TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/28 W215 2227468-1

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §56
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W215 2227468-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Republik Turkmenistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2019, Zahl 500706009-190675239, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 56 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017, stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass er lautet: XXXX wird gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, und § 56 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Republik Turkmenistan, reiste im Jahr 2009 legal nach Österreich ein.

Sie arbeitete zunächst als Au Pair im Bundesgebiet und verfügte danach von XXXX über einen Aufenthaltstitel der XXXX Landesregierung als Schülerin. Ab XXXX wurde ihr Aufenthaltstitel auf den einer Studentin geändert und war bis XXXX gültig.

Nachdem der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel mangels Lernerfolges nicht weiter verlängert wurde, stellte die Beschwerdeführerin am 03.07.2019 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß

§ 56 Abs. 1 AsylG. Dabei legte sie unter anderen ihren turkmenischen Reisepass, ihren österreichischen Führerschein, einen Konto- und Versicherungsdatenauszug sowie ihre turkmenische Geburtsurkunde, ihre E-Card, eine Meldebestätigung und das Reife- und Diplomprüfungszeugnis einer österreichischen XXXX vor.

Zur Begründung ihres Antrags brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, dass sie schon seit XXXX in XXXX lebe und in den fast zehn Jahren mehrmals geringfügig beschäftigt gewesen sei. Sie habe die XXXX abgeschlossen und studiere an der Universität in XXXX , wo sie weiterhin studieren wolle. Sie könne sich ein Leben in der Republik Turkmenistan nicht mehr vorstellen.

Am 30.10.2019 wurde die Beschwerdeführerin im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Dabei gab sie zu ihren Lebensumständen in Österreich im Wesentlichen an, dass sie in Österreich sehr gut integriert sei. Sie habe viele Freunde, lebe bei ihrer Gastfamilie und habe einen österreichischen Freund, den sie heiraten wolle.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 16.12.2019, Zahl 500706009-190675239, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vom 03.07.2019 gemäß § 56 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 3 FPG gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Turkmenistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2019, Zahl 500706009-190675239, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 08.01.2020 eingebrachte Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin seit über zehn Jahren im Bundesgebiet lebe, eine Ausbildung an einer österreichischen BHS abgeschlossen habe und weit über das Niveau A2 hinausgehende Deutschkenntnisse aufweise. Sie habe das Studium der XXXX aufgenommen, wobei sie den Studienerfolg für das erste Jahr nur deshalb nicht habe nachweisen können, weil sie aufgrund der Nichteinzahlung des ÖH-Beitrages von ihrem Studium abgemeldet worden sei. Sie lebe bei ihrer Gastfamilie, sei schon bisher im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten einer Beschäftigung nachgegangen und habe eine konkret in Aussicht gestellte Beschäftigung, sodass von ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen sei. Sämtliche Voraussetzungen des § 56 AsylG seien sohin erfüllt, weshalb der Beschwerdeführerin die von ihr beantragte "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen sei.

2. Die Beschwerdevorlage vom 09.01.2020 langte am 14.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 19.02.2020 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt, zu der die Beschwerdeführerin in Begleitung ihres anwaltlichen Vertreters und ihres österreichischen Freundes erschien. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit E-Mail vom 13.02.2020 für die Verhandlung entschuldigt. Die Beschwerdeführerin machte auf richterliche Befragung Angaben zu ihrer Integration in Österreich und legte dabei unter anderem eine aktuelle Studienzeitbestätigung, eine Bestätigung über freiwilliges Engagement bei einer karitativen Organisation, einen Arbeitsvertrag als Kinderbetreuerin/Haushaltshilfe mit Beginn "ab Erteilung des Aufenthaltstitels" sowie ein Konvolut an Empfehlungsschreiben vor. Weiters wurden in der Verhandlung die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan, auf deren Einsichtnahme und Ausfolgung die Beschwerdeführerin und ihr Vertreter verzichteten.

