TE Bvwg Beschluss 2019/12/16 L515 2226353-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.12.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L515 2226353-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9.12.2019, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , XXXX , StA. der Republik Armenien, beschlossen:

A.) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (nachfolgend als "bP bezeichnet") ist ein männlicher Staatsangehöriger der Republik Armenien und brachten nach am 27.1.2002 erfolgter rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Die bP stützte sich im Vorbringen auf die Verfolgung durch die armenischen Behörden aufgrund ihrer behaupteter maßen aserischen Abstammung.

Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.02.2007, Zahl XXXX abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Ihr Vorbringen unglaubhaft sei. Die Behandlung der Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnt (Beschluss vom 2007/19/0236 bis 0239-7 vom 28.08.2009).

Einem über sie verhängtes unbefristetes Aufenthaltsverbot des XXXX (Bescheiddatum 21.09.2004) lagen nachstehende rk. Verurteilungen zu Grunde (auszugsweise Zitierung aus dem Bescheid):

* Sie wurden am 09.10.2002 vom XXXX wegen §§ 15 und 127 StGB unter GZ: XXXX zu einer Freiheitsstrafe von einer Woche bedingt auf ein Probezeit von 3 Jahren verurteilt. Das Urteil erwuchs am 15.10.2002 in Rechtskraft.

* Sie wurden am 26.03.2003 vom XXXX wegen §§ 15 und 127 StGB unter GZ: XXXX zu einer Freiheitsstrafe von einer Woche bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt. Das Urteil erwuchs am 01.04.2003 in Rechtskraft.

* Sie wurden am 24.10.2003 vom XXXX wegen §§ 207/1 (sexueller Missbrauchs von Unmündigen), 15, 202/1 (geschlechtliche Nötigung), 15/1, 83/1 (schwere Körperverletzung), 107/1 und 2, 83/1, 84 Abs. 2/1 und 2, §§ 15, 105/1, 106 Abs. 1/1, 105/1, 106 Abs 1/1 (1. Fall), 91/2 (1. Fall) StGB unter GZ: XXXX zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 24.10.2003 in Rechtskraft.

* Sie wurden am 09.11.2006 vom XXXX wegen §§ 127, 130 (1.Fall) und 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 09.11.2006 in Rechtskraft.

I.2. Am 22.06.2010 brachte die bP neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ein.

Im Zuge der Erstbefragung gab der BF an, deswegen einen weiteren Asylantrag gestellt zu haben, weil er neue Probleme bzw. neue Fluchtgründe hätte. Die bP stützte sich auf einen Internetbericht, wonach am 18.06.2010 vier Armenier ermordet worden wären und darauf, vor vier Tagen von ihrem Onkel in Armenien eine Ladung zur armenischen Polizei erhalten zu haben. Diese Ladung hätte der Onkel bereits seit November 2009 in seinem Besitz gehabt, hätte aber keine Möglichkeit gehabt, der bP diese zuzuschicken. Auf der Ladung stünde ein Paragraph, er wüssten aber nicht, worum es bei dieser Ladung ginge. Früher wären aserische Gefangene gegen armenische Gefangene ausgetauscht worden.

Im Falle einer Rückkehr würde sie befürchten umgebracht zu werden.

Die armenische Botschaft hätte der bP kein Heimreisezertifikat ausgestellt, weil die Identität nicht festgestellt werden konnte.

Am 16.8.2010 wurde der BF abermals beim BAA Linz einvernommen.

Am 23.08.2010 wurden Erhebungen bezüglich der vorgelegten Ladung und Eheunbedenklichkeitsbescheinigung eingeleitet.

Am 23.08.2010 wurde eine Taufbescheinigung vorgelegt.

Die vorgelegte Ladung wurde als Totalfälschung qualifiziert.

Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.11.2010, AIS-Zahl: 02 02.728 § 68 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl 1991/51 idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die bP wurde gemäß § 10 Absatz 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen. Der Bescheid erwuchs am 08.12.2010 erstinstanzlich in Rechtskraft.

Am 12.09.2013 wurde durch die rechtsfreundliche Vertretung beim Magistrat Krems ein Antrag auf Aufhebung eines gegen Sie erlassenen Aufenthaltsverbotes gestellt.

Folglich wurde die bP neuerlich wegen strafrechtlich relevanter Sachverhalte rk. Verurteilt:

- Am 13.01.2014 wurde der BF vom XXXX zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten, Probezeit 3 Jahre, wegen strafbarer Handlungen nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs.1 mit Rechtskraft 05.05.2014 verurteilt.

