TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/28 W159 2181692-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.04.2020
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Entscheidungsdatum

28.04.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W159 2181692-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am XXXX und am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg cit wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, gelangte (spätestens) am 04.12.2015 irregulär in das österreichische Bundesgebiet und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am gleichen Tag wurde er einer Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die XXXX unterzogen. Dabei wurde das Geburtsdatum XXXX protokolliert. Als Fluchtgrund gab der Antragsteller an, dass er gemeinsam mit einem Freund in Afghanistan ein Fotostudio, wo sie auch Videos für Hochzeiten hergestellt hätten, betrieben hätte. Als sie eines Tages eine DVD für einen mächtigen Mann namens " XXXX " verloren hätten und die Videoaufnahmen in der Öffentlichkeit aufgetaucht wären, hätte sie dieser Mann mit dem Leben bedroht, da durch die Aufnahmen seine Ehre beschmutzt worden sei.

Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 18.08.2017 eine niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland. Eingangs der Einvernahme gab der Antragsteller an, dass er außer seiner Muttersprache Dari mittelmäßig Pashtu, Urdu und Usbekisch spreche und ein klein wenig Deutsch. Er habe nur eine Kopie seiner Tazkira, einen Reisepass habe er nie besessen. Er sei in der Provinz Sar-e-Pool geboren und habe aber die letzten zwanzig Jahre in XXXX gelebt. Er sei acht Jahre lang zur Schule gegangen, die letzten fünf Jahre habe er ein Fotogeschäft betrieben und zwar alleine. In diesem Geschäft habe er auch DVDs und CDs verkauft. Er sei den ganzen Tag im Geschäft gestanden und ein- bis zweimal in der Woche in die Stadt gefahren, um dort CDs und DVDs zu kaufen. Derzeit lebe er in XXXX von der Grundversorgung. In Afghanistan habe die Familie ein Haus gehabt, wo er mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt habe. Seit seiner Einreise nach Österreich habe er aber keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Er habe von Nachbarn erfahren, dass die Familie weggezogen sei und niemand die Telefonnummer habe. Er habe noch einen Großvater mütterlicherseits, sowie drei Tanten mütterlicherseits und drei Onkel mütterlicherseits, die bis auf einen Onkel, welcher sich im Iran aufhalte, alle im Dorf XXXX in der Provinz Sar-e-Pol leben würden, wo auch er herstamme. Dort gebe es keine Internetverbindung und keinen Handyempfang, daher habe er auch zu seinen Verwandten keinen Kontakt mehr. Nach dem Tod seines Vaters habe er gearbeitet und die Familie unterstützt. Seine Mutter sei Hausfrau gewesen, sein jüngster Bruder habe manchmal im Geschäft ausgeholfen. Sein ältester Bruder habe ein Lebensmittelgeschäft. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Auch mit diesem habe er keinen Kontakt mehr, weil er ihn nicht habe erreichen können. Er sei weder verheiratet noch habe er Kinder. Wirtschaftliche Gründe für das Verlassen von Afghanistan habe er keine gehabt, er habe gut verdient. Derzeit werde er in Österreich vom Staat erhalten, aber er möchte sobald als möglich wieder als Fotograf arbeiten und für sich selbst sorgen. Er könnte auch andere Arbeiten annehmen. Er sei gesund und besuche Deutschkurse. Den A1-Kurs habe er schon abgeschlossen, mit A2 fange er demnächst an. In der Freizeit spiele er Fußball und lerne Deutsch über das Internet. Manchmal gehe er auch ins Schwimmbad. Er habe auch zweimal in der Gemeinde bei der Flurreinigung geholfen und nehme auch an religiösen Festen an der Kirche teil. Zuhause sei er nicht regelmäßig in die Moschee gegangen und nach der Ausreise sei er oder nur zwei oder drei Tage bei seinem Onkel im Iran gewesen. Dieser habe ihm aber gesagt, er könne ihn nicht aufnehmen, da er selbst dort illegal sei und dass er vom Iran wieder nach Afghanistan zurückgeschickt werden würde. Er hätte ursprünglich nach XXXX reisen wollen, dies sei mit seinem Onkel, der die Flucht organisiert und finanziert habe, auch so ausgemacht gewesen.

Er gab an, am XXXX geboren zu sein, bei der Erstbefragung habe er nur ungefähr sein Alter angegeben, er sei noch von der Reise sehr müde und erschöpft gewesen.

