Entscheidungsdatum
17.12.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
L529 2219151-3/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EAST Ost, vom 06.12.2019, Zl. IFA: XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 idgF, nicht rechtmäßig. Der zitierte Bescheid wird daher aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrenshergang
I.1. Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge auch "BF"), eine georgische Staatsangehörige, reiste im April 2019 in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.04.2009 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab sie an, dass im November 2017 bei ihr Brustkrebs festgestellt worden sei. Sie sei in der Türkei behandelt worden, die Behandlungen seien aber sehr kostspielig gewesen. In Georgien habe sie keine finanzielle Unterstützung erhalten, sie sei daher gezwungen gewesen, nach Österreich zu reisen, mit der Hoffnung auf medizinische Hilfe.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.04.2019 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.), der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG wurde der BF eine Wohnsitzauflage erteilt (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen die BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).
Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.06.2019, Zl.: L518 2219151-1/10Z, wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses wurde innerhalb der gesetzlichen Frist nicht gestellt - mit 16.07.2019 erging die gekürzte Ausfertigung des am 25.06.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses. Rechtskraft trat mit Zustellung am 19.07.2019 ein.
I.1.2. Am 11.11.2019 stellte die BF einen weiteren - gegenständlichen - Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Die BF brachte dabei vor, dass sie am 10.11.2019 erneut eingereist sei, um hier ihre Behandlungen fortzusetzen; die alten Fluchtgründe seien aufrecht.
In der niederschriftlichen Einvernahme beim BFA am 06.12.2019 gab die BF an, dass sie ein Schriftstück, dass die Behandlung [in Georgien] nicht bezahlt werde (neben anderen Dokumenten) vorlege.
Im Übrigen gab sie an, dass sich ihre Fluchtgründe nicht geändert hätten.
I.1.3. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2019 erfolgte die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG.
Begründend legte das BFA im Wesentlichen dar, dass die BF ein georgisches Schriftstück und 2 Schriftstücke aus dem AKH als Beweismittel in Vorlage gebracht habe.
Bis zur Bescheiderlassung hätte sich weder eine sonstige schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch eine schwere psychische Störung, die bei einer Überstellung/Abschiebung nach Georgien eine unzumutbare Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bewirken würde, ergeben. Es würden unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände existieren, welche einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.
Die BF habe im Verfahren im Wesentlichen vorgebracht, dass sich ihre Fluchtgründe nicht geändert hätten, sie wolle nach wie vor aufgrund ihrer Brustkrebserkrankung behandelt werden. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Ihr nunmehriges Vorbringen sei nicht glaubwürdig. Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
Wenn nur Nebenumstände modifiziert würden - so wie in diesem Fall - die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich seien, so ändere das nichts an der Identität der Sache.
Das BFA könne daher nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert sei. Es liege sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor. Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen.
Anzumerken sei noch, dass der Maßstab für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes § 12 a (2) [AsylG] lediglich eine Prognoseentscheidung sei und diese aufgrund des Vorbringens der BF eine voraussichtliche Zurückweisung bedinge, da keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts erkennbar sei.
Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsland der BF in Verbindung mit ihrem Vorbringen drohe ihr keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben.
I.1.4. Die gegenständliche Rechtssache wurde der Gerichtsabteilung L529 mit Datum 12.12.2019 zugeteilt. Das vollständige Einlangen der zugehörigen Akten in der Außenstelle Linz (auch der Vorverfahren) wurde vom erkennenden Richter mit 13.12.2019 bestätigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Die BF legte im Zuge des nunmehrigen Verfahrens auf internationalen Schutz Dokumente in georgischer Sprache (Georgisches Schriftstück über Anamnese; Schriftstück, dass die Behandlung nicht bezahlt wird; 2 Schriftstücke aus dem AKH vom 25.11.2019 und 02.12.2019 - vgl. AS 129; 185 - 203) vor.
Hinsichtlich der Dokumente in georgischer Sprache liegt nur zu einer Seite (AS 189) eine Übersetzung (AS 191) vor und ist auch diese unvollständig, weil nicht die ganze Seite (AS 189) übersetzt ist. Zu den restlichen Dokumenten fehlt eine Übersetzung.
Die BF hatte zu den vorgelegten Dokumenten auf die Frage nach der Rückübersetzung, ob alles richtig und vollständig protokolliert worden sei, angegeben, dass in den Länderfeststellungen stehe, dass die Behandlungen [Anm. in Georgien] bezahlt werden, aber das sei nicht so, deswegen habe sie das Schriftstück mitgebracht; sie habe das Geld nicht (AS 131).