Mit Stellungnahme vom 04.03.2020 machte die Beschwerdeführerin weitere Ausführungen zu ihren Lebensumständen im Bundesgebiet und legte eine von 21.09.2016 bis 31.12.2020 abgeschlossene Wohnrechtsvereinbarung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Turkmenistan. Sie reiste im Jahr 2009 legal nach Österreich und war zunächst als Au Pair tätig. Sie verfügte danach von XXXX bis XXXX über eine "Aufenthaltsbewilligung-Schüler" und nach Zweckänderung von XXXX bis XXXX über eine "Aufenthaltsbewilligung-Student". Nachdem die Beschwerdeführerin nicht rechtzeitig ihren ÖH-Beitrag einzahlte, wurde sie vom Studium abgemeldet und war damit nicht mehr in der Lage, den für die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung notwendigen Lernerfolg nachzuweisen.

2. Am 03.07.2019 stellte die Beschwerdeführerin im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2019, Zahl 500706009-190675239, abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen sie gemäß

§ 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass gemäß

§ 52 Abs. 9 FPG ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Turkmenistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

3. Die unbescholtene Beschwerdeführerin hält sich seit dem Jahr 2009 durchgehend in Österreich auf und hat während ihres langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet umfassende soziale und berufliche Integrationserfolge gezeigt.

So übt die Beschwerdeführerin seit Oktober 2009 mit jeweils nur kurzen Unterbrechungen beinahe durchgehend Tätigkeiten als geringfügig Beschäftigte aus. Parallel dazu besuchte sie die Abendschule einer XXXX und schloss diese mit der Reifeprüfung ab. Seit XXXX ist die Beschwerdeführerin für das Studium " XXXX " inskribiert und studierte von XXXX bis XXXX zusätzlich XXXX . In der Beschwerdeverhandlung zeigte sich, dass die Beschwerdeführerin fließend und beinahe akzentfrei Deutsch spricht, weshalb die Beiziehung eines Dolmetschers nicht erforderlich war.

Die Beschwerdeführerin verfügt über eine aufrechte Krankenversicherung, deren Beiträge sie selbst einzahlt, und lebt - wie aus einer von 21.09.2016 bis 31.12.2020 abgeschlossenen Wohnrechtsvereinbarung hervorgeht - unentgeltlich im Haus ihrer Gastfamilie. Die Beschwerdeführerin konnte zwei Arbeitsvorverträge als Haushaltshilfe/Kinderbetreuerin in zwei Privathaushalten vorlegen (Vollzeitbeschäftigung mit einem Bruttomonatsgehalt von 2.100 ? sowie Teilzeitbeschäftigung für 25 Stunden zu einem Monatsentgelt von 975,34 ?), sodass angesichts des zu erwartenden Einkommens von ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen ist.

Die Beschwerdeführerin ist seit 01.02.2020 dreimal in der Woche in der Lernbetreuung sowie in der sportintegrativen Betreuung einer karitativen Organisation ehrenamtlich tätig. Von der dortigen Projektleitung wird der Beschwerdeführerin großes Engagement, immenses Interesse und Eigeninitiative, Leistungsbereitschaft sowie hohe soziale Kompetenz bescheinigt.

Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über zahlreiche enge freundschaftliche Kontakte, die sie sich während ihres mehr als zehnjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet aufgebaut hat. Neben ihrer Gastfamilie, bei der sie im Jahr 2009 als Au-Pair tätig war und zu der bis heute eine enge Bindung besteht, hat die Beschwerdeführerin zahlreiche weitere soziale Kontakte; für eine Freundin aus der Schulzeit fungiert sie sogar als Trauzeugin. Die Beschwerdeführerin ist ferner Mitglied bei einem Tennisclub, nimmt regelmäßig an internen Veranstaltungen teil und ist sehr gut in das Vereinsleben integriert. In dem vorgelegten Konvolut aus sowohl freundschaftlichen als auch beruflichen Empfehlungsschreiben wird durchgehend die höfliche, freundliche und zuverlässige Art der Beschwerdeführerin gelobt und ihre erfolgreiche Integration in die österreichische Gesellschaft unter Nennung zahlreicher konkreter Beispiele hervorgehoben.

