TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/23 L526 2189284-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §20
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

1) L526 2189288-1/13E

2) L526 2189284-1/10E

3) L526 2189286-1/10E

4) L526 2202153-1/8E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 12.11.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, 2. XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, 3. XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, 4. XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, 3. und 4. vertreten durch die Mutter XXXX , alle vertreten durch Dr. Martin DELLASEGA und Dr. Max KAPFERER, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.02.2018 und vom 20.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.11.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP4" bezeichnet) sind Staatsangehörige der Republik Armenien. Die bP 1 und 2 brachten nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 24.03.2015 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge auch kurz "BFA" oder "bB" genannt) Anträge auf internationalen Schutz ein. Für die in Österreich geborenen Kinder bP 3 und 4 wurden am 27.05.2016 und 18.07.2018 von der Mutter als gesetzlichen Vertreterin Anträge eingebracht.

Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Eltern der minderjährigen bP 3 und 4.

I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. der nunmehr belangten Behörde brachten die bP 1 und 2 im Wesentlichen vor, dass sie gegen den Willen ihrer Familien eine Beziehung eingegangen wären. Zwischen ihren Familien bestünde seit Jahrzehnten eine Blutfehde und würden die bP verschiedenen jesidischen Stämmen angehören. Die bP 2 hätte entgegen ihrem Willen mit einem entfernten Verwandten (idF: "K"), welchen der Vater für sie ausgesucht hätte, verheiratet werden sollen. In der Folge sei die bP 1 von Vater und Bruder der bP 2 bedroht worden. Die Familie der bP 2 sei einflussreich und hätten die bP daher von staatlicher Seite bzw. der korrupten Polizei keine Hilfe zu erwarten.

Mit Schreiben vom 28.11.2017 gab der rechtsfreundliche Vertreter der bP das Vollmachtsverhältnis zu bP 1 und 2 bekannt und führte unter einem aus, dass die Angaben in den Erstbefragungen, wonach die bP 1 und 2 verheiratet wären, nicht den Tatsachen entsprächen. Sie würden gerne heiraten und hätten zufällig den gleichen Familiennamen, ohne dass sie verwandt wären.

Für die bP 3 und 4 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Vorgelegt wurde von den bP erstinstanzlich:

* Führerschein und Geburtsurkunde bP 1

* Geburtsurkunde bP 2

* Empfehlungsschreiben

* Deutschkursbestätigungen

* Arbeitsbestätigungen aus Armenien

* Fotos von Verwandten

* Ausdruck von Google Maps

* Geburtsurkunde, Mutter-Kind-Paß für bP 3 sowie bP 4

* Meldezettel

* Arbeitsbestätigung der ehemaligen Wohnsitzgemeinde der bP 2 in Österrreich

Die belangte Behörde nahm Einsicht in Strafregister, Melderegister, das Visa-Informationssystem, das Grundversorgungssystem sowie das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister.

I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Die Frist zur freiwilligen Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft. Es hätte insbesondere nicht festgestellt werden können, dass die bP 1 und 2 von staatlich geduldeten Übergriffen durch Dritte auf Grund einer nicht geduldeten Beziehung zwischen ihnen verfolgt worden wären oder sie Probleme mit ihren eigenen Familien deshalb hätten.

Konkret führte die bB hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP2):

- Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Sie haben um ein Visum in Italien angesucht und einen Reisepass vorgelegt. Da das Visum bewilligt wurde, geht die Behörde von der Authentizität der Urkunde aus. Die Daten liegen aufgrund einer VISA-Abfrage vor. Damit stehen Ihre Identität und auch Ihre Staatsbürgerschaft fest.

Die Feststellung hinsichtlich Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, Ihrer Religion und Ihrer Sprachkenntnisse gründen sich auf Ihre gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben während Ihres gesamten Asylverfahrens.

Nicht festgestellt werden konnte, ob Sie in Armenien traditionell verheiratet wurden und mit wem. Sie konnten für Ihre Vorbringen keine Beweise erbringen. In der Erstbefragung gaben Sie und XXXX noch beide an, traditionell miteinander verheiratet zu sein. In der Befragung durch die Behörde erklärten Sie dann ebenfalls beide, es sei eine Lebensgemeinschaft. Fest steht jedoch, dass Sie derzeit mit XXXX und der gemeinsamen Tochter in Innsbruck in einer Familiengemeinschaft leben. Ob Sie nun mit ihm oder einem anderen Mann traditionell verheiratet sind, konnte nicht festgestellt werden. Dass jedenfalls XXXX der Vater Ihrer Tochter ist und mit Ihnen zusammen lebt, ergibt sich aus der Geburtsurkunde der Tochter und der Meldeauskunft.

Geglaubt wird Ihnen grundsätzlich, dass Sie in Armenien eine 11-jährige Schulausbildung genossen haben und Design-Kurse besucht haben. Sie hätten auch keinen Vorteil daraus, diesbezüglich unwahre Angaben zu machen und haben sich im Verlauf des Verfahrens diesbezüglich auch nicht widersprochen. Aus diesem Grund wird Ihnen auch geglaubt, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Mutter selbstständig tätig waren. Sie haben Armenien kurz nach Ihrem Schulabschluss verlassen. Daher wird Ihnen geglaubt, dass Sie darüber hinaus noch nicht berufstätig waren.

Glaubhaft sind auch Ihre Angaben, dass Sie keine schweren, lebensbedrohenden physischen Erkrankungen haben sondern gesund sind. Auch wird Ihnen geglaubt, dass Sie an keiner psychischen Krankheit leiden. Ihre diesbezüglichen Angaben werden auch durch Ihr Verhalten während der Einvernahme vor dem Bundesamt Regionaldirektion Tirol, wo Sie zeitlich und örtlich orientiert waren, einen völlig normalen Eindruck machten, auf die Fragen klar und spontan antworteten und sich keinerlei Anzeichen ergaben, dass Sie psychisch beeinträchtigt wären, bestätigt.