Zu seinen Ausreisegründen befragt, gab er an, dass er ein Fotogeschäft habe und davon gut habe leben können. In ihrer Ortschaft habe es einen Mann namens " XXXX " gegeben. Dieser habe ihm gesagt, er brauche eine Kamera, weil er wolle heiraten und auf seiner Hochzeit selbst filmen. Er wolle dies deswegen selbst machen, weil er niemand anderem trauen würde und den Film niemand sehen dürfe. Er solle ihm den Film auf eine CD brennen. An einem Samstag habe er ihm diesen Film gegeben, er sei zwischenzeitlich einkaufen gefahren und sein Bruder sei im Geschäft gewesen. Als er zurückgekommen sei, habe er seinem Bruder gesagt, er solle ihm die Kamera bringen. Sein Bruder habe aber die Kamera nicht gefunden. Es seien viele Schüler im Geschäft gewesen, er wüsste nicht, wer die Kamera mitgenommen habe. Ich habe daraufhin Angst bekommen. XXXX sei dann drei Tage später im Geschäft gewesen und habe gefragt, ob der Film schon fertig sei. Er habe ihn vertröstet. Er sei dann zu dem Mann, bei dem er eingekauft habe gefahren und habe diesem gesagt, dass er eine neue Kamera brauche. Dieser habe ihm vorgeschlagen, mit ihm nach Kabul zu fahren und sich selbst eine gebrauchte Kamera auszusuchen. Sie seien dann in der Nacht in Kabul angekommen und hätten in einem Hotel geschlafen. In der Zwischenzeit habe seine Familie versucht ihn anzurufen. Sein Bruder habe ihm berichtet, dass XXXX , der zornig gewesen sei und die Gegenstände im Geschäft und die Fenster kaputtgeschlagen habe. Außerdem sei er bei ihnen zu Hause gewesen und hätte gedroht, die Schwester oder die Frau seines Bruders mitzunehmen. Er behauptete, dass er den Hochzeitsfilm verkauft habe. XXXX wisse, dass er in Kabul sei und er würde ihn auch dort finden. Sein Bruder habe ihn aufgefordert, sich sofort auf den Weg zu machen. Er habe dann mit seinem Onkel im Iran gesprochen, dieser habe gesagt, er solle nach XXXX an die Grenze fahren und dort würde ihm ein Schlepper weiter mitnehmen. Er habe dann tatsächlich an einer Bushaltestelle in XXXX diesen Schlepper getroffen, den sein Onkel organisiert habe. Er habe die Kamera in eine offene Vitrine gelegt und sei dann einkaufen gegangen. Er habe dann, als er zurückgekommen sei, im ganzen Geschäft nach der Kamera gesucht, aber diese nicht gefunden und er habe keine andere Kamera gehabt. Diese sei für sein Geschäft das wichtigste gewesen, sonst habe er die Kamera nie hergeliehen. XXXX sei sein Nachbar gewesen, aber nicht unmittelbar. Sie hätten sich auch nur vom Sehen gekannt. Wie es seiner Schwester, die auch von XXXX bedroht worden sei, gehe, wisse er nicht. Er wisse auch nicht, wann er genau aus Afghanistan ausgereist sei. Als er noch Kontakt mit seiner Familie gehabt habe, habe die Mutter gesagt, dass XXXX oft zu ihnen komme und sich rächen wolle. Von körperlichen Angriffen habe sie aber nicht berichtet. Mit den Behörden seines Heimatlandes habe er keine Probleme gehabt, sondern lediglich mit XXXX . Er sei Moslem, Sunnit und lehne extremistische Gruppierungen ab. Zu den Länderfeststellungen wollte er keine Stellungnahme abgeben. Der Beschwerdeführer legte außer seinem Ausdruck seiner Tazkira ein Deutschzertifikat A1, eine Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs, sowie mehrere Empfehlungsschreiben österreichischer Staatsbürger vor.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen. Unter Spruchpunkt V. wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im Wesentlichen wiedergegeben Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde zunächst hervorgestrichen, dass die Staatsangehörigkeit, die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Familienstand und der Umstand, dass er gesund sei, als glaubhaft festgestellt würden. Das Vorbringen sei jedoch nicht logisch und plausibel. Beispielsweise hätte er auch durch das Überspielen der Aufnahmen auf eine DVD diese von jemandem gesehen werden können, weites gäbe es Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme durch das BFA und hätte sich der Antragsteller auch während der Einvernahme durch die belangte Behörde widersprochen. Es sei auch nicht glaubwürdig, dass der Antragsteller bei seiner Einreise seine Mutter noch habe kontaktieren können, aber wenig später der Kontakt abgebrochen sei. Dem Beschwerdeführer stehe als gesunden, mobilen und arbeitsfähigen erwachsenen Mann auch eine inländische Fluchtalternative, beispielsweise in Kabul offen. Rechtlich begründend wurde zu Spruchteil I. insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller eine Verfolgung oder drohende Verfolgung, aus Gründen, wie sie in der GFK taxativ angezahlt seien, ebensowenig glaubhaft machen könne wie wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne dieser internationalen Norm. Selbst wenn man seinen Angaben Glauben schenken würde, wären die ins Treffen geführten Bedrohungen durch Dritte nicht geeignet daraus eine Asylberechtigung abzuleiten. Auch aus der allgemeinen, durchaus als problematisch zu bezeichneten Situation im Herkunftsstaat seien keine Gründe für die Asylgewährung abzuleiten und sei auch jedenfalls auf die inländische Fluchtalternative in Kabul zu verweisen, zumal die Wahrscheinlichkeit, dort von seinen Verfolgern gefunden zu werden, äußerst gering sei. Es liege daher insgesamt kein Sachverhalt vor, der die Gewährung internationalen Schutzes rechtfertigen würde.

Zu Spruchteil II. wurde - nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur - ausgeführt, dass dem Antragsteller nicht nur in Kabul, sondern auch in Balkh eine inländische Fluchtalternative offenstehe und dass ihm als jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden könne, wobei auch auf bestehende Reintegrationshilfen hingewiesen wurde. Schließlich sei auch festzuhalten, dass abseits von dem nicht als glaubhaft angesehenen Asylvorbringen der Antragsteller auch keinen realen Bedrohungsszenarien ausgesetzt gewesen sei und bei ihm auch keine relevanten Erkrankungen vorliegen, sodass ihm auch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zu gewähren gewesen sei.

Da keine der in § 57 AsylG genannten Gründe vorliegen würden, sei daher auch ein diesbezüglicher Aufenthaltstitel nicht zu erteilen gewesen (Spruchteil III.).

Zu Spruchpunkt IV. wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller kein Familienleben in Österreich führe und hinsichtlich seines Privatlebens keine Ansatzpunkte hervorgetreten wären, die die Vermutung einer besonderen Integration seiner Person rechtfertigen würden. Auch schon der sehr kurze Aufenthalt im Bundesgebiet spreche gegen das Vorliegen besonderer privater Bindungen, bzw. einer tiefgehenden Integration. Der Antragsteller sei im Dezember 2015 illegal in das Bundesgebiet eingereist und halte sich in Bezug auf sein Lebensalter erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich auf. Er sei weder selbsterhaltungsfähig noch könne er sich ausreichend in der deutschen Sprache verständigen und habe den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht. Es deute nichts darauf hin, dass es ihm nicht ihm nicht möglich wäre, sich wieder in die dortige Gesellschaft zu integrieren. Bei Gesamtabwägung der Interessen sei daher kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.

Da sich auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergeben habe und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei die Abschiebung als zulässig zu bezeichnen (Spruchpunkt V.). Auch Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären nicht hervorgekommen (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch die XXXX , in vollem Umfang fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In dieser wurde zunächst das Fluchtvorbringen (gerafft) wiedergegeben und daraus gefolgert, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr aufgrund der privaten Verfolgung von XXXX fürchte, gefunden und getötet zu werden. Der afghanische Staat könne den Beschwerdeführer nicht schützen und fehle es ihm überdies an ausreichenden Mitteln, um sich gegen einen mächtigen Mann, wie XXXX , zu behaupten. Darüber hinaus fehle es dem Beschwerdeführer an sozialen und familiären Anknüpfungspunkten in Afghanistan. Das Ermittlungsverfahren, insbesondere die Befragung und die Länderfeststellungen, sei mangelhaft gewesen und wurde überdies aufgrund der vorgelegten Tazkira-Kopie beantragt, das Geburtsdatum auf XXXX richtig zu stellen. Weiters wurde aus Länderberichten die Situation in Afghanistan im Allgemeinen und im Speziellen in der Provinz Kabul und Balkh zitiert.

