TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/25 95/04/0058

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Veröffentlicht am 25.11.1997
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §74 Abs2 Z2 impl;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs2;
GewO 1994 §81 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des H in I, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Jänner 1995, Zl. IIa-60.067/1-94, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: Firma E-GesmbH in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 29. September 1994 wurde der mitbeteiligten Partei "gemäß §§ 81, 77, 359 Abs. 1 GewO 1994 unter Anwendung des § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutz, BGBl. Nr. 234/1972", nach Maßgabe der einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Pläne und Projektunterlagen die gewerberechtliche Genehmigung für die Änderung (einer genehmigten Betriebsanlage) durch Errichtung einer teilweise überdachten Kranbahn samt Maschinenausstattung an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er sich im wesentlichen mit der Mangelhaftigkeit des medizinischen Gutachtens und der durchgeführten Lärmmessung auseinandersetzte. Diesbezüglich brachte der Beschwerdeführer u. a. vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine Kontrollmessung im Garten des Beschwerdeführers durchzuführen, obwohl dieser der Betriebsanlage näher sei als das Fenster, von welchem aus die Behörde die Messung durchgeführt habe. Büsche und Sträucher sowie der Holzzaun würden keine Masse aufweisen. Auch würde wegen des Winkels von der "Lärmerzeugungsstätte zum Kopf des Gartenbenützers" keine ins Gewicht fallende Verminderung des Lärms eintreten.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Jänner 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung wurde - unter Darlegung der Rechtslage - (zusammengefaßt) ausgeführt, der Beschwerdeführer habe keine fachlich fundierten Beweise erbracht, daß das medizinische Gutachten nicht dem Stand der medizinischen Wissenschaften entspreche. Es sei auch für einen Laien nachvollziehbar, daß dann, wenn sich der Umgebungslärm in einem zumutbaren Bereich befinde, nur die Erhöhung dieses Umgebungslärmes durch den Beurteilungspegel zu berücksichtigen sei. Der Beschwerdeführer habe auch nicht konkret vorgebracht, inwiefern die von der Behörde durchgeführte Lärmmessung nicht dem Stand der Technik entsprechen solle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen gewerberechtlich geschützten Nachbarrechten verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt er unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u. a. vor, die Behörde habe keine Messung im Garten, als den der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes, der seinem regelmäßigen Aufenthalt diene, durchgeführt.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind

(Z. 1), das Leben oder die Gesundheit ... der Nachbarn ... zu

gefährden; (Z. 2), die Nachbarn u.a. durch Lärm zu belästigen.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 28. August 1997, Zl. 95/04/0222), hat die Prüfung einer Lärmeinwirkung auf jenen der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes abzustellen, der bei Bedachtnahme auf die im Zeitpunkt der Entscheidung der Gewerbebehörde insbesondere auf dem Gebiet des Baurechtes geltenden Vorschriften dem regelmäßigen Aufenthalt des Nachbarn, sei es in einem Gebäude, sei es außerhalb eines Gebäudes, dienen kann. Auf die Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses wird im Grunde des § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Während die Behörde erster Instanz bezüglich der nicht vorgenommenen Messung im Garten des Beschwerdeführers noch die Auffassung vertritt, daß sie aus Gründen der direkten Verbindung als Meßpunkt das Fenster des Beschwerdeführers ausgewählt habe, weil dieser im Gegensatz zu einer Messung im Garten (durch die höhere Abschattungswirkung des Zaunes bzw. der Büsche und Sträucher) die höchstmögliche Belastung durch die Betriebsanlage widerspiegle, geht die belangte Behörde auf dieses Problem - ungeachtet der die Auffassung der Erstbehörde bekämpfenden Berufungsdarlegungen - im angefochtenen Bescheid in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage nicht ein, sondern zieht sich auf die Aussage zurück, daß der Beschwerdeführer nicht konkret vorgebracht habe, inwiefern die von der Behörde durchgeführte Lärmmessung nicht dem Stand der Technik entspreche. Der Beschwerdeführer hat aber mit seinen Berufungsdarlegungen hinreichend konkret die Schlüssigkeit bzw. Vollständigkeit der Auffassung des lärmtechnischen Sachverständigen in seiner Stellungnahme vom 9. September 1994 (auf die die Begründungsdarlegungen des erstinstanzlichen Bescheides aufbauen) bekämpft, der ohne auf die Frage der (behaupteten) mangelnden Abschattungswirkung des Zaunes bzw. der Büsche und Sträucher einzugehen, zum Schluß kam, der gewählte Meßpunkt wiederspiegle die höchstmögliche Belastung durch die Betriebsanlage. Es hätte daher einer Auseinandersetzung mit diesem ohne nähere Begründung keineswegs als von vornherein unbeachtlich erkennbaren Vorbringen bedurft.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995040058.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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