TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/9 L529 1418847-4

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Veröffentlicht am 09.12.2019
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Entscheidungsdatum

09.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L529 1418847-4/2E

L529 1418848-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter im Verfahren über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. am XXXX und 2.) XXXX , geb. am XXXX , beide StA. Türkei und beide vertreten durch RA Mag. Manuel DIETRICH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg vom 29.10.2019, Zlen. zu 1.) XXXX / BMI-BFA_VBG_RD, zu 2.) XXXX / BMI-BFA_VBG_RD, zu Recht:

A) Den Beschwerden wird jeweils hinsichtlich Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide stattgegeben und dieser Spruchpunkt jeweils gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG und § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer [nachfolgend auch BF1 und BF2] stellten nach nicht rechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am 02.11.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Es handelt sich dabei um Ehegatten türkischer Staatsangehörigkeit mit kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und alevitischen Glaubens.

I.1.1. Diese Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 30.03.2011, Zlen. 10 10.222-BAI (BF1) und 10 10.218-BAI (BF2), gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.), sowie die BF gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

I.1.2. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 21.10.2013, Zlen. E6 418.847-1/2011-17E (BF1) und E6 418.848-1/2011-15E (BF2) gem. §§ 3, 8 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Diese Entscheidungen erwuchsen mit der Zustellung an die BF am 29.10.2013 in Rechtskraft.

I.1.3. Die Behandlung der dagegen an den VfGH erhobenen Beschwerden wurde von diesem mit Beschlüssen vom 20.02.2014 abgelehnt.

I.2.1. Am 28.04.2017 stellten die BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Die Folgeanträge der BF wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl [BFA] vom 22.08.2017, Zlen. 535295510-170514613 (BF1) und 535295608-170514605 (BF2), gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.).

Dagegen wurde von den BF durch ihre Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben.

I.2.2. Mit Erkenntnissen vom 29.11.2017, Zl.: L504 1418847-2/6E und L504 1418848-2/6E, wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden gemäß § 68 Abs. 1 AVG idgF, 57, 10 Abs.1 Z 3 AsylG, 52 Abs. 2 Z 2 u. Abs. 9 FPG, 46 FPG, 55 Abs. 1a FPG als unbegründet ab.

I.2.3. Mit Beschluss vom 27.02.2018, Zl.: E 76-77/2018-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab.

I.2.4. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.05.2018, Zl.: Ra 2018/20/0256 bis 0257-4, wurden die gegen die Erkenntnisse des BVwG erhobenen Revisionen zurückgewiesen.

I.3.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29.10.2019, zugestellt am 04.11.2019, wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt III.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.). Gleichzeitig erließ die belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG gegen die Beschwerdeführer ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von 4 Jahren (Spruchpunkt V.)

Zu Spruchpunkt IV. führte die belangte Behörde aus, dass gegebenenfalls der Tatbestand der Ziffer 1 des § 18 Abs. 2 BFA-VG erfüllt sei. Die Asylverfahren der BF seien zuletzt mit Datum 29.11.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Rechtsmittel an die Höchstgerichte seien mit Entscheidungen vom 27.02.2018 bzw. 29.05.2018 negativ verlaufen. Die BF seien ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und hielten sich noch immer illegal im Bundesgebiet auf. Die BF seien wegen Übertretung nach § 120 FPG mit Geldstrafen bestraft worden. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. § 18 Abs. 2 BFA-VG sehe bei Vorliegen des oben genannten Tatbestandes zwingend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vor. Das Interesse der BF auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Verfahrens sei im Hinblick auf das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückehrentscheidung nicht zu berücksichtigen gewesen.

I.3.2. Mit Schriftsatz vom 28.11.2019 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den oben dargestellten Bescheid im Umfang aller Spruchpunkte.

I.3.3. Mit Schreiben vom 29.11.2019 legte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde samt den zugehörigen Verwaltungsakten vor.

Unter Bezugnahme auf o.a. Betreff und die "anberaumte mündliche Beschwerdeverhandlung", erlaube sich das BFA mitzuteilen, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Ungeachtet dessen werde aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung gegenständlicher Beschwerde beantragt und um Übersendung des aufgenommenen Verhandlungsprotokolls ersucht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das erste Asylverfahren der BF wurde am 29.10.2013 rechtskräftig abgeschlossen; eine Ausreise der BF erfolgte nicht.