Weiters wurde vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer eine reale Gefahr einer Verletzung seiner in Art. 2 und 3 EMRK festgeschriebenen Rechten drohe, da dieser westlich orientiert sei und würden die auszugsweise zitierten Länderberichte belegen, dass auch keine zumutbare inländische Fluchtalternative vorliege. Schließlich wurde auch beantragt, eine neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers in einer mündlichen Verhandlung durchzuführen und wurde in der Folge auch die Beweiswürdigung der belangten Behörde inhaltlich kritisiert. Abschließend wurde beantragt, dass der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne der GFK sei und auch keine inländischen Fluchtalternativen vorliegen, in eventu ihm subsidiärer Schutz wegen der realen Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung in Afghanistan zuzuerkennen.

Mit Eingabe vom 10.04.2018 gab Rechtsanwalt XXXX die Vertretung des Beschwerdeführers bekannt. Mit Schreiben vom 01.02.2019 übermittelte die belangte Behörde eine Beschuldigteneinvernahme des Polizeipostens XXXX , wo der Beschwerdeführer zugegeben habe, im Zeitraum von Jänner bis Dezember 2018 gelegentlich Marihuana geraucht zu haben. Mit Eingabe vom 11.09.2018 legte die Diakonie Flüchtlingsdienst weitere Unterstützungsschreiben des Beschwerdeführers vor.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den XXXX an, zu der der Beschwerdeführer in Begleitung einer Mitarbeiterin der XXXX erschien und auch ein Vertreter der belangten Behörde anwesend war. Der Beschwerdeführer erklärte, dass das Vollmachtsverhältnis zu Rechtsanwalt XXXX nicht mehr aufrecht sei und er nun weiter durch die XXXX vertreten werde. Die Beschwerdeführervertreterin brachte vor, dass der Beschwerdeführer nunmehr dabei sei, zum Christentum zu konvertieren und wurde die Einvernahme der im Gerichtsgebäude anwesenden Zeugin XXXX zum Beweise der inneren Überzeugung des Beschwerdeführers vom Christentum beantragt. Weiters wurden folgende Dokumente vorgelegt: Gottesdienstordnung der Pfarre XXXX mit Hinweis auf die Taufe des Beschwerdeführers, Schrieben des römisch-katholischen Pfarramtes, Empfehlungsschreiben der XXXX , ein Empfehlungsschreiben von XXXX sowie ein Katechumenenprotokoll.

Der Beschwerdeführer hielt die Beschwerde und sein bisheriges Vorbringen aufrecht, er gab jedoch an, dass er dabei sei, zum römisch-katholischen Glauben zu konvertieren. Er sei afghanischer Staatsbürger und habe bereits eine Kopie seiner Tazkira vorgelegt. Der vorsitzende Richter ersuchte den anwesenden Dolmetscher die Tazkira zu übersetzen, wobei jedoch die handschriftlichen Vermerke kaum lesbar gewesen seien, das Ausstellungsdatum sich kaum eruieren lasse, auch das Geburtsdatum lasse sich nicht zweifelsfrei entnehmen.

Der Beschwerdeführer brachte dazu vor, dass sich aus der Tazkira ergebe, dass er 2006 18 Jahre alt gewesen sei, was das Geburtsjahr XXXX ergebe. In der Erstbefragung sei falsch protokolliert worden, dass er einen Reisepass gehabt habe, in Wirklichkeit habe er keinen gehabt. Er sei Tadschike und sei früher sunnitischer Moslem gewesen, nunmehr sei er aber katholischer Christ. Er sei im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Sar-e-Pol geboren. Dort habe er eine Zeit lang gelebt. Vor seinem Schuleintritt sei er jedoch mit seinen Eltern schon nach XXXX übersiedelt, wo er bis zur Ausreise verblieben sei. Er habe zwei Jahre lang die Schule besucht, sei aber schon in der 6. Schulstufe eingestiegen. Eine weitere Ausbildung habe er nicht erhalten. In Afghanistan habe er ein Geschäft als Fotograf gehabt, wirtschaftliche Probleme habe er nicht gehabt. Sein Vater sei schon vor langer Zeit an Krebs verstorben. Über seine Mutter, seine zwei Schwestern und seine beiden Brüder habe er keine Informationen.

Mit staatlichen Behörden oder Organen in Afghanistan habe er keine Probleme gehabt, ebenso wenig mit bewaffneten Gruppierungen wie den Taliban. Er verneinte auch, mit Privatpersonen in Afghanistan Probleme gehabt zu haben, verwies jedoch dann auf sein Fluchtvorbringen. Dazu gefragt gab er an, dass er in Afghanistan ein Geschäft für Fotografie und Videoherstellung gehabt habe und er häufig auf Hochzeiten gefilmt und fotografiert habe. Ein Nachbar habe sich von ihm eine Kamera ausleihen wollen, um speziell eine Frauenfeier zu filmen. Er habe sich die Kamera am Freitag ausgeliehen, am Samstag habe er sie zurückgebracht, damit er die Aufnahmen auf CD oder DVD brenne, es sei jedoch-wie üblich- an diesem Tag einkaufen gewesen und sei sein jüngerer Bruder im Geschäft geblieben. Als er zum Einkaufen zurückgekommen sei, habe ihm sein Bruder mitgeteilt, dass die Kamera verschwunden sei. Es seien viele Kunden, insbesondere Schüler, in dem Geschäft gewesen. Da die Kamera völlig unauffindbar war, habe er mit seinem Lieferanten gesprochen und habe dieser gesagt, dass es gute Kameras in Kabul gebe und er mit ihm am nächsten Tag nach Kabul fahren könne, um dort eine Kamera zu kaufen. Sie hätten in Kabul übernachtet, in der Früh habe er bemerkt, dass er viele Anrufe gehabt hätte, es hätten ihm seine Eltern und sein jüngerer Bruder angerufen und angegeben, dass die Aufnahmen von diesem Mann in der Ortschaft verteilt worden seien und dass dieser Mann deswegen sehr zornig sei und behauptet, dass er die Fotos verkauft hätte. Er habe auch die Scheibe seines Geschäftes eingeschlagen und ihm geraten, dass er mit seinem Onkel mütterlicherseits (im Iran) reden solle und nach XXXX flüchten solle und weiter zu seinem Onkel in den Iran. Dieser Mann habe XXXX (laut Dolmetscher bedeutet der Namen XXXX stark oder groß) geheißen, er sei sehr religiös gewesen und habe ein Transportunternehmen oder ähnliches besessen. Sie hätten einander gegrüßt und ein gutes Verhältnis gehabt.

