TE Vfgh Beschluss 1996/2/26 WI-18/95, G1396/95

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Veröffentlicht am 26.02.1996
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/07 Personalvertretung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art141 Abs1 lita
Bundes-PersonalvertretungsG §2
Bundes-PersonalvertretungsG §8 ff
Bundes-PersonalvertretungsG §13 Abs4
Bundes-PersonalvertretungsG §13 ff
Bundes-PersonalvertretungsG §20 Abs13
Bundes-PersonalvertretungsG §42

Leitsatz

Zurückweisung der Anfechtung der Wahlen des Zentralausschusses und der Dienststellenausschüsse der Landeslehrer der allgemeinbildenden Pflichtschulen in Niederösterreich; Organe der Personalvertretung keine satzungsgebenden Organe; Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Bundes-PersonalvertretungsG (PVG) über die Zahl der Mitglieder des Zentralausschusses; Verwaltungsrechtsweg durch Beschwerdeerhebung gegen die Entscheidung über die anhängige administrative Wahlanfechtung zumutbar

Spruch

I. Die Wahlanfechtung wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag wird zurückgewiesen.

III. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

1.1. Mit Kundmachung des Zentralwahlausschusses der Landeslehrer an allgemeinbildenden Pflichtschulen beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Oktober 1995 wurden die Wahlen in den Zentralausschuß und in die Dienststellenausschüsse für den 29. und 30. November 1995 ausgeschrieben.

1.2. Mit der vorliegenden, auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtung beantragt die wahlwerbende Gruppe "Unabhängige LehrerInnen Interessengemeinschaft - Unabhängige GewerkschafterInnen für mehr Demokratie", "der Verfassungsgerichtshof wolle in Stattgebung der Anfechtung die Wahlen des Zentralausschusses und der Dienststellenausschüsse des Zentralausschußbereichs für die Landeslehrer an allgemeinbildenden Pflichtschulen in Niederösterreich zur Gänze für nichtig erklären und als rechtswidrig aufheben."

Ferner stellt die Einschreiterin gemäß Art140 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle "§13 Abs4 Bundes-Personalvertretungsgesetz zur Gänze als verfassungswidrig aufheben".

1.3. Der gemäß §18 Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG), BGBl. 133/1967 idF 522/1995, iVm §31 NÖ Landeslehrer-Personalvertretungs-Wahlordnung, LGBl. 2610/1-1, beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eingerichtete Zentralwahlausschuß erstattete zum AZ WI-18/95 - unter Vorlage von Wahlakten - eine Gegenschrift und beantragte darin, der Wahlanfechtung kostenpflichtig nicht Folge zu geben.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Zur Wahlanfechtung:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den "satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen beruflichen Vertretungen".

2.1.2. Zwar sind der Zentralausschuß und die Dienststellenausschüsse der Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen in Niederösterreich - wie grundsätzlich die Personalvertretungen der Bediensteten des Bundes, der Länder und der Gemeinden (s. VfSlg. 1936/1950, 4584/1963, 4585/1963, 11387/1987, VfGH 9.3.1987 B 1144-1192/86) - gesetzliche berufliche Vertretungen (vgl. insbes. VfSlg. 13129/1992, 11388/1987), jedoch keine satzungsgebenden Organe iSd Art141 Abs1 lita B-VG, deren Wahl beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden kann. Unter satzungsgebenden Organen sind nämlich nur Gremien zu verstehen, die aus allen Angehörigen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung bestehen oder deren Mitglieder von diesen Angehörigen gewählt werden und deren Aufgabe es ist, grundlegende Anordnungen zu erlassen und in Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung zu entscheiden (VfSlg. 3433/1958, 4584/1963, 4585/1963, 6037/1969, 6751/1972, 8639/1979, 8975/1980, 11387/1987, 11388/1987, 13129/1992). Weder aus den Bestimmungen des PVG - welches das Personalvertretungsrecht der Lehrer für (öffentliche) allgemeinbildende Pflichtschulen regelt (s. dazu insbesondere Abschnitt V §42: "Sonderbestimmungen für Landeslehrer") - über die Aufgaben der Personalvertretung im allgemeinen (§2) noch über die Aufgaben der Dienststellenausschüsse (§§8 ff), der Fachausschüsse (§§11 f) oder der Zentralausschüsse (§§13 f) noch aus einer anderen Rechtsvorschrift ergibt sich, daß dazu Organe der Personalvertretung zählen (vgl. VfSlg. 4584/1963, 11387/1987, 11388/1987, VfGH 9.3.1987 B 1144-1192/86). Es wird diesen Organen nämlich durch keine Rechtsnorm die Aufgabe übertragen, grundlegende Anordnungen zu erlassen oder in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung selbst zu entscheiden (vgl. VfSlg. 13129/1992).

Somit ist der Verfassungsgerichtshof nicht zuständig, über die vorliegende Wahlanfechtung zu befinden.

Die Wahlanfechtung mußte daher als unzulässig zurückgewiesen werden.

2.1.3. Kosten konnten schon deshalb nicht zugesprochen werden, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B-VG nur in §71 a Abs5 VerfGG 1953 vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.

2.2. Zum ("Individual"-)Antrag:

2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, daß der durch Art140 Abs1 letzter Satz B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen - gleichsam lückenschließend - nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 8890/1980, 11684/1988).

Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein (gerichtliches oder) verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme davon besteht nur für den - hier nicht gegebenen - Fall des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10251/1984).

2.2.2. Beim Zentralwahlausschuß der Landeslehrer an allgemeinbildenden Pflichtschulen beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung ist nun eine von der anfechtenden Wählergruppe eingebrachte und auf §20 Abs13 PVG gestützte administrative Wahlanfechtung anhängig, deren einzelne Beschwerdepunkte - wie der Zentralwahlausschuß in seiner Gegenschrift darlegt - sich im wesentlichen mit dem Vorbringen in der unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof eingereichten Wahlanfechtung decken. Somit steht der Anfechterin die - im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zumutbarerweise zu nutzende - Möglichkeit offen, in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG gegen die Entscheidung des Zentralwahlausschusses über die administrative Anfechtung ihre Bedenken gegen dem Wahlverfahren zugrundeliegende gesetzliche Vorschriften - so auch die mit "Individualantrag" bekämpfte Norm (§13 Abs4 PVG) - geltend zu machen, um auf diese Weise eine gegebenenfalls von Amts wegen einzuleitende Überprüfung dieser Bestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu erwirken. Damit aber erweist sich der vorliegende ("Individual"-)Antrag als unzulässig. Daran ändert auch nichts, daß das Wahlanfechtungsverfahren vor dem Zentralwahlausschuß offenbar noch nicht abgeschlossen, ein entsprechender Bescheid somit noch nicht ergangen ist.

Der auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützte Antrag war daher zurückzuweisen.

2.3. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Wahlen, berufliche Vertretungen, Personalvertretung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:WI18.1995

Dokumentnummer

JFT_10039774_95W0I018_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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