TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/30 L526 1436189-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z3
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs1 Z6
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55

Spruch

L526 1436115-2/23E

L526 1436188-2/21E

L526 1436189-2/18E

L526 2198979-1/18E

L526 2218957-1/14E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 27.09.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , XXXX alias XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. Armenien, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch XXXX alias XXXX , alle vertreten durch RA Dr. Blum, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 08.05.2018, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX sowie vom 12.04.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.09.2019 zu Recht erkannt:

A I) Die Beschwerden werden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer der Einreiseverbote hinsichtlich BF1 und BF2 auf zwei Jahre herabgesetzt wird und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend aller BF gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG und hinsichtlich BF1 und BF2 zudem gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 zu Recht erfolgte.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin hat über die Beschwerden von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , XXXX alias XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX alle StA. Armenien, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch XXXX alias XXXX , alle vertreten durch RA Dr. Blum, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 08.05.2018, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX sowie vom 12.04.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.09.2019 beschlossen:

A II) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP5" bezeichnet, im Spruch BF für Beschwerdeführer), sind Staatsangehörige der Republik Armenien. Die bP 1 und 2 brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 28.06.2012 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind traditionell verheiratet und Eltern der in Österreich geborenen, minderjährigen bP 3 bis 5.

Für die bP 3 ( XXXX ), bP 4 ( XXXX ) und bP 5 ( XXXX ) wurden in der Folge Anträge auf internationalen Schutz durch den Jugendwohlfahrtsträger (bP 2 bei Geburt der bP3 und bP4 selbst noch minderjährig) bzw. die Mutter als gesetzlichen Vertreterin gestellt.

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 30.06.2012 brachten die bP 1 und 2 zu ihrem Fluchtgrunde befragt in der Sprache Kurmanschi (Kurdisch) zusammengefasst vor, dass der Grund für die Ausreise bei der bP 2 liege. Die bP 1 sei mitgereist, um in der Familieneinheit leben zu können. Die bP 2 sei vor circa einem Monat (Mai 2012) von unbekannten Arabern aus dem Nachbardorf im 7. oder 8. Schwangerschaftsmonat vergewaltigt worden. Daraufhin habe der Vater der bP 2 diese umbringen wollen, da sie nicht mehr "sauber" gewesen sei. Vor der Ausreise hätten sie sich den Angaben der bP 1 zugolge ca. 2-3 Wochen bei einer Person namens XXXX (idF auch "H" genannt) versteckt.

Die bP 1 betonte, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe. Sie wolle lediglich gemeinsam mit ihrer Frau in Österreich als Familie leben.

Bei einer Rückkehr würden sie befürchten, dass die bP 2 von deren Vater bzw. von deren Angehörigen umgebracht werde.

Die bP 1 und 2 führten an, Analphabeten zu sein.

I.3. Am 23.08.2012 wurde die bP 2 in Anwesenheit ihrer gesetzlichen Vertretung sodann durch eine Bedienstete des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, unter Mitwirkung einer weiblichen Dolmetscherin niederschriftlich einvernommen.

Befragt, ob es für die bP 3 eigene Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen gebe, erklärte die bP 1: "Wenn ich zurückgehe, dann wird mich mein Vater umbringen. Ich weiß nicht, ich glaube nicht, es ist ein Kind. Aber ich habe Probleme, weil es eine Schande ist, weil ich das Kind bekommen habe, mit meinem Mann. Es ist eine große Schande für meine Familie."

I.4. Am 28.09.2012 wurde die bP 2 nochmals in Anwesenheit ihrer gesetzlichen Vertretung durch eine Bedienstete des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, unter Mitwirkung einer weiblichen Dolmetscherin niederschriftlich einvernommen.

Hierbei gab die bP 1 zu Protokoll, dass sie nur Kudisch-Kurmanji und kein Arabisch sprechen könne. Sie und die bP 3 seien syrische Staatsangehörige. Sie besitze aber keine Beweismittel bzw. Identitätsdokumente. Vor ca. eineinhalb Jahren habe sie die bP 1 nach jesidischem Recht geheiratet. Die Ehe sei nicht registriert.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab die bP 2 zu Protokoll, dass sie ihrem Mann das Essen zur Arbeit gebracht hätte. Auf den Weg dorthin sei sie von drei bis vier Arabern angegriffen und vergewaltigt worden. Es falle ihr schwer darüber zu sprechen, weil es eine große Schande sei. Sie könne sich an keine Details erinnern, da sie ohnmächtig geworden sei. Während des Geschehens sei sie schwanger gewesen. Sie hätte überall am Körper, speziell am Unterleib, Schmerzen gehabt.

Sie sei als jesidisches Mädchen damit aufgewachsen, das Haus nicht zu verlassen. Ihr Vater und ihr Ehemann seien immer belästigt und gedemütigt worden, sobald sie das Haus verlassen hätten.

Bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat würde sie ihr Vater töten, da sie große Schande über die Familie gebracht hätte.