XXXX habe ihn nicht erwischt und nicht gesehen und habe ihn deswegen auch nicht persönlich bedrohen können, aber er habe von seiner Familie verlangt, ihn ausfindig zu machen, gegenüber seiner Familie habe er viele Drohungen ausgesprochen. Ausdrücklich gefragt, ob er noch Drohungen ausgesprochen habe, gab er an, dass er als er bis nach Griechenland gekommen sei, er noch Kontakt zu seiner Familie gehabt hätte und dass er jeden Tag kommen würde und ihnen drohen würde und sie auffordern würden, ihn ausfindig zu machen. Nochmals ausdrücklich nachgefragt, ob XXXX nur deswegen, weil auf der Hochzeit Personen aus seinem Umfeld anders gekleidet gewesen wären als sonst, so in Zorn geraten sei, dass er sich unbedingt hätte rächen wollen, bejahte der Beschwerdeführer dies. Nochmals nachgefragt, ob irgendetwas Brisantes auf diesen Aufnahmen zu sehen gewesen sei, gab er an, dass auf afghanischen Hochzeiten Frauen freizügiger angezogen wären und dort auch tanzen würden und dass unter den Frauen, außer ganz nahe Verwandte, keine Männer anwesend gewesen wären und er deswegen auch zornig gewesen sei. Gefragt, wie seine Familie auf die Forderungen XXXX , ihn ausfindig zu machen reagiert habe, gab er an, dass seine Familie ihm gesagt habe, dass er flüchten solle und er sich keine Sorgen um seine Familie machen solle, denn der Familie könnte er nichts antun. Der Beschwerdeführer habe noch Familienmitglieder und Verwandte in Afghanistan, sein älterer Bruder habe ein Lebensmittelgeschäft geführt, aktuell habe er aber keinen Kontakt mit seinen Familienangehörigen. Er habe wohl die Telefonnummer gehabt, aber die Nummer scheine ausgeschalten zu sein. Über Vorhalt, dass dem BFA unglaubwürdig erscheine, dass er zunächst seine Mutter von seiner Ankunft in Österreich habe verständigen können, aber die Kontaktmöglichkeit anschließend verloren gegangen sei, wiederholte er dies. Er habe auch sonst mit niemanden mehr in Afghanistan Kontakt. Selbst wenn er mit seinem Bruder noch Kontakt hätte, könnte dieser ihn nicht unterstützen, weil sein Verdienst dazu nicht ausreiche.

Er sei gesund und habe keine gesundheitlichen oder psychischen Probleme.

Er entstamme einer strenggläubigen muslimisch-sunnitischen Familie. Er habe den Glauben in Afghanistan auch ausgeübt und die Gebote eingehalten. Seine Mutter habe ihn immer darauf aufmerksam gemacht, die Gebote einzuhalten. Er habe in Afghanistan auch seine Zweifel am Islam gehabt. Als er nach Österreich gekommen sei, hätten ihm Christen geholfen. Er habe sich gewundert, warum die Christen ihm als Moslem helfen würden und sei so sein Interesse am Christentum erwacht. Er habe zuerst im Internet darüber recherchiert, Videos gefunden, wo das heilige Buch vorgelesen werde und das heilige Buch selbst gelesen. Daraufhin habe er sich entschlossen Christ zu werden. Er habe die Bibel auf Farsi und auf Deutsch gelesen, auf Deutsch habe er nicht viel verstehen können. Als er sich entschlossen habe, Christ zu werden, habe er Frau XXXX angesprochen. Sie habe ihn beraten und ihn in die Kirche begleitet. Sie sei ihm auch beim Deutsch lernen behilflich gewesen, es sei am Dienstag immer ein Kurs abgehalten worden, der noch immer stattfinde. Gefragt, was ihn am Christentum so fasziniert habe, dass er sich entschlossen habe zu konvertieren, gab er an, dass die Tätigkeiten von Jesus ihn so fasziniert hätten, er hätte gesagt, auch seinen Feinden gegenüber Gutes zu tun und niemanden zornig zu sein und Abstand nehmen von Kriegen und dem Töten. Einen wesentlichen Unterschied zwischen Islam und Christentum sehe er darin, dass auch den gläubigen Moslems nach ihrem Tod die Sünden abgerechnet würden, während im Christentum Gläubigen die Sünden vergeben würden.

Anfangs sei er sehr bedrückt gewesen, da er die muslimischen Gebote in Österreich nicht habe einhalten können. Es habe keine Moschee gegeben und kein "Halal-Essen". Als er das Heilige Buch gelesen habe und Christus gesagt habe, dass wer an das Christentum glaube, dem würden die Sünden vergeben, habe er beschlossen an das Christentum zu glauben.

Gefragt nach dem Leben von Jesus Christus, gab er an, dass ein Engel seiner Mutter gekommen sei und gesagt habe, dass sie schwanger werde. Sie habe entgegnet, dass sie Jungfrau sei und der Engel habe ihr gesagt, dass sie durch den Heiligen Geist schwanger werde und dass sie den Sohn Gottes zur Welt bringe. Sie seien dann in eine Stadt gegangen, deren Name ihm gerade nicht einfalle, da der König gesagt habe, dass sich jeder registrieren müsse. Sie wären dann in diese Stadt gegangen und hätten einen Platz in einem Stall gefunden. Als Jesus in der Nacht vom 24. Auf den 25. Dezember geboren worden sei, sei der Himmel erleuchtet worden, Hirten wären gekommen und hätten gesagt, dass der Sohn Gottes geboren sei und dass er Gerechtigkeit bringen werde.

Gefragt, ob Jesus auch ein Flüchtling gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass als Jesus älter geworden sei, er immer auf Reisen gewesen sei und die Offenbarung verbreitet habe Jesus sei durch Jaja (Johannes) in "Jordanien" getauft worden. Während der Taufe sei der Heilige Geist dabei gewesen und aus dem Himmel sei die Stimme Gott Vaters gekommen, der gesagt habe, dass Jesus sein Sohn sei und dass er über ihn glücklich sei. Gefragt, ob Jesus Wunder vollbracht habe, gab er an, dass er Tote zum Leben erweckt habe, Gelähmte und Blinde geheilt habe und Personen, die von bösen Geistern besessen gewesen wären, von diesen befreit hätte. Gefragt, wie es zum Tod Jesus Christus gekommen sei, gab der Beschwerdeführer lediglich an, dass er gekreuzigt worden sei. Näher nachgefragt, was vorher passiert sei, gab er an, dass seine Feinde ihn gefangen genommen hätten, zum König gebracht und dass die damaligen Priester gewollt hätten, dass er getötet werde und er deswegen gekreuzigt werde. Weiter nachgefragt, ob bevor Jesus Christus gefangen genommen worden sei, irgendetwas Besonderes geschehen sei, als er sich mit seinen Schülern getroffen habe, gab er an, dass ein Soldat gekommen sei. Einer seiner Jünger habe diesen angegriffen und ihm ein Ohr abgeschnitten, Jesus habe ihn aber ermahnt habe, dass dies keine gute Tat gewesen sei und Jesus habe das Ohr des Soldaten geheilt. Gefragt, was nach dem Tod Jesu Christi geschehen sei, gab er an, dass er nach drei Tagen wieder von den Toten auferstanden sei. Gefragt, ob er dann noch lange auf der Erde gewesen sei, antwortete er, dass wenn sich manchmal Schüler zusammengesetzt hätten, sei er aufgetaucht. Er sei aber dann zu seinem Vater in den Himmel gegangen.

