TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/25 W233 2191768-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2020
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Entscheidungsdatum

25.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W233 2201094-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger des Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2018, Zl. 1094845309 - 151772314, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.01.2020 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

I.1.1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger des Iran, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag wurde er vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Auf die Frage nach seinen Fluchtmotiven gab er zwei Gründe an: Einerseits habe er das Land verlassen müssen, weil er an einer Veranstaltung teilgenommen habe, bei der über das Christentum diskutiert worden sei, woraufhin er seine Religion wechseln wollte und daher von Islamisten verfolgt worden sei. Andererseits habe er beim Yoga das Wort "OM" ausgesprochen und sei deshalb festgenommen und mehrere Tage festgehalten worden.

I.1.2. Am 13.06.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen, wobei er seine Fluchtgründe aufrechterhielt: Im Iran akzeptiere man Yoga nur als Sport, er habe nach Ausbildungen im Iran einen fünfwöchigen Workshop in Indien besucht, wobei er jedoch das "echte" Yoga, also im spirituellen bzw. religiösen Sinne, gelernt habe. Im Anschluss danach habe er 2 Jahre in Nepal verbracht. Diese religiöse Einstellung habe im Endeffekt zu Problemen geführt und er sei deswegen eines Tages von zwei Männern mit einem Motorrad entführt und anschließend festgehalten, geschlagen und bedroht worden.

I.1.3. Am 22.02.2018 fand eine neuerliche niederschriftlich festgehaltene Befragung vor dem Bundesamt statt. In dieser wurde vom Beschwerdeführer auf eine fehlerhafte Protokollierung bezüglich seines Namens, des Alters seiner Eltern und seines Familienstandes hingewiesen. Der Beschwerdeführer bestätigte im Wesentlichen nochmals seine Fluchtgründe, fügte aber hinzu, dass er im Zuge der Entführung auch vergewaltigt worden sei.

I.1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 05.03.2018 die Anträge des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.11.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 2 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

I.1.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 03.04.2018 in vollem Umfang Beschwerde.

I.1.6. Die gegenständliche Beschwerde und die mit ihr in Bezug bestehenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 09.04.2018 vorgelegt.

I.1.7. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 15.01.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seinem Leben in Österreich befragt wurde. Außerdem wurde in dieser Beschwerdeverhandlung die ehemalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers als Zeugin, zur religiöser Einstellung des Beschwerdeführers und zur Ausübung derselben befragt. Das Bundesamt nahm an dieser mündlichen Verhandlung durch einen Vertreter teil.

Im Zuge der Verhandlung wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über den Iran mit Stand vom 14.06.2019 in das Verfahren eingebracht und dem Beschwerdeführer und dessen Vertreter in Kopie ausgefolgt. Seitens des Behördenvertreters erfolgte keine Stellungnahme, auch der Rechtsvertreter gab keine schriftliche Stellungnahme ab, merkte aber explizit an, dass im Iran die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion ein offizieller Straftatbestand sei und bis hin zur Todesstrafe geahndet werde.

Mit Schriftsatz vom 16.01.2020 legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der Österreichische Buddhistische Religionsgemeinschaft vor, wonach er u.a. auch die buddhistische Lehre aktiv praktiziert. Das Bundesamt hat sich zu dieser ihr im Wege des Parteiengehörs übermittelten Bestätigung nicht geäußert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. 1. Zur Person und zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , wurde am XXXX im Iran geboren und ist Staatsangehöriger des Iran. Er gehört der Volksgruppe der Fars an. Neben seiner Muttersprache Farsi spricht er Englisch, Deutsch und ein wenig Nepali.

Der Beschwerdeführer wurde im Iran als Muslim geboren. Bereits im Iran zeigte er Interesse für andere Religionen bzw. Glaubenseinstellungen und ist anlässlich seiner Auslandsaufenthalte in Indien und in Nepal und der damit einhergehenden spirituellen Yogaausbildung mit den Glaubensinhalten der Religionsgesellschaft des Buddhismus in Berührung gekommen. Im Zuge eines zweijährigen Aufenthalts in Nepal ist der Beschwerdeführer vom Islam abgefallen und zum Buddhismus konvertiert. Diese Lebensweise setzte der Beschwerdeführer anschließend auch im Iran fort und er begann, traditionelles, spirituelles Yoga und Meditation zu unterrichten.

In Österreich wird der Beschwerdeführer seit dem 22.03.2018 im Register der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft als Mitglied geführt und praktiziert aktiv die buddhistische Lehre.

Der Beschwerdeführer nimmt regelmäßig an buddhistischen Kursen und Meditationsabenden im Buddhistischen Zentrum in 1010 Wien, XXXX teil.