Im Übrigen wurden der bP 2 verschiedene Fragen zu ihrem behaupteten Herkunftsgebiet gestellt, etwa wie das Staatsoberhaupt und die Hauptstadt Syriens heiße, welche anderen wichtigen Städte es in Syrien gebe, welche öffentlichen Einrichtungen es in ihrem Heimatdorf gebe, wie der Dorfvorsteher heißen, wie die wichtige Kirchen, Moscheen und andere religiöse Einrichtungen bzw. wie die nächsten großen Städte und die umliegenden Provinzen rund um ihr Heimatdorf heißen würden und welche Währung es in Syrien gebe.

Die bP 2 war in der Lage zwei der oben angeführten Fragen zutreffend zu beantworten. So konnte sie das syrische Staatsoberhaupt und die syrische Währung richtig benennen. Überwiegend waren ihre Erklärungen aber unzureichend bzw. gab sie auf die Fragen als Antwort "ich weiß es nicht" an.

Die bP 1 wurde ebenfalls am 28.09.2012 durch eine Bedienstete des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, niederschriftlich einvernommen.

Sie wiederholte im Rahmen der Einvernahme grundsätzlich das von der bP 2 geschilderte Fluchtvorbringen betreffend die Vergewaltigung. Zur Unterdrückung durch die Araber gab die bP 1 zu Protokoll, dass sie von ihnen verlangt hätten, deren Religion anzunehmen. Ferner hätten sie ihnen ihre Schafe ohne Bezahlung weggenommen. Weiters betonte die bP 1, dass sie kein syrischer Staatsbürger, sondern staatenloser Syrer sei.

Zudem wurden auch der bP 1 verschiedene Fragen zum behaupteten Herkunftsgebiet gestellt, etwa wie das Staatsoberhaupt und die Hauptstadt Syriens heißen, welche anderen wichtigen Städte es in Syrien gebe, welche Sehenswürdigkeiten und öffentlichen Einrichtungen es in ihrem Heimatdorf gebe, wie der Dorfvorsteher heiße, wie die wichtigen Kirchen, Moscheen und andere religiöse Einrichtungen bzw. wie die nächsten großen Städte und die umliegenden Provinzen rund um das Heimatdorf heißen würden, welche Währung es in Syrien gebe, welche Währungseinheiten es gäbe und wie die Münzen heißen würden.

Auch bP 1 konnte lediglich zwei der oben angeführten Fragen zutreffend zu beantworten. So konnte sie das syrische Staatsoberhaupt und die syrische Währung richtig benennen. Überwiegend waren auch ihre Erklärungen aber unzureichend oder falsch bzw. gab sie auf die Fragen als Antwort "ich weiß es nicht" an.

I.5. Am 03.10.2012 langten - wie bei der Einvernahme am 28.09.2012 angekündigt - bezüglich der bP 2 medizinische Unterlagen vom 02.09.2012 und 13.09.2012 bei der bB ein. Demnach wurden bei der bP 2 eine psychosoziale Belastungsreaktion und rezidiv. Kopfschmerzen diagnostiziert. Ferner sei es bei der bP 2 zu zwei konvulsiven Synkopen (anfallsartige Bewusstlosigkeit mit Krämpfen) gekommen.

I.6. Am 16.10.2012 sollte mit der bP 2 eine Sprachanalyse durch SPRAKAB durchgeführt werden. Einem Aktenvermerk vom selben Tag zufolge erlitt die bP 2 hierbei allerdings einen Kreislaufkollaps, weshalb die Analyse nach zwei Minuten abgebrochen wurde. Die Synkopen seien am ehesten auf die arterielle Hypotonie der bP 2 und die Kopfschmerzen auf eine Kombination aus Hypotonie und der psychischen Belastungsreaktion zurückzuführen.

I.7. Laut dem von SPRAKAB durchgeführten Sprachanalysegutachten vom 19.10.2012 liege der sprachliche Hintergrund der bP 1 mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit nicht in Syrien. Ihr Sprachgebrauch weise deutliche Züge auf, die sich keiner in Syrien gesprochenen Variante von Kurmandschi zuordnen lassen. Weiters könne die bP 2 Arabisch weder sprechen noch verstehen. Dies sei ungewöhnlich, da die meisten Kurden in Syrien Arabisch sowohl sprechen als auch verstehen. Hingegen sei der Wahrscheinlichkeitsgrad sehr hoch, dass der sprachliche Hintergrund der bP 1 in Armenien liege, zumal der Sprachgebrauch phonologische, grammatische und lexikalische Züge der in Armenien gesprochenen Variante von Kurmandschi aufweise.

I.8. Die zuständig Behörde (BAA) holte zum psychischen Zustand der bP 2 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein. Ein solches wurde am 31.10.2012 erstellt und hatte zum Ergebnis, dass sich bei bP 2 aktuell keine psychische Erkrankung explorieren lasse.

I.9. Im Zuge einer weiteren Einvernahme durch eine Bedienstete des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, wurde der bP 2 am 27.11.2012 in Anwesenheit ihrer gesetzlichen Vertretung vor allem das Ergebnis des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von XXXX vom 31.10.2012 (keine psychische Erkrankung) zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, in das Gutachten Einsicht zu nehmen. Die bP 2 gab an, dass sie bei Bedarf Schmerztabletten wegen der Kopfschmerzen bekomme. Man hoffe, dass die Kopfschmerzen auch durch die neue Brille (4 Dioptrien) besser würden.