Aus diesem Grunde hatten die vorangeführten Feststellungen zu Ihrer Erwerbfähigkeit zu erfolgen. Insbesondere da Sie bereits gearbeitet haben - wenn auch nur von zu Hause aus gemeinsam mit der Mutter. Sie haben einen Schulabschluss und zusätzliche Kurse besucht. In Österreich waren Sie gemeinnützig tätig und auch sonst sind keine Umstände hervorgetreten, die an Ihrer Arbeitsfähigkeit zweifeln ließen. Sie sind zwar aktuell schwanger aber grundsätzlich arbeitsfähig und auch arbeitswillig. Sie gaben auch an, sollten Sie in Österreich bleiben dürfen, würden Sie Ihren Unterhalt durch Arbeit verdienen wollen.

Die Angaben zu Ihrem Reiseweg sind nicht glaubhaft. Sie hatten ein italienisches Visum mit dem Sie legal einreisen durften. Beim Visa-Antrag gaben Sie an, über Deutschland einreisen zu wollen. Daher wird angenommen, dass Sie auch tatsächlich legal in die EU eingereist sind. Warum sollten Sie die enormen Kosten (angeblich 10.000 US-Dollar) und Strapazen einer illegalen, schleppergestützten Reise nach Österreich auf sich nehmen, wenn Sie um wenige hundert Euro von Jerewan aus nach Wien oder München hätten fliegen können. Ihr Visum lief 3 Tage vor Asylantragstellung aus. Bis zum XXXX 2015 hätten sie sich somit legal im Schengenraum aufgehalten. Auch stimmt Ihre Fluchtgeschichte nicht mit den Angaben Ihres Lebensgefährten (oder Ehemanns), der ja mit Ihnen gemeinsam gereist ist, überein. Ihr Lebensgefährte gab in der Einvernahme am 11.01.2018 an, der Schlepper hätte seinen Reisepass bereits am 16.03.2015 übernommen und ihn in Österreich nicht zurückerstattet. Sie selbst gaben an, legal nach Georgien ausgereist zu sein. Dort hätten Sie sich dann mit den Schleppern getroffen, die sie beide nach Österreich brachten. Übereinstimmend gaben Sie beide an, Armenien am 16.03.2015 verlassen zu haben. Sie selbst behaupteten jedoch, den Pass erst in Georgien den Schleppern übergeben zu haben, vorher hätten sie ihn niemandem gegeben. Ihr Lebensgefährte erzählte in der Erstbefragung durch die Poliezi im Übrigen ebenfalls diese Version. Ihre Visas wurden jedenfalls beide am XXXX 2015 ausgestellt, das heißt, egal ob Sie beide Ihre Pässe am 16.03.2015 in Armenien oder erst später in Georgien dem Schlepper übergeben haben, es waren Visas für die legale Einreise in die EU in den Pässen. Somit wird Ihnen beiden die Reisegeschichte nicht geglaubt.

- Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Im Asylverfahren ist das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen und obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Da im gegenständlichen Verfahren die Aussagen des Antragstellers die zentrale Erkenntnisquelle darstellen, müssen die Angaben des Antragstellers bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden.

Eine Aussage ist grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren, wenn das Vorbringen des Asylwerbers hinreichend substantiiert ist, er sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Erkenntnissen übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist unter anderem dann nicht erfüllt, wenn die Ausführungen des Antragstellers zu den allgemeinen Verhältnissen in Widerspruch stehen. Eine grobe Unkenntnis über Tatsachen oder über Umstände, welche dem Antragsteller - gemäß seinem Alter, seinem Bildungsgrad und seiner sozialen und kulturellen Herkunft - bekannt sein müssten, indiziert grundsätzlich die Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens. Weiters scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Asylwerber den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Ein weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

Bei der Beurteilung des Vorbringens muss jedenfalls auch mitberücksichtigt werden, dass der Asylwerber - menschlich durchaus verständlich - ein gravierendes Interesse am positiven Ausgang seines Asylverfahrens hat, was natürlich auch zu verzerrten Darstellungen tatsächlicher Geschehnisse oder zu gänzlich falschem Vorbringen führen kann.

Hinsichtlich Ihrer - weder glaubhaften noch gleichbleibenden und stimmigen - Behauptung einer privaten Verfolgung ist folgendes anzumerken:

Geglaubt wird Ihnen, dass Sie in Ihrer Heimat nicht vorbestraft sind und kein Strafrechtsdelikt begangen haben. Ebenfalls glaubhaft sind Ihre Angaben, dass Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite aus keinem, der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen, verfolgt werden bzw. wurden. Sie hätten keinen Vorteil daraus, diesbezüglich unwahre Angaben zu machen und haben sich im Verlauf des Verfahrens diesbezüglich auch nicht widersprochen.

Sie gaben auf die Frage, ob Sie von den Behörden in Armenien gesucht werden an, sie würden nicht wissen, ob Ihr Vater Sie als vermisst gemeldet hat. Nachdem Sie erwachsen sind, können Sie Ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen und wäre eine Vermisstenmeldung somit nicht relevant. Die Behörde dürfte Ihren Aufenthaltsort nicht ohne Ihre Zustimmung an Ihren Vater weitergeben. Sie brachten eine rein privat Verfolgung vor und gaben selbst an, Sie würden nicht glauben, dass die Polizei Ihnen "...etwas antun wird...". Außerdem gaben Sie an, sich gar nicht erst an staatliche Stellen gewandt zu haben.

Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen kann nicht erkannt werden, dass Sie in Ihrer Heimat staatliche Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten haben, weshalb Ihnen keine wohlbegründete Furcht vor maßgeblich wahrscheinlicher Verfolgung aus einem der Gründe der GFK zusinnbar ist.

