TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/7 W208 2230068-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.04.2020
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Entscheidungsdatum

07.04.2020

Norm

AVG §71
B-VG Art133 Abs4
GEG §6 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33

Spruch

W208 2230068-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Dr. XXXX , gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilsachen WIEN vom 29.10.2019, Jv 3427/18i-33a, betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Gerichtsgebührenangelegenheit, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 iVm § 33 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) war beklagte Partei im Verfahren XXXX vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen WIEN (im Folgenden: LGZ). Mit Bescheid vom 27.09.2018, 100 Jv 3427/18i-33a (003 Rev 14587/18w) wurde ihr - nachdem zuvor ein Mandatsbescheid vom 23.04.2018 aufgrund einer Vorstellung außer Kraft getreten war - neuerlich ein Zahlungsauftrag zur Begleichung von aushaftenden Pauschalgebühren (TP 2 GGG) iHv insgesamt ? 4.324,00 erteilt.

Dieser Bescheid wurde am 16.11.2018 rechtskräftig und vollstreckbar.

2. Mit Schriftsatz vom 29.04.2019, stellte der Rechtsvertreter der BF Dr. XXXX (im Folgenden: E) einen Antrag an die Präsidentin des LGZ (belangte Behörde im Verfahren vor dem BVwG), in dem er die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung forderte und dies damit begründete, dass er eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.09.2018 beim BVwG eingebracht hätte. Dieser sei daher noch nicht rechtskräftig.

Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren durch, welches in zwei Aktenvermerken vom 09.05.2019 und vom 04.06.2019 dokumentiert ist. Festgestellt wurde, dass keine Beschwerde eingebracht worden sei und im Aktvermerk vom 04.06.2019 wird weiters angeführt, dass die Sekretärin des E angerufen habe, weil die Gerichtsvollzieherin versucht habe die aushaftende Gebühr einzuziehen. Mit ihr sei besprochen worden, dass sie belegen solle, wann und wo die Beschwerde eingebracht worden sei.

Mit einem als "BESCHEID" bezeichneten Schreiben vom 03.07.2019 (zugestellt an E am 10.07.2019) wurde dieser sodann formal aufgefordert binnen 2 Wochen nachzuweisen, dass Beschwerde beim BVwG eingebracht worden sei.

3. E brachte am 23.07.2019 (im Namen der BF) den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.09.2018 ein. Als Beweis legte er eine eidesstattliche Erklärung seiner Kanzleimitarbeiterin XXXX (im Folgenden: S) vor. Darin wurde von dieser ausgeführt, sie habe die Beschwerde vom 31.10.2018 gegen den Bescheid vom 27.09.2018 in einem weißen Briefkuvert aufgegeben. Ob sie diese "eingeschrieben" oder "normal" aufgegeben habe, wisse sie nicht mehr, jedenfalls sei die Aufgabe am Schalter erfolgt. Nachdem sie auf dem Nachhauseweg gewesen sei, habe sie den Beleg nicht in die Kanzlei gebracht, weil sie an die Verlässlichkeit der Post geglaubt habe.

Die belangte Behörde führt am 02.10.2019 eine Zeugenbefragung der S durch, bei der diese zusammengefasst das Folgende angab: Sie habe eine Endversion der Beschwerde auf ihrer Festplatte. Sie mache nur eine pdf-Endversion, wenn sie diese wegschicke. Die Beschwerden würden dann per Fax dem LGZ geschickt. Wenn das Fax nicht funktioniere, was ein- bis zweimal pro Jahr vorkomme, drucke die das Dokument aus, lasse es unterschreiben und bringe es zur Post. Anweisungen von E, wie diese aufzugeben seien, habe sie nicht. Manche Sendungen habe sie "normal" aufgegeben ohne Einschreibenachweis. Wie das bei der konkreten Beschwerde gewesen sei, daran könne sie sich nicht mehr erinnern. Sie könne nicht mehr sagen, ob sie dann bei der Post gewesen sei und wie der Vorgang gewesen sei.

Dieses Protokoll wurde dem E am 09.10.2019 zur Stellungnahme binnen einer Woche zugestellt. Eine Stellungnahme ist nach den vorliegenden Akten nicht eingelangt.

4. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 29.10.2019 wies die belangte Behörde 1) den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und 2) den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab.

In der Begründung ist der belangten Behörde ein offensichtlicher Fehler unterlaufen, weil sie in der Folge als Bescheiddatum jenes des Mandatsbescheides, 23.04.2018, anführt, anstatt richtig des rechtskräftigen Zahlungsbefehls, 27.09.2018.