Weder die bP 2 noch deren gesetzliche Vertretung gaben hierzu eine Stellungnahme ab.

Im Übrigen wurde die bP 2 zu allfälligen Änderungen und Ergänzungen bezüglich ihres Fluchtgrundes, zu ihrer Situation in Österreich und ihrem Gesundheitszustand befragt.

I.10. Dem von SPRAKAB durchgeführten Sprachanalysegutachten vom 28.11.2012 zufolge liege der sprachliche Hintergrund der bP 2 mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit nicht in Syrien. Sie spreche nicht die in Syrien verbreitete Variante von Kurmandschi. Hingegen sei der Wahrscheinlichkeitsgrad sehr hoch, dass der sprachliche Hintergrund der bP 2 in Armenien nahe dem Gebiet XXXX liege, zumal deren Sprachgebrauch phonologische, grammatische und lexikalische Züge der in Armenien gesprochenen Variante von Kurmandschi aufweise.

I.11. Am 09.01.2013 wurden der bP 2 - in Anwesenheit ihrer gesetzlichen Vertretung - und der bP 1 sodann durch eine Bedienstete des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, der jeweilige Sprachanalysebericht zur Kenntnis gebracht und gaben die bP 1 und bP 2 hierzu eine Stellungnahme ab. Die bP 2 führte aus, dass sie sich nicht erklären könne, was die Sprachanalytiker meinen und sie kein Land namens Armenien kenne bzw. führte sie später aus, dass sie mit ihren Betreuern die Namen verschiedener Länder gelernt habe.

In der Folge wurde bP 1 und 2 unter Angabe einer Begründung mitgeteilt, dass die bB davon ausgehe, dass sie nicht aus Syrien, sondern aus Armenien stammen würden. Insoweit wurden der bP 2 die aktuellen Länderfeststellungen zu Armenien ausgehändigt und ihr innerhalb einer Frist von zwei Wochen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Die bP 1 verzichtete auf eine Aushändigung.

Abschließend wurden ihnen Fragen zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich gestellt.

I.12. Am 04. Februar 2013 langte bei der bB - nach einer Fristverlängerung - die schriftliche Stellungnahme der gesetzlichen Vertretung der bP 2 zum bisherigen Verfahren ein.

Zunächst wurde ausgeführt, dass die bP 1 und 2 nochmals ins Amt [für Soziales, Jugend und Familie] geladen und befragt worden seien. Hierbei habe der Dolmetscher bestätigt, dass die bP das in Syrien gesprochene Kurmanji sprechen würden. Zudem seien die beiden Auswertungen der Sprachanalyse widersprüchlich. In den Ausführungen von Sprakab sei einmal behauptet worden, dass die bP 2 Arabisch beherrsche und ein anderes Mal, dass sie Arabisch nicht beherrsche.

Ferner sei nicht erkennbar, wann und welcher Dolmetscher auf die Idee gekommen sei, dass die bP 2 aus Armenien stammen könnte. Es wurde hinterfragt, wo der Dolmetscher als Sachverständiger beeidigt worden und wo das protokolliert sei.

Hinzu komme, dass die bP 1 und 2 Analphabeten seien und der Vater der bP 2 dieser nicht erlaubt habe, mit den Nachbarn Kontakt zu haben. Die bP 2 habe sehr wohl gewusst, wie der Name der Hauptstadt sei; sie habe ihn allerdings in ihrer Sprache genannt.

Abschließend wurde beantragt, Ermittlungen in XXXX anzustellen und beim Dorfältesten mit dem Namen XXXX nachzufragen, ob die Familie dort wohne.

I.13. Mit den Bescheiden vom 13.06.2013 wies das Bundesasylamt die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten jeweils gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Weiters wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Armenien jeweils gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Beweiswürdigend wurde zu den von der Erst- und dem Zweitbeschwerdeführer behaupteten Ausreisegründen ausgeführt, dass diese nicht glaubhaft seien, da bereits die Angaben der bP 1 und 2 zu ihrem Herkunftsstaat und ihrer Nationalität aufgrund ihrer fehlenden Länderkenntnisse zu Syrien nicht glaubhaft gewesen seien. In diesem Zusammenhang wurde aufgrund einer durchgeführten Sprachanalyse auch festgestellt, dass davon auszugehen sei, dass sich der sprachliche Hintergrund der bP 1 und 2 mit sehr hoher Sicherheit nicht Syrien, aber sehr wohl Armenien zuordnen lasse. Ferner seien die Schilderungen der bP 1 und 2 zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich gewesen. Schließlich seien die Angaben der bP 1 und 2 auch nicht plausibel und nachvollziehbar bzw. teilweise widersprüchlich zu den Ausführungen der jeweils anderen Person gewesen. Im Bescheid der bP 3 wurde bezüglich der mangelnden Glaubhaftigkeit des Vorbringens auf die Ausführungen in den Bescheiden ihrer Eltern vom 13.06.2013 verwiesen.