Der eigentliche Grund für Ihre Ausreise sei die private Verfolgung durch Ihre Familie und Ihren angeblichen Verlobten in Armenien. Sie sollten mit diesem zwangsverheiratet werden. Diese Zwangsverheiratung durch Ihre Familie konnten Sie jedoch nicht glaubhaft machen. Erfahrungsgemäß versuchen Flüchtlinge, die Ihr Land verlassen, die dortige Verfolgung mit möglichst vielen Beweisen zu untermauern. Sie jedoch konnten absolut nichts vorlegen, was Ihre Aussagen belegen würde. Somit bleibt der Behörde nur Ihre Aussage.

Selbst im Kernbereich Ihres Fluchtvorbringens blieben Ihre Vorbringen und die Ihres Lebensgefährten (oder Ehemanns) nicht konsistent. So gab beispielsweise Ihr Lebensgefährte einmal an, sie würden sich seit der Kindheit kennen, dann seit 2010 und in der Erstbefragung sogar erst seit 2012. Sie erklärten wiederum, ihn 2010 kennen gelernt zu haben. In der Erstbefragung gaben Sie den jeweils anderen als Ehemann bzw. -frau an und erklärten, traditionell verheiratet zu sein. Sie tragen auch den gleichen Nachnamen. Während der gesamten Befragung durch die Polizei nannte Sie XXXX seine "Frau" und Sie ihn Ihren "Mann". Auch gab er in der Erstbefragung im Jahr 2015 an, traditionell verheiratet zu sein. Sie selbst erklärten in der Einvernahme vor der Behörde, traditionell mit einem anderen Mann verheiratet zu sein und mit dem Kindesvater nur eine Lebensgemeinschaft zu führen. Daher stellt sich die Frage, sollten Sie mit einem anderen Mann traditionell verheiratet gewesen sein, mit wem dann XXXX traditionell verheiratet war. In der Einvernahme vor der Behörde erklärten Sie beide, Ihr Lebensgefährte/Ehemann XXXX sei nicht mit einer anderen Frau verheiratet gewesen. In der Erstbefragung vor der Polizei waren Sie dem Mann, mit dem Sie zwangsverheiratet hätten werden sollen, angeblich nur versprochen. In der Einvernahme vor der Behörde wären Sie dann traditionell verheiratet gewesen. Sie haben somit beide gemeinsam Ihr Fluchtvorbringen zwischen der ersten Befragung 2015 und der Einvernahme 2018 geändert. Grundsätzlich wird der Erstbefragung mehr Glaubwürdigkeit beigemessen. Diese Aussage erfolgt unmittelbar nach der Flucht. Die Befragten haben zu diesem Zeitpunkt naturgemäß noch wenig Kenntnis über das Asylsystem. Nach einem knapp dreijährigen Aufenthalt in Österreich kann angenommen werden, dass auch aufgrund der Erzählungen anderer Asylwerber, Sie mittlerweile besser mit dem System vertraut sind. Entsprechend wird die Abänderung Ihrer Geschichte auch als nicht glaubhaft gewertet. Untermauert wird dies durch viele weitere Widersprüche.

Ungereimtheiten ergeben sich vor allem bei Fragen, mit denen Sie naturgemäß nicht rechnen konnten. Für eine Angehörige sehr traditionsverbundener Jesiden, war Ihr Wissen über die jesidischen Bräuche eher mangelhaft. Sie gaben an, Jesiden würden am 1. Jänner das Neujahrsfest feiern. Das ist so aber nicht richtig. Das Jesidische Neujahrsfest fällt auf den ersten Mittwoch nach dem 14. April und wird roter Mittwoch genannt (Quelle: Wikipedia). Das hätte eine Jesidin, die aus einem streng gläubigen, konservativen Haus stammt, wissen müssen. Das jesidische Lalisch-Fest dauert nicht einen Tag, wie Sie behauptet haben, sondern sieben Tage. Es handelt sich um das wichtigste Fest bei den Jesiden (Quelle: Wikipedia). Außerdem gaben Sie an, vor Ihrer "Flucht" aus Armenien noch nie in einem andern Land gewesen zu sein. Andererseits wären Sie in Lalisch gewesen. Lalisch, ein wichtiger Walfahrtsort der Jesiden, liegt allerdings im Irak.

Dass es unter den Jesiden in Armenien noch Zwangsehen gibt, wird nicht angezweifelt. Dies betrifft vor allem minderjährige Mädchen. Viele werden bereits in jungen Jahren illegal traditionell verheiratet. Ab 16 ist eine Ehe mit Zustimmung der Eltern auch gesetzlich möglich. "...Zwangsheiraten innerhalb der jesidischen Gemeinde fokussieren vor allem auf Kinderheiraten. Junge Mädchen werden oft schon im Kindesalter versprochen und der Zwangsheirat ausgesetzt. ...... Von einer Eheschliessung aus freiem Willen kann aufgrund des Alters nicht ausgegangen werden". Daher stellt sich die Frage, warum man in Ihrem Fall entgegen dieser bekannten Praxis so lange mit dieser Zwangsehe gewartet hat. Hätte man Sie vor Ihrem 18. Geburtstag wie geplant verheiratet, wäre dies einfacher gewesen. Mit 18 stehen Ihnen nun viele Möglichkeiten offen, sich zur Wehr zu setzte. Auch gab XXXX in der Einvernahme an, man hätte Sie 2011 verheiraten wollen, sie hätten jedoch Widerstand geleistet und die Ehe hinausgezögert. Demnach müsste es Ihnen in so jungen Jahren erstaunlich lange gelungen sein, dem Druck der Eltern Stand zu halten. Sie selbst gaben wiederum an, Ihre Eltern hätten erst nach Ihrem Schulabschluss eine Verehelichung vorgesehen.