Ermittlungen zu diesen vorgelegten Dokumenten sind den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen, großteils fehlt die Übersetzung in die deutsche Sprache. Den Dokumenten sind die Datumsangaben 25.09.2019, 26.09.2019, 11.10.2019 und 09.08.2019 (AS 189, 197, 199, 201) zu entnehmen.
Es fehlt also eine Befassung der bB mit diesen vorgelegten Dokumenten, was diese konkret aussagen und von wem konkret die Dokumente stammen. Beweiswürdigende Überlegungen zu diesen Dokumenten fehlen völlig. In der rechtlichen Beurteilung finden die von der BF vorgelegten Beweismittel ebenso keine Erwähnung.
II.2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Zu Spruchteil A)
Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:
II.3.2.
§12a (2) AsylG 2005 idgF:
"Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."
§ 22 (10) Asylg 2005 idgF:
"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."
"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
II.3.3. Zu den Voraussetzungen des § 12 a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:
II.3.3.1. Eine der Voraussetzungen für die Aberkennung faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird.
II.3.3.2.
"Siehe dazu die Erl zur RV 330 BlgNR XXIV. GP 11 ff des FrÄG 2009, auf das § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im Kern zurückgeht: "Abs. 2 regelt die Vorgangsweise bei Folgeanträgen nach [...] zurück- oder abweisenden Entscheidungen (§§ 3, 4, 8 und diesen Entscheidungen folgende Entscheidungen gemäß § 68 Abs. 1 AVG) und bestimmt, dass der faktische Abschiebeschutz eines Fremden in diesen Fällen während des laufenden Verfahrens zur Entscheidung über den Folgeantrag unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden kann. [...] Die Änderung des Sachverhalts hat sich in zeitlicher Hinsicht auf den zum Entscheidungszeitpunkt des vorigen Verfahrens festgestellten Sachverhalt zu beziehen. Die Z 2 stellt eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags dar. [...] Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 1 AVG hat es sich um eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes zu handeln, was nur dann anzunehmen sein wird, wenn sich daraus voraussichtlich eine in den Hauptinhalten anders lautende Entscheidung ergeben würde. Naturgemäß bleibt der amtswegige Ermittlungsgrundsatz (in Zusammenschau mit den Mitwirkungspflichten des Asylwerbers gemäß § 15) aufrecht. Die Behörde hat ihre Entscheidung über die Aufhebung demgemäß auf die Ergebnisse des durch den Folgeantrag ausgelösten Ermittlungsverfahrens zu gründen."
II.3.3.3. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes kann freilich dazu führen, dass der Asylwerber trotzdem - vor der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag - außer Landes gebracht wird und dass dies unter Umständen mit Folgen verbunden ist, vor denen das Asylrecht gerade schützen will. An eine solche Prognose sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als in vergleichbaren Fällen (etwa der Beschleunigung eines Verfahrens gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 auf Grund der irrigen Prognose, der Asylantrag werde abzuweisen sein) (vgl. zuletzt den hg. Beschluss vom 27.10.2016, GZ W163 2137550-2).
II.3.3.4. § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine vorausssichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. die in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, S 284, angeführten Gesetzesmaterialien zu § 22 BFA-VG). In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass das Bundesamt auch dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, den faktischen Abschiebeschutz nicht aufheben muss, sondern dass ihm das Gesetz ermessen einräumt (arg. "kann"); die Ermessensausübung ist im Bescheid zu begründen. In Frage werden bei der notwendigen Abwägung z. B. Umstände kommen wie jener, wie lange Zeit seit der Rechtskraft des Vorbescheides verstrichen ist, wenn der neue Antrag gestellt wird, oder wie häufig der Asylwerber Asylanträge stellt (vgl. unter vielen den hg Beschluss vom 4.7.2014, GZ L512 1422929-3).
Verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht. Als Vergleichsbescheid ist der Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Fremden (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 6.11.2009, Zl. 2008/19/0783, mwN).
II.3.3.5. Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts iSd § 12a AsylG beschränkt sich auf eine oberflächliche Prüfung des Vorbringens. Wie oben dargestellt kann eine behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung verpflichten; eine andere rechtliche Beurteilung darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein.
Die BF legte im Zuge des nunmehrigen Verfahrens auf internationalen Schutz Dokumente in georgischer Sprache vor. Hinsichtlich der Dokumente fehlt großteils die Übersetzung in die deutsche Sprache. Die Dokumente weisen Datumsangaben auf, die zeitlich nach der zuletzt ergangenen rechtskräftigen Entscheidung des BVwG liegen. Es fehlt eine Befassung der bB mit diesen vorgelegten Dokumenten, was diese konkret aussagen und von wem konkret die Dokumente stammen.
