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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des W in W, Deutschland, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 22. Juli 1997, Zl. 1-0450/97/E6, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung als verspätet in Angelegenheit Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 29. November 1996 wurde der Beschwerdeführer zweier Übertretungen der StVO für schuldig befunden und hiefür bestraft; dieses Straferkenntnis wurde am 3. Dezember 1996 zu Handen einer österreichischen Rechtsanwältin, welche als Zustellungsbevollmächtigte (im Sinne des § 10 Zustellgesetz) namhaft gemacht worden war, zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 13. Jänner 1997 (Postaufgabe) stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen das zitierte Straferkenntnis und erhob gleichzeitig dagegen Berufung.
Begründet wurde dieser Wiedereinsetzungsantrag damit, das der österreichischen Rechtsanwältin zugestellte Straferkenntnis habe diese am 6. Dezember 1996 per Fax an den deutschen Rechtsanwalt J. (den Vertreter des Beschwerdeführers) übersandt und gleichzeitig darauf hingewiesen, daß die Berufungsfrist am 16. Dezember 1996 ende. Auf Grund eines Kanzleiversehens sei Rechtsanwalt J. die Berufungsfrist nicht zur Kenntnis gebracht worden, da es die für die Entgegenahme der Post verantwortliche Angestellte dieses Rechtsanwaltes verabsäumt habe, die Berufungsfrist im Fristenkalender einzutragen und den Akt dem Rechtsanwalt vorzulegen. Rechtsanwalt J. sei infolgedessen nicht in der Lage gewesen, Kenntnis davon zu erlangen, daß das Straferkenntnis ergangen sei und die Berufungsfrist am 16. Dezember 1996 ende. Bei der erwähnten Angestellten handle es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, die, wie regelmäßige Kontrollen durch den Rechtsanwalt J. ergeben hätten, den Fristenkalender seit vielen Jahren sorgfältig und fehlerlos führe. Ebenso sorgfältig und fehlerlos werde die eingehende Post, insbesondere auch eingehende Fax-Schreiben, behandelt und regelmäßig unverzüglich dem Rechtsanwalt vorgelegt. Nachdem im vorliegenden Fall versehentlich die Frist nicht eingetragen und der Akt auch nicht vorgelegt worden sei, habe Rechtsanwalt J. erst am 30. Dezember 1996, als ihm im Wege der turnusgemäßen Wiedervorlage der Akt vorgelegt worden sei, Kenntnis von der versäumten Frist erlangt. Zur Glaubhaftmachung dieser Ausführungen würden in der Anlage die eidesstattlichen Versicherungen der Angestellten und des Rechtsanwaltes J. beigefügt.
Mit Bescheid vom 22. April 1997 wies die Bezirkshauptmannschaft Bregenz diesen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Berufung auf § 71 Abs. 1 AVG ab. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 22. Juli 1997 keine Folge und wies gleichzeitig die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 29. November 1996 als verspätet zurück.
Gegen diesen Bescheid vom 22. Juli 1997 richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Verfehlt sind die Ausführungen in der Beschwerde im Zusammenhang mit der Frage, ob der Beschwerdeführer zu Recht der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen für schuldig befunden und hiefür bestraft wurde, weil dies nicht Gegenstand des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides ist.
Die im Instanzenzug ergangene Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist - und damit auch die Zurückweisung der Berufung als verspätet - ist nicht als rechtswidrig zu erkennen:
Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich, denn er selbst hat die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks betraut worden ist und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt muß die Aufgaben, die aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit erfüllen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Er muß gegenüber diesem Apparat alle Vorsorgen treffen, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und in dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht. Insbesondere muß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen eine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet waren (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 96/21/1048).
Im Beschwerdefall wird die Versäumung der Berufungsfrist darauf zurückgeführt, daß die erwähnte Angestellte nach Einlangen des Straferkenntnisses verabsäumt habe, dem Rechtsanwalt den bezughabenden Akt (einschließlich des Straferkenntnisses) vorzulegen, wodurch dieser vom Lauf der Berufungsfrist keine Kenntnis erlangen hätte können; dies sei erst bei einer "turnusgemäßen" Wiedervorlage des Aktes erfolgt. Daß die unverzügliche Vorlage der einlangenden Post (hier: des Straferkenntnisses) aber im Sinne der obzitierten
hg. Rechtsprechung durch ein "wirksames Kontrollsystem" sichergestellt gewesen sei, wird allerdings nicht behauptet. Die "turnusgemäße" Wiedervorlage des bezughabenden Aktes reicht dafür nicht aus, sodaß in der insoweit mangelhaften Organisation des Kanzleibetriebes des Rechtsanwaltes kein minderer Grad des Versehens zu erblicken ist (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 96/21/1048). Die Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher frei von Rechtsirrtum. Im Hinblick darauf erweist sich auch die Zurückweisung der Berufung als verspätet nicht mit Rechtswidrigkeit belastet.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997020375.X00Im RIS seit
20.11.2000