Darüber hinaus ist die Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger liiert, der sie auch zu der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begleitet hat.

2. Beweiswürdigung:

1. Die Identität der Beschwerdeführerin (siehe Feststellungen 1.), steht aufgrund der Vorlage ihres turkmenischen Reisepasses fest. Dass sich die Beschwerdeführerin seit 2009 in Österreich aufhält und über ein Schüler- und danach über ein Studentenvisum verfügt hat (siehe Feststellungen 1.), ergibt sich aus ihren Angaben im Verfahren sowie aus einem Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister.

2. Die Feststellungen zum bisherigen Verfahrensgang (siehe Feststellungen 2.) ergeben sich aus den gegenständlichen Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Die Feststellungen zur Situation der Beschwerdeführerin in Österreich (siehe Feststellungen 3.) ergeben sich aus amtswegig eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister sowie einem Versicherungsdatenauszug, den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung sowie den im Verfahren zahlreich vorgelegten Integrationsunterlagen und Unterstützungsschreiben; siehe dazu weiter unten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde und Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides

Im Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG abgewiesen.

Gemäß § 56 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017, kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen (§ 56 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012).

Gemäß § 56 Abs. 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, hat die Behörde den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des

§ 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung

(§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

Gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017 (IntG), in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2019, ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

Gemäß § 54 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, werden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen Drittstaatsangehörigen erteilt als:

1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt,

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,

3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 sind für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar (§ 54 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012).

Gemäß § 60 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden (§ 60 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012).

Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Gemäß § 11 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (NAG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

Gemäß § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 (ASVG), in der Fassung BGBl. I Nr. 84/2019, beträgt der Richtsatz gemäß Abs. 1 lit. a sublit. bb 882,78 ?, wobei die im Gesetz zuletzt erfolgte Anpassung für das Jahr 2019 933,06 ? beträgt. Aus einem öffentlich abrufbaren Dokument des Dachverbandes der Österreichischen Sozialversicherung mit dem Titel "Leistungsrechtliche Werte in der Sozialversicherung 2020, Stichtag 01. Jänner 2020", geht hervor, dass der Richtsatz nach § 293 ASVG für das Jahr 2020 auf 966,65 ? angehoben wurde.

Gegenständlich hält sich die Beschwerdeführerin seit ihrer legalen Einreise im Jahr 2009 für ihre Tätigkeit als Au-Pair seit mehr als zehn Jahren durchgängig im Bundesgebiet auf. In der Zeit von XXXX bis XXXX verfügte sie nachweislich über Aufenthaltsbewilligungen als Schülerin bzw. Studentin, sodass jedenfalls ein mehr als sieben Jahre langer rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet vorliegt. Dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2012 und 2016 für zwei Familienbesuche in die Republik Turkmenistan reiste, vermag ihren durchgängigen Aufenthalt entgegen der Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht zu unterbrechen: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bedingen kurzfristige Auslandsaufenthalte, etwa zu Ferienzwecken, keine Verlagerung der Lebensinteressen des Betroffen (VwGH 16.12.2014, Ra 2014/22/0071). Die Voraussetzungen des

§ 56 Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017, sind daher im Antragszeitpunkt als erfüllt anzusehen.

Weiters ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin mit erfolgreicher Absolvierung der Reifeprüfung an einer österreichischen XXXX über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife entspricht. Dieser berechtigte sie auch dazu, das gegenständlich inskribierte Studium der XXXX zu beginnen. Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 56 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017, iVm § 9 Abs. 4 Z 3 IntG, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2019, ist damit ebenfalls erfüllt, wobei noch anzumerken ist, dass die Beschwerdeführerin die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Gänze problemlos in deutscher Sprache absolvieren konnte.

Die Beschwerdeführerin hat aufgrund der vorgelegten Wohnrechtsvereinbarung Anspruch auf eine ortsübliche Unterkunft und verfügt gemäß einem aktuellen Versicherungsdatenauszug über eine aufrechte Krankenversicherung, sodass auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, erfüllt sind.

Ferner konnte die Beschwerdeführerin im Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels im Hinblick auf die Richtsätze nach § 293 ASVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 84/2019, ausreichende feste und regelmäßige eigene Einkünfte in der Höhe von monatlich 2.100 ? (Vollzeitbeschäftigung) oder 975,34 ? (für 25 Stunden) darlegen. Es ist dementsprechend davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin angesichts der vorgelegten Arbeitsvorverträge im Sinne des § 56 Abs. 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, selbsterhaltungsfähig ist und ihr Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft gemäß § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, führen würde. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass die Beschwerdeführerin jahrelang Tätigkeiten als geringfügig Beschäftigte ausgeübt hat und ihr Aufenthalt bisher zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft geführt hat.

Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint (VwGH 10.04.2014, 2013/22/0230). Bei der Prüfung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, ist eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen. Ein Abstellen allein auf den Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung verbietet sich dann, wenn in absehbarer Zeit mit einer Änderung der Einkommensverhältnisse zu rechnen ist. Es genügt für den Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass im Fall der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels eine konkretisierte Erwerbstätigkeit aufgenommen und damit das notwendige Ausmaß an Einkommen erwirtschaftet werden könnte (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0024 zu einem vorgelegten Arbeitsvorvertrag in Zusammenhang mit § 11 Abs. 2 Z 4 NAG). Dazu müsse nicht ein "arbeitsrechtlicher Vorvertrag" vorliegen, sondern es reicht eine glaubwürdige und ausreichend konkretisierte Bestätigung (VwGH 09.09.2014, 2014/22/0032; VwGH 27.05.2010, 2008/21/0630).

Hinweise darauf, dass durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem andern Völkerrechtssubjekt wesentlich beeinträchtigt würden, haben sich im Verfahren nicht ergeben

(§ 60 Abs. 2 Z 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012). Ebenso wenig haben sich Hinweise darauf ergeben, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels an die Beschwerdeführerin den öffentlichen Interessen gemäß § 60 Abs. 3 AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, widerstreitet, zumal die Beschwerdeführerin strafgerichtlich unbescholten ist und keine Hinweise auf ein Naheverhältnis der Beschwerdeführerin zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung bestehen. Gegen die Beschwerdeführerin besteht auch keine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, iVm § 53 Abs. 2 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 oder § 53 Abs. 3 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, oder eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz (§ 60 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012).

Die Beschwerdeführerin erfüllt somit auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 und § 60 Abs. 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, weshalb der Bescheid dahingehend abzuändern ist, dass ihr gemäß § 56 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt wird.

Diese berechtigt gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslbG. Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG, in der Fassung

BGBl. I Nr. 87/2012, sind Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat der Beschwerdeführerin den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, auszufolgen, welcher gemäß § 54 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen ist; die Beschwerdeführerin haben hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, mitzuwirken.

In Spruchpunkt II. bis IV. des angefochtenen Bescheides wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG gemäß

§ 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Turkmenistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Nachdem im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017, vorliegen, war der Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführerin gemäß § 56 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt wird. Die in Spruchpunkt II. bis IV. erfolgten Aussprüche erweisen sich vor diesem Hintergrund als hinfällig.

Von einer Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung konnte gemäß

§ 12 Abs. 1 BFA-VG abgesehen werden, da das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin die deutsche Sprache versteht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im konkreten Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der rechtlichen Beurteilung wurde dargestellt, weshalb die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels erfüllt sind und es wurde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen. Dieses Erkenntnis beschäftigt sich vor allem mit der Erforschung und Feststellung von Tatsachen und es ergaben sich im Lauf des Verfahrens keine Hinweise auf das Vorliegen von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Aufenthaltstitel Deutschkenntnisse Integration Selbsterhaltungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W215.2227468.1.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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