In der rechtlichen Beurteilung wurde jeweils begründend dargelegt, warum - als Folge der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens - der von den Antragstellern vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete, warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne und warum die Ausweisung nach Armenien zulässig sei.

I.14. Mit Verfahrensanordnung vom 13.06.2013 wurde den beschwerdeführenden Parteien von der bB mitgeteilt, dass ihnen für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird.

I.15. Gegen die Bescheide vom 13.06.2013 wurden innerhalb offener Frist Beschwerden von bP 1 und 2 (über ihre Vertretung) erhoben.

I.16. In der Folge wurde noch Unterlagen zur Integration nachgereicht (Teilnahmebestätigung für den Deutschkurs für AsylwerberInnen - Stufe 2 vom 30.04.2013 bis 27.06.2013, Unterstützungsschreiben des Fußballvereins der bP 1 vom 04.07.2013).

I.17. Mit Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom 18.12.2013 wurde den Beschwerden der bP 1 bis 3 gegen die Bescheide vom 13.06.2013 stattgegeben und wurden die Angelegenheiten gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an die bB zurückverwiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Einvernahmen die bP 2 betreffend im Beisein einer weiblichen Dolmetscherin hätten geführt werden müssen und dass im fortgesetzten Verfahren die Situation der jezidischen Kurden in Armenien in der bescheidmäßigen Erledigung einen Niederschlag finden müsse.

I.18. Am 27.09.2017 erfolgten weitere Einvernahmen der bP 1 und 2 vor der bB.

I.19. Am 28.03.2018 wurde eine neuerliche Sprach- und Herkunftsanalyse mit bP 1 und 2 durchgeführt. Neuerlich ergab sich, dass der sprachliche Hintergrund mit hoher Wahrscheinlichkeit in Armenien und geringer Wahrscheinlichkeit in Syrien liegt.

I.20. Im Rahmen der weiteren Einvernahme der bP 1 und 2 am 07.05.2018 wurde ihnen mitgeteilt, dass die bB von der Staatsangehörigkeit zu Armenien ausgeht.

I.21. Am 12.04.2019 wurde die bP 2 als gesetzliche Vertreterin der bP 5 nochmals insbesondere zu den Fluchtgründen hinsichtlich bP 5 einvernommen.

I.22. Vorgelegt wurde von den bP in den erstinstanzlichen Verfahren:

* Geburtsurkunden bP 3 bis 5, Vaterschaftsanerkenntnis durch bP 1

* Meldezettel

* Unterstützungsschreiben des Jugendheims der bP 2 vom 17.02.2019

* Foto

* Deutschkursbestätigung bP 1 Stufe 2 aus dem Jahr 2013

* Zertifikat Nichtbestandene Prüfung über das Sprachniveau B 1 für bP 1

* Einstellungszusage vom 25.09.2017 für bP 1

* Deutschkursbestätigungen bP 2

* Bestätigung über die Absolvierung einer Psychotherapie der bP 2 im Jahr 2017

* Erste Hilfe Kurs Bestätigung bP 2

* Ärztliche Unterlagen insbesondere zu psychischen Problemen der bP 2

* Schreiben der Jugendwohlfahrt

I.23. Für die bP 3 bis 5 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

I.24. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Den Beschwerden wurde gem. § 18 (1) Z 1, 3, 4 und 6 (nur bei bP 1) BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dies aufgrund des Umstandes, dass die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen, über ihre Identität täuschten, Verfolgungsgründe nicht behauptet wurden,

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt.

Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG wurde in Bezug auf die bP 1 und 2 Einreiseverbote für die Dauer von 5 Jahren erlassen.

Gestützt wurden die Einreiseverbote auf die Täuschung über die Identität und damit verbundene missbräuchliche Asylantragstellung sowie die Mittellosigkeit der bP und damit die von ihnen ausgehende Gefährdung.

I.24.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1):

- betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes:

Sie haben sich mit der Asylbegründung darauf gestützt, dass Sie allein deswegen ausgereist wären, weil Ihre Frau vergewaltigt worden wäre. Ansonsten hätten Sie keine Fluchtgründe.

Sie wussten weder, wer Ihre Frau vergewaltigt hätte, noch wann Ihre Frau vergewaltigt worden wäre. Sie gaben an, Ihre Frau wären am XXXX .2012 oder XXXX .2012 vergewaltigt worden, Ihre Frau selbst gab an, Sie wäre im Mai 2012 vergewaltigt worden.

Ihre Frau wäre von Arabern unbekannter Identität vergewaltigt worden und zwar deswegen, weil Sie bei diesen Arabern hätten arbeiten sollen. Sie hätten aber nicht den Wunsch gehabt, bei diesen Arabern zu arbeiten, da diese nicht pünktlich bezahlt hätten.

Sie haben die Vergewaltiger nicht zur Anzeige gebracht, Ihre Frau hat nach der vorgeblich erlittenen Vergewaltigung keinen Arzt aufgesucht. Begründend führten Sie aus, Sie hätten darin keinen Sinn gesehen, Ihre Frau nach der Vergewaltigung zum Arzt zu bringen.