Wenngleich die Ausführungen zum Fluchtweg nicht asylrelevant sind, so vermögen sie doch ein Indiz für die Gesamtbewertung der Glaubwürdigkeit einer Person darzustellen. Nicht glaubhaft sind die von Ihnen in diesem Zusammenhang getätigten Aussagen zu Ihrem Fluchtweg. 10.000 US-Dollar sind ein stolzer Preis für eine Reise, die Sie aufgrund Ihres Visums auch legal hätten antreten können. Auch sind Sie beide noch sehr jung. Sie selbst haben noch nie Geld verdient und auch Ihr Lebensgefährte hat nur ein paar Jahre gearbeitet. Bei einem Durchschnittseinkommen in Armenien von rund 3.360 US-Dollar jährlich hätte er drei komplette Jahreslöhne für die Flucht aufbringen müssen. Er hat die Schule jedoch erst 2012 abgeschlossen. Auch ist es völlig unglaubwürdig, dass Sie nicht wussten, welche Länder Sie durchreisten. Sie hätten mehrere streng überwachte Grenzübergänge passieren müssen, um in Österreich einzureisen. Wären sie illegal gereist, was in Anbetracht Ihres Visums völlig unplausibel ist, hätten Sie sich jeweils verstecken müssen. Es ist daher davon auszugehen, dass Sie danach getrachtet haben, Ihren Reiseweg bewusst zu verschleiern, wohl um die Zuständigkeit eines anderen EU-Staates auszuschließen. Auch aus diesem Grund wird angenommen, dass nicht die Suche nach einem für Sie sicheren Staat Motivation für die Wahl Ihres Ziellandes war, sondern rein wirtschaftliche Aspekte. Auch haben Sie Georgien, Russland und wahrscheinlich die Ukraine durchquert, bevor Sie überhaupt in die EU eingereist sind. Alles Länder in denen man Sie nicht so einfach hätte ausfindig machen können. Auch in der EU müssten Sie vor Ihrer Einreise in Österreich andere sichere Länder durchquert haben.

All diese Widersprüche, Ungereimtheiten und bewusst falschen Angaben machen Sie als Person unglaubwürdig. Daher kann begründet davon ausgegangen werden, dass Sie Ihr Vorbringen asylzweckbezogen angepasst haben. Nachdem Sie keinerlei Beweise vorlegen konnten und der Behörde zur Beurteilung des Sachverhaltes allein Ihr Wort bleibt, ist die Glaubwürdigkeit Ihrer Person essentiell für eine Entscheidung.

Der Vollständigkeit halber ist zudem auch anzuführen, dass selbst bei Wahrunterstellung Ihrer Angaben, Sie wären von Ihrem Vater und dem Verlobten bedroht worden, es sich nicht um eine staatliche Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention handelt und auch die notwendige Intensität der angeblichen Verfolgungshandlungen durch eine Privatperson und das gänzliche Fehlen staatlichen Schutzes in Ihrem Fall nicht vorliegen. Sie gaben zwar an, Ihre Familie würde die Polizei bestechen, um Sie zu finden und XXXX ergänzte noch, Ihre Familie sie einflussreich. Als Sie jedoch nach den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen Ihrer Familie gefragt wurden, so gaben Sie an, diese würde dem Mittelstand angehören, nicht reich sein und lediglich eine große landwirtschaftliche Fläche für den Obstbau besitzen. Dies allein ist im ländlichen Armenien aber kein Zeichen von Reichtum. Sie haben auch gar nicht versucht, Schutz bei der Polizei oder sonstigen Behörden Ihres Heimatstaates zu finden, oder durch einen Umzug im Herkunftsstaat der Verfolgung durch Einzelpersonen zu entgehen. Sie gaben in der Einvernahme vor der Behörde an, zu wissen, dass man Sie überall finden würde, weil das in Armenien so sei. Zunächst unterstellten Sie der Polizei, Ihrer Familie bei der Suche nach Ihnen behilflich zu sein, andererseits erklärten Sie die Polizei würde Ihnen nichts antun, Ihnen aber auch nicht helfen. Eine nähere Erklärung dazu gaben Sie nicht ab. Sie äußerten diesbezüglich nur vage Vermutungen."

In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde hinsichtlich der bP 1 bis 3 mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz vom 28.02.2018 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Der Vertreter berief sich gemäß § 10 AVG auf die ihm hinsichtlich der bP 1 bis 3 erteilte Vollmacht.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass das Verfahren mangelhaft geblieben sei und inhaltliche Rechtswidrigkeit vorliege. Die Ermittlungspflichten wären von der bB verletzt worden und hätte sie insbesondere eine antizipierende Beweiswürdigung vorgenommen. Es sei gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen worden, da es sich beim Einvernahmeleiter nicht um dieselbe Person wie beim Bescheidersteller handle. Die Beweiswürdigung sei zudem willkürlich, da sie auf reinen Vermutungen basiere und zu Unrecht Widersprüche zwischen erstinstanzlicher Einvernahme und Erstbefragung herangezogen worden wären. Die Angaben der bP zur Frage der Heirat zwischen ihnen beruhten auf einem Missverständnis und hätten die bP vor der bB klargestellt, dass sie nicht verheiratet sind. In die Verfahren betreffend der Visaerteilung seien die bP nicht eingebunden gewesen, vielmehr hätte diese offenbar ein Bekannter aus Georgien für sie abgewickelt.