Gefragt nach christlichen Festen, gab er an: Allerheiligen, Allerseelen, die Geburt Jesu Christi, das Fest, wo die Auferstehung gefeiert werde. Der Beschwerdeführer wollte eine Geschichte aus der Bibel, die ihm gut gefallen habe, erzählen und sprach über die Fußwaschung. Gefragt, ob Jesus an diesem Abend noch etwas Anderes getan habe, als seinen Schülern die Füße zu waschen, erzählte er, dass einer seiner Jünger ihn verraten werde. Es sei derjenige, dem er das vorher in einer Schüssel nassgemachte Brot gegeben habe. Dies sei Judas gewesen. Gefragt nach der Heiligen Dreifaltigkeit, gab er an, dass dies der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sei. Gefragt nach Sakramenten der katholischen Kirche, erwähnte er:

"die Hoffnung", die Taufe und die weiteren habe er vergessen. Gefragt nach dem Oberhaupt der katholischen Kirche, gab er an, dass dieser heilig sei und dass er ein Video gesehen habe, aber der Name ihm nicht einfalle. Er besuche regelmäßig einmal in der Woche die Veranstaltungen der Pfarre XXXX und zwar gehe er am Samstag um 18 Uhr zur Heiligen Messe, manchmal besuche er auch am Sonntag um 08:30 Uhr die Kirche. Über die Taufe habe er noch keine detaillierten Informationen. Er werde bei der Taufe den christlichen Namen XXXX erhalten. In Afghanistan wisse wohl noch niemand von seiner Konversion zur katholischen Kirche. Er habe den Kontakt zu früheren afghanischen Freunden abgebrochen. Es könnte aber sein, dass diese Personen die Nachricht in Afghanistan verbreitet hätten. Gefragt, ob er bei einer allfälligen Rückkehr zumindest nach außen hin zum Islam zurückkehren würde, gab er an, dass dies unmöglich sei, weil Jesus Christus gesagt habe: "Wer mich leugnet, den werde ich leugnen.". In Afghanistan verbiete es das Gesetz, andere zum christlichen Glauben zu missionieren, die Strafe sei der Tod. Gefragt, wie sich sein Leben durch den Glaubenswechsel verändert habe, gab er an, dass er von seinen Sünden befreit worden sei und dass er Glück fühle, das immer da sei und er sich dadurch erfolgreich fühle.

Über Befragen durch den Behördenvertreter, gab er an, dass er ca. nach einem Jahr nachdem er in Österreich gewesen sei, den Entschluss gefasst habe, sich für das Christentum zu interessieren. Am 04.09.2018 habe er den Entschluss gefasst, Christ zu werden. Schon vorher habe er Informationen über YouTube und Google gesammelt. Er habe von Anfang an das Heilige Buch gelesen, dieses habe 27 Teile, bestehe aus zwei großen Teilen (dem Alten und dem Neuen Testament) und insgesamt aus 66 Büchern. Vom Behördenvertreter nachgefragt, was in der Offenbarung des Johannes stehe, gab er an, dass er diese wohl gelesen habe, aber sich nicht alles gemerkt habe. Er verstehe aber die Bedeutung. Vom Behördenvertreter darauf hingewiesen, dass es auch im Islam den Auftrag zur Barmherzigkeit und zur Spende (Zagat) gebe, wo er dann den Unterschied zwischen der christlichen und der muslimischen Nächstenliebe sehe, gab er an, dass er in seinem Land nie erlebt habe, dass einem Ausländer geholfen worden sei. Sie sagen, dass diese Leute Ungläubige seien. Hier werde einem als Mensch geholfen und es werde nicht darauf geschaut, welche Religion man habe. Gefragt, ob er seinen christlichen Glauben in Afghanistan ausleben könne, gab er an, dass das in Afghanistan strafbar sei, aber Jesus habe gesagt, dass man ihn nicht leugnen solle. Wenn er Christus verleugnen würde, würde dieser am Tage des Gerichtes nicht vergeben. Er würde sich daher in Afghanistan nicht an das Verbot der Ausübung des christlichen Glaubens halten. In der Bibel habe er noch nichts von dem Begriff der Notlüge gelesen. Weiter nachgefragt, ob man nach der Lehre des Christentums auch lügen dürfe, gab er an, dass das verboten sei.

Er lebe weder in einer Ehe, noch in einer Lebensgemeinschaft. Er besuche die XXXX . Er sei dort außerordentlicher Schüler. Vorher habe er nur Deutschkurse besucht. Er sei schon beim AMS gewesen. Dort sei ihm aber gesagt worden, dass er nicht arbeiten dürfe. Er habe aber in der Kirche geholfen und auch seinen Nachbarn. Bei Vereinen oder Institutionen sei er nicht Mitglied, er habe aber schon österreichische Freunde. Nach Afghanistan könne er nicht zurückkehren. XXXX würde ihn töten. Der Vorhalt, dass er relativ jung, gesund und arbeitsfähig sei, Schulausbildung und Berufserfahrung habe, ob er sich nicht in XXXX , wo er gelebt habe, oder etwa in Herat niederlassen könne, gab er an, dass XXXX ihn auch in Herat oder wo anders in Afghanistan finden würde.

Die Beschwerdeführervertreterin legte ein Schreiben samt Semesterinformation der XXXX sowie Fotos von einem Volleyballturnier in der Schule vor.

Die beantragte Zeugin XXXX gab an, dass sie in XXXX einen Deutschkurs im Februar 2016 organisiert habe, nachdem eine Gruppe von Flüchtlingen in den Ort gekommen sei. Der Beschwerdeführer sei auch bei dieser Deutschgruppe gewesen und ein Jahr später habe sie Schüler nach Jennersdorf geschickt, um die A1-Prüfung zu machen. Nachdem es keine weiterführenden Kurse gegeben habe, habe sie ihn selbst weiter in der deutschen Sprache unterrichtet, damals habe er ihr noch nichts über ein Interesse am Christentum erzählt.