Aufgrund stark voneinander abweichender Schilderungen des Ausreisegrundes und aufgrund divergierender Schilderungen sowohl Ihrer Person als auch der Person der Ehefrau zu der von dieser erlittenen Vergewaltigung im Mai oder Juni 2013 und der Tatsache, dass Sie vor der Einreise nach Österreich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Syrien lebten, sondern dass Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in Armenien lebten, erscheint die Vergewaltigung Ihrer Ehefrau durch einen oder mehrere Araber (für die oder mit denen Sie gearbeitet haben sollen) auch nicht glaubhaft und nachvollziehbar.

Zudem entfaltet der von Ihnen geschilderte Fluchtgrund bzw. Begründung für die Asylantragstellung keinerlei Asylrelevanz. Sie haben angegeben, dass es sich beim Vergewaltigungsakt nach Ihrem Dafürhalten um eine rein kriminelle Aktion gehandelt hätte, da Sie sich geweigert hätten mit diesen Personen (Vergewaltigern) zusammenzuarbeiten. Aus Zorn und Niedertracht wären Ihre Ehefrau dann von den Genannten potentiellen Arbeitgebern vergewaltigt worden.

Die Behörde geht davon aus, dass allein wirtschaftliche Probleme bzw. die Suche nach wirtschaftlicher Prosperität Sie veranlassten Ihrer Heimat Armenien den Rücken zu kehren.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass Ihren Angaben zu den behaupteten Ausreisegründen sich als nicht asylrelevant erwiesen und daher den weiteren Feststellungen und Erwägungen zu Grunde gelegt werden können.

In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

I.24.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen; insbesondere zur Situation der Jesiden in Armenien.

I.24.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Da die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen, wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 [1] 1 BFA-VG).

I.25. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist für die bP 1 bis 4 und später die bP 5 Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP keine armenische Staatsbürger wären sondern ihr gesamtes Leben in Syrien verbracht hätten. Die bB hätte die Fluchtgründe in Bezug auf Syrien prüfen müssen.

Vorgelegt wurde von den bP eine Einstellungszusage für bP 1

I.26. Die Beschwerdevorlagen langten am 22.06.2018 (bP 1 bis 4) beim BVwG, Außenstelle Linz ein. Nach Unzuständigkeitseinrede wegen Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung für die Verfahren der bP 1 bis 4 durch einen männlichen Richter wurden die Rechtssachen der Gerichtsabteilung L523 zugeteilt. In der Folge wurde ein Aktenvermerk über die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung verfasst.

Mit Schreiben vom 25.07.2018 wurde mitgeteilt, dass die bP 2 schwanger sei und ersucht, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen Schließlich wurden die Rechtssachen der bP 1 bis 4 der Gerichtsabteilung L523 mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.10.2018 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt. Am 17.05.2019 langte die Beschwerdevorlage hinsichtlich der bP 5 ein. Am 07.06.2019 langte eine Verständigung über die Bevollmächtigung des rechtsfreundlichen Vertreters auch hinsichtlich der bP 5 beim BVwG ein und wurde die Vollmacht vom bisher die bP 5 vertretenden Rechtsvertreter zurückgelegt.

I.27. Mit E-Mail vom 19.04.2018 wurde von der bB eine von ihr an die LPD übermittelte Sachverhaltsdarstellung dem BVwG übermittelt, wonach die bP im Asylverfahren betrogen hätten.

I.28. Mit E-Mails vom 23.01.2019 und 05.02.2019 wurde von der bB ein Schreiben der armenischen Botschaft vom XXXX .2018 vorgelegt, wonach die bP 1 bis 4 unter den von ihnen in Österreich angegebenen Personalien nicht in Armenien registriert sind bzw. keine Staatsbürger wären oder Reisepässe / Visa ausgestellt erhalten hätten.

I.29. Am 16.08.2019 langte ein Strafantrag der Finanzpolizei wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes beim BVwG ein. Demnach hat ein Unternehmen bP 1 entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes beschäftigt, da für diese keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung vorlag. Die bP 1 wurde gleichzeitig wegen Fahrens ohne Führerschein angezeigt.

I.30. Für den 27.09.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat mit der Aufforderung zur Stellungnahme zugestellt. Ebenso wurde - in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

Mit Schreiben vom 27.06.2019 teilte die rechtsfreundliche Vertretung nochmals mit, dass die bP keine armenischen Staatsangehörigen wären und aus diesem Grund keine Stellungnahme zu Länderfeststellungen zu Armenien abgeben könnten. Hingewiesen wurde auf die Integration der bP und wurden hierzu wiederum Unterlagen vorgelegt.

Zu Beginn der Verhandlung brachten die befragten bP vor, bisher die Wahrheit gesagt zu haben; sie blieben auch dabei, syrische Staatsangehörige zu sein.

Vorgelegt wurden in der Verhandlung eine Aufforderung zur Rechtfertigung der LPD an die bP.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.

