TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/22 W124 2145393-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.2020
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Entscheidungsdatum

22.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W124 2145393-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX sowie XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

"Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Wegfall der durch die COVID-19-Pandemie bedingten Ausreisebeschränkungen".

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag gab er im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei sunnitischer Muslim. Er sei am XXXX in der afghanischen Provinz XXXX geboren und habe im Herkunftsstaat zuletzt in Kabul gelebt. Seine Familie werde von seinem Onkel versorgt, welcher als Grenzpolizist arbeite. Vor sechs Monaten habe er den Herkunftsstaat verlassen. Daraufhin habe er sich ein bis zwei Monate im Iran aufgehalten und sei schließlich über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt. Die Reise habe sein Onkel mütterlicherseits organisiert. Die Mutter und die drei Brüder des BF würden nach wie vor in Kabul leben. Sein Vater sei bereits verstorben.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er sei aufgrund der schlechten Sicherheitslage gezwungen gewesen, das Land zu verlassen. Da sein Vater den derzeitigen Präsidenten im Wahlkampf unterstützt habe, sei dieser von den Taliban erschossen worden. Seine Familie sei gezwungen gewesen, ihr Dorf zu verlassen und nach Kabul zu ziehen. Mit seinem Onkel väterlicherseits sei er in den Iran und weiter nach Griecheland geflüchtet. Dort habe er seinen Onkel verloren.

I.2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt), im Zuge welcher er eingangs vorbrachte, seine Angaben in der Erstbefragung würden der Wahrheit entsprechen, er wolle sie jedoch insoweit korrigieren, als er niemals in Kabul gelebt habe. Seine Fluchtgründe habe er genannt und wolle dem nichts hinzufügen.

Im Zuge der Einvernahme wurden folgende verfahrensrelevante Dokumente (in Kopie) vorgelegt:

- Bestätigung über die Teilnahme an einem Sprachcafé;

- Konvolut an Deutschkursbesuchsbestätigungen.

Zu seiner Person gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er gesund sei. Identitätsdokumente habe er nie besessen.

Im Herkunftsstaat habe er nie Probleme mit den Behörden oder Gerichten gehabt. Allerdings sei er von den Taliban bedroht worden. Politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei sei er nie gewesen. Probleme aufgrund seiner Volksgruppe habe er ebenso wenig gehabt. Er spreche Paschtu und sei Analphabet. Seine finanzielle Situation im Herkunftsstaat sei gut gewesen. Sein Onkel mütterlicherseits habe sich um den Lebensunterhalt der Familie gekümmert. Seine Familie habe in einem Dorf im Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz XXXX gemeinsam mit seinem Onkel väterlicherseits sowie dessen Familie in einem Haus gewohnt.

Zum Tod seines Vaters führte er an, sein Vater habe Ashraf Ghani im Wahlkampf unterstützt. Er sei zuhause durch eine Bombe getötet worden. Die Taliban seien mit einer Leiter auf das Dach ihres Hauses gestiegen und hätten seinen Vater erschossen. Sie seien zuhause gewesen und die Taliban hätten eine Bombe in das Haus geworfen. Er wisse, dass es sich um die Taliban gehandelt habe, weil das von ihnen am nächsten Tag behauptet worden sei. Nach dem Wahlkampf seien die Taliban öfters zu ihnen nachhause gekommen. Sie hätten auch die Fußabdrücke auf dem Dach gesehen. Er habe gewusst, dass es die Taliban gewesen seien, da er es gesehen habe. In der Folge korrigierte er seine Angaben dahingehend, dass sein Vater nicht von einer Bombe getötet, sondern erschossen worden sei. Dieser Vorfall habe sich im letzten Jahr ereignet, den genauen Zeitpunkt könne er jedoch nicht nennen. Zu seiner Familie, konkret zu seiner Mutter und seinen drei Brüdern, habe er nach wie vor Kontakt. Seinen Angehörigen gehe es gut und sie würden nach wie vor in der Provinz XXXX leben. Sein Onkel mütterlicherseits wohne im selben Dorf, während sein Onkel väterlicherseits in Österreich lebe. Aktuell sei er in Österreich in keinem Verein tätig, besuche nicht die Schule und gehe keiner Erwerbstätigkeit nach.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, nachdem sein Vater ermordet worden sei, habe er nicht mehr in Sicherheit leben können. Sein Onkel väterlicherseits sei beim afghanischen Militär tätig gewesen und habe nicht mehr nachhause kommen können. Er habe seinen Dienst in XXXX verrichtet. Auf Nachfrage gab er an, er sei persönlich von den Taliban bedroht worden. Auch er hätte irgendwann Teil des afghanischen Militärs werden müssen. Hätten die Taliban mitbekommen, dass ein Mitglied der Familie in der afghanischen Regierung tätig sei, hätten sie alle Familienmitglieder umgebracht. Sein Vater sei erschossen worden, da er im Wahlkampf aktiv gewesen sei. Seine Brüder und er seien sehr jung gewesen und hätten damit nichts zu tun gehabt. Die Taliban hätten seinem Onkel väterlicherseits mehrmals gedroht und dadurch seien auch sie betroffen gewesen. Sein Onkel mütterlicherseits könne sich um die Familie kümmern, da er nichts mit der Regierung zu tun habe. Er habe aber nur ein kleines Haus, sodass sie beim Onkel väterlicherseits gelebt hätten. Weitere Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates gebe es nicht. Im Herkunftsstaat gebe es eine Polizei, in ihrem Distrikt gebe es aber keine. Sie hätten einen Ältestenrat, der sich um ihre Probleme gekümmert habe. An diesen hätten sie sich jedoch nicht gewendet, da er von seinem Vater getötet worden sei. An staatliche Behörden habe er sich mit seinen Problemen nicht gewandt, da er keine Verwandte oder Bekannte in ihrer Regierung habe, die sich um die Probleme kümmern würden.

Zu seinem Vater gab er an, dieser habe keine bestimmte Berufsausbildung gehabt. Er sei als Lieferant tätig gewesen und habe dann beim Wahlkampf geholfen. Zu den Besuchen der Taliban befragt, führte der BF aus, beim ersten Mal, als sie gekommen seien, sei sein Vater nicht zuhause gewesen. Sie hätten das Haus überfallen und ausgeraubt. Beim zweiten Besuch hätten sie seinen Vater erschossen. Ein Monat nach dem Wahlkampf seien die Taliban das erste Mal zu ihnen gekommen. Die anderen Dorfbewohner hätten keine Probleme gehabt. Als sein Vater noch am Leben gewesen sei, habe er seinen Herkunftsstaat nicht verlassen wollen. Im Fall der Rückkehr könne ihn niemand unterstützen. Darüber hinaus fürchte er, in Afghanistan von den Taliban getötet zu werden.

Zu seinem Leben im Herkunftsstaat führte er an, er habe in Afghanistan nicht die Schule besuchen können, da ihnen das von den Taliban verboten worden sei. Er habe versucht, sich zuhause zu bilden, indem er Bücher gelesen habe. An einer anderen Adresse habe er nie gewohnt. Zwischen dem Tod seines Vaters und seiner Ausreise seien zwei bis drei Freitage vergangen. Sein Vater sei selbstständig als Lieferant tätig gewesen, habe einen eigenen PKW gehabt und habe Baumaterial ausgeliefert. Bei dieser Tätigkeit habe ihm der BF gelegentlich geholfen. Die Familie sei von seinem Vater ernährt worden und habe einen eigenen PKW, ein eigenes Haus sowie zwei bis drei Grundstücke mit einer Fläche von je 0,5 bis 1 Jirib gehabt. Seine Brüder sowie sein Onkel väterlicherseits würden sich nunmehr um diese Grundstücke kümmern und darauf arbeiten. Sein Onkel XXXX habe den Schlepper organisiert und die Reisekosten übernommen.

In der Folge wurden dem BF die Länderberichte zur allgemeinen Situation in Afghanistan zur schriftlichen Stellungnahme ausgehändigt.

Befragt, ob es im Rahmen der Einvernahme Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, gab der BF an, es habe ein kleines Verständigungsproblem mit dem Wort "Bombe" gegeben. Er habe das Wort "Dach" und nicht "Bombe" gemeint. Nach erfolgter Rückübersetzung merkte der BF ergänzend an, sein Vater sei von einer Kalaschnikov getötet worden. Die Taliban hätten gewollt, dass sein Vater die Regierung nicht unterstütze. Mit den Einnahmen von 20.000 Afghani habe die Familie ungefähr ihre Ausgaben decken können.

I.3. Mit Stellungnahme vom XXXX brachte der BF im Wege seiner Vertretung zusammengefasst vor, die von der Behörde herangezogenen Länderberichte seien teilweise unrichtig, veraltet und würden wesentliche spezifische Informationen betreffend die Verfolgungsgefahr von Politikern und deren Familien sowie Information zur Schutzfähigkeit und -willigkeit der afghanischen Sicherheitsbehören fehlen. Auch die Berichte zur Situation von jugendlichen Rückkehrern seien mangelhaft. In der Folge wurden verschiedene Berichte zur Situation von Rückkehrern sowie zur Schutzfähigkeit der afghanischen Sicherheitsbehörden auszugsweise zitiert. Unter anderem wurde ausgeführt, aus den UNHCR-Richtlinien gehe hervor, dass Rückkehrer aus dem Weseten einer gezielten Verfolgung ausgesetzt seien, da ihnen von regierungsfeindlichen Akteuren eine anti-islamische Einstellung unterstellt werde.

Zur Asylrelevanz seines Vorbringens wurde ausgeführt, dass er aufgrund der politischen Tätigkeit seines Vaters sowie der militärischen Tätigkeit des Onkels im Herkunftsstaat der realen Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sei. Ferner mangle es ihm außerhalb seines Heimatdorfes an einem sozialen Netzwerk. Ein Leben ohne soziales Netzwerk sei einem unbegleiteten Minderjährigen in Afghanistan jedoch nicht möglich und müsste der BF mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen rechnen. Er sei einem hohen Risiko ausgsetzt, bei dem Versuch seine Existenz zu sichern, Opfer von Kinderarbeit bzw. Opfer von Zwangsarbeit zu werden oder als Lustjunge missbraucht zu werden. Der Sachverständige Dr. Rasuly gehe davon aus, dass nicht gut ausgebildete Rückkehrer ohne familiäres oder soziales Netz ein Wiedereinstieg nicht einmal in der Hauptstadt Kabul möglich sei. Unter Verweis auf die UNHCR-Richtlinien wurde ferner ausgeführt, dass Personen und deren Familienmitglieder, die mit der Regierung und/oder dem Militär zusammenarbeiten und/oder diese unterstützen, regelmäßig von AGEs bedroht und attackiert würden. Aufgrund seiner Minderjährigkeit sowie der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie würden sohin mehrere von UNHCR dargelegte Risikoprofile auf ihn zutreffen. In der Folge wurde Stellung zur allgemeinen Sichehreits- und Versorgungslage in Afghanistan bezogen.

I.4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

I.5. Mit fristgerechter Beschwerde vom XXXX wurde dieser Bescheid vollinhaltlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten und die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt. Begründend wurde eingangs auf die Stellungnahme vom XXXX verwiesen und nach Darstellung des Verfahrensgangs ausgeführt, die Behörde habe den Grundsatz der amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts sowie den Grundsatz der Wahrung des Parteigehörs verletzt. So habe die Behörde die Minderjährigkeit des BF nicht berücksichtigt und sei ihrer besonderen Manduktions- und Sorgfaltspflicht sowie der Pflicht zur genauen Nachfrage und dem Vorhalt allfälliger Widersprüche nicht nachgekommen. Wenn eine Behörde Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des BF hege, so müsse sie ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Konkret habe es die Behörde verabsäumt den Beschwerdeführer zu befragen, inwiefern er persönlich von den Taliban bedroht worden sei. Zur Frage, wer die Männer gewesen seien, die seinen Vater ermordet hätten, sei er nicht hinreichend befragt worden. Die Befragung zu den Zeitangaben erweise sich ebenso wenig als ausreichend. Die Behörde hätte insbesondere berücksichtigen müssen, dass der BF Analphabet sei und daher schlicht nicht in der Lage sei, Tage und Monate genau zu bezeichnen. Auf nähere Befragung hätte er aber mit Sicherheit angeben können, dass sein Vater von einem Donnerstag auf einen Freitag ermordet worden sei, zumal er gewusst habe, dass er am nächsten Tag in die Moschee gehen habe müssen, was er stets freitags gemacht habe. In XXXX sei ihm mitgeteilt worden, dass das aktuelle Jahr 2015 sei. Daraus habe er schließen können, dass sich der Vorfall Anfang 2015 ereignet habe. Die belangte Behörde hätte jedenfalls weitere Ermittlungen zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts anstellen und fallbezogene Feststellungen treffen müssen, um die Plausibilität und die Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringesn des BF bzw. dessen Asylrelevanz beurteilen zu können. Ferner wurde moniert, dass die Behörde nur mangelhafte Ermittlungen zu Frage, inwiefern eine sichere Verbringung des BF in seine Heimatregion möglich wäre, durchgeführt habe. So habe sie sich lediglich mit der Erreichbarkeit der Stadt Kabul auseinandergesetzt. Insoweit die Behörde ausführe, der BF geriete im Fall der Rückkehr nach Afghanistan in keine existenzielle Notlage, zumal er gesund sowie arbeitsfähig sei und Untersützung von seiner Familie in Anspurch nehmen könne, sei darauf hinzuweisen, dass er nicht zu seiner Familie zurückkehren könne und weder über Schulbildung noch über Berufserfahrung verfüge. Als minderjähriger Analphabet ohne familiäre Untersützung sei es ihm nicht möglich, selbstständig in Afghanistan zu überleben. Ferner seien die von der Behörde herangezogenen Länderberichten allgemein gehalten, veraltet und würden wesentliche spezifische Informationen vermissen lassen. Berichte zur Situation von Waisenkindern oder von Rückkehrern aus westlichen Ländern würden sich darin nicht finden. Zudem würden die Länderberichte keinen hinreichenden Aufschluss über die Schutzfähigkeit und -willigkeit der afghanischen Sicherheitsbehörden sowie die eingeschränkte Bewegungsfreiheit geben. Berichte über die Verfolgungsgefahr von Politikern und deren Familien würden ebenso fehlen. Unter Verweis auf die UNHCR-Richtlinien sowie weitere Länderberichte wurde unter anderem ausgeführt, dass nach den spezifischen Umständen Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden seien, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, internationalen Schutzes bedürfen. MitarbeiterInnen auf allen Ebenen seien im Visier der Taliban, so etwa FahrerInnen und Reinigungskräfte. Junge Soldaten würden ein maximal gefährdetes Leben ohne große Hoffnung auf unproblematische Rückkehr in ihre Heimat, in der auch ihre Familien gefährdet seien, führen. Die Drohungen könnten auch auf Familienangehörige ausgeweitet werden. Sippenhaft sei für die Taliban ein probates Mittel für Erpressung oder Mord.

Hätte die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der BF in seiner Familie das einzig verbleibende Ziel für die Taliban sei, zumal seine männlichen Geschwister noch kleine Kinder seien, sein Großvater sich im Greisenalter befinde und die Taliban Frauen oft nicht als Bedrohung betrachten würden. Zur Tätigkeit des Vaters und des Onkels seien keine Feststellungen getroffen worden. Zudem habe die Behörde festgestellt, dass die Kernfamilie des BF (abgesehen vom bereits verstorbenen Vater) in Kabul lebe und der BF regelmäßig mit ihnen in Kontakt stehe. Diese Feststellung erweise sich als unrichtig, zumal aus der Aussage des BF eindeutig hervorgehe, dass seine Familie nach wie vor im von den Taliban dominierten Dorf XXXX in der Provinz XXXX lebe. In Kabul habe er keinerlei familiären Rückhalt. Als Quasi-Waise würde der BF nach den in der Stellungnahme vom XXXX zitierten Länderberichten asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt sein.

Überdies würden sich die Feststellungen der Behörde auf eine unschlüssige Beweiswürdigung stützen. Bereits durch den Umstand, dass die Behörde den Schriftsatz vom XXXX nicht gewürdigt habe, habe sie das Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet. Weiters begründe die Behörde ihre Entscheidung mit der Unglaubwürdigkeit der Aussage des BF. Konkret habe die Behörde ausgeführt, der BF habe zu Protokoll gegeben, nie persönclih von den Taliban bedroht worden zu sein. Eine solche Aussage findet sich jedoch nicht im Einvernahmeprotokoll. Hingegen habe der BF wiederholt ausgeführt, auch selbst bedroht worden zu sein. Insoweit die Behörde das Vorbringen des BF, wonach sein Vater von den Taliban getötet worden sei, nicht als glaubhaft erachtet, sei darauf hinzuweisen, dass die Männer, welche den Vater getötet hätten, an ihrer Erscheinung und Ausrüstung als Taliban erkannbar gewesen seien.

Bei der Beurteilung der Zeitangaben wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der BF Analphabet sei. Ferner seien vermeintliche Widersprüche lediglich auf eine mangelhafte und zu ungenaue Befragung zurückzuführen. Entgegen der Ausführungen der Behörde erscheine es auch nachvollziehbar, dass der damals 15-jährige BF nicht bereits nach der ersten Drohung der Taliban geflüchtet sei, da sich sein Vater gegen eine Flucht entschieden habe.

In der Folge wurden die rechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erörtert. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidär Schutzberechtigten wurde auf die in Afghanistan herrschende Versorgungs- und Sicherheitslage hingewiesen. Zu den allgemeinen Lebensbedingungen wurde ausgeführt, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei und die soziale Absicherung traditionell bei den Familien und Stammesverbänden liege. Abschließend wurde auf die positive Integration des BF hignewiesen.

I.6. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.7. Mit Schreiben vom XXXX brachte der BF im Wege seiner Vertretung folgende Dokumente in Vorlage:

- Drohbrief der Taliban, welchem zu entnehmen sei, der Onkel des BF bedroht werde, da er trotz Mahnung mit dem ungläubigen Regime zusammenarbeite und Spionage betreibe. Die Mujaheddin sollten ihn töten, wo auch immer sie ihn finden. Auch die Familie werde bedroht und dürfe nicht umziehen. Sollte dies geschehen, würde ihr gesamtes Hab und Gut beschlagnahmt werden;

- Polizeiausweis des Onkels des BF;

- Abbildungen des Onkels in Armeeuniform und Kampfausrüstung;

- Bilder des Vaters des BF vor und nach dessen Ableben.

I.8. Am XXXX fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu sowie eines landeskundlichen Sachverständigen statt. Das Bundesamt entschuldigte sein Fernbleiben bereits mit Schreiben vom XXXX .

Im Zuge der Verhanldung wurden folgende Dokumente vorgelegt:

- Bestätigung meines Onkels bei seiner Tätigkeit für das Militär (Beilage A);

- diverse Fotos von meinem Onkel (Beilage B);

- Drohbrief der Taliban und einen Dienstausweis des Onkels, jeweils im Original, sowie Bestätigung über die Tätigkeit seines Onkels (Beilage C).

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

R befragt den Beschwerdeführer, ob dieser geistig und körperlich in der Lage ist der heutigen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen. Nun wird der Beschwerdeführer befragt, ob er gesund ist oder ob bei ihm (Krankheiten) und /oder Leiden vorliegen. Diese Fragen werden vom Beschwerdeführer dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe oder chronische Krankheiten und Leiden vorliegen. Der Beschwerdeführer ist in der Lage der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.

BF: Ich bin vollkommen gesund und kann ohne Probleme der Verhandlung folgen.

[...]

R: Die Angaben, die Sie bei der Polizei und dem BFA gemacht haben, halten Sie diese aufrecht und entsprechen sie der Wahrheit?

BF: Ich habe die Wahrheit gesagt. Bei der polizeilichen Erstbefragung gibt es einige Aussagen, die falsch protokolliert wurden. Es kann sein, dass ich missverstanden wurde oder dass ich die Frage nicht verstanden habe und ich deshalb nicht eine entsprechende Antwort gegeben habe. Damals wurde mein Name falsch geschrieben. Als ich gefragt wurde, durch welche Provinzen ich gefahren bin, bis ich schließlich Afghanistan verlassen habe, habe ich verschiedene Provinzen genannt. Im Protokoll steht, ich hätte in Kabul gelebt. Weiters ist protokolliert, meine Familie und ich hätten im selben Haus wie mein Onkel väterlicherseits gelebt. Das ist nicht richtig, wir haben nämlich getrennt gelebt. Zu meinem Herkunftsort gebe ich an, dass ich aus der Provinz XXXX , Distrikt XXXX und dem Dorf XXXX stamme. Im Protokoll wurde vergessen meinen Distrikt anzuführen. Sonst passt alles.

R: Ich sehe in der Erstbefragung vor der Polizei nicht, dass Sie mit Ihrem Onkel gemeinsam in einem Haus gelebt hätten.

BF: Es kann sein, dass es nicht bei der Polizei sondern beim BFA so protokolliert wurde. Ich hatte keine Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher. Es kann sein, dass ich die Frage nicht richtig verstanden habe.

R: Das Protokoll vom XXXX wurde Ihnen rückübersetzt und bestätigt, demnach hat es keine Verständigungsprobleme gegeben. Sie haben gehört was geschrieben wurde, es wurde Ihnen auch die NS rückübersetzt und Sie haben die Seiten unterschrieben.

BF: Die Erstbefragung wurde nicht rückübersetzt. Das Protokoll wurde ausgedruckt und mir zur Unterschrift vorgelegt. Ich musste dann jede Seite unterschreiben.

R: Sie sind sich sicher, dass es nicht rückübersetzt wurde?

BF: Ja. Es wurde nicht rückübersetzt.

R: Haben Sie noch neue Beweismittel, die Sie beim BFA oder bzw. bei der Polizei noch nicht vorgelegt haben?

BF: Ich habe Fotos und ein Video von meinem Vater und Unterlagen über meinen Onkel im Original mit:

[...]

R: Sprechen Sie Deutsch?

BF: Ja.

R: Verstehen Sie deutsch?

BF: Ja, ich verstehe. Nicht so gut

R auf Deutsch: Seit wann sind Sie in Österreich?

BF auf Deutsch: Zwei Jahre.

Auf Pashtu: Wie lange?

Fragewiederholung auf Pashtu.

BF: Ich bin seit 2015 in Österreich. Ich weiß das genaue Datum nicht mehr.

R auf Deutsch: In welchem Monat sind Sie nach Österreich gekommen?

BF auf Deutsch: Ich weiß es nicht in welchem Monat ich nach Österreich gekommen bin.

R auf Deutsch: In welcher Jahreszeit sind Sie nach Österreich gekommen?

BF auf Deutsch: 2015.

R: In welcher Jahreszeit sind Sie nach Österreich gekommen?

BF: Ich weiß nicht welche Jahreszeit es war, es hat geregnet.

R auf Deutsch: Sind Sie verheiratet?

BF auf Deutsch: Nein, ich bin ledig.

R auf Deutsch: Haben Sie Kinder?

BF auf Deutsch: Nein.

R auf Deutsch: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF auf Deutsch: Ich habe einen Onkel in Österreich.

R auf Deutsch: Wie heißt Ihr Onkel?

BF auf Deutsch: XXXX.

R auf Deutsch: Schreiben Sie den Namen bitte auf.

Der BF schreibt den Namen auf ein Blatt Papier.

R auf Deutsch: Wo wohnt Ihr Onkel in Österreich?

BF auf Deutsch: Mein Onkel wohnt in Wien.

R auf Deutsch: Wo in Wien?

BF auf Deutsch: Ich habe den Namen vergessen wo mein Onkel wohnt.

R auf Deutsch: Mit welcher Straßenbahnlinie oder U-Bahn fahren Sie, wenn Sie Ihren Onkel besuchen?

BF auf Deutsch: Ich glaube Straßenbahn und U-Bahn.

Fragewiederholung auf Pashtu.

BF auf Pashtu: Ich wohne nicht in Wien und kenne mich daher nicht hier aus. Heute Morgen bin ich gemeinsam mit meinem Onkel von seinem Haus einige Zeit zu Fuß gegangen. Danach bin ich mit verschiedenen Zügen im Untergrund gefahren, ich weiß aber nicht welche Farben diese Züge hatten.

R auf Paschtu: Wissen Sie, ob Ihr Onkel ein Verfahren beim BVwG anhängig hat oder ob es schon abgeschlossen ist?

BF: Er hat bisher kein abgeschlossenes Asylverfahren. Ich glaube, dass er einen negativen Bescheid vom BFA bekommen hat und dass er gegen diese Entscheidung eine Beschwerde erhoben hat.

R: Leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Nein. Ich wohne in einer Flüchtlingsunterkunft.

R auf Deutsch: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF auf Deutsch: Ich spiele in meiner Freizeit Kricket, Volleyball, gehe Wandern.

R auf Deutsch: Wo gehen Sie wandern?

BF auf Deutsch: In Vorarlberg.

R auf Deutsch: Was ist Ihr Lieblingsberg?

BF auf Deutsch: Ich weiß den Namen nicht. In Österreich gibt es schon Berge.

R auf Deutsch: Besuchen Sie einen Sprachkurs?

BF auf Deutsch: Ja.

R auf Deutsch: Seit wann besuchen Sie diesen Kurs?

BF auf Deutsch: Ich weiß nicht wann ich Deutsch angefangen habe.

R auf Deutsch: Haben Sie mit diesem Kurs im heurigen Jahr begonnen?

BF auf Deutsch: Das Zertifikat meinen Sie, oder was?

Fragewiederholung auf Pashtu.

BF: Ich bin seit letztem Jahr in Vorarlberg. Dort habe ich begonnen Deutsch zu lernen.

R auf Deutsch: Wie oft in der Woche besuchen Sie den Kurs?

BF auf Deutsch: Jede Woche fünf Tage. Samstag und Sonntag sind frei.

R auf Deutsch: Wie lange dauert der Kurs am Tag?

BF auf Deutsch: Drei Stunden.

R auf Deutsch: Wann besuchen Sie diesen Kurs?

BF auf Deutsch: Vormittags um 07.00 Uhr.

R auf Deutsch: Wie lange dauert der Kurs, bis wann?

BF auf Deutsch: Ich wohne in XXXX , der Deutschkurs ist in XXXX . Ich stehe um 07.00 Uhr auf, dann frühstücke ich und fahre mit dem Bus zum Bahnhof nach XXXX . Dann fahre ich nach XXXX mit dem Zug. Ich beginne den Deutschkurs um 08.55 Uhr bis 11.00 Uhr.

R auf Deutsch: Besuchen Sie auch eine Schule?

BF auf Deutsch: Nein, ich lerne nur Deutsch.

R auf Deutsch: Machen Sie eine Ausbildung?

BF auf Deutsch: Nein.

R auf Deutsch: Haben Sie österreichische Freunde?

BF auf Deutsch: Nein. Ich habe schon eine alte Frau kennengelernt.

R auf Deutsch: Was heißt, Sie haben eine alte Frau kennengelernt haben?

BF auf Deutsch: Sie heißt Sonja.

Fragewiederholung auf Pashtu.

BF: Diese ältere Frau ist zu unserem Deutschkurs gekommen und wir haben uns alle dort vorgestellt. Sie ist dann später zu uns in die Unterkunft gekommen und hat mit mir und den anderen Bewohnern Deutsch gelernt.

R auf Deutsch: Sind Sie in einem Verein, bei der Kirche oder einer Organisation tätig?

BF auf Deutsch: Wie bitte?

Fragewiederholung auf Pashtu.

BF: Nein. Ich besuche nur den Deutschkurs und meine Freizeit gestalte ich gemeinsam mit meinen Freunden.

R: Ist Ihr Onkel alleine in Österreich?

BF: Ja.

R: Sind Sie gerichtlich vorbestraft bzw. läuft gegen Sie ein gerichtliches Strafverfahren?

BF: Nein.

R: Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich bekomme monatlich 40 Euro Taschengeld und 12 Euro Kleidungsgeld. Sonst bekomme ich alles in der Unterkunft.

R: Werden Sie von Ihrem Onkel unterstützt?

BF: Nein.

R: Unterstützen Sie Ihren Onkel?

BF: Nein. Wir dürfen beide nicht arbeiten und haben kein eigenes Einkommen.

R: Haben Sie um eine arbeitsrechtliche Bewilligung angesucht?

BF: Nein. Ich wollte zuerst hier die Sprache lernen um in der Lage zu sein, hier arbeiten zu können.

R: Haben Sie Verwandte in der Europäischen Union?

BF: Nein, abgesehen von meinem Onkel in Österreich habe ich keine weiteren Verwandte in Europa.

R: Haben Sie schon eine Prüfung in Deutsch gemacht?

BF: Ja. Ich habe die Deutschprüfungen A1 und A2 abgelegt. Erst danach habe ich die vorgelegten Bestätigungen erhalten.

R an BFV: Haben Sie noch etwas zur Integration vorzulegen?

BF legt mehrere Kursbestätigungen der VHS XXXX vor, diese werden in Kopie als Beilage D zum Akt genommen.

[...]

R: Welcher Volksgruppe bzw. Religion gehören Sie an?

BF: Ich bin Pashtune und sunnitischer Moslem.

R: Wo sind Sie geboren?

BF: Ich bin in der Provinz XXXX im Distrikt XXXX im Dorf XXXX geboren.

R: Können Sie chronologisch angeben, wo Sie von Geburt bis zu Ihrer Ausreise gelebt haben?

BF: Ich habe nur in meinem Heimatdorf in XXXX gelebt.

R: Wie alt waren Sie, als Sie Ihr Heimatdorf verlassen haben?

BF: Ich weiß es nicht genau. Ich schätze, dass ich ungefähr 13 ode 14 Jahre alt gewesen bin.

R: Wie heißen die unmittelbar angrenzenden Dörfer von XXXX ?

BF: Die angrenzenden Dörfer heißen: XXXX , XXXX , XXXX und XXXX .

R: Haben Sie an der von Ihnen angegebenen Adresse alleine gelebt?

BF: Meine gesamte Familie hat mit mir gemeinsam dort gelebt.

R: Aus welchen Mitgliedern besteht bzw. bestand Ihre Familie?

BF: Darunter verstehe ich meine Mutter, meine Brüder, meinen Onkel väterlicherseits, meinen Onkel mütterlicherseits, sowie die Familie meines Onkels väterlicherseits, der in Österreich lebt.

R: Wie viele Brüder haben Sie, wie ist ihr Name und wie alt sind diese?

BF: Sie heißen XXXX , XXXX und XXXX , sie sind jünger als ich. Ich kenne ihr genaues Alter nicht.

R: Und ungefähr?

BF: Zum Zeitpunkt, als ich Afghanistan verlassen habe, schätze ich, dass XXXX ca. 9 Jahre alt war, XXXX ca. 7 oder 8 Jahre und XXXX war ca. 6 Jahre alt.

R: Wie alt sind sie jetzt?

BF: Ich bin seit zwei Jahren in Österreich, XXXX wird mittlerweile 11 Jahre, XXXX wird ca. 10 Jahre und XXXX wird ca. 8 Jahre alt sein.

R: Wie viele Geschwister hat Ihr Vater?

BF: Mein Vater hat drei Brüder und zwei Schwestern. Einer seiner Brüder befindet sich in Österreich.

R: Wie heißen die beiden anderen Brüder?

BF: Sie heißen XXXX und XXXX (phonetisch).

R: Wie alt sind diese beiden Onkel?

BF: Ich schätze, dass XXXX ca. 14 Jahre alt sein wird und XXXX ca. 9 Jahre.

R: Wie alt ist Ihr Vater?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Wissen Sie auch nicht ungefähr wie alt?

BF: Ich schätze, dass er um die 40 Jahre alt sein wird.

R: Haben die beiden Onkel und Ihr Vater die gleiche Mutter?

BF: Ja.

R: Wie heißt Ihre Großmutter väterlicherseits?

BF: XXXX .

R: Wie heißt Ihr Großvater väterlicherseits?

BF: XXXX .

R: Wo lebt Ihr Großvater väterlicherseits?

BF: Er wohnt in XXXX .

R: Wie weit ist das von Ihrem Elternhaus entfernt?

BF: Die Entfernung beträgt ca. 10 bis 20 Minuten zu Fuß.

R: Wie bestreitet Ihr Großvater väterlicherseits seinen Lebensunterhalt?

BF: Er hat ein Geschäft und auch eine eigene Landwirtschaft.

R: Um welches Geschäft handelt es sich dabei?

BF: Lebensmittel, wie z.B. Mehl.

R: Wo wohnen die beiden jüngeren Onkel?

BF: XXXX ist mittlerweile geflüchtet, der andere Onkel lebt zu Hause bei seinem Vater.

R: Wie heißt sein Vater?

BF: XXXX .

R: Woher wissen Sie, dass XXXX mittlerweile geflüchtet ist?

BF: Als ich hierher gekommen bin, hat mir der in Österreich lebende Onkel erzählt, dass auch der andere Onkel geflüchtet ist.

R: Ist XXXX alleine geflüchtet?

BF: Ja.

R: Wo hält er sich jetzt auf?

BF: Ich selbst weiß nicht wo er sich befindet, mein Onkel hat mir erzählt, dass er im Iran ist.

R: Wo im Iran?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Wer lebt, außer diesem jüngsten Onkel, noch bei Ihrem Großvater väterlicherseits?

BF: Mit ihm gemeinsam leben noch seine beiden Töchter und seine Ehefrau.

R: Wie viele Geschwister hat Ihre Mutter?

BF: Meine Mutter hat eine Schwester und einen Bruder.

R: Wie heißen Ihre Tante und Ihr Onkel mütterlicherseits?

BF: Meine Tante heißt XXXX und mein Onkel XXXX.

R: Wo leben Ihre Tante und Ihr Onkel?

BF: Sie leben beide in XXXX .

R: Wie weit leben sie von Ihrem Elternhaus entfernt?

BF: Der Fußweg ist ungefähr 25 Minuten.

R: Wie geht es Ihren Geschwistern?

BF: Ich habe schon lange nicht mit ihnen gesprochen. Ich glaube, dass es ihnen gut geht.

R: Wie geht es Ihrer Mutter?

BF: Gut.

R: Wo leben Ihre Geschwister und Ihre Mutter?

BF: In XXXX .

R: Wo in XXXX leben sie, in Ihrem Elternhaus oder wo anders?

BF: Sie leben in meinem Elternhaus.

R: Wer lebt noch in diesem Elternhaus?

BF: Meine Mutter und meine Brüder leben in diesem Haus.

R: Beim BFA haben Sie am XXXX gesagt, dass Sie mit Ihrem Onkel väterlicherseits in einem Haus wohnten. Von diesem Onkel haben Sie jetzt nichts erwähnt.

BF: Ich habe am Anfang der heutigen Einvernahme angemerkt, dass ich vermutlich missverstanden worden bin. Wir haben nicht mit meinem Onkel väterlicherseits zusammengelebt. Wir haben alle im selben Dorf, aber in verschiedenen Häusern, gelebt.

R: Das Protokoll wurde Ihnen rückübersetzt, in Anwesenheit Ihrer Vertretung. Sie haben auch etwas berichtigt bzw. etwas ergänzt. Von dem jetzt gegenständlich Erwähnten, dass Sie hier missverstanden worden seien, haben Sie damals nichts ergänzt bzw. auch nichts berichtigt.

BF: Mir ist dieser Fehler während der Übersetzung nicht aufgefallen, sonst hätte ich das sofort angegeben. Ich habe gesagt, dass wir alle im selben Dorf gelebt haben, aber in verschiedenen Häusern.

R: Wie bestreitet Ihre Mutter ihren Lebensunterhalt?

BF: Sie ist dort. Mein Onkel mütterlicherseits ist ebenfalls dort. Mein Großvater hat ein Geschäft. Wir haben auch ein eigenes Grundstück wo etwas angebaut wird.

R: Wie würden Sie die wirtschaftliche Situation Ihres Großvaters, der dieses Geschäft betreibt, beschreiben?

BF: Er kommt mit seinen Einnahmen aus dem Geschäft aus. Die Familie ist nicht sehr groß. Die Familie kann versorgt werden.

R: Wenn Sie in diesem Zusammenhang von Familie sprechen, wen meinen Sie mit Familie?

BF: Ich meine damit, dass meine Familie und die Familie meines Onkels, der hier lebt, nicht sehr groß sind. Ich habe nur drei Brüder und meine Mutter.

R: Wird die Familie Ihres Onkels auch von Ihrem Großvater väterlicherseits versorgt?

BF: Ja, sie leben im selben Haus.

R: Aus welchen Familienmitgliedern besteht die Familie Ihres Onkels der hier in Österreich ist?

BF: Zu seiner Familie zählen seine Eltern, sein Bruder, seine beiden Schwestern, seine Ehefrau, sowie seine beiden Kinder.

R: Wie bestreitet sein Bruder seinen Lebensunterhalt?

BF: Sein Bruder wird von seinem Vater versorgt, weil er ja bei ihm lebt.

R: Was macht Ihr Onkel mütterlicherseits?

BF: Er hat eine eigene Landwirtschaft, wo er Anbau von verschiedenen Sachen betreibt.

R: Unterstützt dieser Onkel auch Ihre engeren Familienangehörigen, wie Ihre Mutter und Ihre Brüder?

BF: Ja, er unterstützt meine Mutter.

R: Sind Sie mit Ihrem in Österreich lebenden Onkel gemeinsam geflohen?

BF: Ja.

R: Wo lebt Ihr Vater?

BF: Mein Vater ist verstorben.

R: Woran ist Ihr Vater gestorben?

BF: Mein Vater hat drei Monate für Ashraf Ghani Wahlkampagne betrieben. Als er nach dieser Zeit nach Hause gekommen ist, wurde er erschossen.

R: Wer war Ashraf Ghani?

BF: Er ist der Präsident von Afghanistan.

R: Wann wurde Ihr Vater erschossen?

BF: Ich kann mich an das Jahr nicht erinnern, er ist aber vor mehreren Jahren getötet worden.

R: Was meinen Sie mit "mehreren Jahren"? Wie lange vor Ihrer Ausreise wurde Ihr Vater getötet?

BF: Mein Onkel und ich sind sechs Monate nachdem mein Vater erschossen wurde geflüchtet.

R: Haben mehrere Personen aus Ihrer Umgebung für den Präsidenten Wahlkampf betrieben?

BF: Ich weiß nur, dass mein Vater Wahlkampagne betrieben hat. Mein Onkel väterlicherseits hat einen anderen Beruf ausgeübt. Ich weiß nichts von der Tätigkeit anderer Personen.

R: Welchen Beruf hat Ihr Onkel väterlicherseits ausgeführt?

BF: Er war bei der Polizei.

R: Von wem wurde Ihr Vater erschossen?

BF: Er ist von den Taliban erschossen worden. Es gibt dort sonst niemanden.

R: Woher wissen Sie, dass er von den Taliban erschossen wurde?

BF: Drei Wochen, bevor mein Vater von seiner Arbeit nach Hause gekommen ist, habe ich die Taliban gesehen, als sie auf unserem Dach waren und von dort weggegangen sind. Ich glaube, dass sie bereits damals vor hatten ihn zu töten, sie aber bemerkt haben, dass sich mein Vater nicht zu Hause befindet. In unserem Dorf können, abgesehen von den Taliban, keine anderen Personen Waffen tragen.

R: Wie haben Sie die Personen als Taliban identifiziert, als Sie sie auf dem Dach Ihres Hauses gesehen haben?

BF: Ich habe sie an ihren langen Haaren und ihrer speziellen Kopfbedeckung erkannt.

R: Welche spezielle Kopfbedeckung haben die Taliban in Ihrem Heimatort?

BF: Sie trugen eine Art Hut namens Pakor (phonetisch).

R: Haben die Taliban auch Sie gesehen, als sie auf dem Dach Ihres Elternhauses waren?

BF: Sie haben mich nicht gesehen. Als ich hinausgegangen bin habe ich gesehen, wie die Taliban von dort weggegangen sind. Ich bin wieder ins Haus gegangen und habe meiner Mutter davon erzählt. Sie wollte nicht, dass wir uns Sorgen machen und hat gemeint, dass es draußen keine Gefahr gibt. Sie hat die Tür zum Haus versperrt.

R: Wo hat sich zu diesem Zeitpunkt Ihr Vater aufgehalten?

BF: Mein Vater war bei der Arbeit.

R: Wo hat Ihr Vater gearbeitet?

BF: In XXXX , im Büro von Ashraf Ghani.

R: Als was hat Ihr Vater für Ashraf Ghani gearbeitet?

BF: Zum Zeitpunkt vor den Wahlen wurden überall in Afghanistan Büros für Ashraf Ghani eröffnet, wo Wahlkampf betrieben wurde. Mein Vater hat in einem solchen Büro in XXXX gearbeitet.

R: In welcher Funktion?

BF: Mein Vater hat für Ashraf Ghani Wahlkampf betrieben. Ihm wurde auch ein Auto zur Verfügung gestellt. Während den Wahlen haben viele Leute ihre Stimmen abgegeben. Mein Vater hat im Wahlkampf gearbeitet.

R: Ja, aber in welcher Funktion? War Ihr Vater ein engerer Mitarbeiter von Ashraf Ghani oder nur ein einfacher Mitarbeiter?

BF: Ich selbst war nicht bei meinem Vater und kann daher nicht sagen, was genau er gemacht hat.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich weiß nicht welche Position mein Vater innehatte. Er ist nach drei Monaten nach Hause gekommen und meine Brüder und ich haben uns sehr darüber gefreut ihn wieder zu sehen. Er hat zu Hause nicht über seine Arbeit gesprochen.

R: Warum nicht?

BF: Er ist gleich am ersten Tag, als er nach Hause gekommen ist, erschossen worden. Bis zum Zeitpunkt seines Todes hat er nicht über seine Arbeit geredet, weil er wahrscheinlich noch müde von der Reise war.

R: Was hat Ihnen Ihr Onkel, der in Österreich ist, über die Tätigkeit Ihres Vaters erzählt?

BF: Er hat mir nichts erzählt. Er war selbst bei seiner Arbeit.

R: Haben Sie Ihren Onkel darüber nicht gefragt?

BF: Nein.

R: Hat Sie das nie interessiert?

BF: Wir wollten nicht über meinen Vater sprechen, weil dadurch mein Vater nicht wieder zurückkommt. Wenn wir über ihn geredet hätten, wäre die ganze Trauer wieder gekommen.

R: War Ihr Vater während dieser drei Monate immer in diesem Wahlkampfbüro tätig?

BF: Ja, mein Vater war durchgehend in der Arbeit, er ist nicht nach Hause gekommen. Ich gehe davon aus, dass er dort ein Schlafquartier hatte.

R: Wann sind die Taliban das erste Mal zu Ihnen nach Hause gekommen, im Hinblick auf die Tätigkeit Ihres Vaters im Wahlkampfbüro? War dies am Beginn seiner Arbeit, oder bereits gegen Ende seiner Arbeit?

BF: Ca. drei Freitage bevor mein Vater von seiner Arbeit nach Hause gekommen ist, habe ich die Taliban auf unserem Dach gesehen.

R: Erklären Sie was Sie mit "drei Freitage bevor mein Vater von seiner Arbeit nach Hause gekommen ist" meinen.

BF: Ich meine, drei Wochen bevor mein Vater nach Hause gekommen ist, habe ich die Taliban auf unserem Dach gesehen.

R: War das noch während des Wahlkampfes oder schon danach?

BF: Es war während des Wahlkampfes.

R: Beim BFA am XXXX haben Sie auf die Frage, wann die Taliban zum ersten Mal bei Ihnen waren, gesagt, dass einen Monat nach dem Wahlkampf die Taliban nach Hause gekommen sind. Was sagen Sie dazu?

BF: Das ist nicht richtig. Ca. drei Wochen bevor mein Vater von der Wahlkampagne nach Hause gekommen ist, habe ich die Taliban das erste Mal auf unserem Dach gesehen.

R: Sie haben auch gesagt, dass Ihr Vater am ersten Tag als er nach Hause gekommen ist, gleich erschossen worden ist. Wie lange zuvor war er insgesamt im Wahlkampf tätig?

BF: Er hat drei Monate davor gearbeitet.

R: Ist er unmittelbar nach diesen drei Monaten Wahlkampagne direkt nach Hause zurückgekehrt?

BF: Nachdem mein Vater seine Arbeit beendet hatte, ist er gleich nach Hause gekommen.

R: Ist er an dem Tag, an dem er nach Hause gekommen ist, erschossen worden?

BF: Ja.

R: Beim BFA haben Sie, auf die Frage, wann die Taliban zum ersten Mal bei Ihrem Vater waren, angegeben: Einen Monat nach dem Wahlkampf sind die Taliban nach Hause gekommen und nach einem weiteren Monat wurde mein Vater erschossen. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Das stimmt nicht. Ich habe die Taliban ca. zwei bis drei Wochen bevor mein Vater nach Hause gekommen ist auf unserem Dach gesehen. Wenn mein Vater sich bereits zu Hause aufgehalten hätte und wir die Taliban gesehen hätten, wäre mein Vater nicht zu Hause geblieben, sondern wäre geflüchtet.

R: Wo haben Sie sich an dem Tag aufgehalten, an dem Ihr Vater getötet wurde?

BF: Ich war zu Hause und ich habe geschlafen. Es war in der Nacht und Schlafenszeit als mein Vater erschossen wurde.

R: Zu welcher Uhrzeit sind die Taliban zum ersten Mal gekommen?

BF: Ich weiß die genaue Uhrzeit nicht mehr. Es war gegen Abend oder Nacht als ich sie gesehen habe. Es war dunkel und nicht mehr hell.

R: Wie konnten Sie die Taliban sehen, wenn es bereits dunkel war?

BF: Es war nicht spät in der Nacht. Man konnte schon erkennen, dass es die Taliban sind. Ich habe ihre langen Haare gesehen.

R: Beschreiben Sie den Tag, von morgens an, bis zu dem Zeitpunkt als Ihr Vater erschossen wurde.

BF: Mein Vater ist an einem Nachmittag nach Hause gekommen. Ich glaube, dass es ca. 16.00 Uhr war. Wir haben uns sehr über ihn gefreut und abgesehen von der Familie, hatten wir sonst keine anderen Gäste zu Hause. In der Nacht sind wir Kinder schlafen gegangen. Im Zimmer war es sehr warm und mein Vater hat draußen auf der Veranda geschlafen. Ich habe in der Nacht geschlafen und habe nichts mitbekommen. In unserer Gegend gab es nachts immer wieder Kämpfe und man konnte Schüsse hören. Am nächsten Tag hat mir meine Mutter erzählt, was in der Nacht vorgefallen war. In dieser Nacht, als Schüsse gefallen sind, ist mein jüngerer Bruder aufgewacht und zur Mutter gelaufen und hat gesagt, dass im Ort wieder gekämpft wird. Daraufhin ist meine Mutter zu meinem Vater auf die Veranda gegangen und als sie ihn angegriffen hat, hatte sie Blut an der Hand. Sie hatte nach oben gesehen und konnte am Dach Taliban erkennen. Daraufhin ist meine Mutter bewusstlos geworden. Am nächsten Tag, als ich auf die Veranda gegangen bin, war dort sehr viel Blut.

R: Wie wurde Ihr Vater erschossen?

BF: Mein Vater lag auf einem einfachen geflochtenen Bett. Auf ihn wurde von oben geschossen und er hatte 10 Schussverletzungen an seiner linken Brust.

R: Mit welcher Waffengattung wurde er erschossen?

BF: Ich weiß nicht mit welcher Waffe er erschossen wurde. Auf der Veranda lagen leere Patronenhülsen, die vermutlich von einem Maschinengewehr stammten.

R: Beim BFA haben Sie am XXXX nach Rückübersetzung, im Rahmen der Berichtigung gesagt, dass Ihr Vater mit einer Kalaschnikow erschossen wurde. Was sagen Sie dazu?

BF: Das Maschinengewehr und die Kalaschnikow sind ein und dieselbe Waffe.

R: Wie viele Patronenhülsen haben sich auf der Veranda befunden?

BF: Ich habe nur zwei oder drei leere Patronenhülsen gefunden. Auf der Veranda habe ich dann ca. 10 Einschusslöcher gesehen.

R: Wann war dieser Vorfall?

BF: Zu diesem Vorfall ist es in der Nacht gegen 21.00 Uhr oder 22.00 Uhr gekommen.

R: Wann sind Sie aufgewacht?

BF: Nachdem mein Bruder hinausgegangen ist und begonnen hat zu weinen bin ich davon aufgewacht.

R: Wann war das?

BF: Es war ungefähr um diese Zeit, als er erschossen wurde.

R: Wann ungefähr sind Sie dann aufgewacht?

BF: Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, ich weiß nicht wie spät es war.

R: Was haben Sie gemacht, nachdem sie wach geworden sind?

BF: Als ich aufgewacht bin, habe ich sehr viel Blut gesehen. Mein Vater lag im Bett, meine Mutter und meine Brüder saßen bei seinem Kopf und haben geweint.

R: Wie sind Sie wach geworden?

BF: Ich habe meine Brüder weinen gehört.

R: Was haben Sie dann gemacht, nachdem Sie Ihre Brüder weinen gehört haben?

BF: Nachdem ich sie weinen gehört habe, bin ich aufgestanden und aus dem Zimmer hinausgegangen. Dort habe ich dann gesehen, dass sich meine Brüder und meine Mutter um meinen Vater versammelt haben und geweint haben.

R: Wurden Sie selbst von den Taliban angegriffen?

BF: Nein.

R: Haben Sie selbst Probleme mit den Taliban gehabt?

BF: Nachdem sie meinen Vater getötet haben, hätten sie uns auch nicht am Leben gelassen.

R: Meinen Sie damit "hätten sie uns auch nicht am Leben gelassen", wenn man Sie töten hätte wollen.

BF: Jene Leute, die für den Staat gearbeitet haben, wurden von den Taliban getötet. Wenn ich dort geblieben wäre, und älter geworden wäre, hätten die Taliban angenommen, dass ich ebenfalls beginne für den Staat zu arbeiten und dann hätten sie mich ebenfalls getötet.

R: Wie lange sind Sie nach diesem Vorfall, dem gewaltsamen Tod Ihres Vaters, noch im Elternhaus geblieben?

BF: Ca. sechs Monate.

R: Hat es in diesen sechs Monaten Vorfälle mit den Taliban gegeben?

BF: Damals hat mein Onkel väterlicherseits auch für den Staat gearbeitet. Drei Wochen nach dem Tod meines Vaters haben die Taliban meinem Großvater väterlicherseits mitgeteilt, dass sein Sohn seine Tätigkeit ablegen soll. Nach ungefähr ein bis eineinhalb Monaten wurde meinem Großvater erneut mitgeteilt, dass er seinem Sohn sagen soll, dass er mit seiner Arbeit aufhört. Mein Onkel hatte einen Freund aus dem Dorf, der mit ihm zusammengearbeitet hat und der ebenfalls von den Taliban dazu aufgefordert wurde, seine Tätigkeit niederzulegen. Nachdem dieser Freund meines Onkels nach Hause gekommen ist, wurde er nach nur zwei oder drei Wochen von den Taliban erschossen. Als mein Onkel davon erfahren hat, hat er gemeint, dass er auf keinen Fall nach Hause kommen möchte, weil die Taliban ihn ebenfalls töten werden. Nach einigen Monaten hat dann mein Onkel ein Schreiben der Taliban bekommen. Danach sind wir geflüchtet.

R: Hat es in diesen sechs Monaten von Seiten der Taliban Ihnen gegenüber Drohungen oder Schwierigkeiten gegeben?

BF: Ich hatte in den sechs Monaten in keinster Weise Kontakt zu den Taliban. Ich wurde auch nicht von ihnen direkt bedroht oder angegriffen. Nach dem Tod meines Vaters wurde über meinen Großvater mein Onkel väterlicherseits dazu aufgefordert mit seiner Arbeit aufzuhören. Nachdem mein Onkel sich zur Flucht entschieden hat, hat mein Großvater mich mit meinem Onkel mitgeschickt, weil er der Meinung war, dass, wenn ich erwachsen werde, ich ebenfalls gefährdet bin.

R: Hatte Ihr Großvater mit den Taliban selbst Probleme gehabt?

BF: Nein.

R: Hat er zu den Taliban ein gutes Verhältnis?

BF: Nein. Wir wollten nichts mit den Taliban zu tun haben.

R: Ist er selbst ein Talib?

BF: Nein. Ich möchte mit dem Begriff Talib nichts zu tun haben.

R: Wo genau war Ihr Vater als Wahlkampfhelfer tätig?

BF: Das Büro befand sich in der Stadt der Provinz XXXX .

R: Was heißt das?

BF: XXXX hat eine kleine Stadt, die als Stadt bezeichnet wird. Dort hat mein Vater gearbeitet.

R: Hat diese kleine Stadt einen Namen?

BF: XXXX .

R: Was ist die Hauptstadt von XXXX ?

BF: Ich habe den Namen vergessen, vielleicht weiß es mein Onkel.

[...]

R: Sie haben heute gesagt, dass die Familie Ihres in Österreich lebenden Onkels bei Ihrem Großvater lebt. Seit wann lebt diese Familie bei Ihrem Großvater?

BF: Mein Onkel hat immer schon bei seinem Vater gelebt. Nachdem er geheiratet hat, ist seine Frau zu ihm gezogen und seine beiden Kinder sind auch dort zur Welt gekommen.

R: Wo lebt jetzt Ihr jüngster Onkel?

BF: Er lebt in Afghanistan, in XXXX , bei seinem Vater, also auch bei meinem Großvater.

R: Von wem wird Ihre Heimatregion beherrscht?

BF: XXXX wird von den Taliban beherrscht. Dort können staatliche Sicherheitskräfte nichts tun.

R: Wie heißt der Dorfvorsteher Ihres Heimatortes?

BF: Sein Name ist XXXX.

R: Seit wann übt er diese Funktion aus?

BF: Ich weiß nicht wie lange er Dorfvorsteher war. Als ich in Afghanistan gelebt habe, war er der Dorfvorsteher. Die Taliban haben ihn aber getötet.

R: Wann war das?

BF: Die Taliban haben ihn vor der Zeit, als mein Vater getötet wurde, auch umgebracht.

R: Wieso haben sie den Dorfvorsteher umgebracht?

BF: Früher hat dieser Mann für den Staat gearbeitet. Als er älter wurde, ist er ins Dorf zurückgekehrt. Er ist jeden Tag über einen Feldweg zur Moschee gegangen. Die Taliban haben dort einen Sprengsatz positioniert und ihn dabei getötet.

R: Warum wurde dieser Mann Dorfvorsteher in einem von den Taliban regierten Gebiet?

BF: Nachdem er nicht mehr für den Staat gearbeitet hat, hat er sehr lange Zeit im Dorf gelebt. Ich weiß nicht, ob er irgendwelche Probleme mit den Taliban hatte, oder ob etwas Bestimmtes vorgefallen war.

R: Wie lange vor dem Tod Ihres Vaters wurde der Dorfvorsteher getötet?

BF: Das weiß ich nicht mehr, ich habe es vergessen.

R: Ungefähr wissen Sie es auch nicht?

BF: Nein, ich weiß es nicht.

R: Wem gehören die Grundstücke bzw. das Haus, in dem Ihr Großvater lebt?

BF: Sie gehören meinem Großvater.

R: Als Ihr in Österreich lebender Onkel noch bei Ihrem Großvater gelebt hat, war er an diesen Besitztümern beteiligt?

BF: Ja. Die Grundstücke und das Haus gehören seinem Vater.

R: Im Falle des Todes Ihres Großvaters, wer würde die Grundstücke, Haus und Geschäft erben?

BF: In so einem Fall würden seine Frau und seine Söhne den gesamten Besitz erben.

R: Wie hat Ihr Vater seinen Lebensunterhalt bestritten?

BF: Mein Vater hatte ein Auto und er hat für verschiedene Geschäfte im Ort Lebensmittel oder andere Waren transportiert.

R: Welcher Tätigkeit ist Ihr Onkel XXXX , der in Österreich lebt, in Afghanistan nachgegangen?

BF: Er hat früher im Geschäft gearbeitet, danach ist er zu seiner anderen Arbeit gegangen.

R: Was meinen Sie damit?

BF: Er hat zuerst gemeinsam mit meinem Großvater in ihrem Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Später hat er sich dann für den Polizeidienst gemeldet und wurde Polizist.

R: Seit wann hat er als Polizist gearbeitet?

BF: Das weiß ich nicht, dazu müsste man ihn selbst fragen.

R: Ungefähr auch nicht? Wie viele Jahre hat er ungefähr bei der Polizei gearbeitet.

BF: Das weiß ich nicht.

R: Wochen, Monate, Jahre?

BF: Ich weiß wirklich nicht wie lange er dort gearbeitet hat, es waren auf jeden Fall Jahre. Vielleicht waren es zwei Jahre.

R: Wo hat Ihr Onkel die Ausbildung als Polizist absolviert?

BF: Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht wo und wie lange er ausgebildet wurde bzw. ob er überhaupt eine Ausbildung genossen hat.

R: Welche Schulausbildung bzw. Berufsausbildung hat Ihr Onkel?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Ist Ihr Onkel zur Schule gegangen?

BF: Ich glaube nicht, dass er in die Schule gegangen ist. In unserem Dorf darf man keine Schule besuchen.

R: Hat er einen Beruf erlernt?

BF: Ich weiß es nicht. Das betrifft mich nicht.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich weiß nur, dass mein Onkel in seinem Geschäft als Verkäufer gearbeitet hat und er später Polizist wurde. Ich habe sonst keine Informationen über seine Ausbildung bzw. über seinen beruflichen Werdegang.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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