Der wesentliche Fluchtgrund, die Verfolgung wegen ihrer Beziehung durch Familienangehörige der bP 2, sei von den bP detailliert geschildert worden. Aufgrund einer Blutfehde sei die Beziehung von beiden Familien nicht akzeptiert worden. Armenien sei kein Rechtsstaat, sondern vom Obersten Gericht abwärts "vom Krebsgeschwür der Korruption" befallen. Zudem vermutete die bP 1, inzwischen wegen Entführung der bP 2 angezeigt worden zu sein. Ein Schutz durch den armenischen Staat sei aufgrund des korrupten armenischen Polizei- und Gerichtsapparats nicht möglich, da der geschützt werden würde, der mehr bezahlt. Die bP 1 würde unter unmenschlichen Bedingungen, zu Unrecht und unverhältnismäßig lange inhaftiert werden. Schließlich sei die bP 2 auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frau, die ein selbstbestimmtes Leben führen möchte, in asylrelevanter Weise verfolgt.

Die Länderfeststellungen der bB, aus welchen auszugsweise zitiert wurde, würden das Vorbringen der bP als realitätsnah bestätigen und hätte zudem der in Österreich lebenden Onkel der bP das Vorbringen bestätigen können.

In der für die bP 4 eingebrachten Beschwerde und Vollmachtsbekanntgabe vom 26.07.2018 berief sich der Vertreter wiederum auf die ihm erteilte Vollmacht. Ausgeführt wurde, dass auf die Beschwerde hinsichtlich der Eltern der bP 4 und den Familienverband verwiesen werde.

I.5. Die Beschwerdevorlagen langten am 15.03.2018 beim BVwG ein und wurden in der Folge die Verfahren der bP 1 bis 3 infolge Unzuständigkeit wegen Eingriffes in die sexuelle Selbstbestimmung bzw. Annex zum Verfahren der bP 2 der Gerichtsabteilung L518 abgenommen und der zwischenzeitlich zuständigen Gerichtsabteilung L523 übertragen. Mit 16.10.2018 wurden die Rechtssachen der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

I.6. Das aufgrund der Sachverhaltsmitteilung des BFA vom 19.01.2018 eingeleitete Verfahren gegen die bP 1 und 2 wegen Betruges im Zusammenhang mit der Erteilung von Visa wurde von der Staatsanwaltschaft wegen Unzuständigkeit (Fehlen einer inländischen Gerichtsbarkeit) eingestellt.

Mit Schreiben vom 15.05.2018 und vom 18.06.2018 an das BFA wurde um Ausfolgung des Führerscheins der bP 1 ersucht.

I.7. Mit Schreiben vom 14.05.2019 wurden Unterlagen zur Integration der bP vorgelegt.

I.8. Für den 12.11.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt.

Mit 06.11.2019 langte eine Urkundenvorlage über die rechtsfreundliche Vertretung der bP 1 ein. Ausgeführt wurde zudem, dass sich die Situation im Herkunftsland nunmehr zugespitzt habe. Auf den beiden vorgelegten Bildern seien die Grabsteine von Familienmitgliedern der bP 1 und der bP2 zu sehen, die der Familienfehde im Jahr 1993 bzw. 1995 zum Opfer gefallen seien. Seit diesen beiden Morden gäbe es immer wieder Schlägereien zwischen den verfeindeten Familienmitgliedern. Zuletzt sei ein Angriff auf den Vater der bP 1 am XXXX 2019 durch 6 Familienmitglieder der bP 2 erfolgt. Aufgrund der herrschenden Korruption habe die einschreitende Polizei nach Ortsaugenschein und Gespräch mit den Angreifern keine Anzeigen wegen Sachbeschädigung oder Körperverletzung aufgenommen. Jesiden wären der Korruption noch mehr ausgesetzt. Neben den Fotos von den Grabsteinen wurden Unterlagen zur Integration vorgelegt.

Mit Schreiben vom 18.10.219 teilte der als Zeuge zur Verhandlung geladene Onkel der bP 1 mit, dass er nicht erscheinen könne, da er keine Zeit habe und sich keinen Urlaub nehmen könne. Er müsse im Schichtbetrieb für eine andere Person einspringen.

In der Verhandlung am 12.11.2019 legten die bP ein weiteres Empfehlungsschreiben, einen Zeitungsbericht und ein E-Mail des als Zeugen geladenen Onkels an den Rechtsanwalt vom 04.03.2018 vor. Gemäß den Angaben des E-Mails sei der Onkel der bP 1 am 18.03.2015 vom Vater der bP 1 angerufen worden. Ihm sei mitgeteilt worden, dass die bP 1 mit einer Frau geflohen sei und sich verstecke. Der Vater der Frau habe der Familie der bP 1 damit gedroht, dass wenn die bP 1 die Tochter nicht zurückbringe, man die bP 1 töten werde.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und der Erörterung zusätzlicher Berichte wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.

Die Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die wesentlichen Passagen der Verkündung stellen sich wie folgt dar (bP = BF):

"Das Vorbringen zu den behaupteten Ausreisegründen bzw. Rückkehrhindernissen erwies sich als nicht glaubhaft und ergaben sich im Rahmen der Ermittlungen keine rechtlich relevanten Rückkehrhindernisse; im Einzelnen:

Bereits vor der belangten Behörde erstatteten die BF ein Vorbringen, welches Zweifel an Ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit und der Richtigkeit ihres Vorbringens begründete.

Mit ihrem Vorbringen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vermochten es die BF nicht, die im erstinstanzlichen Verfahren aufgetretenen Widersprüche bzw. Unplausibilitäten aufzuklären, vielmehr hinterließen BF1 und BF2 auch hier keinen persönlich Glaubwürdigen Eindruck, verstrickten sich in weitere Widersprüche und erwies sich das Vorbringen insgesamt auch als nicht plausibel.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt auch die von der belangten Behörde aufgeworfenen Zweifel über die Zugehörigkeit zur jesidischen Volksgruppe, die auch in der heutigen Verhandlung nicht zerstreut werden konnten. Selbst im Falle dieser Annahme kann jedoch kein relevantes Gefährdungsszenario im Hinblick auf eine Rückkehr nach Armenien abgeleitet werden, da die vorgebrachte Fluchtgeschichte nicht geglaubt werden konnte und Jesiden in Armenien auch keiner systematischen Verfolgung unterliegen.

