, wer also "Empfänger" desselben im Sinn des Zustellgesetzes ist, hängt von der Zustellverfügung ab. Die Zustellung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, entsprechend der Zustellverfügung vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten, dies selbst im Fall des tatsächlichen Zukommens an die Partei. Auch bewirkt weder die bloße Kenntnisnahme von einem Bescheid noch die private Anfertigung einer Fotokopie davon noch etwa die Übermittlung einer Telekopie durch eine von der Behörde verständigte andere Person, dass das Schriftstück tatsächlich zugekommen und eine Heilung des Zustellmangels im Sinn des § 7 ZustG eingetreten ist (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/05/0013).
Die Vollmacht des sohin nach dem Willen des BFA als Empfänger anzusehenden Vertreters des Beschwerdeführers umfasste allerdings ausdrücklich keine Zustellvollmacht, weshalb es sich beim Vertreter des Beschwerdeführers nicht um einen Zustellbevollmächtigten iSd § 9 Zustellgesetz handelte. Die Zustellung an den Vertreter des Beschwerdeführers war daher fehlerhaft.
Die Zustellung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, vermag gegenüber der Partei, selbst im Fall des tatsächlichen Zukommens an die Partei, keine Rechtswirkungen zu entfalten. Wenn ein unzutreffender Empfänger in der Zustellverfügung genannt wird, so liegt kein Fall vor, bei dem im Sinne des § 7 Abs. 1 Zustellgesetz durch das tatsächliche Zukommen des Dokumentes an den Empfänger eine Heilung eines Zustellmangels und damit eine wirksame Zustellung erfolgen könnte (vgl. VwGH 20.03.2018, Ro 2017/05/0015 mit Hinweis auf VwGH 23.11.2016, Ra 2015/05/0092).
Da der Vertreter des Beschwerdeführers zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter angesehen wurde, wurde trotz der nachweislichen Übermittlung der behördlichen Erledigung an den Vertreter des Beschwerdeführers und der nachweislichen Übergabe der Erledigung durch den Vertreter an den Beschwerdeführer keine wirksame Zustellung bewirkt.
4. Da im Ergebnis keine wirksame Zustellung erfolgte, ist der "Bescheid" vom 11.11.2019 nicht rechtswirksam erlassen worden, weshalb er nicht existent und auch nicht anfechtbar ist. Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0069).
5. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen, da die Beschwerde zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.
Schlagworte
Bescheid Bescheiderlassung Grundversorgung Vollmacht Zurückweisung Zustellbevollmächtigter Zustellmangel Zustellung ZustellverfügungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L524.1421079.6.00Im RIS seit
21.09.2020Zuletzt aktualisiert am
21.09.2020