- Am 23.04.2014 wurde die bP vom XXXX zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten, Probezeit 3 Jahre, wegen strafbarer Handlungen nach § 224a StGB mit Rechtskraft, 23.04.2014 verurteilt.

I.3. Am 11.9.2014 brachte die einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein. Begründend führte die bP aus, dass sich die Probleme sowie die Sicherheitslage zwischen Armenien und Aserbaidschan verschlechtert haben.

Am 26.11.2014 wurden beim Bundesamt seitens der rechtsfreundlichen Vertretung Ergänzungen zum Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes eingebracht. Mit Bescheid des Bundesamts vom 07.03.2016, Rechtskraft 08.04.2016, wurde dem Antrag stattgegeben und das erlassene Aufenthaltsverbot aufgehoben.

Folglich wurde die bP abermals wie nachstehend dargelegt wegen der Verwirklichung strafrechtlich relevanter Sachverhalte verurteilt:

- Am 01.09.2015 wurde der BF vom XXXX zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten wegen strafbarer Handlungen nach §§ 107 Abs. 1 StGB, 15 StGB und 127 StGB mit Rechtskraft 07.04.2016 verurteilt.

- Am 13.06.2016 wurde er vom XXXX zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten wegen strafbarer Handlungen nach §§ 127, 129 (1) Z 1, 129 (2) Z 1 StGB § 15 StGB mit Rechtskraft 16.06.2016 verurteilt.

- Am 23.09.2016 wurde der BF vom XXXX zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten wegen strafbarer Handlungen nach §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (2) SMG mit Rechtskraft 23.09.2016 verurteilt.

Am 19.07.2017 wurde der die Verfahrensanordnung vom 13.07.2017 gem. § 13 Abs. 2 AsylG idgF wegen Straffälligkeit ausgehändigt.

Am 28.07.2017 wurden die in der Justizanstalt XXXX durch ein Organ des Bundesamtes zu Ihrem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Den Fluchtgrund betreffend gäbe der BF Folgendes an:

...

F.: Hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

A.: Wie soll ich sagen. Wir wurden unterdrückt.

F.: Wer ist wir?

A.: Unsere Familie, aber hauptsächlich ich.

F.: Von wem wurden sie wann und weswegen unterdrückt?

A.: Es herrschte Anarchie in der Stadt. Die Polizei hat mich unterdrückt. Ich wurde von der Polizei mitgenommen und misshandelt. Ich sollte den Militärdienst ableisten und als Dolmetscher arbeiten.

V.: Das haben Sie früher schon angegeben

A.: Ich weiß nicht was ich früher angegeben habe.

...

F.: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)?

A.: Alle wollten mich umbringen, weil mein Vater Aserbaidschaner war, weil wegen des Krieges viele Armenier in Aserbaidschan ermordet wurden und umgekehrt.

...

F.: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

...

A.: Ich habe vor 15 Monaten wieder Zeitungen bekommen, ca. ein halbes Jahr vor meiner Festnahme. Es ist wieder ein Krieg ausgebrochen zwischen Armenien und Aserbaidschan. Es ist gefährlich für mich in Aserbaidschan. Da ist der einzige Grund. Ich kann nicht zurück.

...

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.

A.: Ich werde festgenommen, dann weiß ich nicht. Dann werde ich umgebracht oder ausgenutzt.

..."

Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Akt ersichtlichen Bescheid der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Der Beschwerde wurde gem. § 18 (1) Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die bP wurde während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet im nicht bloß geringfügigen Ausmaß wiederholt delinquent und wurde in Bezug auf die bP ein inzwischen in Rechtskraft erwachsenes Einreiseverbot in der Dauer von 5 Jahren erlassen.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt.

Gem. § 53 FPG wurde in Bezug auf die bP ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen.

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft.

Eine gegen den angefochtenen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit ho. Erkenntnis vom 16.6.2018, L518 1252553-2/3E in allen Spruchpunkten rechtskräftig abgewiesen.

I.4. Am 15.5.2019 stellte die bP einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid der belangten Behörde (bB) vom 12.8.2019 wegen entschiedener Sache gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen wurde und in Rechtskraft erwuchs.

Die bP befindet sich seit 20.9.2019 aufgrund eines Auslieferungsersuchen der Russischen Föderation in Auslieferungshaft.

I.5. Am 2.12.2019 brachte die bP den nunmehr fünften Antrag auf internationalen Schutz ein.