Das zweite Asylverfahren der BF in Österreich wurde in 2. Instanz am 29.11.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, keine Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 AsylG erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung für zulässig erklärt, sowie keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

Nach negativen Entscheidungen von VfGH (27.02.2018) und VwGH (29.05.2018) kamen die BF ihrer Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nach und halten sich illegal in Österreich auf.

Im Zuge des nunmehrigen Verfahrens über einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 Abs. 1 AsylG legten die BF Dokumente zu ihrer Integration sowie zum Gesundheitszustand vor.

Ein Versuch, am 14.05.2019 beim türkischen Konsulat in Salzburg ein Heimreisezertifikat zu erlangen, scheiterte.

Es bestehen rechtskräftige Bestrafungen nach § 120 FPG hinsichtlich des BF1 in Höhe von ? 500,--, ? 2.500,-- und ? 70,-- aus den Jahren 2014, 2017 und 2018 sowie hinsichtlich der BF2 in Höhe von ? 600,--- aus dem Jahr 2017.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten und der Einsichtnahme in die entsprechenden Register (ZMR, GVS).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung von Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides

§ 18 BFA-VG lautet:

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über

einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."

Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) erging: In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids des Bundesamts) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und könne es dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Nunmehr hat der Gesetzgeber entsprechend festgelegt, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche von Amts wegen zu erfolgen hat; der Beschwerdeführer kann eine Entscheidung aber nach Ablauf dieser Frist mittels eines Fristsetzungsantrags herbeiführen (vgl. § 18 Abs. 5 letzter Satz BFA-VG).

Aus dem Inhalt der Beschwerden ergibt sich, dass die Entscheidungen des BFA ihrem gesamten Inhalt und Umfang nach angefochten werden, d.h. dass sich diese ausdrücklich auch gegen Spruchpunkt IV. richten, weswegen die Beschwerdeführer sich nach der oben zitierten Judikatur zulässigerweise auch gegen den die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verfügenden Spruchpunkt des betreffenden Bescheides der belangten Behörde vom 29.10.2019 richtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher über die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt zu entscheiden.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 BFA-VG ist anders als die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1. BFA-VG zwingend vorgesehen (28.04.2015, Ra 2014/18/0146). Das Bundesverwaltungsgericht hat zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG vorliegen.

Zur im Wortlaut wortgleichen Erfordernis der Notwendigkeit einer "sofortige[n] Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" nach § 52 Abs. 6 FPG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es bei der Beurteilung dieser Voraussetzung nicht schlichtweg auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ankommt, sondern darauf, ob angesichts einer solchen Gefährdung die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet erforderlich ist (VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007).

Nach der Rechtsprechung des VwGH genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren.

Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also [.....] das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (vgl. VwGH v. 04.04.2019, RAa2019/21/0053).

Mit der Frage, ob die sofortige Ausreise der Beschwerdeführer erforderlich ist, setzt sich die belangte Behörde allerdings nicht entsprechend auseinander, sondern beschränkt sie ihre Ausführungen darauf, dass die BF ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen seien, sie sich noch immer illegal im Bundesgebiet aufhielten, gegen sie wegen Übertretung nach § 120 FPG Geldstrafen verhängt worden seien und im vorliegenden Fall davon auszugehen sei, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden als solches eine Störung der Öffentlichen Ordnung darstellt. Nachdem der Gesetzgeber für Beschwerden gegen Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs. 3 FPG aber nicht vorgesehen hat, dass diesen keine aufschiebende Wirkung zukommen soll, müssen für die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise iSd § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG besondere Umstände hinzutreten. Derartige Umstände, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, hat das BFA mit der oben dargestellten Begründung - bei Dauer des gegenständlichen Verfahrens seit 13.03.2019, zweimaliger Fristverlängerung für Verfahrensschritte und Unterlassen einer persönlichen Einvernahme der BF - nicht aufgezeigt.

Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides war daher ersatzlos zu beheben.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Nachdem sich aus der Aktenlage klar ergeben hat, dass Spruchpunkt IV. ersatzlos zu beheben war, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (Vgl. dazu auch VwGH 20.11.2014, Ra 2014/07/0052).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht orientiert sich bei seiner Entscheidung an der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu, dass sich die Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise nicht schon aus der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit selbst ergibt (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053; VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007) sowie am klaren Wortlaut des Gesetzes.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Familienverfahren Folgeantrag Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L529.1418847.4.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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