Der Deutschkurs habe in einem Pfarrheim stattgefunden. Dadurch seien die Kursteilnehmer mit Katholiken in Berührung gekommen. Sie haben begonnen in der Pfarre mitzuhelfen. Sie seien auch gelegentlich bei Messen und Begräbnissen dabei gewesen. Es sei dann möglich gewesen, dass er als außerordentlicher Schüler in die XXXX aufgenommen worden seien und sei der Klassenvorstand ein Priester gewesen. Sie hätten sich schon vorher mit dem afrikanischen Pfarrvikar angefreundet und der Beschwerdeführer und sein Freund XXXX hätten ihr dann eröffnet, dass sie Christen werden wollten. Sie habe sie gebeten aufzuschreiben, warum sie zum Christentum konvertieren wollten. Der Beschwerdeführer habe ihr erzählt, dass es ihn so beeindruckt habe, dass die Christen ihm als Moslem in Österreich geholfen hätten. Sie sei dann zum Pfarrmoderator gegangen und habe ihm gesagt, dass sie Leute hätte, die gerne getauft werden würden. Sie habe XXXX gebeten, Taufunterricht zu halten. Er habe das dann abwechselnd mit dem nigerianischen Pfarrvikar getan. XXXX sei im Juli 2019 plötzlich verstorben, habe ihr aber noch eine Woche vor dem Tod gesagt, dass er anfangs an der Ernsthaftigkeit der Taufwerber Zweifel gehabt habe, aber er glücklich sei, dass er das noch gemacht habe und, dass sie Fortschritte gemacht hätten und sehr wissbegierig wären. Anschließend habe dann XXXX den Taufunterricht weitergeführt. Die Zeugin gab an, dass sie durch die Gespräche mit dem Beschwerdeführer auch viel über ihren Glauben gelernt habe und sie auch zur Überzeugung gelangt sei, dass an der Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum "doch etwas dran sein werde." Mittlerweile glaube sie, dass ihm der Übertritt zum Christentum ein ernsthaftes Anliegen sei, sie hätten ihr oft versichert, dass sie dabei sehr glücklich wären, sie seien auch sehr eifrig in der Kirche. Nach der Auferstehungsfreier sei am Karsamstag eine Osterjause mit Schinken und einem Glas Wein veranstaltet worden und sie hätten daran teilgenommen, sie hätten sehr glücklich gewirkt, weil sie auch die heimischen Bräuche hätten kennenlernen wollen. Viele von ihren ehemaligen Deutschschülern seien Muslime geblieben. Vor ungefähr einem Jahr habe der Beschwerdeführer ihr gesagt, dass er sich ernsthaft mit dem Glauben auseinandersetze. Die vorgesehene Taufpatin sei eine Freundin der Zeugin.

Am Schluss der Verhandlung wurden den Verfahrensparteien das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, soweit verfahrensrelevant, unter Einräumung einer Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme vorgehalten, wobei innerhalb der Frist auch noch weitere Zeugen namhaft gemacht werden könnten und ein allfälliger Taufschein vorgelegt werden könne. Über Vorhalt, dass wohl im aktuellen Strafregisterauszug des Beschwerdeführers keine Verurteilung aufscheint, jedoch im Akt sich eine Anzeige wegen Konsums von Marihuana befinde, gab der Beschwerdeführer an, dass er lediglich beschuldigt worden sei und er kein Marihuana geraucht gehabt habe. Er habe eingesehen, dass XXXX ein gefährlicher Mann sei.

Von dieser Möglichkeit machten sowohl das Bundesamt, als auch der Beschwerdeführer durch seien Vertretung Gebrauch. In der Stellungnahme der belangten Behörde wurden zunächst darauf hingewiesen, dass die behauptete Verfolgung in Afghanistan lediglich eine Verfolgung durch Privatpersonen aus nicht GFK-relevanten Gründen wäre und sei das Vorbringen auch nicht geeignet gewesen, Glaubhaftigkeit zu entfalten, das Vorbringen sei unplausibel, er werde auch die Fachkompetenz des Beschwerdeführers als Fotograf in Zweifel gezogen und hätte der Beschwerdeführer auch keinerlei Beweismittel für die behauptete Bedrohung vorlegen können.

Zu den Nachfluchtgründen wurde vorweg ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein völlig unwahres Vorbringen erstattet habe und nachhaltige Lügen in Kauf nehme, was mit dem christlichen Ideal nicht zu vereinbaren sei. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal Aussagen zum Oberhaupt der katholischen Kirche tätigen können und habe XXXX Defizite in der deutschen Sprache, sodass es fraglich sei, wie dieser dem Beschwerdeführer christlichen Inhalte vermitteln haben können. Der Beschwerdeführer scheine auch eine westlich humanistische Gesellschaft mit der christlichen Religion zu verwechseln und sei er auch nicht im Stande Differenzen zur Lehre des Islams darzulegen. Wenn sich der Beschwerdeführer schon lange mit dem Religionswechsel beschäftige, so sei es nicht nachvollziehbar, dass er diesen weder im erstinstanzlichen Verfahren, noch in der Beschwerde erwähnt habe. Es sei dem BFA auch nicht ersichtlich, was sachverhaltlich durch die Aussage weiterer Zeugen noch zu ermitteln wäre und würden weitere Verfahrenshandlungen lediglich der Verschleppung dienen.

Die Rückkehr betreffend, so verfüge der Beschwerdeführer aber relativ gut situierte Familienangehörige und sei nicht glaubhaft, dass er zu diesen Personen keinen Kontakt mehr habe. Dem Beschwerdeführer sei daher als gesunden arbeitsfähigen und beruflich versierten Menschen eine innerstaatliche Fluchtalternative und zwar auch in Kabul möglich und wurden in der Folge auch unterstützende Maßnahmen für Rückkehrer angeführt und auf die aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur innerlichen Fluchtalternative hingewiesen. Zur Integration wurde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese in der Regel bei einer Aufenthaltsdauer von unter fünf Jahren keine besondere Bedeutung zukomme und jedenfalls eine außergewöhnliche Konstellation nicht vorliege, hingewiesen. Daher wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

In der Stellungnahme der Beschwerdeführervertreterin wurde auf das aktuelle Länderinformationsblatt hingewiesen, dass es keine Möglichkeit der Ausübung der christlichen Religion außerhalb des häuslichen Rahmens in Afghanistan gebe und dass dem Beschwerdeführer nach geltendem Recht in Afghanistan die Todesstrafe drohe. Nach der Rechtsprechung der europäischen Instanzen dürfe die Religionsausübung aber nicht auf das "Forum Internum" beschränkt werden und komme es nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an. Der Beschwerdeführer habe auch schon in der Beschwerdeverhandlung nachvollziehbar darlegen können, wie es zum Glaubenswechsel gekommen sei und habe auch die wesentlichen Inhalte der christlichen Lehre wiedergeben können. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es entscheidend, ob der Beschwerdeführer bei der weiteren Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen würde, asylrelevant verfolgt zu werden, was im vorliegendem Fall jedenfalls zu bejahen sei. Zur Untermauerung der Konversion wurde weiters der Taufschein vom 25.11.2019 vorgelegt und wurde die Einvernahme des Zeugen XXXX zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer aus innerlicher Überzeugung zum Christentum übergetreten sei, beantragt.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine (fortgesetzte) mündliche Beschwerdeverhandlung für den XXXX an, zu der sowohl der Beschwerdeführer in Begleitung seiner ausgewiesenen Vertreterin, als auch ein Vertreter der belangten Behörde erschienen. Die Beschwerdeführervertreterin begründete die beantragte Einvernahme des Zeugen XXXX damit, dass der Taufspender nicht in die Taufvorbereitung involviert worden sei, da Kommunikations- und Sprachprobleme bestünden und die Taufpatin nicht rechtzeitig bekannt gegeben worden sei, der beantragte Zeuge hingegen den Beschwerdeführer schon länger aus der Taufvorbereitung kenne. Weiters wurden Fotos von der Taufe sowie eine aktuelle Schulbesuchsbestätigung der XXXX vorgelegt.

Über ergänzende Befragung durch den vorsitzenden Richter gab der Beschwerdeführer an, dass Jesus als Kind mit Josef und Maria flüchten habe müssen, weil der damalige König gewusst habe, dass ein Kind geboren werde, das Jesus sein werde und weil der König Angst gehabt habe, dass Jesus die Macht übernehmen werde und als König regieren werde, da dies die Propheten vorhergesagt hätten.

Jesus habe mit seinen Jüngern, bevor er verraten worden sei, mehrere Stunden gefeiert und habe gesagt, dass seine Zeit gekommen sei, er würde gehen und wieder zurückkehren. In der Bibel stehe auch, dass Jesus Essen an seine Jünger verteilt habe und gesagt habe, dass dies sein Leib wäre und, dass er ihnen Wein eingeschenkt habe und gesagt habe, das sei mein Blut und dass das für die Sünden der Menschen sei.

Gefragt nach den Sakramenten (in der katholischen Kirche) gab er an die Taufe, die Eucharistie, die Firmung, die Ehe, die Buße, die Weih- und die Krankensalbung (auf Deutsch) an. Gefragt nach dem Oberhaupt der katholischen Kirche gab er an, dass er versuche sich daran zu erinnern.

Gefragt nach seiner Taufe gab er an, dass das ein sehr schöner Tag für ihn gewesen sei und, dass es einen so schönen Tag in seinem ganzen Leben noch nicht gehabt habe. Es sei am 24.11.2019 gewesen. Die Taufe habe um 08:30 Uhr begonnen. Seine Taufpatin habe Wasser aus Jerusalem mitgenommen und habe ihm dieses auf den Kopf getropft. Die Taufe sei vom Priester vollzogen worden. Die Taufpatin habe aber das Wasser aus Jerusalem mitgebracht. Zur Gänze untergetaucht sei er nicht geworden. Der Priester habe ihn gefragt, ob er an das Christentum glaube und er wirklich Christ werden möchte, er habe mehrere Fragen gestellt und diese habe er ihm beantwortet. Der Priester habe auch gesagt, dass er ihn taufe. Außer der Taufe habe er an diesem Tag auch die Eucharistie erhalten.

Er besuche nach wie vor regelmäßig die Kirche. Er müsse dorthin gehen, dass sein Glaube stärker werde, weil er Christ sei, er besuche die Messe am Sonntag und auch am Samstag. Am Samstag gehe er manchmal zum Beten hin. Manchmal besuche er die Messe am Samstag und manchmal am Sonntag. Über Befragen durch den Behördenvertreter führte er schließlich aus, dass er außer der Kommunion am Tag der Taufe auch die Firmung erhalten habe. Durch den Behördenvertreter gefragt, welche konkreten Handlungen er im Alltag zur Verwirklichung des Glaubens setze und wie er seinen Glauben lebe, gab er an, dass er jeden Tag bete. Wenn er ein Problem habe, bete er das Vater Unser. Er versuche andere zu respektieren und ihnen zu helfen und lade auch andere, die nicht gläubig sind, zum Glauben ein. Bei der Taufe habe ihn der Priester zum Beispiel gefragt, ober er glaube und er habe gesagt, dass er glaube. Abschließend führte der Beschwerdeführer noch aus, dass er sehr froh sei über seinen Glaubenswechsel und nunmehr den richtigen Weg gefunden habe.

Nach Erinnerung über die Wahrheitspflicht und Vorhalt der Entschlagungsgründe gab der beantragte Zeuge XXXX an, dass er den Beschwerdeführer seit September 2018 kenne, als sich der Beschwerdeführer in der XXXX angemeldet habe. Er sei dort als Lehrer tätig, er habe auch die Taufvorbereitung mitverfolgt. In seiner Klasse seien damals sieben Taufbewerber gewesen. Zwei hätten sehr bald Asyl bekommen. Der Beschwerdeführer sei als ordentlicher Schüler zu alt, aber er könne in der Deutschklasse als außerordentlicher Schüler geführt werden. Er sei sein Klassenvorstand und unterrichte er dort Deutsch als Fremdsprache. Zum allgemeinen Eindruck, den der Zeuge vom Beschwerdeführer bekommen habe, meinte er, dass er ehrgeiziger und selbstsicherer geworden sei. Er sei, was das Hören und Lesen betreffe, sehr gut in der deutschen Sprache, das Schreiben mache ihm noch ein Problem. Er sei in diesem Jahr sogar als Klassensprecher gewählt worden, er sei eine große Hilfe und schaue immer, dass die Klasse in Ordnung und besonders sauber sei.

Er sei im November 2018 zu ihm gekommen und habe sich erkundigt, wie er Christ werden könnte. Er sei da immer sehr kritisch und habe intensiv beobachtet und Gespräche geführt. Ab Februar 2019 habe der Beschwerdeführer jede Woche an einem Taufvorbereitungskurs teilgenommen. Er selbst sei in der Seelensorge der XXXX Kirche im XXXX .