Zur Begründung des nunmehrigen Antrages brachte die bP vor, es hätte sich an ihren Gründen nichts geändert. Sie hätte keine Einwände gegen eine Abschiebung nach Armenien, sie wolle jedenfalls nicht an die Russische Föderation ausgeliefert werden.

I.6. Mit im Spruch genannten Bescheid wurde der bP der faktische Abschiebeschutz aberkannt und die Akte dem ho. Gericht vorgelegt.

I.7. Die armenischen Behörden identifizierten die bP zwischenzeitig als XXXX , am XXXX geb., StA der Republik Armenien und stellten ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung aus, welches bei der bB aufliegt.

I.11. Zwischenzeitig wurde die bP wegen folgender Straftaten rechtskräftig verurteilt:

- Urteil vom 31.7.2018, §§ 127 (1), 129 (1) Z 3, 15 StGB, Freiheitsstrafe von 8 Monaten

- Urteil vom 11.2.2019, § 3 15 StGB, 269 (1) StGB, Freiheitsstrafe von 4 Monaten

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem beschriebenen Verfahrenshergang.

In Bezug auf die behaupteten bzw. feststellbaren Ausreisegründe bzw. Rückkehrhindernisse ergab sich -abgesehen von der weiter fortgeschrittenen Delinquenz- seit der letzten rechtskräftigen inhaltlichen Entscheidung über den beantragten internationalen Schutz keine maßgebliche Änderung.

Im Hinblick auf die Republik Armenien ist von einer im wesentlichen unbedenklichen menschenrechtlichen Lage und Sicherheitslage auszugehen. Ebenso ist aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat davon auszugehen, dass sie dort über eine entsprechende Existenzgrundlage verfügt und aufgrund der Stellung eines internationalen Schutzes im Ausland im Falle einer Rückkehr mit keinerlei Repressalien zu rechnen hat. Medizinische oder sonstige Abschiebehindernisse kamen nicht hervor.

Die Republik Armenien ist ein sicher Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG und ist daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit dieses Staates auszugehen (vgl. Erk. des VfGH vom 15.10.20014 G237/03 ua).

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte der bB sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Dieser wurde von den Verfahrensparteien nicht in Zweifel gezogen.

Aufgrund dieser normativen Vergewisserung der Sicherheit in Bezug auf die Republik Armenien besteht für die bB bzw. das ho. Gericht die Obliegenheit zur amtswegigen Ermittlung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage nur insoweit, als seitens der bP ein konkretes Vorbringen erstattet wird, welches im konkreten Einzelfall gegen die Sicherheit Armeniens und Georgiens spricht und der bB bzw. dem ho. Gericht im Lichte der bereits genannten Kriterien die Obliegenheit auferlegt, ein entsprechendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen. Ein derartiges Vorbeingen wurde jedoch nicht erstattet. Die Behörde bzw. das ho. Gericht ist jedenfalls nicht verpflichtet, Asylgründen nachzugehen, die der Antragsteller gar nicht behauptet hat (Erk. des VfGH vom 15.10.2014 G237/03 ua mit zahlreichen wN).

Dass sich keine maßgebliche Änderung in Bezug auf die Begründung des Antrags im Vergleich zur letztmaligen meritorischen Entscheidung ergab, ergibt sich aus dem Vorbringen der bP und mangels gegenteiliger Hinweise im Ermittlungsverfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Zu Spruchteil A)

3.2. Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 idgF lautet:

"(1) ...

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) - (6) ...

2.2.2. Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwatungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes " betitelte § 22 BFA- VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) ..."

3.3. Zu den Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

Zu Z 1: In Bezug auf die bP besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Zu Z 2: "Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235).

Einem zweiten bzw. weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266). Selbiges gilt, wenn sich das neue Parteibegehren mit dem früheren deckt (etwa das Begehren der Gewährung von internationalem Schutz), die Partei dieses Begehren bei gleich gebliebener Sach- und Rechtslage jedoch anders begründet (vgl. ho. Erk. v. 6.10.2011, Zl. E10 417.640-2/2011/3E, E10 417.639-2/2011/3E, Zl. E10 417.641-2/2011/3E).

Aus dem dargestellten Verfahrenshergang ergibt sich somit, dass der Antrag voraussichtlich gem. § 68 AVG zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

Zu Z 3: Nach Prüfung der Sachlage ist davon auszugehen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der bP nach Armenien keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für sie als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es ergaben sich bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen weder aus der allgemeinen Lage in den Herkunftsstaaten, noch aus der Person der bP entsprechende Abschiebehindernisse.

