TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/25 97/04/0100

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Veröffentlicht am 25.11.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §42;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §81 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde

1. der E in W, 2. der R-Gesellschaft m.b.H in W, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 2. Mai 1997, Zl. 317.665/2-III/A/2a/97, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: H in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W),

Spruch

I. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 5.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (magistratisches Bezirksamt für den 9. Bezirk vom 16. Juni 1993 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer näher bezeichneten Gastgewerbebetriebsanlage gemäß § 74 GewO 1973 nach Maßgabe der Pläne und der Betriebsbeschreibung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Die Auflagen Nr. 17 bis 24 haben folgenden Wortlaut:

"17. Das Geschäftslokal und der Lagerraum sind mechanisch zu be- und entlüften.

18. Die Ausblasöffnung der Fortluft ist über Dach zu situieren, wobei das Abluftaggregat über Dach auf dem Kopf des Abluftfanges aufzusetzen ist.

19. Über den ordnungsgemäßen baulichen Zustand des zur Ableitung der Küchenabluft vorgesehenen Fanges ist erstmals vor Inbetriebnahme ein Befund durch den zuständigen Rauchfangkehrermeister erstellen zu lassen und in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch behördliche Organe stets bereit zu halten.

20. Der zur Ableitung der Küchenabluft verwendete Fang ist jährlich auf seinen ordnungsgemäßen baulichen Zustand durch den zuständigen Rauchfangkehrermeister nachweisbar überprüfen zu lassen.

21. Es sind bei der Zuluftanlage Einrichtungen vorzusehen, die ein Vorwärmen der eingebrachten Luft ermöglichen.

22. Die Menge der Zuluft und der Abluft ist jeweils so zu dimensionieren, daß eine ausgeglichene Lüftungsbilanz erreicht wird (d.h. die Menge der Zuluft hat etwa der Menge der Abluft zu entsprechen).

23. Die mechanische Lüftungsanlage ist so zu dimensionieren und so zu betreiben, daß der erforderliche Luftwechsel bei größtmöglicher Zugfreiheit erreicht wird.

24. Die Frischluftansaugung darf nicht aus Luftschächten erfolgen, in die Fenster oder Entlüftungsleitungen von Toilettenanlagen münden."

Mit Schriftsatz vom 16. September 1995 stellte die Beschwerdeführerin bei der Erstbehörde den Antrag auf Änderung dieser Betriebsanlage und führte dazu aus, die Änderung bestehe darin, daß anstelle der Abluftführung bis über Dach eine Aktivkohleanlage mit Ausblasöffnung in die Garnisongasse eingerichtet werden solle.

Über diesen Antrag beraumte die Erstbehörde mit Kundmachung vom 17. November 1995 für den 22. Jänner 1996 eine Augenscheinsverhandlung an. Mit Schriftsatz vom 15. Jänner 1996 erhoben die Beschwerdeführerinnen gegen das Projekt Einwendungen und brachten darin vor, sie befürchteten - aus näher dargelegten Gründen - unzumutbare Geruchs- und Lärmbelästigungen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 2. Mai 1997 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, der im Devolutionsweg angerufen worden war, der Beschwerdeführerin gemäß § 81 GewO 1994 die Genehmigung zur Änderung ihrer in Rede stehenden Betriebsanlage dadurch, daß die Abluft nicht über einen gemauerten Fang über Dach des Hauses sondern über Aktivkohlefilter und Schalldämpfer in die Garnisongasse ausgeblasen werden solle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Auch die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Nichtgenehmigung von gesundheitsgefährdenden Anlagen bzw. Anlagen, welche nicht geeignet sind, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachhaltige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß zu beschränken, verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes machen sie im wesentlichen geltend, aus dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen gehe eindeutig hervor, daß sie durch die geplante Änderung der Betriebsanlage in ihrer Gesundheit gefährdet und auch erheblichen Belästigungen durch Geruch und Lärm ausgesetzt würden.

I.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde. Dies gilt selbst dann, wenn dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zu Unrecht Parteistellung zuerkannt worden sein sollte (vgl. z.B. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. NF. Nr. 10.511/A).