Die Abweisung der Wiedereinsetzung wird einerseits mit einer Verfristung - der E habe spätestens am 04.06.2019 beim Anruf seiner Sekretärin gewusst, dass keine Beschwerde eingelangt sei - und andererseits mit der mangelnden Bescheinigung der Postaufgabe der Beschwerde, begründet.

5. Die BF brachte dagegen am 17.12.2019 einen Antrag auf Wiedereinsetzung und eine Beschwerde ein.

6. Dem Wiedereinsetzungsantrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 20.01.2020 stattgegeben, da der Rechtsvertreter der BF, E, überraschend am 03.12.2019 verstorben und damit das Vertretungsverhältnis aufgelöst worden war. Mit am 31.03.2020 beim BVwG eingelangtem Schreiben legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Punkt I.1. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.

Weiters wird festgestellt, dass der E erst mit der Zustellung der Aufforderung am 10.07.2019 die Beschwerdeerhebung nachzuweisen, von einem allfälligen Problem bei der Übermittlung erfahren hat.

Der BF ist es aber nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass die im Computer der Angestellten ihres Rechtsvertreters E mit dem Datum 31.10.2018 gespeicherte Beschwerde, tatsächlich fristgerecht der Post übergeben wurde und diese erst in der Folge bei der Post bzw im Zuge der Übermittlung an die belangte Behörde verloren gegangen ist.

Es ist ihm auch nicht gelungen zu beweisen, dass ihn daran kein Verschulden trifft.

Der Rechtsfreund der BF hat dem Kanzleipersonal (S) keine Anweisungen gegeben, wie bei der Postaufgabe von Beschwerden - bei Ausfall des Fax - vorzugehen ist. Er hat Gebührenbeschwerden nur stichprobenartig überprüft und deren Abfertigung seiner Kanzleimitarbeiterin S überlassen. Er hat ihr den Aufgabeschein nicht abverlangt oder sonst eine Kontrolle vorgesehen, ob fristgebundene Sendungen tatsächlich der Post übergeben wurden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

Sofern die belangte Behörde anführt, am 04.06.2019 habe eine "Sekretärin" des Rechtsvertreters angerufen und sei dieser gesagt worden, dass sie belegen müsse, wann und wo die Beschwerde eingebracht worden sei, ist der im Akt einliegende Aktenvermerk (AV) nicht aussagekräftig, weil weder der Name der Anruferin noch die Uhrzeit angeführt ist (sodass auch nicht feststeht, ob diese tatsächlich der Kanzlei des E zuzurechnen ist). Auch der Name des Verfassers oder der Verfasserin des AV ist nicht festgestellt worden und diese/r befragt. Dasselbe gilt für die im AV erwähnte Gerichtsvollzieherin. Es ist daher erst mit der formellen Übermittlung der Aufforderung (zugestellt am 10.07.2019) von der Kenntnis des E auszugehen. Sodass die Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung am 23.07.2019 noch innerhalb der Frist von 2 Wochen erfolgte.

Die BF kann aber nicht glaubhaft machen, dass die Mitarbeiterin des E, Frau S, die Beschwerde tatsächlich bei der Post aufgegeben hat. Sie hat im Gegensatz zu ihrer eidesstaatlichen Erklärung bei der Einvernahme eingeräumt, dass sie sich nicht erinnern kann und nicht mehr sagen kann wie der Vorgang bei der Post war. Das ist erstaunlich, hat sie doch in ihrer Erklärung nur knapp 2 Monate davor ausgeführt, beim Schalter gewesen zu sein und in der Einvernahme gesagt, es gebe nur wenige solcher Postaufgaben im Jahr. Sodass anzunehmen wäre, dass sie sich daran noch erinnert. Sie hat sich auch insofern widersprochen, als sie in der eidesstattlichen Erklärung angibt sich nicht mehr erinnern zu können, ob sie die Sendung "eingeschrieben" oder "normal" aufgegeben habe, andererseits aber einen "Beleg" anführt. Einen Beleg kann sie nur bei einer eingeschriebenen Aufgabe erhalten. Es ist dann aber verwunderlich, dass eine langjährige Mitarbeiterin einer Rechtsanwaltskanzlei, die um den Nachweis der Versendung von fristgebundenen Rechtsmittel wissen muss und die extra zur Post geht um eine Beschwerde aufzugeben, den Beleg nicht aufhebt und in den entsprechenden Akt einlegt. Wenn sie es tatsächlich nicht besser wusste, weil - wie sie angab - der E ihr hinsichtlich der Postaufgabe keine Anweisung gab, ist dieses Versäumnis dem E zuzurechnen.