Darüber hinaus engagiert sich der Beschwerdeführer freiwillig im Bereich Yoga, Meditation und Musik.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich seinen Austritt aus der Islamisch-Schiitischen Glaubensgemeinschaft gemeldet.

Bei einer Rückkehr in den Iran würde der Beschwerdeführer nicht zum Islam zurückkehren, sondern weiterhin seine buddhistische, spirituelle Lebensweise verfolgen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr in den Iran

Im Entscheidungszeitpunkt kann in Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für als Muslime Geborene und in der Folge für vom Islam Abgefallene und zum Buddhismus Konvertierte nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran aufgrund seiner nunmehr buddhistischen Religion einer asylrelevanten Verfolgung unterliegt.

Dem Beschwerdeführer steht als vom Islam zum Buddhismus Konvertierter keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

1.3. Das BVwG trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 14.06.2019):

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T. dem Regime nahestehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019).

Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

* Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

* Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

* Spionage für fremde Mächte;

* Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

* Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 StGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen - auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden (AA 12.1.2019). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen ("Qisas"), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes ("Diya") kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten (ÖB Teheran 12.2018).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 12.1.2019).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 12.1.2019).

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 13.3.2019).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 12.1.2019).

Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.2.2019). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela'at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Basij und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 12.1.2019).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und im Falle von Protesten oder Aufständen. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2018).

Der Oberste Führer hat höchste Autorität unter allen Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der Fall des früheren Teheraner Staatsanwaltes dar, der im November 2017 für seine mutmaßliche Verantwortung für Folter und Todesfälle unter Demonstranten im Jahr 2009, zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (US DOS 13.3.2019).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelungen durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 12.2018).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017). Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019).

In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf die nunmehrige religiöse Überzeugung setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social-Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person und zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aufgrund der im Verfahren vorgelegten Dokumente (Akt W233 2191768-1, AS 113 und 131) und seinen auch in der mündlichen Verhandlung gleichbleibenden Angaben, weshalb kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer als Muslim geboren und mit dem islamischen Glauben aufgewachsen ist, ergibt sich aufgrund seiner diesbezüglich glaubhaften Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll 15.01.2020, S 5).

Er brachte außerdem glaubhaft und gleichbleibend vor, dass er sich bereits in Iran für andere Glaubenseinstellungen interessiert habe und über das Praktizieren von spirituellem Yoga inklusive Auslandsaufenthalten in Indien und Nepal vom Islam abgefallen und zum Buddhismus konvertiert sei (Verhandlungsprotokoll 15.01.2020, S 6 f). Diese Ausführungen decken sich auch mit seinen früheren Angaben (Akt W233 2191768-1, AS 45 und 168). Ebenso konnte der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen, dass er nach seiner Rückkehr aus Indien und Nepal nach Iran in den Bereichen Yoga, Massage und Meditation zu arbeiten begann und somit seine buddhistische, spirituelle Lebensweise nach außen hin praktizierte (Verhandlungsprotokoll 15.01.2020, S 11). Auch diese Ausführungen decken sich mit seinen früheren Angaben (Akt W233 2191768-1, AS 47 und 173).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer auch in Österreich weiterhin seine buddhistische, spirituelle Lebensweise aktiv verfolgt, ergibt sich einerseits aus seinen eigenen Angaben und den zahlreichen im Verfahren eingebrachten Bestätigungen bzw. Zertifikaten in den Bereichen Reiki, Yoga und Meditation (Bspw Akt W233 2191768-1, AS 101 und 105), andererseits aus der glaubhaften Aussage der Zeugin XXXX , wonach sich der Beschwerdeführer zum Buddhismus hingezogen fühle, regelmäßig meditiere und an Vipassanakursen teilnehme (Verhandlungsprotokoll 15.01.2020, S 15). Außerdem wird diese Feststellung durch die Vorlage einer Bestätigung der "Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft", vom 22.03.2018, dass der Beschwerdeführer seit dem 22.03.2018 als Mitglied geführt wird und der Vorlage einer Bestätigung der "Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft", dem BVwG vorgelegt am 16.01.2020, wonach dieser die buddhistische Lehre aktiv praktiziert, gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht hat angesichts der Tatsache, dass den Anhängern des Buddhismus in Österreich mit BGBl Nr. 72/1983 die Anerkennung als Religionsgesellschaft ausgesprochen worden ist, keine Gründe die Richtigkeit dieser Bestätigungen in Zweifel zu ziehen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich seinen Austritt aus dem Islamischen-Schiitischen Glaubensgemeinschaft gemeldet hat, kann aufgrund der Vorlage ein in seinem Akt einliegenden Niederschrift über den Religionsaustritt vor dem Magistrat der Stadt Wien, vom 29.03.2018 getroffen werden, was den Umstand nochmals verdeutlicht, dass er sich von den Glaubensinhalten des Islam entfernt hat.