Die Beschwerden wurden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer der Einreiseverbote hinsichtlich bP 1 und 2 auf zwei Jahre herabgesetzt wurden und die aufschiebende Wirkung betreffend aller bP gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG und hinsichtlich bP 1 und 2 zudem gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 zu Recht erfolgte. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung der Erkenntnisse und Rückübersetzung derselbigen wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

Mit Schreiben vom 02.10.219 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den bP handelt es sich um armenische Staatsangehörige, welche der kurdischen Volksgruppe angehören und jesidischen Glaubens sind.

Die bP 1 und 2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Die bP 2 leidet zeitweise an Migräne und nimmt Kopfschmerztabletten deswegen.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP ist durch deren Eltern gesichert.

Familienangehörige der bP leben nach wie vor in Armenien.

Die bP haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hielten sich im Entscheidungszeitpunkt seit 7 1/2 Jahren bzw. seit der Geburt (bP 3-5) im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung. Die bP 1 und bP 2 haben Deutschkurse besucht. Die bP 1 hat noch keine Prüfung bestanden, die bP 2 hat die A2 und B1 Prüfung absolviert.

Für die bP 1 und bP 2 liegen Einstellungszusagen vor. Die Einstellungszusage für die bP 1 stammt von der Person (idF kurz "I" genannt), die wegen illegaler Beschäftigung der bP 1 angezeigt wurde.

Die bP 1 ist Mitglied eines Fußballvereins und engagiert sich im Nachwuchstraining. bP 1 und 2 verfügen über normale soziale Kontakte in Österreich. Die bP 2 ist zweitweise für gemeinnützige Vereine (Volkshilfe und Verein der Begegnung Arcobaleno) tätig (Kochen und Hilfsleistungen bei Veranstaltungen) und liest zeitweise im Kindergarten den Kindern Geschichten vor. Sie hat einen Erste Hilfe Kurs besucht.

Die bP 3 besucht die Volksschule, die bP 4 den Kindergarten.

Die bP 1 wurde am XXXX .2012 und am XXXX .2013 wegen Diebstahls angezeigt. Sie wurde wegen Fahren ohne Führerscheins angezeigt. Die bP 2 wurde im Jahr 2012 wegen Diebstahls angezeigt und wurde eine diversionelle Bereinigung durchgeführt.

Die Identität der bP steht nicht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a).

Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen "Mein Schritt" erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei "Blühendes Armenien" (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei "Leuchtendes Armenien" unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019

* ARMENPRESS - Armenian News Agency (10.12.2018): My Step - 70.44%, Prosperous Armenia - 8.27%, Bright Armenia - 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019

* ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/, Zugriff 8.5.2019

* BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 21.3.2019

* CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 7.5.2019

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 21.3.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, 21.3.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html, Zugriff 21.3.2019

* 168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government's economic policy - PM Pashinyan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html, Zugriff 21.3.2019

Sicherheitslage

Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 20.3.2019). Die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach dauern an. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Im Jahr 2018 fanden mehrere Waffenstillstandsverletzungen entlang der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien statt, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verlusten führten (gov.uk 21.3.2019, vgl. EDA 7.5.2019).

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018).

Quellen:

* CFR - Council on Foreign Relations (20.3.2018): Nagorno-Karabakh Conflict, https://www.cfr.org/interactives/global-conflict-tracker#!/conflict/nagorno-karabakh-conflict, Zugriff 21.3.2019

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (7.5.2019): Reisehinweise für Armenien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/armenien/reisehinweise-armenien.html, Zugriff 7.5.2019

* Eurasianet (1.10.2018): Aliyev and Pashinyan hold first talks, agree on tension-reducing measures, https://eurasianet.org/aliyev-and-pashinyan-hold-first-talks-agree-on-tension-reducing-measures, Zugriff 21.3.2019

* UK Gov (7.5.2019): Foreign travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/armenia, Zugriff 7.5.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte. Die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis seit Mitte 2018 verbessert. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wurde bisher durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert. Es gibt Anzeichen, dass allein der Regierungswechsel im Mai 2019 zu weniger Korruption in der Justiz geführt hat. Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz gab es bereits Fortschritte, dass die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 7.4.2019). Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 13.3.2019).

Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.2.2019). Allerdings entließen viele Richter nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 13.3.2019).

Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort, und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. Anwälte berichteten, dass das Kassationsgericht in der Vergangenheit das Ergebnis aller wichtigen Rechtssachen an niedere Richter diktiert habe. Im Februar wurde mit der Umsetzung der Verfassungsänderungen 2015 der Oberste Justizrat (HJC) gebildet. Viele Beobachter gaben dem HJC die Schuld für Machtmissbrauch und die Ernennung von Richtern, die mit der früheren Regierungspartei verbunden waren. Anwälte erklärten auch, dass die Kontrolle der HJC über die Ernennung, Beförderung und Verlegung von Richtern die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt habe. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperlichen Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren (USDOS 13.3.2019).

Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz hat dieses Recht nicht durchgesetzt. Zwar sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der "Moral", der nationalen Sicherheit und des "Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer". Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 11.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 11.4.2019

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 13.3.2019, vgl. AA 7.4.2019). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 7.4.2019).

Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vgl. USDOS 13.3.2019). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 13.3.2019).

Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festhalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): Functions Of Special Investigation Service, http://www.ccc.am/en/1428578692, Zugriff 10.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 10.4.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet solche Folter und andere formen von Misshandlungen. Dennoch gab es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur "Samtenen Revolution" immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 7.4.2019).

Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 13.3.2019). In einem Antwortschreiben an die Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 20.12.2018 auf 49 (HCA 1.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* HCA - Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf, Zugriff 10.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 10.4.2019

Korruption

Armenien verfügt nicht über wirksame Schutzmaßnahmen gegen Korruption. Dem bis 2018 an der Macht befindlichen Parlament gehörten einige der wohlhabendsten Wirtschaftsführer des Landes an, die trotz Interessenkonflikten ihre privatwirtschaftlichen Aktivitäten fortsetzten. Auch die Beziehungen zwischen Politikern und anderen Oligarchen haben die Politik historisch beeinflusst und zu einer selektiven Anwendung des Gesetzes beigetragen. Die Berichte über systemische Korruption, auch in allen drei Staatsgewalten, gingen jedoch weiter. Nach der "Samtenen Revolution" im Mai 2018 leitete die neue Regierung Untersuchungen zur Bekämpfung der Korruption ein, die systemische Korruption in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens aufdeckte. Das SIS leitete zahlreiche Strafverfahren gegen mutmaßliche Korruption durch ehemalige Regierungsbeamte und deren Angehörige sowie Parlamentarier ein, deren Fälle von einigen tausend bis zu Millionen von US-Dollar reichten (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019).

Ministerpräsident Pashinyan, für dessen Regierung die Korruptionsbekämpfung ein hochrangiges Ziel darstellt, berichtete im Juli 2018, dass innerhalb zweier Monate bereits 20,6 Milliarden Armenische Dram (36,8 Millionen Euro) an Geldern aus Steuerhinterziehungen sichergestellt wurden. Betroffen waren 73 Unternehmen, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Die Summe bezog sich ausschließlich auf die Steuerschuld (Haypress 13.7.2018, vgl. JAMnews 24.7.2018). Während die meisten Beobachter der Meinung sind, dass es reichlich Beweise für Fehlverhalten gibt, warnten einige, dass es eine schmale Linie zwischen soliden Rechtsfällen und politisch motivierten gibt. Die mit der ehemaligen, langjährigen Regierungspartei verbündeten Eliten zeigten erheblichen Widerstand gegen diese Ermittlungen und schienen den Antikorruptionskurs der neuen Regierung zu erschweren (FH 4.2.2019).

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 belegte Armenien den Rang 105 von 180 Ländern (2017: 107 von 180 Staaten) und erhielt wie 2017 einen Wert von 35 auf einer Skala von 100 [100 ist der beste, 0 der schlechteste Wert] bezüglich der Korruption im öffentlichen Sektor (TI 2018).

Quellen:

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 10.4.2019

* Haypress (13.7.2018): Armenien: Paschinjans Regierung holt 42 Mio. Dollar an Steuerhinterziehung zurück, https://haypressnews.wordpress.com/2018/07/13/armenien-paschinjans-regierung-holt-42-mio-dollar-an-steuerhinterziehung-zurueck/, Zugriff 29.3.2019

* JAMnews (24.7.2018): Armenia's fight against corruption: a JAMnews series on the first steps of the new Armenia, https://jam-news.net/armenias-fight-against-corruption-a-jamnews-series-on-the-first-steps-of-new-armenia/, Zugriff 9.11.2018

* TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/ARM, Zugriff 29.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 29.3.2019

NGOs und Menschrechtsaktvisten

Die Zivilgesellschaft ist in Armenien aktiv und weitgehend in der Lage, frei zu agieren. Das Gesetz über öffentliche Unternehmen und das Stiftungsrecht wurden kürzlich mit einer Reihe positiver Änderungen verabschiedet, darunter die Möglichkeit, direkt einkommensschaffende oder unternehmerische Aktivitäten durchzuführen; weiters die Möglichkeit von Freiwilligenarbeit sowie die Möglichkeit für Umweltorganisationen, die Interessen ihrer Mitglieder in Umweltfragen vor Gerichten zu vertreten. Es gibt jedoch noch eine Reihe von Herausforderungen. Zum Beispiel die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Steuerverpflichtungen im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen, das Fehlen klarer Regeln für den Zugang zu öffentlichen Mitteln sowie klarer Regelung für die Verwendung privater Daten. Einschränkungen gibt es für zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit sensiblen Themen wie den Rechten von Minderheiten und einigen Gender-spezifischen Fragen arbeiten (OHCHR 16.11.2018). Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fehlen lokale Mittel und sind weitgehend auf ausländische Geber angewiesen (FH 4.2.2019).

Die Zivilgesellschaft war sehr aktiv bei den Protesten 2018, den anschließenden Konsultationen mit der Regierung in politischen Fragen und bei der Überwachung der Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen im Dezember 2018 (FH 4.2.2019).

Quellen:

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 29.3.2019

* OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E, Zugriff 29.3.2019

Ombudsperson

Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte "Ombudsperson für Menschenrechte" muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 7.4.2019).