In den in der Gewerbeordnung 1994 festgelegten Nachbarrechten können Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 leg. cit. durch einen nach § 77 oder nach § 81 in Verbindung mit § 77 leg. cit. ergehenden Genehmigungsbescheid nur im Rahmen ihrer nach § 356 Abs. 3 leg. cit. rechtzeitig erworbenen Einwendungen, mit denen sie ihre Parteistellung im Genehmigungsverfahren begründet haben, verletzt werden (vgl. z. B. den hg. Beschluß vom 28. Jänner 1993, Zl. 92/04/0211).

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind im Verfahren zur Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage unbeschadet des hier nicht in Betracht kommenden folgenden Satzes nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. NF Nr. 11.745/A, unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine Einwendung im Sinne der eingangs dargestellten Gesetzeslage nur dann vor, wenn der Beteiligte (hier: der Nachbar) die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird und ferner, welcher Art dieses Recht ist. D.h., es muß auf einen oder mehrere der in § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein.

Im vorliegenden Fall haben beide Beschwerdeführer, wie aus der oben gegebenen Darstellung des Verfahrensganges ersichtlich ist, Einwendungen wegen befürchteter Gesundheitsgefährdung und unzumutbarer Belästigung durch Lärm - und Geruchsimmissionenerhoben. Bezogen auf die Zweitbeschwerdeführerin kann dieses Vorbringen deshalb nicht als die Parteistellung begründende Einwendung im Sinn des § 356 Abs. 3 GewO 1994 anerkannt werden, weil eine juristische Person durch Lärm und Geruch weder in ihrer Gesundheit gefährdet noch unzumutbar belästigt werden kann.

Da somit die Zweitbeschwerdeführerin mangels Erhebung geeigneter qualifizierter Einwendungen keine Parteirechte erwarb, kann sie auch durch den angefochtenen Bescheid nicht in solchen Rechten verletzt sein.

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war daher mangels Beschwerdelegitimation gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin erweist sich schon auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ermächtigt § 81 GewO 1994 die Behörde nicht, eine bereits erteilte Genehmigung abzuändern oder zu beheben und insofern die bestehende bescheidmäßige Regelung einer Reform zu unterziehen. Die Behörde ist im Rahmen des Verfahrens nach § 81 GewO 1994 lediglich berechtigt, eine bisher bescheidmäßig nicht geregelte Sache, nämlich die nach § 81 genehmigungspflichtige Änderung ", einer solchen Regelung (erstmals) zu unterziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 88/04/0029).

Stellt man im vorliegenden Fall den Inhalt des gemäß § 77 GewO 1973 ergangenen Bescheides der Erstbehörde vom 16. Juni 1993, vor allem was die eingangs wiedergegebenen Auflagen Nr. 17 bis 24 betrifft, dem dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag der Beschwerdeführerin und dem darüber ergangenen angefochtenen Bescheid gegenüber, so ergibt sich zweifellos, daß die mit dem angefochtenen Bescheid genehmigte "Änderung" lediglich dem Zweck dient, die Beschwerdeführerin von der Notwendigkeit zu entbinden, die ihr im Bescheid der Erstbehörde vom 16. Juni 1993 vorgeschriebenen Auflagen zur Entlüftung des Geschäftslokales und des Lagerraumes zu erfüllen, und ihr die Möglichkeit zu geben, an dessen Stelle ein anderes Lüftungsprojekt zu verwirklichen.

Für ein derartiges, allenfalls nach § 78 Abs. 2 GewO 1994 zu beurteilendes Begehren steht, wie oben ausgeführt, das Verfahren nach § 81 GewO 1994 nicht zur Verfügung.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG schon aus diesem Grund wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne auf das Beschwerdevorbringen im einzelnen einzugehen.

Von der von der mitbeteiligten Partei beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Das Begehren der Erstbeschwerdeführerin auf Zuspruch von weiterem Schriftsatzaufwand für ihre zur Gegenschrift der mitbeteiligten Partei erstattete Äußerung war im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes in der zitierten Verordnung abzuweisen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war, soweit es Aufwandersatz für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung betrifft abzuweisen, weil eine solche nicht stattfand. Im übrigen betrifft die Abweisung dieses Mehrbegehrens nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997040100.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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