Beweiswürdigende Überlegungen zu diesen Dokumenten fehlen völlig.
II.3.3.6. Der belangten Behörde ist gegenständlich zuzustimmen, wenn sie das Vorbringen der Beschwerdeführerin dahingehend interpretiert, dass die neuerliche Antragstellung grundsätzlich auf der gleichen Bedrohungslage wie im ersten Verfahren beruht. Die Beschwerdeführerin legte jedoch Dokumente vor, wonach ihre Situation in Georgien eine neue sein könnte. Dass sich die Behörde mit diesem Vorbringen bzw. den neuen Beweismitteln im erforderlichen Ausmaß auseinandergesetzt hätte, ist nicht ersichtlich. Wenn die bB diese Dokumente in der Beweiswürdigung nicht erwähnt, sie quasi ignoriert, so ist das jedenfalls aber antizipierend und damit unzulässig. Wenn die Behörde nicht weiß, was die Dokumente aussagen, kann auch nicht beurteilt werden, ob die Aussagen unerhebliche Nebenumstände betreffen oder eben doch wesentlich sind.
Mit diesem nunmehrigen Vorbringen der BF setzt sich die belangte Behörde für das erkennende Gericht jedenfalls unzureichend auseinander.
II.3.3.7. Es kann daher derzeit nicht hinreichend zuverlässig (im Sinne einer Grobprüfung des Vorliegens des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG) davon ausgegangen werden, dass der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 leg. cit. aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt.
II.3.3.8. Festgehalten wird, dass die hier gegenständliche Entscheidung nicht abschließend über das Verfahren iSd § 68 AVG abspricht, sondern lediglich im Sinne einer Grobprüfung zum Ergebnis kommt, dass die Voraussetzungen aufgrund des nunmehrigen Vorbringens nicht von vornherein als zurückweisungsfähiges Vorbringen qualifiziert werden kann. Der mündlich verkündete Bescheid begnügt sich über weite Strecken damit, allgemeine Aussagen zum Vorbringen der BF zu treffen, substantiierte Ausführungen, warum das Bundesamt das nunmehrige ergänzte Fluchtvorbringen als unglaubwürdig erachtet, fehlen. Das Bundesamt wird in weiterer Folge Feststellungen iSd höchstgerichtlichen Judikatur zum sog. "glaubhaften Kern" (vgl. das bereits zitierte Erk. des VwGH vom 6.11.2009 bzw. das Erk. des VwGH vom 4.11.2004, Zl. 2002/20/0391, mwN) zu treffen haben.
II.3.3.9. Da auch im verkürzten Verfahren nach § 12a AsylG 2005 der amtswegige Ermittlungsgrundsatz (in Zusammenschau mit den Mitwirkungspflichten des Asylwerbers gemäß § 15 AsylG 2005) naturgemäß aufrecht bleibt (vgl. auch RV 330 XXIV. GP zu §12a Abs. 2 AsylG 2005), bedarf es sohin der weiter oben dargelegten ergänzenden Ermittlungen und Auseinandersetzung im Rahmen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung.
II.3.3.10. Insofern kann das Bundesverwaltungsgericht im derzeitigen Verfahrensstadium - innerhalb des zur Verfügung stehenden und in mehrfacher Hinsicht eingeschränkten Beurteilungsspielraums - nicht abschließend beurteilen, ob das Verfahren nicht zuzulassen gewesen wäre und der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache jedenfalls zurückzuweisen sein wird.
II.3.3.11. Zudem ist aber auch nicht davon auszugehen, dass die Nachholung bzw. Ergänzung von Ermittlungen sowie die Vornahme einer abweichenden Beweiswürdigung von der Überprüfungskompetenz des Bundesverwaltungsgerichts nach § 22 Abs. 1 BFA-VG umfasst sind. Dagegen spricht allein schon der Umstand, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG untersagt ist, wobei auch die kurze Entscheidungsfrist der Nachholung entsprechender Ermittlungen in realiter entgegenstehen wird. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist somit - angesichts der Ermittlungsmängel und nicht aussagekräftigen Beweiswürdigung des Bundesamtes in Bezug auf die vorgelegten Beweismittel - nicht rechtmäßig und war der Bescheid vom 06.12.2019 sohin aufzuheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.
Schlagworte
Ermittlungsmangel faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig Folgeantrag Gesundheitszustand Prognoseentscheidung Übersetzung UrkundenvorlageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L529.2219151.3.00Im RIS seit
21.09.2020Zuletzt aktualisiert am
21.09.2020