Auch in Bezug auf die behauptete Blutrache, von welcher BF1 bedroht wäre, vermochte dieser nicht ein glaubhaftes und plausibles Vorbringen zu erstatten; dies auch vor dem Hintergrund des in der heutigen Verhandlung erörterten Berichtes zum Thema Blutrache im Kaukasus.

Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat spricht nicht gegen eine Rückkehr der BF. Sie verfügen über eine Existenzgrundlage und bestehen auch keine Rückkehrhindernisse aus medizinischen oder sonstigen Gründen.

Aus der Berichtslage ergibt sich auch zweifelsfrei, dass allgemein die medizinische Versorgung in Armenien gewährleistet ist.

...

Den Verfahrensergebnissen zufolge sind die volljährigen BF arbeitsfähig und arbeitswillig und gaben an, selbständig für ihren Unterhalt aufkommen zu wollen. Schließlich ist aufgrund der Verfahrensergebnisse auch davon auszugehen, dass die BF über Familienangehörige in Armenien verfügen. Dem Vorbringen über die familiären Zwistigkeiten bzw. der drohenden Blutrache und dem darauf aufbauenden Vorbringen über die Bedrohung der BF konnte nicht geglaubt werden. Zudem erweckten die BF vor dem Bundesverwaltungsgericht sehr stark den Eindruck, die tatsächliche Situation im Falle einer Rückkehr verschleiern zu wollten. Den gesunden und arbeitsfähigen BF ist es grundsätzlich auch zumutbar, selbst für den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sorgen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem (vgl. Länderinformationen) des armenischen Staates oder karitativer Einrichtungen in Anspruch zu nehmen. Sollte sich BF2 der Kindererziehung widmen wollen, so wird zumindest BF1 für das Auskommen seiner Familie sorgen zu können.

Die allgemeine Sicherheitslage im Land gestaltet sich den eingesehenen Länderberichten zufolge als unbedenklich. Dass die BF aus der Problemzone Nagorny-Karabach stammen oder sonst von den Auseinandersetzungen um dieses Gebiet betroffen wären, haben sie nicht vorgebracht.

Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass es sich bei den BF um eine Familie mit zwei Kleinkindern im Alter von eineinhalb und dreieinhalb Jahren und daher um eine besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Personengruppe handelt. Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob den BF bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation die revisionswerbenden Parteien tatsächlich vorfinden (siehe dazu statt aller VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 mwN; VfGH 11.12.2018, E 2025/2018).

Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass die Minderjährigen keiner in Armenien besonders gefährdeten Gruppen angehört und auch von ihrer Rückkehr gemeinsam mit ihren Eltern auszugehen ist, sodass die Betreuung und Beaufsichtigung der Minderjährigen sichergestellt ist.

Darüber hinaus ist in der Herkunftsregion wie soeben erörtert ein familiäres Netzwerk vorhanden, welches ebenfalls subsidiär im Fall der Notwendigkeit für die Kinderbetreuung herangezogen werden könnte. Eine inadäquate Beaufsichtigung ist daher fallbezogen nicht zu befürchten.

Dem minderjährigen BF steht ausweislich der länderkundlichen Informationen auch ein diskriminierungsfreier Zugang zum Schulsystem sowie adäquater Zugang zu medizinischer Versorgung offen.

Das Bundesverwaltungsgericht kann außerdem in Ansehung der minderjährigen BF nicht die reale Gefahr erkennen, im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen zu sein. BF1 und BF2 vermittelten den Eindruck, am Wohlergehen ihres Kindes interessiert zu sein. Hinweise auf gewalttätige Übergriffe die Minderjährigen im Bundesgebiet liegen nicht vor. Den behaupteten Bedrohungen von Seiten der Familien der BF konnte kein Glauben geschenkt werden. Auch kamen keine sonstigen Hinweise im Verfahren hervor, nach welchen zu besorgen wäre, dass die minderjährigen BF im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen wäre.

Ob der obenstehenden Erwägungen ist auch nicht zu besorgen, dass der minderjährigen BF als besonders vulnerable Person im Rückkehrfall von terroristischen oder kriminellen Aktivtäten betroffen wären. Ein dahingehendes Vorbringen wurde im Verfahren nicht erstattet und es kann das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung der persönlichen Profile der beschwerdeführenden Parteien auch kein amtswegig wahrzunehmendes besonderes Gefährdungsmoment erkennen. Die Sicherheitslage in Armenien ist nicht problematisch und kann im Ergebnis daher ausgeschlossen werden, dass die Kinder im Rückkehrfall von terroristischer oder krimineller Gewalt betroffen wären.

Auch in Anbetracht eingesehenen Berichte zur sozioökonomischen Lage in Armenien besteht schließlich nicht die reale Gefahr, dass die Minderjährigen im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen wäre. Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor.

Ausgehend von den persönlichen Profilen der BF und den Erwägungen zur Lebensgrundlage im Herkunftsstaat geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die minderjährigen BF im Wege der Versorgung durch ihre Eltern und der durch das familiäre Netzwerk erlangbaren Hilfe nicht nur eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs sondern insbesondere auch im Hinblick auf seine altersgerechten Bedürfnisse erfahren wird.

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die BF nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen müssen, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

Es liegen keine Umstände vor, nach welchen den Beschwerdeführer allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargelegt.

Die Voraussetzungen des § 57 FPG liegen nicht vor und ist im Rahmen einer Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen auszugehen.

...

Die BF haben sich einen Freundeskreis in Österreich aufgebaut und an Kursen teilgenommen: einem Werte und Orientierungskurs (BF1), einem Kurs des Roten Kreuzes (BF1). Die BF haben an sprachlichen Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen, konnten jedoch keine Belege eines zertifizierten Institutes vorlegen; BF2 konnte lediglich eine Bestätigung einer Privatperson vorlegen, welcher zufolge sie eine "Probeprüfung zur A2 Prüfung" bestanden habe. Wie in der heutigen Verhandlung festgestellt, kann sich BF1 verständlich in der deutschen Sprache ausdrücken, etwa auf dem Niveau A2, BF2 beherrscht diese jedoch nur rudimentär.

Die ältere Tochter geht in den Kindergarten, BF1 engagiert sich bei der Freiwilligen Feuerwehr. BF2 nimmt an Treffen einer interkulturellen Frauengruppe sowie anderen Gruppen teil.

BF2 hat eine Stelle als Reinigungskraft in Aussicht, BF1 eine Stelle als Hilfsarbeiter. Die BF konnten Unterstützungserklärungen vorlegen. Beide konnten unterzeichnete Verträge vorlegen.

Belege über anderweitige Versuche, eine legale Tätigkeit aufzunehmen, wurden nicht vorgelegt.

Für eine nachhaltige Integration in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, beruflicher und sozialer Hinsicht sind die nicht verkannten privaten Anknüpfungspunkte - vor allem in Zusammenhang mit dem unsicheren und unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus der BF - auf jeden Fall zu wenig. Werte wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft etc., wie sie den BF in Empfehlungsschreiben bescheinigt werden, sind nicht als Zeichen besonderer Integration anzusehen und werden gerade für Personen, die sich in Österreich auf Dauer niederlassen wollen, vom erkennenden Gericht als selbstverständlich vorausgesetzt.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Rechtsposition der BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich unter dem Gesichtspunkt ihres Privatlebens als eher schwach gestaltet und dieser die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüberstehen. Auch wenn die BF über soziale Kontakte verfügen, die deutsche Sprache in einem gewissen Ausmaß erlernten und nunmehr eine Arbeit in Aussicht haben, so stehen dem die unberechtigte Antragstellung, die unrechtmäßige Einreise und der erst kurze Aufenthalt im Bundesgebiet entgegen, währenddessen sich die BF - insbesondere nach Erhalt des angefochtenen Bescheides - der Ungewissheit ihres weiteren Verbleibes im Bundesgebiet bewusst gewesen sein mussten. Ferner ließen die BF auch kein besonderes Engagement bei der Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse erkennen und sind auch die ersten Bemühungen, die Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen, erst für das Jahr 2019 dokumentiert.

Insgesamt vermag im Rahmen einer Abwägung nicht zu einem überwiegen der Interessen der BF führen.

Von der Einholung einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Beweis dafür, dass es die Feindschaft zwischen den Familien gibt, dass die BF nicht verheiratet sind und dass sie Jeziden sind war abzusehen, zumal das Gericht schon aufgrund der Ergebnisse der heutigen Verhandlung zur Überzeugung gelangte, dass die BF vor ihrer Ausreise nicht der behaupteten Blutrache oder sonstigen Repressalien seitens ihrer Familienmitglieder oder anderer ausgesetzt waren oder im Falle einer Rückkehr solchen Gefahren ausgesetzt wären.

Von einer weiteren Ladung des Onkels zur zeugenschaftlichen Einvernahme - dieser hat vor der Verhandlung angekündigt, zum heutigen Termin nicht zu erscheinen - wird ebenfalls abgesehen, zumal der Onkel über die ausreisekausalen Vorfälle lediglich über ein Telefonat erfahren habe und auch über aktuelle Streitigkeiten der Familien nur vom Hörensagen berichten könnte. Im Übrigen ist schon aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens davon auszugehen, dass die BF den behaupteten Gefahren vor ihrer Ausreise nicht ausgesetzt waren und konnte auch in der heutigen Verhandlung nicht glaubhaft dargelegt werden, dass nunmehr die behaupteten Bedrohungen und Gefährdungen vorliegen."

Die bP wurden im Anschluss iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

I.9. Mit Schreiben vom 13.11.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den bP handelt es sich um armenische Staatsangehörige, welche sich zur religiösen Glaubensausrichtung der Jesiden und Sonnenanbeter bekennen. Die bP 1 und 2 haben in XXXX die Grundschule besucht. Die bP 1 hat nach der Schule in der Autowerkstätte ihres Vaters von 2010 bis 2015 gelernt und gearbeitet. Die bP 2 hat im Anschluss eine Mittelschule und Design-Kurse besucht. Vor ihrer Ausreise hat die bP 2 gemeinsam mit ihrer Mutter auf Bestellung Torten für Veranstaltungen gebacken.

Die bP 1 und 2 verfügten vor der Einreise in Österreich über am XXXX 2015 ausgestellte, von XXXX .2015 gültige italienische Visa für Tourismuszwecke. Sie reisten legal aus Armenien aus.

Die bP1 und 2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Die bP 2 leidet zeitweise an Kopfschmerzen und war 2018 für 2 Monate in Psychotherapie.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen, gesunden bP 3 und 4 ist durch deren Eltern gesichert. Die bP 4 nimmt seit August 2019 eine Mototherapie (Bewegungs- und Wahrnehmungstraining) im Rahmen der Frühförderung und Familienbegleitung in Anspruch und leidet an Schlafstörungen.

Die bP 3 besucht in Österreich den Kindergarten. Die bP sprechen im Familienverband Armenisch und Jesidisch, die bP 1 beherrscht auch noch etwas Russisch und Kurdisch.

Familienangehörige - die Eltern, Bruder und Schwester der bP 2 sowie Eltern, Bruder und Schwester der bP 1 - leben neben weiteren Verwandten wie Großeltern und Onkel und Tanten nach wie vor in Armenien. Jedenfalls zur Schwester der bP 2 und zum Bruder der bP 1 in Armenien besteht Kontakt. Auch zu Freunden und Bekannten hat die bP 1 über ODNO Klasnik ("russisches Facebook") Kontakt.

Ein Onkel der bP 1 ( XXXX ) lebt in Österreich, mit ihm bestehen keine besonderen Kontakte, sondern erfolgen lediglich zeitweise Telefonate. Der Asylantrag des Onkels aus dem Jahr 2006 wurde zurückgewiesen, in der Folge wurde ihm ein Aufenthaltstitel erteilt. Hinsichtlich der Kernfamilienmitglieder liegt ein Familienverfahren vor. Die bP möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit etwas über 4 1/2 Jahren im Bundesgebiet auf. Sie leben von der Grundversorgung und haben einen Deutschkurs besucht, jedoch noch keine Prüfung erfolgreich abgelegt (bP 1 scheiterte im Jänner 2019 an der A2 Prüfung). Die bP 1 spricht Deutsch etwa auf dem Niveau A2, die bP 2 verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse. bP 3 lernt die deutsche Sprache und kann sich damit im Kindergarten verständigen.

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

Die bP 1 ist Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in der ehemaligen Wohnsitzgemeinde und hat verschiedene Feuerwehrprüfungen inkl. dem Grundlehrgang absolviert. Sie hat auch einen Erste-Hilfe Kurs und einen Werte- Orientierungskurs besucht. Zeitweise verrichtet sie freiwillige Tätigkeiten über die ehemalige Wohnsitzgemeinde (Landschaftspflege, 1x jährliche Putzaktion der Gemeinde). Für 2 Jahre hat sie profimäßig Sport (Kickboxen) betrieben, nunmehr besucht sie ein Fitnessstudio.

Die bP 2 besucht ein Frauencafe und nimmt über die Pfarrgemeinde an einer Damenrunde teil, in welcher Adventkränze gebunden werden. Auch die bP 2 hat für die Gemeinde Tätigkeiten im Bereich der Gartenpflege übernommen. Die bP verfügen in Österreich über einen Bekannten- und Unterstützerkreis.

Die bP 1 und 2 haben Dienstverträge abgeschlossen; die bP1 für eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter bei einem Unternehmen für Dachzimmerei, die bP 2 für eine Stelle als Reinigungskraft im Gastgewerbe im Ausmaß von 20 Stunden. bP1 hat auch noch eine Stelle als Hausmeister in Aussicht.

Die Identität der bP steht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a).

Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen "Mein Schritt" erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei "Blühendes Armenien" (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei "Leuchtendes Armenien" unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019

* ARMENPRESS - Armenian News Agency (10.12.2018): My Step - 70.44%, Prosperous Armenia - 8.27%, Bright Armenia - 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019

* ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/, Zugriff 8.5.2019

* BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 21.3.2019

* CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 7.5.2019

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 21.3.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, 21.3.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html, Zugriff 21.3.2019

* 168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government's economic policy - PM Pashinyan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html, Zugriff 21.3.2019

Sicherheitslage

Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 20.3.2019). Die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach dauern an. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Im Jahr 2018 fanden mehrere Waffenstillstandsverletzungen entlang der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien statt, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verlusten führten (gov.uk 21.3.2019, vgl. EDA 7.5.2019).

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018).

Quellen:

* CFR - Council on Foreign Relations (20.3.2018): Nagorno-Karabakh Conflict, https://www.cfr.org/interactives/global-conflict-tracker#!/conflict/nagorno-karabakh-conflict, Zugriff 21.3.2019

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (7.5.2019): Reisehinweise für Armenien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/armenien/reisehinweise-armenien.html, Zugriff 7.5.2019

* Eurasianet (1.10.2018): Aliyev and Pashinyan hold first talks, agree on tension-reducing measures, https://eurasianet.org/aliyev-and-pashinyan-hold-first-talks-agree-on-tension-reducing-measures, Zugriff 21.3.2019

* UK Gov (7.5.2019): Foreign travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/armenia, Zugriff 7.5.2019

Rechtsschutz/Justizwesen

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte. Die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis seit Mitte 2018 verbessert. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wurde bisher durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert. Es gibt Anzeichen, dass allein der Regierungswechsel im Mai 2019 zu weniger Korruption in der Justiz geführt hat. Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz gab es bereits Fortschritte, dass die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 7.4.2019). Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 13.3.2019).

Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.2.2019). Allerdings entließen viele Richter nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 13.3.2019).

Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort, und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. Anwälte berichteten, dass das Kassationsgericht in der Vergangenheit das Ergebnis aller wichtigen Rechtssachen an niedere Richter diktiert habe. Im Februar wurde mit der Umsetzung der Verfassungsänderungen 2015 der Oberste Justizrat (HJC) gebildet. Viele Beobachter gaben dem HJC die Schuld für Machtmissbrauch und die Ernennung von Richtern, die mit der früheren Regierungspartei verbunden waren. Anwälte erklärten auch, dass die Kontrolle der HJC über die Ernennung, Beförderung und Verlegung von Richtern die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt habe. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperlichen Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren (USDOS 13.3.2019).

Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz hat dieses Recht nicht durchgesetzt. Zwar sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der "Moral", der nationalen Sicherheit und des "Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer". Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 11.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 11.4.2019

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 13.3.2019, vgl. AA 7.4.2019). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 7.4.2019).

Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vgl. USDOS 13.3.2019). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 13.3.2019).

Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festhalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): Functions Of Special Investigation Service, http://www.ccc.am/en/1428578692, Zugriff 10.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 10.4.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet solche Folter und andere formen von Misshandlungen. Dennoch gab es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur "Samtenen Revolution" immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten