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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §303 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des A in R, vertreten durch Dr. Hermann Tschiderer, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Lindenstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat I, vom 30. Juli 1993, 30.638-3/92, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 1984 sowie Einkommensteuer für das Jahr 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb bis zur Aufgabe am 30. Juni 1987 einen Tabakhauptverlag und eine Tabaktrafik, wobei er den Gewinn gemäß § 5 EStG 1972 ermittelte. Der Gewerbebetrieb wurde im Keller- und Erdgeschoß des von ihm im Jahr 1964 fertiggestellten Hauses betrieben, das er zur Gänze als zum Betriebsvermögen gehörend behandelte. Das erste Obergeschoß des Hauses, in dem sich eine 4-Zimmer-Wohnung befindet, vermietete er bis März 1983. Die im zweiten Obergeschoß des Hauses befindliche Wohnung, deren Ausmaß im Verhältnis zur Gesamtfläche des Hauses von untergeordneter Bedeutung ist, hat er stets selbst genutzt. Er erklärte aus dem Haus stets gewerbliche Einkünfte, wobei er hinsichtlich der selbst genutzten Wohnung einen Eigenverbrauch zum Ansatz brachte. Ab Aufgabe des Betriebes vermietete er das Keller- und das Erdgeschoß des Hauses an seinen älteren Sohn.
Im Berufungsverfahren betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1987 wandte der Beschwerdeführer ua ein, bei der Berechnung der Entnahme des Gebäudes sei auch Privatvermögen der Besteuerung unterzogen worden. Das zweite Obergeschoß werde seit der Fertigstellung des Gebäudes von ihm selbst genutzt. Das erste Obergeschoß werde seit rund fünf Jahren von seinen Söhnen privat genutzt. Es handle sich daher beim ersten und beim zweiten Obergeschoß um notwendiges Privatvermögen. Am 11. April 1990 gab er hinsichtlich der Nutzung der Wohnung im ersten Obergeschoß niederschriftlich bekannt, diese sei bis einschließlich März 1983 vermietet worden. In der Folge sei es ihm nicht möglich gewesen, für diese Wohnung neue Mieter zu finden, weswegen er im Frühjahr 1984 seinen Söhnen erlaubt habe, sich in dieser Wohnung zwei Räume mit einem Gesamtausmaß von rund 30 m2 als Kinderzimmer einzurichten. Der übrige Teil dieser Wohnung stehe seither leer. Er habe jedoch die Absicht, diese Wohnung selbst zu nutzen. Mit Schreiben vom 26. Juni 1990 erklärte er, die beiden Obergeschoße gehörten zum notwendigen Privatvermögen. Mit Schreiben vom 15. April 1991 gab er bekannt, ab dem Jahr 1984 seien alle Räume im ersten Obergeschoß von seinen Söhnen genutzt worden.
In der Berufungsentscheidung betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1987 vertrat die belangte Behörde die Ansicht, die Wohnungen im ersten und im zweiten Obergeschoß seien seit dem Frühjahr 1984 dem notwendigen Privatvermögen zuzurechnen, weswegen anläßlich der Betriebsaufgabe am 30. Juni 1987 nur mehr das Keller- und Erdgeschoß sowie der anteilige Grund und Boden entnommen worden seien. Die Wohnung im ersten Obergeschoß sei bis März 1983 vermietet worden und zulässigerweise als gewillkürtes Betriebsvermögen in die Bücher aufgenommen worden. Mit der Einrichtung von zwei Räumen dieser Wohnung als Kinderzimmer im Frühjahr 1984 und der damit verbundenen Nutzung durch die Söhne des Beschwerdeführers diene sie seit dieser Zeit privaten Wohnzwecken naher Angehöriger. Damit sei aber die insgesamt private Nutzung des Hauses nicht mehr von untergeordneter Bedeutung, weswegen die Wohnungen im ersten und im zweiten Obergeschoß im Frühjahr 1984 dem notwendigen Privatvermögen zuzurechnen seien. Da bei notwendigem Privatvermögen die buchmäßige Behandlung unbeachtlich sei, seien die Wohnungen ungeachtet der unterlassenen Ausbuchung aus dem Betriebsvermögen als im Jahr 1984 entnommen zu betrachten.
In der Folge verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 1984 und erließ einen Einkommensteuerbescheid, in welchem die Entnahme des ersten und zweiten Obergeschoßes sowie des anteiligen Grund und Bodens im Streitjahr erfaßt wurde. Zur Begründung verwies das Finanzamt im wesentlichen auf die im Zug des Berufungsverfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1987 neu hervorgekommenen Tatsachen.
Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, die Wohnungen im ersten und im zweiten Obergeschoß des Hauses seien nachweislich bereits im Jahr 1983 in das Privatvermögen überführt worden. Bereits der letzte Mieter habe gewußt, daß nach dessen Auszug im April 1983 die Wohnung privat genutzt werden würde. Der Beschwerdeführer habe wegen der damaligen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes auf Grund massiver Probleme mit seiner Hüfte die Wohnung im ersten Obergeschoß für sich nutzen wollen und auch entsprechende Maßnahmen gesetzt, wie den Bau eines Kachelofens in dieser Wohnung. Daß er diesen Kachelofen fälschlicherweise in das Anlagevermögen aufgenommen habe, lasse nach objektiven Erfahrungen im Wirtschaftsleben nicht auf eine Vermietungsabsicht schließen, sondern auf eine endgültige Verwendung für den Eigenbedarf. Jede andere Interpretation entspreche nicht der Lebenserfahrung. Die Mitteilung, ab dem Jahr 1984 seien alle Räume im zweiten Obergeschoß von seinen Söhnen genutzt worden, widerspreche nicht der Mitteilung an das Finanzamt, der Kachelofen sei im Jahr 1983 nicht für den Gewerbebetrieb, demnach für private Zwecke errichtet worden.
In dem nunmehr angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Ansicht, erst im Zug des Berufungsverfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1987 seien die Tatsachen neu hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer noch im Jahr 1983 die Vermietung der Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses angestrebt habe, was sich insbesondere aus der buchmäßigen Behandlung des Kachelofens ergebe. Erst im Jahr 1984 habe er den Entschluß gefaßt, diese Wohnung seinen Söhnen unentgeltlich zu überlassen. Damit sei aber die insgesamt private Nutzung des Hauses ab dem Jahr 1984 nicht mehr von untergeordneter Bedeutung, weswegen ungeachtet der buchmäßigen Behandlung des gesamten Hauses als Betriebsvermögen die Wohnungen im ersten und im zweiten Obergeschoß im Streitjahr mit dem Teilwert zu entnehmen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist gemäß § 303 Abs 4 BAO ua in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Der Beschwerdeführer hält den von der belangten Behörde als relevant angesehenen Wiederaufnahmegründen entgegen, das Finanzamt habe nicht erst im Zug des Berufungsverfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1987 von der Aufgabe der Vermietung der Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses erfahren. Denn er habe im Jahresabschluß für das Jahr 1983 wesentlich niedrigere und im Jahr 1984 überhaupt keine Mieteinnahmen mehr ausgewiesen. Für die Abgabenbehörde habe daher kein Zweifel bestehen können, daß die Wohnung im ersten Obergeschoß nicht mehr vermietet worden sei. Die Tatsache der Nichtvermietung im Jahr 1984 sei der Abgabenbehörde bereits von allem Anfang an bekannt gewesen, weswegen die Tatsache, daß diese Wohnung im Jahr 1984 seinen Söhnen zur Verfügung gestellt worden sei, keine neu hervorgekommene iSd § 303 Abs 4 BAO darstelle.
Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Für das Hervorkommen neuer Tatsachen iSd § 303 Abs 4 BAO ist maßgebend, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, daß sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl das hg Erkenntnis vom 24. September 1996, 93/13/0091, mwA). Ob die Abgabenbehörde mehr oder minder weitreichende Erhebungen im abgeschlossenen Verfahren durchgeführt hat, ist für die Beurteilung, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliegt, nicht wesentlich, weil selbst ein Verschulden der Abgabenbehörde am Unterbleiben der Feststellung der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ausschließt (vgl das hg Erkenntnis vom 27. Juli 1994, 92/13/0140, mwA). Aus dem Umstand, daß aus der Wohnung im ersten Obergeschoß geringere oder keine Mieteinnahmen mehr erzielt wurden, konnte für sich alleine noch nicht der Schluß gezogen werden, die bislang vermietete Wohnung würde nunmehr privat genutzt. Dies umsoweniger, als auch der Beschwerdeführer in seinen Jahresabschlüssen für die Jahre 1983 und 1984 keine dementsprechenden Konsequenzen gezogen hatte. Hingegen erklärte er erstmals im Berufungsverfahren betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1987, die Wohnung würde seit dem Jahr 1984 von seinen Söhnen privat genutzt.
Zum gewillkürten Betriebsvermögen gehören Wirtschaftsgüter, die weder notwendiges Privatvermögen, noch notwendiges Betriebsvermögen darstellen und die der den Gewinn nach § 5 EStG 1972 ermittelnde Abgabepflichtige durch entsprechende buchmäßige Behandlung dokumentiert. Wirtschaftsgüter müssen, um dem gewillkürten Betriebsvermögen zugerechnet zu werden, dem Betrieb in irgendeiner Weise - etwa durch ein betriebliches Interesse an einer fundierten Kapitalausstattung - förderlich sein können. Es darf aber nicht eine betriebliche Nutzung der betreffenden Wirtschaftsgüter vorliegen, weil diesfalls diese Wirtschaftsgüter bereits zum notwendigen Betriebsvermögen gehören. Als Schulbeispiel für gewillkürtes Betriebsvermögen gelten Liegenschaften (vgl das hg Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, 94/14/0091, mwA).
Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe die Wohnung im ersten Obergeschoß als gewillkürtes Betriebsvermögen angesehen, weswegen das gesamte Haus bis zum Streitjahr als zum Betriebsvermögen gehörend anzusehen sei.
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, es genüge nicht, ein Wirtschaftsgut in die Bücher aufzunehmen, damit dieses zum gewillkürten Betriebsvermögen gehöre. Vielmehr müßte das Wirtschaftsgut seiner Beschaffenheit nach denkbar auch als Betriebsvermögen angesehen werden können. Dies sei bei der Wohnung im ersten Obergeschoß nicht der Fall. Die Tätigkeit eines Tabakhauptverlages und einer Tabaktrafik sei durch das Tabakmonopol vorgezeichnet und begrenzt. Eine Betriebserweiterung sei sowohl in rechtlicher, als auch in faktischer Hinsicht von vornherein ausgeschlossen.
Dieses Vorbringen zeigt ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wie der Beschwerdeführer zu Recht ausführt, können nur Wirtschaftsgüter, die denkbar sowohl Privatvermögen als auch Betriebsvermögen sein können, durch Aufnahme in die Bücher zu gewillkürtem Betriebsvermögen werden. Eine freistehende Wohnung ist, zumal wenn sie unmittelbar über den Räumen eines Gewerbebetriebes liegt, nach der Verkehrsauffassung jedenfalls ein solches Wirtschaftsgut.
Der Beschwerdeführer rügt als Verletzung von Verfahrensvorschriften die Unterlassung weiterer Ermittlungen hinsichtlich der näheren Umstände seines Gewerbebetriebes, ohne jedoch aufzuzeigen, zu welchem im Spruch anders lautenden Bescheid die belangte Behörde bei der Frage, ob die Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses gewillkürtes Betriebsvermögen darstellen könne, hätte kommen können.
Der Beschwerdeführer hält der Beweiswürdigung der belangten Behörde, die Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses sei erst im Jahr 1984 aus dem Betriebsvermögen entnommen worden, entgegen, aus dem Umstand, daß seine Söhne diese seit dem Jahr 1984 unentgeltlich genutzt hätten, könne noch nicht der Schluß gezogen werden, erst ab diesem Jahr habe er die Absicht gehabt, diese Wohnung zu privaten Zwecken zu nutzen. Er habe diese Wohnung lediglich bis März 1983 vermietet und sodann erwogen, ob er sie aus gesundheitlichen Gründen selbst nutzen solle. Eine private Nutzung liege auch dann vor, wenn eine Wohnung leerstehe und keine Vermietung mehr beabsichtigt sei.
Dieses Vorbringen zeigt wiederum keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Absicht des Beschwerdeführers, die Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses nicht mehr zu vermieten, sondern zukünftig für sich selbst zu nutzen, ist ein nach außen nicht erkennbarer Willensentschluß. Auf einen solchen kann nur aus dessen Verhalten, insoweit dies nach außen in Erscheinung tritt, im Weg der Beweiswürdigung geschlossen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Sinn seiner ständigen Rechtsprechung zu prüfen, ob das Ergebnis der im Beschwerdefall von der belangten Behörde durchgeführten Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang steht und ob die Sachverhaltsannahmen in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren gewonnen wurden. Unter diesen Gesichtspunkten ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal der Beschwerdeführer die behauptete Nutzungsänderung der Wohnung nicht im Jahresabschluß für das Jahr 1983 zum Ausdruck gebracht hat. Hingegen hat er den in der Wohnung im ersten Obergeschoß errichteten Kachelofen noch im Dezember 1983 in das Anlagevermögen des Gewerbebetriebes aufgenommen. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde hält somit der Schlüssigkeitsprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ungeachtet der Bestätigung des letzten Mieters, er habe gewußt, daß nach seinem Auszug im April 1983 die Wohnung im ersten Obergeschoß privat genutzt werden solle, stand.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1993140180.X00Im RIS seit
20.11.2000