Die Begründung, sie sei am Nachhauseweg gewesen und habe auf die Verlässlichkeit der Post vertraut, überzeugt vor dem Hintergrund ihrer angeführten Tätigkeit in der Kanzlei des E seit 2014 nicht. Sie hat auch ausgesagt, dass ein Fristversäumnis nicht oft, aber zu oft - vielleicht fünf Mal im Jahr - passiert sei und er E sie geschimpft und gesagt habe, dass so etwas nicht passieren dürfe. Diese Aussage zeigt, dass sich der E der Fehleranfälligkeit seiner Mitarbeiterin bewusst war.

Der in Beschwerde gezogene Bescheid (Zahlungsauftrag) wurde am 08.10.2018 zugestellt und wäre die vierwöchige Beschwerdefrist erst am 05.11.2018 abgelaufen, sodass nicht nachvollziehbar ist, warum die Beschwerde, die am 30.10.2018 nach den Angaben der S in der Endversion zur Versendung vorlag, so dringend zur Post gebracht werden musste.

S konnte sich auch nicht erinnern, ob das Fax tatsächlich ausgefallen war. Sie sagte zwar sie "glaube", dass es Probleme mit dem Fax gab, relativierte diese Aussage aber gleich darauf, indem sie angab (Zitat): "... ob die konkrete Beschwerde von so einem Versagen betroffen war, kann ich nicht sagen." Ein Faxausfall von einer Woche wurde nicht behauptet und wäre weder plausibel noch wurde er in irgendeiner Weise belegt.

Der von der BF angeführte Umstand, dass S vor Fristablauf mit ihr gesprochen und ihr versichert habe, die Beschwerde fristgerecht zu erledigen, beweist nicht, dass sie das dann auch tatsächlich getan hat.

Vor dem Hintergrund der Aussagen der S, ist ihre eidesstattliche Erklärung nicht geeignet, die rechtzeitige Postaufgabe glaubhaft zu machen.

Die Feststellung hinsichtlich der nichtvorhandenen Anweisungen des E hinsichtlich der Postaufgabe und der nur stichprobenartigen Kontrolle von Gebührenbeschwerden, ergibt sich aus der Aussage der S (Zitat): "Was ich mache, fertige ich selbst ab. Dr. E macht bei den Beschwerden nur Stichproben. Für die ganzen Gebührenbeschwerden bin eigentlich ich zuständig."

Der E ist dieser Aussage und jenen zu den rund fünf Fristversäumnissen pro Jahr, obwohl ihm das Protokoll der Befragung zur Äußerung zugestellt wurde, nicht entgegengetreten und hat auch keine Angaben zu einem von ihm etablierten Kontrollsystem gemacht, um derartige Fristversäumnisse zu verhindern.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, wobei kein Verbot einer "reformatio in peius" besteht und kein Neuerungsverbot (vgl Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K2; stRsp des VwGH, zB 29.06.2017, Ra 2017/16/0085 mwN). Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften als auch allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit (die nicht ausdrücklich in der Beschwerde geltend gemacht wurde) von Amts wegen aufgreifen; Grundsatz der Amtswegigkeit (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017 § 27, K3).

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des VwGH (Erkenntnis vom 26.01.2012, 2009/09/0187 und in diesem Sinne wohl auch 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) ist nicht erforderlich. Die vorgelegten Verfahrensakten lassen nicht erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt ist sowohl der BF als auch der Verwaltungsbehörde bekannt. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht von solcher Komplexität, dass es dazu Erläuterungen in einer Verhandlung bedürfte.

Ein Entfall der Verhandlung widerspricht weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl 1958/210, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl Nr C 83 vom 30.03.2010 S. 389.

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen (Auszug, Hervorhebung durch BVwG)

Die maßgeblichen Bestimmungen des VwGVG lauten:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33.

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) [...]

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1.-nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2.-nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen. [...]

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

Strittig ist, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung fristgerecht - das heißt binnen 2 Wochen ab Wegfall des Hindernisses (§ 33 Abs 3 VwGVG) - erfolgt ist sowie, ob der Wiedereinsetzungsgrund eines "unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses" (§ 33 Abs 1 VwGVG) vorgelegen ist.

3.3.1. Einleitend ist festzuhalten ist, dass sich die BF allfällige Fehler oder Versäumnisse ihres Rechtsvertreters anrechnen lassen muss, oder anders gewendet, es irrelevant ist, ob die BF selbst oder ihr Vertreter das Ereignis zu verantworten hat. Ein Versehen einer Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber der Angestellten unterlassen hat (VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

3.3.2. Es ist von der Übertragbarkeit der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zu § 71 Abs 2 AVG auf die in § 33 Abs 3 VwGVG normierte Frist ("binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses") auszugehen (vgl VwGH 21.10.2014, Ra 2014/03/0037). Von einer Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels ist zu dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem die Partei bzw. deren Vertreter die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (VwGH 24.09.2015, Ra 2015/07/0113).

Dazu wurde festgestellt, dass der E, als Rechtsvertreter der BF erst am 10.07.2019 nachweislich vom Nichteinlagen der Beschwerde erfahren hat. Dass eine Kanzleimitarbeiterin allenfalls davor am 05.06.2019 davon Kenntnis hatte - was die Frist ebenfalls ausgelöst hätte - lässt sich nicht beweisen, da der Aktenvermerk über das betreffende Telefonat zu ungenau ist (wie vorne in der Beweiswürdigung angeführt). Der Wiedereinsetzungsantrag vom 23.07.2019 ist daher noch innerhalb der zwei Wochenfrist, und damit als rechtzeitig eingebracht, zu werten.

3.3.2. Geht eine Sendung nach Übergabe an die Post verloren und langt sie daher nicht bei der Behörde ein, ist dies ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, das zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand berechtigt (vgl VwGH vom 31.10.1991, 90/16/0148). Der Verlust eines nicht eingeschriebenen Briefes stellt auch kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden dar, weil auch ohne diese besondere Form der Postaufgabe mit dem Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde gerechnet werden kann (vgl VwGH vom 13.10.2009, 2009/17/0154, und vom 13.07.2015, Ra 2015/02/0050).

Daraus lässt sich für die BF jedoch im vorliegenden Fall nichts gewinnen. Weil sie dazu glaubhaftmachen muss, dass durch den Eintritt eines "unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses" die Beschwerde vom 30.10.2018 am Postweg (durch ein Verschulden der Post) verloren gegangen ist. Dazu müsste Sie aber glaubhaft machen können, dass die Beschwerde tatsächlich innerhalb der Beschwerdefrist von vier Wochen der Post übergeben wurde. Dies ist ihr mit den Behauptungen in ihrer nunmehrigen Beschwerde und den vagen Zeugenaussagen der Kanzleimitarbeiterin S nicht gelungen (vgl dazu vorne die Beweiswürdigung).

Der für das Fristenmanagement verantwortliche Rechtsvertreter E, hat seiner Mitarbeiterin - trotz bis zu fünf Fristversäumnissen pro Jahr - keine Anweisungen für den Fall von notwendigen Postaufgaben von Beschwerdeschriften bei Faxausfall gegeben, was im Fall eines berufsmäßigen Parteienvertreters eine auffallende Sorglosigkeit darstellt und nicht mehr als bloß minderer Grade des Versehens oder leichte Fahrlässigkeit verstanden werden kann (vgl zum Begriff der auffallenden Sorglosigkeit VwGH 21.01.2020, Ra 2019/14/0604).

In einer Rechtsanwaltskanzlei sind Kontrollen (etwa anhand der Aufgabescheine rekommandierter Sendungen) vorzusehen, ob zur Postaufgabe bestimmte Sendungen auch tatsächlich zur Post gegeben und versendet wurden. Selbst die ausdrückliche Anweisung gegenüber der stets zuverlässigen Kanzleimitarbeiterin (die hier gar nicht behauptet wurde), einen Schriftsatz noch am selben Tag rekommandiert aufzugeben, genügt nicht (vgl VwGH 26.2.2004, 2003/15/0145). Das Fehlen eines diesbezüglichen Kontrollsystems ist gerade in Fällen besonderer Dringlichkeit nicht als minderer Grad des Versehens zu werten (vgl. VwGH 29.5.2015, Ra 2015/08/0013; 18.9.2017, Ra 2017/11/0234; VwGH 25.07.2019, Ra 2017/22/0161). Dass ein solches Kontrollsystem existiert hätte wurde nicht behauptet und hat sich der Rechtsvertreter zu den Aussagen seiner Mitarbeiterin S im Parteiengehör überhaupt nicht geäußert.

Die belangte Behörde hat den Antrag auf Wiedereinsetzung daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen und war auch die Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Vollstreckung rechtmäßig.

Dem angefochtenen Bescheid haftet vor diesem Hintergrund keine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG an, sodass die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen ist.

Aus verfahrensökonomischen Gründen darf darauf hingewiesen werden, dass die Beschwerde gegen die Gebührenvorschreibung - vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des VwGH (zB VwGH 18.05.2006, 2006/16/0010), des VfGH (vgl VfGH 17.06.1996, B 1609/96; 10.06.2002, B 1976/99; 30.06.2012, G14/12; 08.06.2017, E 295/2017) und des BVwG (zB 10.09.2018, W183 2204875-1/2E) - auch inhaltlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH wird verwiesen.

Schlagworte

Fristenwahrung Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Kontrollsystem Postaufgabe Sorgfaltspflicht unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Verschulden des Vertreters Vollstreckbarkeitsbestätigung Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag Zurechenbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W208.2230068.1.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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