Entgegen der Ansicht des Bundesamtes, dass es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers um ein konstruiertes handle, konnte dieser im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung seinen Fluchtgrund, er sei von zwei Männern mit einem Motorrad entführt, geschlagen und festgehalten worden, auch wegen seiner detaillierten Angaben glaubhaft darlegen (Verhandlungsprotokoll 15.01.2020, S 12). Insbesondere kann der Ansicht des Bundesamtes nicht gefolgt werden, wenn ausgeführt wird, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei, weil der Beschwerdeführer kein ärztliches Attest über seine im Zuge der Entführung erlittenen Verletzungen vorweisen könne (Akt W233 2191768-1, AS 280).

II.2.2.2. Somit kam in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eindeutig zu Tage, dass der Beschwerdeführer bereits vor seiner Flucht nach Österreich zum Buddhismus konvertiert ist und seine spirituelle Lebensweise auch in Österreich fortsetzt. Aus diesen Gründen bestehen keine Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer jedenfalls vom Islam abgefallen ist und die Konversion zum Buddhismus aus innerer Überzeugung vollzogen wurde. Durch seine auch für Dritte erkennbare spirituelle Einstellung kann eine Konversion zum Schein ausgeschlossen werden.

Der Beschwerdeführer brachte glaubhaft vor, dass er auch im Falle seiner Rückkehr nach Iran seine buddhistische, spirituelle Lebensweise fortsetzen und nicht zum Islam zurückkehren wolle (Verhandlungsprotokoll 15.01.2020, S 8 und 14).

Die Feststellungen zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers werden nach Einsichtnahme in den jeweils amtswegig eingeholten Auszug aus dem Strafregister getroffen.

II.2.3. Länderfeststellungen

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Diesen Länderinformationen ist zu entnehmen, dass in Iran der schiitische Islam Staatsreligion ist. Laut iranischer Verfassung hat ein muslimischer Bürger des Iran nicht das Recht, seinen Glauben zu wechseln oder aufzugeben. Apostasie ist in Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand der Apostasie zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung selbst auf islamischen Kriterien beruhen müssen. In der Verfassung ist zwar eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie jedoch unter politischem Einfluss und Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Anerkannte religiöse Minderheiten, wozu bspw Christen zu zählen sind, werden diskriminiert, nicht anerkannte religiöse Gruppen sogar verfolgt.

Diese Umstände stützen die Feststellung, dass der Beschwerdeführer als Konvertit vom Islam zum Buddhismus, einer nicht anerkannten religiösen Minderheit, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung wegen seiner nunmehr buddhistischen Lebensweise zu befürchten hat. Wenn nach den Länderfeststellungen sogar Konvertiten zum Christentum, einer im Iran anerkannten religiösen Minderheit, von Verfolgung bedroht sind, ist umso mehr davon auszugehen, dass dies im Falle des Beschwerdeführers als Konvertit zu einer nicht anerkannten religiösen Gruppe der Fall sein wird.

Aufgrund der sich aus den Länderfeststellungen ergebenden Situation von Konvertiten im gesamten iranischen Staatsgebiet steht dem Beschwerdeführer auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

III.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist im Übrigen, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht. Sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine dem Staat zurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird. Auch kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. VwGH vom 18.11.2015, Ra 2014/18/0162, mwN). Eine auf einem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030). Ob in diesem Zusammenhang eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, kommt darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 08.09.2009, 2008/23/0027, mwN). Eine mangelnde staatliche Schutzgewährung setzt nicht voraus, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036). Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative - nicht notwendigerweise auf Konventionsgründen beruhende - Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Art. 3 EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (vgl. VwGH 16.12.2010, 2007/20/0913). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt voraus, dass nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Betroffenen in dem in Frage kommenden Gebiet getroffen werden (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.03.1994, 94/19/0056). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen (EGMR 07.07.1987, Nr. 12877/87, Kalema/Frankreich).

III.2. Dazu ist zunächst der rechtliche Rahmen, nämlich unter welchen Voraussetzungen eine Konversion überhaupt einen asylrelevanten Verfolgungsgrund darstellen kann, näher zu beleuchten: Die drei dafür essentiellen Komponenten sind zum einen die Verfolgungsrelevanz im Herkunftsstaat, ferner die Praktizierung des neuen Glaubens im Herkunftsland sowie die ernsthafte Zuwendung zum neuen Glauben, dh. der Religionswechsel muss aus innerer Überzeugung erfolgt sein. Was das Erfordernis der Verfolgungsrelevanz im Herkunftsstaat betrifft, so bedeutet dies, dass für die Konversion im Heimatland ein entsprechendes Verbot bestehen muss; jedoch sind auch schwere Diskriminierungen denkbar und kann auch einer nichtstaatlichen Verfolgung Relevanz zukommen. Dazu ist es sinnvoll, sich den Verfolgungsbegriff der Status-RL näher anzusehen: Gemäß diesem (Artikel 9 Absatz 2 Status-RL) ist eine (drohende) Strafverfolgung aufgrund der Konversion nur dann als eine Verfolgungshandlung von ausreichender Schwere zu beurteilen, wenn sie unverhältnismäßig oder diskriminierend ist. Dabei genügt es nicht, dass die Apostasie oder die Konversion im Herkunftsstaat generell unter Strafe gestellt ist, sondern muss diese auch vom Staat in unverhältnismäßiger oder diskriminierender Weise exekutiert respektive vollzogen werden. Ein ähnlicher Tenor findet sich auch im aktuellen Urteil des EuGH vom 04.10.2018, Fathi, C-56/17 wieder, wo es wie folgt heißt: Der Umstand, dass Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Ausübung der Religionsfreiheit nach dem Recht des Herkunftslandes mit unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Sanktionen geahndet werden, reicht für die Annahme des Vorliegens einer Verfolgung im Sinne des Artikel 9 Status-RL aus, wenn erwiesen ist, dass solche Sanktionen tatsächlich angewandt werden und der Antragsteller nachweislich Gefahr läuft, ihnen bei Rückkehr in das Herkunftsland ausgesetzt zu sein).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur ähnlich diesem Fall gelagerten Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Z1. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt hat der Beschwerdeführer als als Moslem Geborener nicht das freie Recht seine Religion selbst zu wählen. Der Buddhismus ist im Iran keine anerkannte religiöse Minderheit. Anhänger von nicht religiösen Minderheiten werden im Iran in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt und droht ihnen bei Missionstätigkeiten die Todesstrafe. Der Beschwerdeführer ist im Iran vom Islam abgefallen und hat sich dem Buddhismus zugewendet. Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem weshalb der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft deswegen mit Sanktionen von erheblicher Intensität bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt zu sein.

Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2011/95/EG, kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte "forum internum" zu beschränken.

Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen sohin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2011/95/EG geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss sohin die öffentliche Ausübung ("forum externum") der religiösen Überzeugungen möglich sein und ist einem Asylwerber der Verzicht auf die Religionsausübung nicht zumutbar, weshalb es irrelevant ist, dass er einer Gefährdung seiner Person durch Verzicht auf die religiöse Betätigung entgehen könnte (vgl. EuGH, Rechtssache Bundesrepublik Deutschland vs. Y. und Z. C 71/11 und C 99/11).

Nach der Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichtes könnte der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran keine wie im Verfahren dargelegte buddhistisch geprägte Glaubensbetätigung vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit oder gar im Falle des Versuches, andere von der buddhistischen Lehre überzeugen zu wollen, würde er sich der beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich daher bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers und obiger Sachverhaltsdarstellung, dass er aufgrund seiner buddhistischen Religionszugehörigkeit bei ihrer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Gefahr läuft, asylrelevant verfolgt zu werden.

Nach den getroffenen Feststellungen ist im Fall des Beschwerdeführers von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus Gründen der Religion auszugehen.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist aufgrund der Tatsache, dass die Verfolgung im gesamten Staatsgebiet vom Iran von staatlichen Behörden ausgeht im vorliegenden Fall auszuschließen.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK erfüllen, da er sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der politischen Gesinnung bzw. religiösen Gründen verfolgt zu werden, sich außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Da im Fall des Beschwerdeführers keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.

Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich aus den Akteninhalten auch keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit eines Ausschlussgrundes nach § 6 AsylG 2005 ergeben.

Gemäß § 3 Abs. 5 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B):

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Dass eine Konversion als subjektiver Nachfluchtgrund zur Asylgewährung führen kann, ergibt sich klar aus der unter A) zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichthofes und des Verfassungsgerichtshofes sowie der Judikatur der europäischen Gerichtshöfe. Ob ein Glaubenswechsel tatsächlich vollzogen wurde und dessen möglich Folgen für den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat sind dagegen auf Ebene der Beweiswürdigung zu beurteilen.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Konversion mündliche Verhandlung Religionsfreiheit religiöse Gründe Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W233.2191768.1.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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