Mit den im März 2017 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen wurde der Zuständigkeitsbereich des Büros der Bürgerbeauftragten erweitert. Es kann Gesetzesvorschläge einbringen, Rechtsvorschriften aus Menschenrechtssicht überprüfen, förmliche Gutachten durchführen und Empfehlungen zu Rechts- und Rechtsvollzugsmängeln abgeben. Experten zufolge reichten jedoch der Grad der Ermächtigung und die Ressourcen des Büros der Ombudsperson nicht aus, um das neue Mandat des Büros umzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Die Zivilgesellschaft hat die Arbeit des Büros der Ombudsperson während der Proteste von April bis Mai 2018 allgemein als gut erachtet. Nach Angaben der Website des Menschenrechtsverteidigers arbeitete das Büro bei Protesten 24 Stunden am Tag, um den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In der ersten Jahreshälfte 2018 meldete das Büro eine beispiellose Zahl von Bürgerbeschwerden und -besuchen, die es auf ein gestiegenes Vertrauen in die Institution und neue Erwartungen der Öffentlichkeit zurückführte (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 28.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 28.3.2019

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel (AA 7.4.2019, vgl. USDOS 20.4.2018). Journalisten zeichneten neun Monate nach dem politischen Machtwechsel ein gemischtes Bild. Während die Regierung nicht mehr versucht, die Berichterstattung direkt zu orchestrieren, erweisen sich die neuen Behörden als dünnhäutig gegenüber Kritik. Premierminister Pashinyan selbst hat wiederholt öffentliche Angriffe auf Journalisten gestartet, von denen viele in den Medien sagen, dass sie ein Klima der Einschüchterung gegen kritische Berichterstattung geschaffen haben (Eurasianet 6.2.2019, vgl. USDOS 13.3.2019).

Im Jahr 2018 wurden 13 neue Klagen gegen Reporter und Medienvertreter eingereicht. Alle zitierten Artikel 1087.1 des RoA Zivilgesetzbuches ("Beleidigung und Verleumdung"). Im Jahr 2018 verkündeten die Gerichte neun Urteile gegen Medien und Reporter und zehn Urteile zu deren Gunsten (HCA 1.2019).

Dem Rundfunk und auflagenstarken Printmedien fehlt es in der Regel an politischer Meinungsvielfalt und objektiver Berichterstattung. Privatpersonen oder private Gruppen besitzen die meisten Rundfunkmedien und Zeitungen, was in der Regel die politische Ausrichtung und die finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelt. Nach Ansicht einiger Medienkritiker präsentierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch nach der "Samtrevolution" weiterhin Nachrichten aus einer regierungsfreundlichen Perspektive (USDOS 13.3.2019). Im Parlamentswahlkampf im Herbst 2018 gab es keine größeren Einschränkungen der Pressefreiheit, obwohl politisch ausgerichtete Medien weiterhin die mit ihnen verbundenen Parteien und Kandidaten bevorzugten (FH 4.2.2019).

Eine Reihe von Reportern wurde während der Protestphase von der Polizei physisch angegriffen (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Im Jahr 2018 wurden insgesamt 21 Vorfälle von körperlicher Gewalt gegen Reporter und Kameramänner registriert, 67 Vorfälle von Druck auf Medien und deren Mitarbeiter und 98 Vorfälle von Verletzungen des Rechts auf Erhalt und Verbreitung von Informationen (HCA 1.2019). Insgesamt wurden elf Strafverfahren im Zusammenhang mit den Vorfällen eingeleitet; in fünf der Fälle wurden Anklagen erhoben, drei Fälle landeten schließlich vor Gericht (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* Eurasianet (6.2.2019): In the new Armenia, media freedom is a mixed bag, https://eurasianet.org/in-the-new-armenia-media-freedom-is-a-mixed-bag, Zugriff 11.4.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 28.3.2019

* HCA - Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf, Zugriff 28.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 28.3.2019

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Versammlungsfreiheit

Die Verfassung und das Gesetz sehen die Freiheit der friedlichen Versammlung vor und nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 respektierte die neue Regierung diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.3.2019). Das Versammlungsgesetz entspricht EU- und anderen internationalen Standards. Die Versammlungsfreiheit wird durch die Polizei respektiert. Die Versammlungsfreiheit wird unter der Regierung Pashinyan nicht mehr durch Anwendung des Gesetzes über administrative Haft und des Versammlungsgesetzes eingeschränkt (AA 7.4.2019). Der Schutz und die Zugänglichkeit des Rechts auf Versammlungsfreiheit haben sich durch die politischen Veränderungen der im April 2018 abgehaltenen Versammlungen erheblich verbessert (HCA 1.2019).

Versammlungen können ohne vorherige Genehmigung, aber nach Benachrichtigung der Behörden abgehalten werden. In einigen Fällen die Benachrichtigung nicht erforderlich ist, wenn spontane und dringende Versammlungen abgehalten werden, oder wenn die Teilnehmerzahlen 100 Personen nicht überschreiten. Darüber hinaus sieht dieses Gesetz vor, dass die Polizei unabhängig von der Art der Versammlung verpflichtet ist, für Sicherheit zu sorgen und Demonstrationen zu ermöglichen, solange sie friedli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten