Entscheidungsdatum
03.04.2020Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W159 2182454-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.03.2020 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Afghanistan, gelangte (spätestens) am 30.12.2015 irregulär nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 03.01.2016 wurde er auch durch die Polizeiinspektion XXXX einer Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er in seinem Heimatland als Militärpolizist gearbeitet habe, die Taliban seine Adresse herausgefunden hätten und ihn mit dem Tod bedroht hätten. Er habe Angst bekommen und sei geflüchtet.
Mit Eingabe vom 17.10.2016 stellte er einen Antrag auf Berichtigung seines Geburtsdatums das mit XXXX protokolliert wurde auf XXXX wobei er als Erklärung dazu ausführte, dass der iranisch-stämmige Dolmetscher bei der Erstbefragung offenbar von den im persischen Sprachraum üblichen unterschiedlichen Monatsbezeichnungen ausgegangen sei, außerdem ersuchte er um weitere Berichtigung und legte bereits ein Sprachzertifikat im Niveau B2 vor.
Mit (undatierter) Urkundenvorlage übermittelte der Beschwerdeführer seinen Militärausweis der afghanischen Nationalarmee, eine Berechtigung zum Führen einer Schusswaffe, eine Studienbescheinigung der Universität XXXX , einen Lohnzettel über Bonuszahlungen, einen Artikel der XXXX über ein Schussattentat auf die Militärbasis, wo der Antragsteller stationiert gewesen sei, ein Foto des Antragstellers beim Besuch des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai auf der Militärbasis sowie weitere Fotos mit amerikanischen Abgeordneten und Senatoren, die die Militärbasis besuchten, weiters Fotos mit den NATO-Kommandanten XXXX und XXXX , Auszeichnungen für militärische Leistungen und Verdienste, Abschlusszertifikate über militärische Qualifikationen des Antragstellers, Abschlusszertifikate und Diplome über seinen militärische Ausbildung, von Sprachkursen, Abschlusszeugnis der 12. Klasse sowie weitere Auszeichnungen und Belobigungen der afghanischen Nationalarmee einschließlich einem Polizeibericht über eine telefonische Bedrohung des Antragstellers.
Am 04.12.2017 hat dann eine Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regional Niederösterreich stattgefunden. Eingangs der Einvernahme gab der Antragsteller an, dass er sunnitischer Moslem sei und der Volksgruppe der Tadschiken angehöre. Er sei am XXXX in XXXX geboren und habe immer in Kabul gelebt, wenn er auch Dienst in anderen Provinzen verrichtet habe. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und mit Diplom abgeschlossen. Dann habe er bei der Interpol gearbeitet. Er habe berufsbegleitend fünf Jahre lang Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Geschichte studiert. Bei der im Innenministerium lokalisierten Zweigstelle der Interpol habe er ausländische Dokumente übersetzt, Fahrzeuge überprüft und auch Dokumente ausgestellt. Dies sei etwa von 2010 bis 2012 gewesen. 2012 habe er dann, da er großes Interesse für das Fliegen gehabt habe, eine Pilotenausbildung begonnen. Es seien sehr schwierige Tests gewesen. Man habe dann die Kandidaten gefragt, ob sie nicht in eine andere Ausbildung wechseln wollten und er habe sich entschieden " XXXX " zu werden. Er habe an Aufklärungsflügen teilgenommen und Luftaufnahmen gemacht. Sein militärischer Dienstgrad sei " XXXX " gewesen, er habe aber in Wirklichkeit die Verantwortung eines Captains (Hauptmannes) gehabt. Er hätte Flugaufklärung betrieben und von oben Häuser und Straßen fotografiert. Sein Geburtsdatum habe seine Mutter in ein Heft geschrieben. Im Herkunftsland seien noch seine Frau, seine Schwiegereltern und seine Tante mütterlicherseits, der Rest der Familie sei glaublich in den Iran geflüchtet. Das habe er telefonisch von seiner Frau erfahren. Mit seiner Frau, welche sich in XXXX aufhalte, sei er telefonisch in Kontakt. Die Lage in XXXX sei schlecht. Er sei seit 2014 traditionell verheiratet, Kinder habe er keine. Sein Vater sei vor ca. 16 Jahren verschwunden. Er sei Lehrer gewesen. Er habe drei Schwestern. In Österreich habe er schon viele Freunde. Er sei in Grundversorgung, studiere aber in XXXX . Aufgrund eines Streites in seinem Flüchtlingsheim sei er zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe verurteilt worden. Mit den Behörden seines Heimatlandes habe er keine Probleme gehabt. Afghanistan habe er am 12. oder 13. November 2015 verlassen.
Nach seinen Fluchtgründen befragt, wiederholte der Antragsteller, dass er Aufklärungsflüge für das Militär gemacht habe und dass dies wichtig gegen den Terror gewesen sei. Seine Einheit sei auch oft von afghanischen und ausländischen Ministern besucht worden, wobei auch Fotos gemacht worden seien. Fotos wären auch in den sozialen Medien erschienen, wo er mit in- und ausländischen Vertretern zu sehen gewesen sei. Auch die Regierung habe diese Fotos veröffentlicht, um der Bevölkerung zu zeigen, dass die Armee bereit sei, sie zu verteidigen. Auch Videos seien gemacht worden, nachdem 2014 die Verantwortung immer mehr den afghanischen Streitkräften übertragen worden sei. Durch diese Entwicklung sei seine Einheit das Hauptziel der Taliban geworden und hätten die Angriffe zugenommen. Im Dezember 2014 habe er einen Drohanruf bekommen. Der Anrufer habe gesagt, dass er ein Vertreter der Religion sei und ihm vorgeworfen, dass er mit Ungläubigen zusammenarbeite und Moslems töte, seine Strafe sei das Feuer in der Hölle. Am nächsten Tag habe er noch einen Anruf bekommen. Er habe zunächst geglaubt, dass sie jemand anderen mit den Drohungen meinten, aber sie hätten bestätigt, dass er gemeint sei und dass ihn das Feuer in der Hölle erwarte. Er habe das seiner Einheit gemeldet, die es auch der Polizei in XXXX weitergeleitet habe, habe aber seine Arbeit fortgesetzt. Später sei es zu einem Raketenangriff auf die Militärbasis gekommen. Es seien drei Techniker getötet worden. Die Angriffe seien mehr geworden. Er habe Angst bekommen, dass auch in seiner Einheit Leute mit den Taliban kooperieren würden. Im Oktober 2015 habe sich ein Freund sein Auto für einen Tag ausborgen wollen. In dem Auto sei aber eine Mine montiert worden. Es sei im 3. Bezirk von XXXX gesprengt worden. Der Freund sei getötet worden und zwei Brüder schwer verletzt. Da habe er verstanden, dass sein Leben in Gefahr sei. Nach etwa drei Tagen habe er den Armeedienst verlassen und habe sich daraufhin bei seiner Schwester versteckt gehalten. Er habe dann einen Schlepper kennengelernt, der ihn nach Europa gebracht habe.
Bei der Erstbefragung habe er den Fluchtgrund nicht selbst geschrieben. Sie hätten nur seinen Ausweis von der Interpol gesehen und das hineingeschrieben. Er habe insgesamt zwei persönliche Drohanrufe erhalten. Das Fahrzeug, das in die Luft gesprengt worden sei, sei wohl ein Fahrzeug des Militärs gewesen, aber ohne militärische Nummerntafel. Nur er habe dieses benützen dürfen. Es sei seine Einheit angegriffen worden und ein Attentat auf seinen PKW verübt worden. Obwohl es keine direkten Drohungen gegen seine Familie gegeben habe, habe er auch seine Familie weggebracht. Bei einer Rückkehr sei er sich sicher, dass sie ihn töten würden. Er habe ursprünglich nicht flüchten wollen. Er habe ein gutes Einkommen gehabt und war sich bewusst, dass das Land junge Leute brauche, um es aufzubauen. Daraus sei nichts geworden, da er in Lebensgefahr gewesen sei.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2017, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei und unter Spruch VI. eine Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen festgelegt. Zu Spruchteil VII. wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichtes Wien zu Zahl XXXX zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden sei und er damit im Sinne des § 2 Abs. 3 AsylG straffällig geworden sei und er aufgrund des § 13 Abs. 2 AsylG sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet verloren habe.
In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass die Feststellungen zur Staatsbürgerschaft, Religionszugehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Antragstellers ergeben. Wenn auch hinsichtlich der behaupteten Arbeitstätigkeit bei der Interpol und bei den afghanischen Streitkräften auch einige unplausible Indizien aufgetreten wären, hätte die Behörde dennoch feststellen können, dass er über ein solches Detailwissen verfüge, welche die behauptete Arbeitstätigkeit als glaubhaft erscheinen lasse und gehe daher die Behörde davon aus, dass er tatsächlich in der von ihm angegebenen Funktion in der Luftaufklärung gearbeitet habe. Die vorgebrachte Verfolgung stütze er jedoch lediglich auf zwei vage geschilderte Anrufe sowie eine nicht plausible Explosion seines Autos. Wenn der Beschwerdeführer eine direkte Bedrohung dadurch behaupte, dass er als Angehöriger einer militärischen Einheit angegriffen worden sei, so bringe dies der Beruf eines Soldaten in der ganzen Welt mit sich und lasse sich daraus keine asylrelevante Verfolgung ableiten. Die Anschläge auf den Bereich des Flughafens von XXXX hätten nicht ihm persönlich gegolten. Die Behörde gehe daher aufgrund der vagen und nicht plausiblen Angaben von keiner aktuellen Bedrohung oder Verfolgung des Antragstellers aus. Es sei auch eine Rückkehr in die Heimatprovinz Kabul derzeit absolut zumutbar. (Mit Spruchpunkt VII. wurde festgelegt, dass der Antragsteller sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 10.11.2017 verloren habe.) Im Spruchteil II. wurde zusammengefasst insbesondere ausgeführt, dass eine Rückkehr durchaus zumutbar sei und kein persönliches, soziales oder familiäres Netzwerk erfordere. Die Voraussetzungen des § 57 AsylG lägen nicht vor (Spruchteil III.). Auch verfüge der Beschwerdeführer in Österreich über keine Verwandtschaft und führe kein Familienleben. Er habe auch keine privaten Bindungen zu Österreich. Der Besuch von Deutschkursen oder ein Studium an der Universität könne nicht zur Feststellung führen, dass eine Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in das Privatleben darstellen würde, da der angedeutete Integrationswille nicht über die öffentlichen Interessen einer geordneten Zuwanderung gestellt werden dürfe. Es sei kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung zulässig (Spruchteil IV.). Da auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG vorliege und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei eine solche als zulässig zu bezeichnen (Spruchteil V.). Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären nicht hervorgekommen (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch den XXXX , im vollen Umfang Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in welchem das Vorbringen gerafft wiedergegeben wurde. Der Beschwerdeführer sei nicht nur persönlich telefonisch konkret bedroht worden, sondern hätte der Anschlag auf die Militärbasis nicht nur Amerikanern gegolten, sondern auch dem Beschwerdeführer und auch das Auto wäre vom Beschwerdeführer persönlich genutzt worden und habe er es an sonst sicheren Plätzen geparkt. Untersuchungen, von denen der Beschwerdeführer über Bekannte bei der Polizei erfahren habe, belegten, dass das Auto des Beschwerdeführers nicht zufällig in einen Anschlag geraten war, sondern dass daran, offenbar ausschließlich mit dem Zweck, den Beschwerdeführer zu ermorden, Sprengstoff montiert worden sei. Die Behörde sei wohl zu dem Schluss gekommen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in der von ihm angegebenen Funktion in der Luftaufklärung gearbeitet habe, komme aber zu dem (falschen) Schluss, dass es keine aktuelle individuelle Bedrohungs- und Gefährdungssituation für den Beschwerdeführer gäbe. In der Gesamtschau der von dem Beschwerdeführer vorgelegten Fotos und Unterlagen und seinem schlüssigen Vorbringen ergebe sich ein stimmiges Bild, dass er persönlich in Afghanistan verfolgt worden sei und sei er in der Lage, noch mehr über seine militärische Tätigkeit, die Gegebenheiten beim Militär und die Verfolgungshandlungen und Bedrohungen (im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung) zu sprechen. Schließlich liege auch keine innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer vor, da für ihn weder in Kabul noch in Mazar-e Sharif eine ausreichende Sicherheitslage bestehe und wurde schließlich beantragt, die Frage der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung zu klären. Angeschlossen wurde eine Vollmacht an den XXXX .
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 03.03.2020 an, zu der kein Vertreter der belangten Behörde erschien und der Beschwerdeführer in Begleitung eines Mitarbeiters seiner ausgewiesenen Vertretung anwesend war. Der Beschwerdeführer legte folgende Unterlagen vor: Zertifikate von XXXX und XXXX , Zertifikate des XXXX , Unterstützungsschreiben der XXXX , Empfehlungsschreiben der XXXX , Empfehlungsschreiben der XXXX , Empfehlungsschreiben der XXXX , Erfolgsnachweis der Universität XXXX .
Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Der Beschwerdeführer wollte einige Punkte korrigieren, ein Datum und insbesondere den Umstand, dass bei dem Angriff auf die Militäreinheit er persönlich angegriffen worden sei und drei seiner Ausbilder bzw. Militärberater getötet worden seien.
Er sei afghanischer Staatsangehöriger, einen afghanischen Reisepass habe er nicht besessen und seine Tazkira befinde sich in Afghanistan. Er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei sunnitischer Moslem. Er übe seine Religion schon aus, manchmal bete er zuhause und manchmal gehe er in die Moschee. Er glaube nach wie vor an den Islam. Er sei richtigerweise am XXXX geboren. Die Behörde habe aber den XXXX angenommen und möchte er bei diesem Geburtsdatum bleiben. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und abgeschlossen. Nach der Schule habe er für die Interpol gearbeitet und habe er auch nebenbei an der Universität Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Geschichte studiert. Später habe er dann einige Ausbildungen im Bereich des Militärs erhalten. Er habe immer in XXXX im 9. Sprengel gelebt. Während seines Schulbesuches habe sein Vater für ihn gesorgt. Nach seinem Verschwinden im Jahre 2001 habe sein Schwager ein Lebensmittelgeschäft eröffnet und hätten sie von diesem Geschäft bis zu seinem Eintritt in die Polizei im Jahr 2012 gelebt. Von 2010 bis 2012 habe er für die Interpol gearbeitet, dann sei er zum Militär gegangen und habe von 2012 bis 2015 bei der afghanischen Luftabwehreinheit gedient. Er habe dabei Luftaufklärungsmissionen durchgeführt und auch Informationen aus der Luft an die Bodentruppen weitergeleitet. Er habe das XXXX auch nach außen repräsentiert und die Tätigkeit der Einheit hochrangigen Offizieren und Politikern präsentiert, wie zum Beispiel afghanische Ministern oder amerikanische Senatoren. Bei solchen Präsentationen seien viele Fotos von den anwesenden Personen geschossen worden und diese in sozialen Medien veröffentlicht worden. Er habe schon bei der Interpol den Rang eines XXXX gehabt. Das entspreche dem englischen Militärrang eines Sargents. Im afghanischen Militär heiße dieser Rang XXXX (Unteroffizier). Er sei von einem XXXX zweiten Grades zu einem XXXX ersten Grades bei der Polizei befördert worden. Beim Militär sei er wohl nicht befördert worden, aber er habe zumindest die militärische Verantwortung eines Oberleutnants gehabt. Er habe in der Einheit XXXX im Bataillon XXXX gedient. Mit afghanischen Behördenorganen habe er keine Probleme gehabt, jedoch mit den Taliban. Nach dem Abzug von NATO-Truppen im Jahre 2014 seien viele Aufgaben an Spezialeinheiten der Polizei und der Nationalarmee übertragen worden. Die Moral der Bevölkerung sei im Keller gewesen. Um diese zu stärken, seien viele Fotos von der Präsenz der Spezialeinheiten der Streitkräfte in den Medien und den sozialen Medien verbreitet worden, darunter auch viele Videos und Fotos seiner Person.
Am 01.12.2014 um Mitternacht habe er den ersten Drohanruf der Taliban erhalten. Die Anrufer hätten gesagt, dass sie die Vertreter der Religion seien, hätten ihn nach seinem Namen gefragt und ihm vorgehalten, dass er für die Ungläubigen arbeite und Moslems töte und ob er wissen würde, was die Bestrafung dafür wäre. Der Anrufer habe dann selbst gesagt, dass die Bestrafung dafür die Flammen der Hölle wären, dass sie ihm diese Bestrafung schon auf der Welt zeigen würden. Er habe dann am Tag in der Früh schon den nächsten Einsatz gehabt und sei nach Helmand geflogen. Nach Ende dieser Operationen (am 03.12.) habe er erneut einen Anruf erhalten. Er glaube, dass es derselbe Anrufer gewesen sei und habe dieser ihm gesagt, dass er ihn nicht richtig verstanden habe. Er habe entgegnet, dass er vielleicht eine andere Person hätte anrufen wollen. Der Anrufer habe aber gesagt, dass er genau wisse, wen er anrufe und habe ihm wieder gesagt, dass er ihm die Fallen der Hölle noch in dieser Welt zeigen werde. Am nächsten Tag habe er die Anrufe bei seinem Vorgesetzten gemeldet, als er wieder zurück in XXXX gewesen sei. Er habe insgesamt zwei Drohanrufe erhalten. Drohbriefe habe er keine erhalten.
Als er am 29.01.2015 von einem Testflug mit zwei amerikanischen Piloten zurückgekommen sei und das Flugzeug auf dem Flugplatz abgestellt worden sei, sei plötzlich auf sie geschossen worden und seien drei ihrer Ausbildner getötet worden. Dieses Schussattentat habe um 18:30 Uhr stattgefunden. Sowohl die Drohanrufe als auch das Attentat sei dem Verteidigungsministerium und den zuständigen Behörden des Innenministeriums weitergeleitet worden. Eine Kopie der schriftlichen Anzeige an die Kriminalpolizei habe er bereits im Verfahren vorgelegt. Er sei sich sicher, dass er das Ziel des Schussattentates gewesen sei. Gefragt nach dem Bombenanschlag auf sein Auto gab er an, dass er ein Dienstauto der Marke XXXX gehabt habe, das weder eine militärische Farbe noch ein Militärkennzeichen gehabt habe und das normalerweise nur er benutzt habe. Dieses habe er einem Freund, der eine Verlobungsparty gehabt habe, geborgt. Dieser habe sich am 15.10.2015 gegen 08:30 Uhr das Auto ausgeborgt. Am Nachmittag, so gegen 15:30 Uhr/16:00 Uhr habe er erfahren, dass das Auto durch einen Bombenanschlag mit einer Magnetmine zerstört worden sei und dass sein Freund getötet und zwei seiner Brüder verletzt worden seien. Die Explosion habe im 3. Bezirk von XXXX stattgefunden. Normalerweise habe er das Fahrzeug am Parkplatz seiner Einheit gestellt. Nach den Drohanrufen habe er das Dienstfahrzeug am Parkplatz vor dem 9. Polizeisprengel geparkt. Er habe damals auch einen Antrag auf Personenschutz gestellt. In der Wohngegend hätten es die Nachbarn gewusst und in der Einheit war es allgemein bekannt, dass er dieses Auto benutze. Meistens würden solche Attentate durch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk ausgeübt. Der Beschwerdeführer legte auch zwei Internetausdrucke betreffend die Explosion des Dienstautos des Beschwerdeführers vor, die dem Dolmetscher zur schriftlichen Übersetzung gegeben wurden. Das Attentat sei ein großer Schock für ihn gewesen. Davor habe er die Sache nicht so ernst genommen. Er habe dann nicht mehr arbeiten gehen können und habe weder der Zivilbevölkerung noch den Regierungsbeamten mehr vertraut. Zuerst habe er seine Familie weggeschafft. Er habe sich dann persönlich an General XXXX , der nunmehr Oberkommandanten der afghanischen Luftwaffe sei, gewandt, habe ihm von den Vorfällen erzählt und seine militärische Ausrüstung übergeben. In der Folge habe er sich vom 15.10. bis 15.11.2015 im Haus seiner Schwester versteckt. Sein Schwager und er hätten dann einen Schlepper engagiert. Die afghanische Armee bzw. die internationalen Truppen hätten ihn nicht weiter vor Übergriffen und Attentaten der Taliban schützen können. Er sei nämlich schon zweimal beinahe getötet worden. Einmal sei er Ziel eines Schussattentates gewesen und das andere Mal sein Auto Ziel eines Bombenanschlages. Auch ein Aufenthalt in der Kaserne hätte ihn nicht wirksam schützen können, denn das Schussattentat habe in der Kaserne stattgefunden. Er habe nicht mehr gewusst, wo er sich aufhalten könne und habe niemand mehr für seine Sicherheit sorgen können. Obwohl das Dienstfahrzeug am Parkplatz der Polizei abgestellt worden sei, sei sein Auto in die Luft gesprengt worden. Obwohl er schon im Mai 2015 einen Antrag auf Personenschutz gestellt habe, sei dieser nicht berücksichtigt worden. Er habe dann am 16.11.2015 die Reise angetreten, von XXXX nach XXXX , dann in den Iran und weiter in die Türkei. Er sei verheiratet, habe aber keine Kinder. Seine Mutter lebe noch. Ob sein Vater noch am Leben sei, wisse er nicht. Er sei seit nunmehr 19 Jahren verschollen. Er wisse aber nicht, aus welchem Grund und unter welchen Umständen er verschollen sei. Im Jahr 2001 habe der Krieg zwischen den Amerikanern und den Taliban begonnen. Er sei aus dem Haus hinausgegangen und nicht mehr zurückgekehrt. Er habe drei Schwestern. Zwei seiner Schwestern und seine Mutter würden in Österreich leben. Seine Ehefrau aber lebe in XXXX und seine älteste Schwester mit ihrer Familie im Iran. Seine Schwestern und seine Mutter seien Asylberechtigte und besäßen den Konventionspass. Sie hätten ihre eigenen Verfolgungsgründe gehabt. Der Kontakt zu seiner Ehefrau sei seit eineinhalb Jahren abgerissen. Sie habe keinen Grund gehabt, den Kontakt abzubrechen, aber vielleicht habe ihr ihr Vater das verboten, vielleicht sei sie auch in der Zwischenzeit mit jemand anderem verheiratet. Er habe mit niemandem in Afghanistan Kontakt.
Gesundheitliche oder psychische Probleme habe er nicht. Er sei gesund. Er sei Student an der Universität XXXX und sein Bachelor-Studium in Afghanistan sei ihm angerechnet worden. Er mache jetzt das Master Studium " XXXX " und sei schon im fünften Semester. Die meisten Seminare habe er schon besucht. Er habe auch freiwillig in einem afghanischen Verein namens Akis gearbeitet. Das B2-Diplom, das er für das Studium gebraucht habe, habe er schon 2017 erworben und vorgelegt. Weiters habe er sich im XXXX engagiert und auch bei der XXXX als Kinderbetreuer geholfen. In einer neuen Ehe oder Lebensgemeinschaft lebe er nicht, er habe aber viele österreichische Freunde. Er habe auch viele Studentinnen kennengelernt und auch zwei österreichische pensionierte Lehrerinnen. Die eine lerne bei ihm Farsi und die andere habe ihm viel bei der Integration und beim Deutschlernen geholfen. Wenn er in Österreich bleiben dürfe, nehme er jede Arbeit an. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan sei er sicher, dass er getötet werde. Über Vorhalt, dass er relativ jung, gesund und arbeitsfähig sei, eine höhere Ausbildung und Berufserfahrung habe, ob er sich nicht in Herat oder Mazar-e Sharif niederlassen könne, gab er an, dass er sehr gerne seinem Land dienen würde, aber selbst im sicheren Stützpunkt, wo afghanische und amerikanische Streitkräfte anwesend gewesen seien, sei er Ziel eines Attentates gewesen. Wie könne er dann in Städten wie Herat oder Mazar-e Sharif sicher sein.
Über Vorhalt, dass im aktuellen Strafregisterauszug eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung aufscheine, erklärte der Beschwerdeführer, dass er einen Mitbewohner gehabt habe, der mit mehreren Bewohnern des Heimes Konflikte gehabt habe. Dieser habe unter schweren Depressionen gelitten und habe Marihuana geraucht. Er habe am besagten Tag ein Motivationsschreiben an die Universität schicken müssen. Der Mitbewohner habe ihn aber durch lautes Musikhören und Rauchen gestört. Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen. Er habe dann daraufhin das Wohnheim verlassen wollen. Sein Mitbewohner habe aber unten am Ausgang gewartet, habe begonnen, ihn zu beschimpfen und zu stoßen. Ein Freund von seinem Mitbewohner sei dann gemeinsam mit diesem auf ihn zugekommen und habe ihn mit einem großen Metallaschenbecher schlagen wollen. Er habe sich dann zur Wehr gesetzt. Er habe den Kontrahenten einfach geschubst und sei weggelaufen. Was dann weiter passiert sei, wisse er nicht. Sein Kontrahent habe auch mehrere Strafen erhalten und ersuche er die Behörde in dessen Strafregisterauszug Einsicht zu nehmen. Festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer nicht nur die Fragen zur Integration, sondern auch weitere Fragen bereits in deutscher Sprache beantwortet habe.
Den Verfahrensparteien wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019, soweit verfahrensrelevant, unter Einräumung einer Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.
Der Beschwerdeführervertreter legte nicht nur das Bezug habende Urteil, sondern auch das (detaillierte) Protokoll der Hauptverhandlung vom 11.08.2017 von sich aus vor. Gleichzeitig wurde von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme Gebrauch gemacht. Darin wurde zunächst ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan allgemein eine tiefgreifende Verschlechterung erfahren wurde und dass dem Beschwerdeführer als ehemaligen Militärangehörigen in einer herausragenden Position ein hohes Verfolgungsrisiko seitens der Taliban treffe und bestehe für den Beschwerdeführer auch keine inländische Fluchtalternative. Schließlich sei er in den Augen der Taliban auch eine "verwestlichte" Person. Eine Rückführung nach Afghanistan würde den Beschwerdeführer jedenfalls in seinen durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verletzen und würde daher um Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, allenfalls um Gewährung subsidiären Schutzes ersucht. Einsicht genommen wurde auch in den Strafregisterauszug des Kontrahenten des Beschwerdeführers, in dem eine Verurteilung nach XXXX und eine solche nach XXXX aufscheint.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist ein (gläubiger) sunnitischer Moslem. Die belangte Behörde hat das Geburtsdatum XXXX angenommen und dieses wurde vom Beschwerdeführer akzeptiert. Der Beschwerdeführer hat zwölf Jahre lang die Schule besucht und diese mit Diplom abgeschlossen. Sein Vater ist schon 2001 unter ungeklärten Umständen verschwunden. Der Beschwerdeführer arbeitete zunächst nach der Schule im familieneigenen Lebensmittelgeschäft. Von 2010 bis 2012 war er für die Polizei bzw. Interpol tätig und 2012 bis 2015 bei der afghanischen Luftabwehreinheit. Nebenbei studierte er Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Geschichte. (Dieses Studium wurde in Österreich als Bachelor-Studium anerkannt.) Beim Militär begann er zunächst eine Pilotenausbildung, wechselte aber dann in die Luftaufklärung. Im Rahmen seiner Tätigkeit machte der Beschwerdeführer Luftbilder und gab auch Informationen aus der Luft an Bodentruppen weiter. Der Beschwerdeführer repräsentierte seine Einheit auch nach außen und präsentierte ihre Tätigkeit gegenüber hochrangigen in- und ausländischen Offizieren und Politikern. Fotos darüber wurden auch in den Medien und in den sozialen Medien veröffentlicht. Obwohl der Beschwerdeführer lediglich einen Unteroffiziersrang hatte, kam ihm höhere Verantwortung zu. Nachdem große Teile der NATO-Truppen Afghanistan im Jahre 2014 verlassen hatten, wurden die militärischen Aufgaben an die afghanischen Einheiten übertragen und wurden zur Steigerung des Vertrauens der Bevölkerung in die Tätigkeiten der Spezialeinheiten der Streitkräfte häufig Videos und Fotos in den Medien veröffentlicht, auf denen auch der Beschwerdeführer zu sehen ist. Er wurde daher zu einem Ziel der Taliban, von denen er in der Nacht vom 01. auf 02.12.2014 einen ersten Drohanruf erhielt, wo ihm mit "den Flammen der Hölle" gedroht wurde. Am 03.12. erhielt er einen weiteren Drohanruf mit der gleichen Drohung, wobei der Anrufer versicherte, dass genau der Beschwerdeführer damit gemeint sei. Er meldete die Anrufe seinem Vorgesetzten und wurden diese auch an das Verteidigungsministerium und Innenministerium und den unterstellten Organisationen weitergeleitet.
Am 29.01.2015 gab es nach einem Testflug mit amerikanischen Piloten ein Schussattentat auf dem Flugplatz, wo der Beschwerdeführer stationiert war, bei dem drei ausländische Ausbildner getötet wurden. Der Beschwerdeführer ist der Überzeugung, dass er das Ziel dieses Attentates, das in einem geschützten militärischen Komplex erfolgt ist, gewesen ist.
Am 15.10.2015 erfolgte dann ein Sprengstoffanschlag auf den vom Militär dem Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten zivilen PKW, den er einem Freund, der Verlobung feierte, borgte. Dieses Auto benutzte normalerweise nur der Beschwerdeführer und parkte es zur Sicherheit auf den Parkplatz einer Polizeistation. Durch eine Magnetmine am selben Tag wurde dieses Auto gesprengt, bei dem sein Freund getötet wurde und zwei seiner Brüder verletzt wurden. Daraufhin brachte der Beschwerdeführer seine Familie in Sicherheit und gab dem Kommandanten seiner Einheit seine militärische Ausrüstung zurück, nachdem er ihm von allen Vorfällen erzählte und versteckte sich im Haus seiner Schwester für ca. einen Monat lang. Am 16.11.2015 verließt er dann über XXXX und XXXX Afghanistan und gelangte über den Iran und die Türkei schließlich nach Europa.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet, hat aber seit ca. eineinhalb Jahren keinerlei Kontakt mehr zu seiner zuletzt in Kabul lebenden Ehefrau und weiß nicht, ob diese vielleicht nochmals wiederverheiratet ist. Er hat keine Kinder, seine Mutter und zwei seiner drei Schwestern leben mittlerweile als Asylberechtigte in Österreich, die dritte Schwester im Iran. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er führt kein Familienleben in Österreich. Der Beschwerdeführer hat bereits 2017 ein Deutschdiplom B2 erworben und ist bereits im 5. Semester des Masterstudiums " XXXX ". Er hat auch ein Zertifikat der XXXX und des XXXX vorgelegt und ist weiters im XXXX engagiert. Er hat auch schon als Kinderbetreuer bei der XXXX geholfen und war auch in dem afghanischen Verein "Akis" aktiv. Der Beschwerdeführer verfügt auch über zahlreiche österreichische Freunde, die ihm zum Teil auch mit Empfehlungsschreiben unterstützt haben. Beispielsweise lehrt er einer pensionierten Lehrerin Farsi. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10.11.2017 Zl. XXXX wegen § 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.
Zu Afghanistan wird verfahrensbezogen Folgendes festgestellt:
1.Politische Lage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).
In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).
Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).
Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).
Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).
Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).
Politische Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).
Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).
Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).
Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).
Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).
Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).
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2.Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).
Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))
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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielswe