TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/25 95/04/0133

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Veröffentlicht am 25.11.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der C in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. Mai 1995, Zl. IIa-60.019/1-95, betreffend Zurückweisung einer Berufung i. A. gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: U Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 14. Dezember 1994 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme einer näher beschriebenen Betriebsanlage "nach Maßgabe der vorgelegten, einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Unterlagen gemäß den §§ 74, 77 Abs. 1 und 4 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, unter Bedachtnahme auf § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz 1972, BGBl. Nr. 234/1972," unter Vorschreibung von (insgesamt sechs) Auflagen erteilt. Die Auflage 3. hat folgenden Wortlaut:

"Zur Hintanhaltung einer Lärmbelästigung für die Nachbarn sind die öffenbaren Fenster der Passagenverglasung während der Betriebszeiten geschlossen zu halten. Es ist dafür zu sorgen, daß Schäden an der Verglasung, die eine Lärmbeeinträchtigung möglich machen, sofort behoben werden."

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Der Landeshauptmann von Tirol wies mit Bescheid vom 11. Mai 1995 diese Berufung mangels Parteistellung als unzulässig zurück. In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, bei den Einwendungen der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren habe es sich um befürchtete Lärm- bzw. Geruchsbelästigungen aus dem beantragten Gastgewerbebetrieb, um befürchtete Belästigungen durch das Verhalten der Gäste dieses Betriebes außerhalb der gegenständlichen Betriebsanlage sowie um Befürchtungen, daß die Betreiber der gegenständlichen Betriebsanlage ihren Verpflichtungen zur ordnungsgemäßen Instandhaltung des Bereiches vor der Betriebsanlage nicht nachkämen. Diese Einwendungen seien im erstinstanzlichen Bescheid teilweise abgewiesen, teilweise als unzulässig zurückgewiesen und teilweise auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden.

Parteistellung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 werde nur im Rahmen der rechtzeitigen und erheblichen Einwendungen erlangt. Die Beschwerdeführerin habe daher nur im Rahmen der von ihr im erstinstanzlichen Verfahren rechtzeitig erhobenen Einwendungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 Parteistellung erlangt. In der Berufung wende die Beschwerdeführerin jedoch ein, daß durch die mangelnde Entlüftung der Glaspassage vor ihrem Lokal eine Geruchsbelästigung entstehe, die jedoch nicht vom gegenständlichen Gastgewerbebetrieb ausgehe, sondern - verursacht durch eine Auflage des erstinstanzlichen Bescheides - vom Straßenverkehr in der P-Straße, weil die Abgase ohne Möglichkeit einer Entlüftung in die Passage einströmen würden. Das Vorbringen in der Berufung stelle nicht eine Konkretisierung der im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Einwendungen dar, sondern beziehe sich auf eine völlig andere Art der Geruchsbelästigung, nämlich nicht ausgehend von der gegenständlichen Betriebsanlage selbst. Hinsichtlich der Einwendungen in der Berufung habe die Beschwerdeführerin daher im erstinstanzlichen Verfahren keine Parteistellung erlangt, weshalb die Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht auf Nichtzurückweisung ihrer Berufung mangels Parteistellung verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die (im erstinstanzlichen Verfahren) vorgebrachten "generellen" Einwendungen seien nicht auf Belästigungen beschränkt gewesen, wie sie beispielsweise von der in dem betreffenden Lokal dargebotenen Musik oder von der Ablüftung ausgingen, sondern bezögen sich diese allgemein auf alle im weitesten Sinn im Zusammenhang mit dem Betrieb des Lokales stehenden Belästigungen. Eine Geruchsbelästigung, die durch das durch den Lokalbetrieb erforderliche dauernde Geschlossenhalten der Glaspassage entstehe, sei sohin eine "durch den Betrieb des Lokales ... verbundene" Belästigung im Sinne des Vorbringens des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin (in der Verhandlung vom 13. Juni 1994). Die weiteren im Rahmen dieses Vorbringens aufgeführten Beispiele seien lediglich demonstrativer Natur, jedoch, wie sich aus der zuvor geäußerten allgemeinen Einwendung klar ergebe, keineswegs taxativ. Die über das "frühere beispielhafte Vorbringen" hinausgehenden Einwendungen in der Berufung der Beschwerdeführerin, nämlich, daß, wenn die Passage nunmehr laut Auflage ständig verschlossen zu halten sei, über die bereits ausgeführten Geruchsbelästigungen hinaus nunmehr auch noch jene der Abgase von der P-Straße dazukämen, seien keine neuen Einwendungen, sondern lediglich Konkretisierungen der bereits erstatteten Einwendungen. Als solche seien sie "im Rahmen der Parteistellung der Beschwerdeführerin vorgebracht", weshalb die belangte Behörde die Berufung nicht als unzulässig zurückweisen hätte dürfen, sondern inhaltlich über die Berufung zu entscheiden gehabt hätte.

Die belangte Behörde verkannte schon aus folgenden Überlegungen die Rechtslage:

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Ein solcher liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn die Eingabe erkennen läßt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt. Für die Beurteilung, ob ein Berufungsantrag begründet ist, ist aber nicht wesentlich, daß die Begründung auch stichhältig ist. Auch eine - aus objektiver Sicht - unzutreffend begründete Berufung vermag die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels nicht zu bewirken (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 95/04/0136).

Für die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Berufung eines Nachbarn müsse - als Zulässigkeitserfordernis - Behauptungen im Rahmen einer Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte enthalten, bietet das Gesetz keine Grundlage. Die Gewerbeordnung enthält keine die Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG ersetzende oder modifizierende Anordnung (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997).

Da ein begründeter Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG vorgelegen ist, hätte über diese zulässige Berufung der Beschwerdeführerin meritorisch abgesprochen werden müssen.

Die belangte Behörde belastete somit schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, was zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu führen hatte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995040133.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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