Gefragt, ob sich der Zeuge erklären könne, dass der Beschwerdeführer zu machen Punkten des christlichen Glaubens ein sehr detailliertes Wissen habe und bei manchen Punkten eher Lücken aufweise, beziehungsweise schwer etwas aussagen könne, gab der Zeuge an, dass das von der Taufvorbereitung abhänge und welche Schwerpunkte der Priester setze. Von ihm habe der Taufwerber eine Bibel in Dari, Farsi und Deutsch bekommen. Er habe mit den Taufwerbern auch Einzelgespräche geführt. Sie hätten alle verschiedene Antworten gegeben. Als sie um das Katechumenat angesucht hätten, hätten sie auch schriftlich begründen müssen, warum sie das wollten.

Ich glaube schon, dass der Beschwerdeführer aus innerlicher Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten sei und dass ihm der christliche Glauben ein Anliegen sei. Der Beschwerdeführer habe sich am Anfang für das Christentum begeistert, weil er viel Gutes von den Christen erfahren habe. Er habe dann den Islam mit dem Christentum verglichen und auch Mohamed mit Christus.

Vom Behördenvertreter gefragt, warum bei Beginn des Katechumenatskurses im Februar 2019 der Beschwerdeführer bereits im November 2019 getauft worden sei und dabei nicht das vorgeschriebene Mindestjahr eingehalten worden sei, gab der Zeuge an, dass sie dabei den Zeitpunkt, wo sie um die Taufe angesucht hätten, mitgezählt hätten.

Über Befragen durch die Beschwerdeführervertreterin sagte der Zeuge, dass die Taufwerben von sich aus zu ihm gekommen wären, um Informationen zu erhalten. Er habe wohl vom theologischen Niveau her hinuntergehen müssen, aber er sei in der Lage gewesen, dem Beschwerdeführer wesentliche Inhalte des Christentums zu erklären. Er hätte den Beschwerdeführer vielleicht nicht so schnell getauft, aber da er ihn fast täglich sehe und seinen Weg habe begleiten können, hätte er ihn auch getauft.

Der Zeuge betonte abschließend, dass er aus dem Umfeld des Beschwerdeführers gehört habe, dass er den christlichen Glauben sehr ernst nehme und habe er auch erlebt, wie er in die örtliche katholische Gemeinschaft aufgenommen worden sei, da er bei der Taufe anwesend gewesen sei.

Den Verfahrensparteien wurde schließlich noch eine abschließende Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Von dieser Möglichkeit machte ausschließlich der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung Gebrauch. Darin wurde zunächst auf das Vorbringen der belangten Behörde eingegangen, dass das ursprüngliche Fluchtvorbringen nicht glaubhaft und asylrelevant sei und alleine schon deswegen der Beschwerdeführer nicht aus innerlicher Überzeugung zum Christentum konvertiert sein könne. Dabei übersiehe jedoch die belangte Behörde, dass das fluchtauslösende Ereignis durchaus in den Länderberichten Deckung finde und schlüssig und gleichlautend vorgebracht worden sei.

Die belangte Behörde übersehe weiters, dass der Beschwerdeführer sich nicht aus intellektuellen Gründen dem Christentum zugewandt habe, wofür ihm der Bildungshintergrund fehle, sondern im Christentum Halt in seiner schwierigen Situation und eine persönliche Entlastung gefunden habe sowie den Anschluss an die christliche Gemeinschaft. Aus soziologischer Perspektive sei gerade die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft mit gleicher Glaubensüberzeugung das entscheidende Definitionskriterium für Religion und komme der Einbindung des Beschwerdeführers in die (lokale) christliche Gemeinde größere Beweiskraft zu als der Frage, ob der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung intellektuell in der Lage sei, sich mit Behördenvertretern zu messen. Vorgelegt wurde weiters eine Einstellungszusage der XXXX als Hausbesorger sowie eine Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 35 Abs. 9 SMG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und war ursprünglich sunnitischer Moslem und ist nunmehr katholischer Christ. Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Sar-e Pol geboren. Das genaue Geburtsdatum kann nicht mit erforderlicher Sicherheit festgestellt werden. Der Beschwerdeführer übersiedelte mit seinen Eltern schon im frühen Kindesalter in den Stadtrand bzw. die ländliche Umgebung von XXXX . Er hat nur zwei Jahre lang die Schule besucht und anschließend ein Geschäft betrieben. Über die Ausreisegründe aus Afghanistan ist es nicht erforderlich, Feststellungen zu treffen. Er hat Afghanistan zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt verlassen und gelangte am 04.12.2015 irregulär nach Österreich und stellte sogleich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Er war nach seiner Aufnahme in Österreich davon beeindruckt, dass ihm als Moslem Christen so geholfen habe und begann sich dann näher für das Christentum zu interessieren, wobei ihm seine Deutschlehrerin auch behilflich war. Zunächst verschaffte er sich Informationen aus dem Internet, las dann die Bibel, die er auch von seinem Klassenvorstand in Farsi/Dari erhielt und entschloss sich zu einem Glaubenswechsel, wobei ihn besonders die Vergebung der Sünden durch Christus beeindruckte. Aus dem Neuen Testament hat vor allem die Stelle der Fußwaschung am Gründonnerstag bei dem Beschwerdeführer großen Eindruck hinterlassen. Er besuchte dann ab Februar 2019 den Katechumenatskurs und wurde schließlich am 24.11.2019 in der Pfarre XXXX getauft, der Beschwerdeführer besucht regelmäßig ein bis zwei Mal in der Woche die Kirche und ist da auch in die örtliche christliche Gemeinschaft gut integriert, nachdem er schon mit Beginn des Deutschkurses immer wieder in der Kirche geholfen hat. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde er keineswegs dem christlichen Glauben abschwören, sondern sogar - obwohl dies verboten ist - andere versuchen vom Christentum zu überzeugen. Durch den Übertritt zum Christentum ist der Beschwerdeführer sehr glücklich geworden und er versucht dies auch im Alltag zu leben. Es erscheint glaubhaft, dass der Beschwerdeführer aus innerlicher Überzeugung zum Christentum übergetreten ist.

Der Beschwerdeführer besucht in Österreich als außerordentlicher Schüler die XXXX und hat auch schon zahlreiche österreichische Freunde, vor allem Christen aus der katholischen Pfarrgemeinde. Der Beschwerdeführer führt kein Familienleben in Österreich, er ist unbescholten, eine Anzeige wegen § 27 SMG wurde von der Staatsanwaltschaft XXXX zurückgelegt. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er verfügt auch schon über eine Einstellungszusage.

Zu Afghanistan wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

1. Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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