Auch brachte die bP keine außergewöhnliche Integration vor und ergab sich eine solche auch nicht im Rahmen der amtswegigen Ermittlungen. Auf die wiederholte und zum Teil schwere Delinquenz der bP sei an dieser Stelle nochmals verwiesen.

In Bezug auf das privat- und Familienleben der bP sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass sich aus dem bloßen Ablauf von Zeit und sich hieraus allfällig ergebenden weiteren Anknüpfungspunkten per se noch kein neuer Sachverhalt ableiten lässt.

Bei folgenden Konstellationen ging der VwGH von keiner wesentlichen Änderung des Sachverhalts im Sinne der oa. Erwägungen aus (exemplarische und auszugsweise Zitierung der Judikatur ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Erk. vom 27.1.2015, Ra 2014/22/0094: Weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren [Anm.: in einem anderen Erk. 2, 5 Jahre] zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen stellen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/087 dar (Hinweis E 22. Juli 2011, 2011/22/0138; E 9. September 2013, 2013/22/0215).

Erk. vom 27.1.2015, Ra 2014/22/0108: Ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag (dem im Hinblick darauf, dass der Fremde mangels entsprechender Deutschkenntnisse keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hat, die Relevanz abgesprochen wurde) und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses durch die Fremde können keine umfassende Neubeurteilung iSd Art 8 MRK nach sich ziehen (vgl. E 10. Dezember 2013, 2013/22/0362; E 29. Mai 2013, 2011/22/0013).

Erk. vom 19.11.2014, 2012/22/0056: Die Behörde hat die Sprachkenntnisse des Fremden und die Einstellungszusage ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Behörde in diesen Umständen keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhalts sah, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 MRK erfordert hätte (vgl. E 13. Oktober 2011, 2011/22/0065).

Er. vom 19.11.2014, 2013/22/0017: Mit Patenschaftserklärungen wird letztlich nur die finanzielle Unterstützung des Fremden dokumentiert und keine iSd Art. 8 MRK relevante Integration dargelegt (vgl. E 22. Juli 2011, 2011/22/0112).

Erk. vom 30.7.2014: 2013/22/0205: Aus den vom Fremden neu vorgebrachten Umständen - den vorgelegten Empfehlungsschreiben und seinem sozialen Engagement beim Roten Kreuz - allein musste die Behörde nicht auf eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes schließen (vgl. E 11. November 2013, 2013/22/0250, und 2013/22/0217).

Den exemplarisch zitierten Einzelfallentscheidungen ist zu entnehmen, dass nicht jede Änderung in Bezug auf die privaten und familiären Anknüpfungspunkte zur Erforderlichkeit einer neuerlichen meritorischen Prüfung des Antrages führt, sondern dass dies nur dann der Fall ist, wenn der Änderung eine nicht nur bloße untergeordnete Tatbestandsrelevanz zukommt. Solche Umstände kamen jedoch nicht hervor.

Der Tatbestand des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG ist somit ebenfalls erfüllt.

3.4. Ein ausreichendes Ermittlungsverfahren wurde seitens der bB geführt und ist darauf hinzuweisen, dass aus dem Wesen des Grundsatzes des "ne bis in idem" in Bezug auf jenen Sachverhalt, welcher sich vor Eintritt der Rechtskraft des ho. Erkenntnis vom 16.6.2018, L518 1252553-2/3E ereignete, seitens der bB keine weitere meritorische Prüfung des Vorbringens vorzunehmen war.

3.5. Ebenso kann davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung der bP -sollte sie nicht freiwillig ausreisen (was aufgrund der verhängten Auslieferungshaft sehr unwahrscheinlich ist) oder an die Russische Föderation ausgeliefert werden- zeitnahe bevorsteht, zumal bereits ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung vorliegt.

3.7. Da insgesamt die Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der im Spruch genannte mündlich verkündete Bescheid des BFA rechtmäßig.

3.8. Aufgrund der vorgetragenen Sprachkenntnisse der bP konnte die Übersetzung der maßgeblichen Teile des gegenständlichen Erkenntnisses unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Auslegung des Begriffs des Refoulements, sowie des durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienlebens, bzw. zur Bindungswirkung bereits rechtskräftig vorliegender Entscheidungen bzw. zum Rechtsgrundsatz des "ne bis in idem" abgeht. Ebenso orientiert sich das ho. Gericht an der höchstgerichtlichen Judikatur zu § 12a AsylG.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

entschiedene Sache faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag res iudicata Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L515.2226353.1.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten